[KE] Kein Spass mit Nationalismus, Vertreibung und Repression

Transpi

Kein Spass mit Nationalismus, Vertreibung und Repression Fast ist es vorbei, das Fahnenmeer über der deutschen Karosserie- und Balkonlandschaft. Nicht mehr schwarz, rot, gold überall. Recht so. Mit Fußball hatte das freilich nichts zu tun: Es geht um nationale Identität und die dahinterstehende Ideologie. Da versteht selbst die deutsche Justiz, die die Behauptung unter den Nationalfahnen befände sich die Farbe gelb bis 2008 unter Strafe stellte, keinen Spass. Wir auch nicht!

Um den nationalen Taumel und die darüber ausgeblendeten Folgen der heimischen Fußballparty anderswo auf der Welt nicht unwidersprochen hinzunehmen, hängten wir heute vor dem letzten Spiel der deutschen Männernationalmannschaft ein Transparent über den stark befahrenen Schumacherring in Kempten im Allgäu.

 "Kein Spass mit Nationalismus, Vertreibung und Repression!"


Nationalismus

Von Autofähnchen zu Nationalismus? Es geht doch nur um Fußball! Na klar - und es ist sicher reiner Zufall, dass fast alle "Deutschen" augenblicklich wissen, für welche Mannschaft sie mitzufiebern haben. Zufall, dass sich die Menschen immer erst dann massenhaft für Fußball begeistern lassen, wenn die eigene Nation auf dem Spielfeld vertreten ist während der Fußball-Weltpokal - die Weltmeisterschaft in der tatsächlich Fußballvereine statt Nationen gegeneinander antreten - die meisten Leute wenig interessiert. Und Zufall, dass ein Kommentator der AZ (4.7.) glaubt, ein "Wesen des Franzosen" herbeischreiben zu können. Es geht offensichtlich um Nationalismus: Die irrationale Begeisterung für die "eigene" Nation. Oder geht es doch nur um Patriotismus? Tatsächlich fängt das Problem weder erst bei der Abwertung der anderen Nationen an, noch bei der Aufwertung der eigenen: Das Problem steckt bereits im nationalen Denken selbst, welches Menschen, Sachen und Eigenschaften mit einem nationalen Etikett versieht. Dabei wird die Welt eingeteilt in ein Eigenes - "Wir" - und die Anderen, die Fremden, die nicht dazugehören. Ausgrenzung steckt also schon von Anfang an im nationalen Denken drin. Wie brandgefährlich dieses Denken gerade in einer Zeit ist, in der etwa die Anschläge und Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte zunehmen und sich Aufmärsche vor diesen Einrichtungen häufen, muss hoffentlich nicht weiter ausgeführt werden.

 Was hingegen sehr viel mit Fußball - jedenfalls mit dieser Inszenierung und Verwertung durch die FIFA - zu tun hat, sind die sozialen Folgen dieses Ereignisses an den Austragungsorten. Dieses Mal ist Brasilien dran.


 Räumungen und Vertreibung

 Im Vorfeld der WM (und den olympischen Sommerspielen, welche 2016 in Rio stattfinden sollen) wurden in Brasilien im Zuge von Stadionbau, Stadtumbau und Veränderung der Sicherheitsarchitektur mehr als 250.000 Personen zwangsgeräumt, -umgesiedelt oder sind noch davon bedroht. Ganze Stadtviertel wurden dem Erdboden gleichgemacht um Platz zu machen für den Tross an Konsument\_innen, der aus aller Welt angereist kommt.

 Allein in Rio de Janeiro sind davon 20.000 Familien betroffen. So wurden beispielsweise 500 Familien der Vila Autódromo, 700 Familien der Communidade do Metrô Mangueira, 60 Familien der Favela do Sambódromo, 300 Familien der Favela Belém-Belém sowie das Aldeia Maracanã (eine von Indigenen besetztes Gebäude in unmittelbarer Nähe des berühmten Maracanã-Stadions) geräumt. Die Bewohner\_innen der Communidade do Metrô da Mangueira, die sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Maracanã befand, wurden trotz heftigen Widerstands, mit vorgehaltener Waffe und unglaublicher Gewaltanwendung gezwungen ihre Häuser zu verlassen, welche anschliessend vollständig zerstört wurden, um Platz für Parkplätze des Maracanã zu schaffen.


 Repression und Gewalt

 Bereits lange im Vorfeld des Megaspektakels wurde mit der sogenannten "Befriedung" der Favelas begonnen um das Bild eines für Tourist\_innen sicheren Rios zu vermitteln. Die Unidade de Polícia Pacificadora (UPP / Befriedende Polizeieinheit) besetze Ende 2008 als erstes die Favela Morro do Santa Marta in Botafogo, einem Stadtteil der reicheren Südzone. Auch das Vergnügungsviertel Lapa ist durch die Operacão Lapa Presente besetzt. Die Operation die von mehreren staatlichen Stellen u.a. der Militärpolizei koordiniert wird, patroulliert mit nach eigenen Angaben 138 Beamt\_innen in den Abendstunden durch das Viertel. Überall in Rio de Janeiro sind Polizeieinheiten stationiert, mehrere Städte haben die Hilfe des Militärs für die Zeit während der Spiele beantragt. Den Aufbau der Sicherheitsarchitektur ließ sich der brasilianische Staat mehr als eine Milliarde Euro kosten.

 Auch auf legislativer Ebene geht der Staat in eine autoritäre Offensive. Ein neues Anti-Terror-Gesetz sieht absurd hohe Strafen vor, die sogar jene des Nationalen Sicherheitsgesetzes während der Militärdiktatur übertreffen. Demnach sollen "gewalttätige Proteste" als terroristisch eingestuft werden können. Beteiligte oder willkürlich verhaftete sollen zwischen 15 und 30 Jahren eingesperrt werden können.

 Diese autoritäre Aufladung schlägt, wie Amnesty International kritisiert, in direkter Gewalt durch Polizeieinheiten wie die unter anderem vom niedersächsischen SEK ausgebildete und für blutige Einsätze gefürchtete BOPE durch: Favelas und Anti-WM-Aktivist\_innen werden überfallen, deren Sachen und die Menschen selbst verschleppt. Der Favela-Bewohner Amarlido etwa wurde am 14. Juli 2013 zusammen mit vielen anderen verhaftet und ist nicht zurück gekehrt.


 Gewaltige Kosten – Enorme Gewinne

 Die teuerste WM aller Zeiten kostet umgerechnet ca. 11 Mrd. Euro, davon werden 90% aus Steuergeldern bezahlt. Währenddessen geht die FIFA von einem Rekordgewinn von mindestens 5 Mrd. US-Dollar aus, den sie steuerfrei aus dem Land bringen darf. Neben der FIFA sind multinationale Konzerne wie Adidas oder Coca-Cola die Gewinner des WM-Spektakels, ebenso wie die riesigen Baufirmen und Sicherheitsunternehmen. Währenddessen gibt es erhebliche Probleme im Gesundheits- und Bildungsbereich, sowie im öffentlichen Nahverkehr. Schulen werden geschlossen, während das Gesundheitssystem vernachlässigt wird. Eine der Hauptkritikpunkte der Protestbewegung ist daher auch die Verschwendung öffentlicher Mittel und die Unterversorgungen der öffentlichen Institutionen und Dienstleistungen.



 "A FESTA NOS ESTÁDIOS NÃO VALE AS LAGRIMAS NAS FAVELAS" (Das Fest im Stadion ist nicht die Tränen der Favelas wert).

 Kein Spass mit Nationalismus, Vertreibung und Repression.

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krasseste ist doch, das genügend "linke" den immer noch spürbaren aggresiven nationalismus fälschlicherweise als abgeschwächten softmultikultipatriotismus und eventereignis verkaufen um sich samt "kein mensch ist illlegal" - shirt selbst am kollektiv zu berauschen. tja, das kommt bei rum wenn anti-antideutsch bewegte mehr und mehr die "linke" repräsentieren. da werden halt halbstark schwuchtel und juden sowie deren freund_innen geboxt. gerade wenn die kindermörder wieder mal zivilist_innen bombadieren (;  und zeitgleich deutsches wm gold winkt. dann wirds mal wieder gruelig. nacht!

Ist das bei euch auf dem Dorf die einzige Fahne, die aktuell weht? In der Stadt sieht man eigentlich alle möglichen Fahnen der vertretenen Länder. Auch Autokorsos für beinahe jede vertretene Nation sind an der Tagesordnung. Welchen Grund gibt es, sich gerade an einer einzigen so festzumachen? Fühlt sich der Schreiber da irgendwie völkisch verbunden, oder woher kommt diese Fixierung?

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Ist das bei euch auf dem Dorf die einzige Fahne, die aktuell weht?

Ja

Also wenn du mich fragen würdest, dann würde ich sagen, hängt die "Fixierung" an der Dominanz eben jenes völkisch/nationalen Kollektivs oder was auch immer. Nicht, dass andere Nationalismen unproblematisch wären, aber wenn ich mich eben in einem Gebiet bewege, in dem ein gewisses Farbspektrum am ätzendsten, wirkmächtigsten und gewalt(tät)igsten ist, dann beziehe ich mich eben in meiner Kritik in der Hauptsache darauf. Wär ich woanders, wäre auch sicher das anders.

Die Akteur_innen der Aktion sehen das sicher ähnlich, sonst hätten sie wohl ein Banner "Kein Spass mit Deutschland..." gehängt. "Dem Schreiber" würde ich da inhaltliche Nähe zuschreiben und unterstellen, dass er_sie das ähnlich sieht.