[B] Demo gegen Bombardement von Gaza vor Springer-Haus

Demo gegen Bombardement von Gaza vor Springer-Haus 1

Um 15 Uhr trafen sich etwa 1000 Menschen zum Protest gegen die deutsche Unterstützung der israelischen Regierung durch die BRD vor dem Axel Springer Haus. Der Sprecher der palästinensischen Gemeinde forderte "kritische Solidarität" mit dem "gerechten Widerstand des palästinensischen Volkes." Unkritische Meinungsmacher_innen könnten sich gerne "für die andere Seite" einsetzen - ein Seitenhieb gegen die Skandalfabrik Springer, die seit Beginn von Israels Krieg gegen die Bevölkerung Gazas dabei ist, das Massaker in Deutschland zu vermarkten.

 

Der Sprecher benannte ebenfalls als klaren "Feind" die Zionisten und betonte: "Nicht alle Zionisten sind Juden oder Israelis, nicht alle alle Juden oder Israelis sind Zionisten." Plumpe Holocaust-Vergleiche verbat er sich, nannte aber die Politik Israels mangels treffenderer Begriffe "faschistisch" und "kolonialistisch". Weiterhin sprachen eine Vertreterinnen der Gruppen "Code Pink" und "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost".

Auch ein deutscher Journalist, der soeben aus Gaza zurückgekehrt war, berichtete von zahlreichen Kriegsverbrechen des israelischen Militärs. Neben der UN-Schule wurden auch Flüchtlingslager bombardiert. Ganze Stadtteile seien zerbombt worden, mindestens 600,000 Menschen (ein Drittel der Bevölkerung!) obdachlos. Das in einer Gegend, in der gute 80% arbeitslos seien und die Mehrzahl der Leute von Hilfsrationen abhängig. Der aktuelle Angriff ist Teil einer Belagerung durch Aushungerung. Gaza hat keinen Hafen mehr und der Warenverkehr auf dem Landweg ist blockiert. Der Journalist sagte klar: "Die gesamte Bevölkerung Gazas unterstützt den Widerstand". Ebenfalls die Wiedererrichtung des Hafens die zentrale Forderung, ohne die kein Ende des Widerstands denkbar sei - denn one Lebensader zur Außenwelt ist Gaza dem langsamen Tod geweiht.

Die Demo war klar internationalistisch und gut besucht durch palästinensische und jüdische Organisationen sowie das gesamte Spektrum der deutschen Linken, bis hin zur unrühmlichen Grünen Partei. Die einzige Blamage für Deutschland waren haufenweise schlecht getarnte Zivilpolizist_innen, unschwer erkennbar an Nazi-Look und Knopf im Ohr. Nach einem heftigen Platzregen lief die Demo die geplante Route zum Potsdamer Platz.

 

Videos hier:

Journalist berichtet aus Gaza: https://www.youtube.com/watch?v=UFxy4Xg6JEo

Eröffnungsansprache: https://www.youtube.com/watch?v=zhJAcUXOjpM

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Das Video mit der Berichterstattung des Journalisten hat mich tief berührt. Danke an Ihn für seine klaren, verständlichen Worte!

 

Von Anarchist_innen auf der Demo verteilter Flyer:


 

Die Welt ist kein Schachbrett
Ein paar Gedanken zur Debatte über den Krieg im Nahen Osten

Ein paar kurze Worte zu Beginn:
Sich zum Thema Nahostkonflikt zu äußern ist in unseren Augen unglaublich schwie­rig. Genauso geht es eigentlich nicht, dies in einem kurzen Text umfassend zu tun. Gleichzeitig haben wir keine Lust mehr zu schweigen, wenn wir eigentlich schreien wollen. Wir sehen Leid und wollen uns auch dazu äußern. Wir haben bis jetzt den Fehler gemacht uns aufgrund unserer Kritik zu oft zurückzuhalten, statt uns zu trauen eine eigene – solidarisch-kritische – Position zu formulieren und offen zu vertreten.
Die Demonstration heute ist hier ein gutes Beispiel, finden wir doch den Aufruf sehr sympathisch und wollen uns deswegen auch solidarisch beteiligen, verstehen nur trotzdem nicht, warum wir hier wieder eine Einseitigkeit erleben müssen, die uns schon (zu) oft davon abgehalten hat, laut zu werden oder uns zu beteiligen.

Wir bitten dich als Leser_in um zwei Dinge:
1) Lies den Text komplett und nicht nur zur Hälfte
2) Mach dir bitte klar, dass wir uns zwar wünschen würden all unsere Gedanken noch viel, viel ausführlicher darzustellen, dies aber aufgrund des Platzmangels schlicht nicht können. Der Text stellt also eher einen groben Überblick unserer Gedankengän­ge zu dem Thema dar, als eine tiefgehende Analyse, die der Kompliziertheit der Ver­hältnisse gerecht würde. Wir sind sicher, du verstehst, was wir meinen.


Positionsbestimmung: Wer wir sind – Warum wir schreiben
Wir finden es wichtig, gerade in emotional aufgeladenen Debatten, deutlich zu ma­chen, aus welcher Position heraus gesprochen wird. Wir sind Anarchist_innen aus Berlin, mehr oder weniger hier geboren. Wir leiden nicht tagtäglich unter Ausgren­zung und wir haben auch keine Angehörigen im Nahen Osten. Dennoch beschäftigen auch wir uns seit teilweise fast einem Jahrzehnt auch mit den Geschehnissen dort. Wir führen seit Jahren Debatten, Gespräche und haben teilweise auch Streit hierüber. Wir denken nicht, dass nur weil wir nicht unbedingt betroffen sind, wir nicht die Fähigkeit hätten, uns eine Meinung zu bilden. Unsere eigene Position als mehr oder weniger „Unbetroffene“ ist uns hierbei jedoch bewusst.
Der folgende Beitrag unsererseits liegt uns schon seit Längerem auf dem Herzen. Denn es fällt uns schon seit Jahren schwer uns selbst in vorherrschenden Positionen wiederzufinden, können wir zwar viele Argumente nachvollziehen, sehen aber auch viel Kritisches. Zudem nervt es uns gewaltig, dass wir und auch viele andere um uns herum immer mehr in eine Art paralysierte Schockstarre verfallen und sich gar nicht mehr öffentlich äußern, da die Komplexität des Verhältnisse im Nahen Osten es oft schwer erscheinen lässt, Position zu beziehen.
Und damit sind wir auch bei einem unserer Hauptanliegen: Einem Dagegenreden ge­gen die ständige Forderung ob offen oder nur mitgedacht sich doch für eine von „zwei Seiten“ zu entscheiden. Durch die gesamte Debatte, durch fast alle Texte, durch alle Demonstrationen zieht sich dieses Märchen eines schwarz-weißen Zustandes in dem wir uns entscheiden müssten entweder Israel als „Schutzraum der Jüdinnen und Bollwerk gegen den Antisemitismus“, oder aber den „verzweifelten Befreiungskampf des unterdrückten palästinensischen Volkes gegen den Apartheidsstaat Israel“ bedingungslos zu unterstützen.
Das Ganze wird dann oft geschmückt mit einer faktenreichen aber extrem einseitigen Erzählung welche Argumente wir doch für die eine oder andere Seite sehen müssten, dass diese natürlich nicht alles richtig mache, aber im Großen und Ganzen doch ganz eindeutig die Seite sei, die unsere Parteinahme dringend nötig habe.
Wir sind das mehr als Leid. Nicht nur, weil wir es niemals als förderlich empfinden, wenn Verhältnisse nur aus einer Perspektive betrachtet werden, oder versucht wird komplizierte Dinge zu vereinfachen, um es sich selbst leichter zu machen. Wir wollen mit diesem Text das Wort dafür reden zu versuchen aus einem simplen schwarz-weiß Denken auszubrechen und vor allem Postion zu beziehen – Für ALLE die unter den Verhältnissen leiden, für ALLE, die an einem friedlichen Miteinander interessiert sind, für ALLE die für eine freiere und selbstbestimmte Welt eintreten.
Und gegen ALL JENE, die Menschen als Werkzeuge ansehen, ihre eigenen (Macht)Interessen durchzusetzen, die voller Menschenverachtung morden, schlachten und Leid verursachen. Gegen ALL JENE, deren Ziel die Aufrechterhaltung der Unter­drückung ist und nicht die Emanzipation.
Wir halten das ewige Hin-und-Her des „wer hat angefangen“ für extrem kontrapro­duktiv und vor allem auch oft einseitig. Zu oft versuchen Andere uns durch eine Fülle von (meist richtigen) Einzelbeispielen von der absoluten Bösartigkeit oder Großher­zigkeit irgendeiner Seite zu überzeugen – dies geht uns in der darin oft stattfindenden Einseitigkeit ebenso auf den Zeiger, wie das kaltschnäuzige Zählen von Leichen, um zu beweisen, „wer im Recht sei“.


Keine Solidarität mit Israel!
Keine Solidarität mit „dem“ palästinensischen Befrei­ungskampf!
Keine Solidarität mit der Unterdrückung!
Um es kurz vorwegzunehmen: Die Verhältnisse im Nahen Osten haben eine jahrhun­dertealte und komplexe Geschichte. Verschiedene Seiten haben in dieser Zeit viele Verbrechen gegen die Werte begangen, die wir haben. Auf allen Seiten hat es dabei maßlosen Hass und unglaubliche Taten gegeben, die unsere Herzen erfrieren lassen. Dies ist in unseren Augen in keiner Weise ein Konflikt einer klar „guten“ gegen eine klar „böse“ Seite. In keiner Weise können wir uns auch nur ansatzweise mit dem is­raelischen Staat solidarisieren, indem antiarabischer Rassismus an der Tagesordnung ist, der bewusst Tausende von Toten in Kauf nimmt, um sich gegen die Hamas zu wehren, der vielleicht behauptet eine Mauer aus purer Verzweiflung zu bauen, diese aber nutzt, um Gebiete und ganze Dörfer zu zerschneiden und mit ihr sein Gebiet ag­gressiv ausbaut. Ein Staat der der ultra-rechten Siedlungsbewegung in keiner Weise Einhalt gebietet und in dem Demonstrationen der politischen Linken für den Frieden von rechten Schläger_innen angegriffen werden – unter den Augen und der Zustim­mung der Polizei. Eine Anerkennung der historischen Verhältnisse und eines Schutz­raumes gegen den Antisemitismus kann für uns nicht bedeuten, all dies nicht mehr wahrzunehmen und dagegen eindeutig Stellung zu beziehen. Aus diesen Gründen sa­gen wir, trotz des Bewusstseins der Geschichte; So wie sich die Verhältnisse im Hier und Jetzt darstellen: Keine Solidarität mit dem Staat Israel.
Zugleich kann unsere Solidarität mit der leidenden Bevölkerung in Gaza und dem Westjordanland für uns nicht heißen, dass wir uns blind „für den palästinensischen Befreiungskampf“ aussprechen. Denn dieser steht in unseren Augen eben nicht nur für eine Befreiung einer unterdrückten Bevölkerung von einem System der Unter­drückung. Vielmehr vermischen sich in ihm vielschichtige Interessen. Wer sich bedin­gungslos für den palästinensischen Befreiungskampf ausspricht, schweigt eben auch bewusst von der Hamas, als Machthaberin im Gazastreifen, die in ihren (antisemiti­schen) Zielen und ihren Mitteln immer wieder ihre Menschenverachtung unter Be­weis stellt. Genauso von den arabischen Staaten, welche auf die Bevölkerung Paläs­tinas scheißen und ganz klar Interesse daran haben, dass der Konflikt bleibt um ein größeres Druckmittel gegen Israel zu haben. Ebenso wird oft verkannt, bzw. ignoriert oder in Kauf genommen, dass im Fahrwasser der Palästinasolidarität weltweit auch ein massiver Antisemitismus offen ausgelebt wird. Eine Bewegung, die nicht auch mindestens diese Punkte miteinbezieht und sich auch praktisch dagegen wendet, ist unserer Meinung nach nicht an einer wirklichen Verbesserung der Situation aller Menschen interessiert.
So, wie wir Israel verachten, für seine Kriegsführung, verachten wir den Kampf, des­sen Mittel Raketen auf Zivilist_innen, Selbstmordattentäter_innen und andere schmutzige Formen des Krieges sind, wie z.B.  Propagandalügen, Entführungen von Kindern oder der Missbrauch Unbeteiligter als Schutzschilde. Mit warmen Gefühlen der Solidarität im Herzen und in der Praxis verweisen wir auf die Kämpfe der indige­nen Bevölkerungen in Mexiko (wie z.b. der EZLN) oder den Kampf der Kurd_innen, die uns deutlich zeigen,  wie auch aus verzweifelten Situationen heraus Menschen zu Mitteln des Kampfes greifen, die nicht ihre Schlächter kopieren.
In diesem Krieg jedoch sind alle Hände schmutzig. Und wir glauben nicht an die gu­ten Intentionen Vieler, die sich für Palästina aussprechen. Deswegen sagen wir auch klar: Keine Solidarität mit „dem“ palästinensischen Befreiungskampf!

An dieser Stelle sei kurz angemerkt, dass es eigentlich unmöglich ist, eine eigene Po­sition zu beziehen, ohne über Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus zu sprechen. Wir bitten um Verständnis, dass der Platz in einem solchen Text begrenzt ist und uns schlicht fehlt, um hier in einem befriedigenden Maße darauf einzugehen. Dies ist nicht gleichzusetzen mit einer Ignoranz unsererseits gegenüber diesen The­men.

Hoch die antinationale Solidarität!
Wir als Anarchist_innen weigern uns, uns für irgendeine „Seite“ zu entscheiden, de­ren Mittel und Intentionen schlicht menschenverachtend sind und die wir im Übrigen auch nicht so klar definiert sehen. Wir weigern uns auch Unterdrückung gegen Unter­drückung einzutauschen. Gerade die Geschichte Israels zeigt doch, dass das Märchen, das Nationalismus etwas Gutes hervorbringen könne, schlichtweg falsch ist. Gegrün­det aus guten Interessen und von den Menschen, die die größte aller Barbareien erlei­den mussten, ist selbst dieser Staat heute ein Beispiel für massenhafte Unter­drückung. Wir befürchten ganz klar, dass auch ein palästinensischer Staat nicht zu ei­ner Befreiung der Menschen dort führen würde, sondern nur zum Ausbau einer weite­ren herrschenden und unterdrückenden Klasse. Wir setzen uns nicht dafür ein, dass Palästinenser_innen in Zukunft von Palästinenser_innen, anstatt von Menschen aus Israel (oder sonst wo) unterdrückt werden. Nationalismus und Staatenbildung wird nirgends zu einer wirklichen Befreiung führen. Wenn wir ernsthaft an einer Befreiung Aller interessiert sind, müssen wir aus dieser Logik ausbrechen und überlegen, wie wir eine wahrhaft freie Gesellschaft aufbauen können.

Unsere aufrichtige Solidarität gehört deswegen denjenigen, die sich überall auf der Welt für eine freiere und solidarische Gesellschaft einsetzen. Sie gehört von ganzem Herzen denen, die sich in Israel, in Palästina, in den arabischen Staaten und überall sonst klar gegen Unterdrückung – und zwar jede Form davon - einsetzen. Speziell in diesem Ge­biet also all die Antiautoritären, die sich für ein Ende des Krieges und für eine friedli­che Koexistenz aller Menschen, Ethnien und Religionen einsetzen.
Die sich deutlich gegen alle wenden, die die Situation ausnutzen und den Hass schü­ren, die klar Position beziehen: Gegen die herrschende Klasse in Israel, gegen die Hamas, gegen die Fatah, ge­gen die Unterdrücker_innen in den arabischen Nachbarstaaten, gegen jede Form von Antisemitismus und gegen jede Form von (antimuslimischen) Rassismus.

Für die Gesellschaft der Freien – Für den Anarchismus!

Einige Anarchist_innen