Prozessbeginn gegen Humanistische Jugendbewegung GDM in Murmansk (Ru)

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Die russische Menschenrechtsorganisation Humanistische Jugendbewegung Murmansk (GDM) ist wie derzeit diverse NGOs in Russland unter dem Vorwand angeklagt, sie seien „ausländische Agent*innen“ (foreign agents). Die Staatsanwaltschaft nennt als wichtigstes Argument dafür die von der GDM herausgebrachte "Menschenrechte-Jugendzeitung", die einem sprachwissenschaftlichen Gutachten zufolge „voller versteckter Botschaften und Aufforderungen“ sei, die verfassungsmäßige Ordnung gewaltsam zu ändern und die Integrität der Russischen Föderation zu schädigen.

 

Die Humanistische Jugendbewegung setzt sich für kritisches Denken und die Stärkung humanistischer Werte ein, gegen Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung und organisiert Kongresse und Festivals für Jugendliche.

 

Außerdem haben zwei Aktivist*innen der GDM Sitze in der regionalen Gefängnis-Kontrollkomission von Murmansk. In dieser Eigenschaft sind sie berechtigt, Gefangene ohne Vorankündigung in der Haft zu besuchen und Mängel der Haft zu benennen. Eben das dürfte das eigentliche Problem sein. Die Aktivist*innen befürchten den Verlust dieser Mandate, sollten sie vom Amtsgericht Murmansk als „ausländische Agent*innen“ eingestuft werden.Wenn sich die GDM dann innerhalb einer Frist nicht als „ausländische Agent*in“ registrieren lässt, drohen der Organisation ein Bußgeld in Höhe von ca. 10.000 €, den Vorsitzenden je 6.000 €, bei Nichtbezahlung auch bis zu mehrjährige Haftstrafen.


„Auch kleinen russischen Menschenrechts- und Umweltgruppen, die den Herrschenden wegen ihres Engagements unbequem werden und durch ein Konstrukt wie das der 'foreign agents' arbeitsunfähig gemacht werden, gilt unsere internationale Solidarität“, so H. Lange vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. „Zwar gibt es hierzulande noch kein derartiges Konstrukt des Spionagevorwurfs um gegen ganze Initiativen vorzugehen, zuzutrauen wäre es den Verfolgungsbehörden jedoch. Denn gerade gegen Umweltaktivist*innen geht der deutsche Staat immer wieder verstärkt vor, um wirtschaftliche Interessen gegen die der Menschen und Umwelt durchzusetzen.“


Der öffentliche Prozess beginnt am Dienstag den 8. Juli 2014. Bereits am 16. Juni gab es einen Prozessauftakt unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Rote Hilfe e.V.
Bundesvorstand

www.rote-hilfe.de

 


 

Solidaritätserklärung der Roten Hilfe e.V.:

 

Solidarität mit der Humanistischen Jugendbewegung (GDM) in Murmansk/Russland


Wer sich zivilgesellschaftlich engagiert, und den Herrschenden dabei lästig wird, ist auch in Russland staatlicher Repression ausgesetzt. Ein Beispiel ist die Menschenrechtsorganisation Humanistische Jugendbewegung (GDM) aus Murmansk, gegen die am 08. Juli 2014 ein Prozess beginnt. Angeklagt ist die GDM, sie sei angeblich eine „ausländische Agentin“. Die Rote Hilfe e.V. erklärt sich solidarisch mit den russischen Aktivist*innen der GDM und fordert ein Ende der staatlichen Verfolgung.


Das Gesetz zu „ausländischen Agent*innen“ wurde vor zwei Jahren in Russland eingeführt, Anfang Juni 2014 verschärft, und trifft die Aktivist*innen jetzt mit voller Härte. Bislang endeten mehr als 90% der Anklagen nach der „Foreign Agent“ Gesetzgebung mit Verurteilungen im Sinne der Anklage und die Gruppen lösten sich in der Folge auf, weil sie durch existenzbedrohende Strafen und gesellschaftliche Ausgrenzung arbeitsunfähig gemacht werden.


Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die russische Sprachregelung „Agent*in“ anders als im englischen oder deutschen Sprachgebrauch, nicht einfach ein*e Vertreter*in von bestimmten Interessen meint, sondern tatsächlich im Sinne von Spionen. Der Begriff ist aus dem kalten Krieg, russische „Normalbürger*innen“ gehen auf Distanz, wenn sie ihn hören. Der russische Staat stellt es so dar, als müssten die angeblich „aus dem Ausland finanzierten“ NGOs nur ihre Finanztransaktionen offenlegen und könnten ansonsten wie vorher weiterarbeiten, aber das stimmt so nicht.


Die Aktivist*innen der GDM arbeiten zwar mit anderen Menschen und Gruppen zusammen, auch über nationale Grenzen hinweg und erhalten auch Spendengelder aus dem Ausland, aber hier von einer „Steuerung“ aus dem Ausland auszugehen ist völlig abwegig. Die Aktivist*innen vermuten einen ganz anderen Hintergrund: die Humanistische Jugendbewegung setzt sich für kritisches Denken und die Stärkung humanistischer Werte ein, gegen Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung und organisiert Kongresse und Festivals für Jugendliche (wie z.B. das Vostok- Forum, das jetzt Ende Juli in der Region Murmansk von der GDM mitorganisiert wird). Außerdem haben zwei Aktivist*innen der GDM Sitze in der regionalen Gefängnis-Kontrollkomission von Murmansk. In dieser Eigenschaft sind sie berechtigt, Gefangene ohne Vorankündigung in der Haft zu besuchen und Mängel der Haft zu benennen. Eben das ist wahrscheinlich das eigentliche Problem, vermuten die Aktivist*innen der GDM: „Unsere Inspektionsberichte haben mehrfach deutliche Verbesserungen bewirkt. Aber die Arbeit des Komitees ist für die Gefängnisleitungen unbequem. Sollte GDM als „Ausländischer Agent“ gebrandmarkt werden, verlieren wir die Mandate.“


Das Gerichtsverfahren gegen die Menschenrechtsaktivist*innen aus Murmansk wurde vom russischen Geheimdienst FSB (ehemals KGB) angeregt. Interessanterweise hat die regionale Außenstelle des Justizministerium in Murmansk eine Stellungnahme vorgelegt, dass ihrer Einschätzung nach die Kriterien für einen „Foreign Agent“ nicht vorlägen, und äußert außerdem Zweifel an dem vorgelegten FSB-Gutachten. Das ist wohl einmalig, dass das russische Justizministerium vor Gericht Stellung gegen eine Kategorisierung als „Foreign Agent“ bezogen hat – Menschenrechtsbeobachter*innen sagten dies sei noch nie vorgekommen.


Nach der Logik der Gesetzgebung hätte sich die Humanistische Jugendbewegung von sich aus als „ausländische Agentin“ registrieren lassen müssen. Da sie dies nicht getan hat, drohen bei Verurteilung hohe Geldstrafen (ca. 10.000 Euro). Wir senden den angeklagten Aktivist*innen unsere solidarischen Grüße und wünschen gutes Gelingen beim Vostok-Forum.

 

Hoch die internationale Solidarität!

 


 

weiterführende Links:

Radiobeitrag im Radio Unerhört Marburg, Interview mit einer Aktivistin von GDM: https://www.freie-radios.net/64812

deutsche Blogsportseite mit Solidaritätsaufruf: http://russlandantirep.blogsport.de/ (hier ist auch zu erfahren, wie es weitergeht mit dem Prozess)

deutsche Seite des Vostak Forum: http://www.ag-russland.de/index.php/projekte/vostok-forum/

Solidaritätserklärung der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg: http://www.bi-luechow-dannenberg.de/?p=12077

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Thanks for all support what u made...
Thats very nice to know, that there are people in germany, who put a lot of efforts for us...
Unfortunately, our court today have a strange outcome... will see what will happened in nearest future...
Any way, i really appreciate of all what u are doing, and i also thankful to other people, who organize thissupport
Take care
Big hug to u

Ein russischer TV-Sender brachte Ausschnitte vom gestrigen Prozesstag (alles in russisch): http://arctic-tv.ru/tv-novosti/poisk-zapadnyh-shpionov-sredi-obshestvenn...

Heute wurde der Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung im "Foreign Agent"-Verfahren gegen die Humanistische Jugendbewegung (GDM) mitgeteilt. Sie wird am 10. September 2014 am Amtsgericht in Murmansk stattfinden. Bis dahin soll ein neues "psychologisch-linguistisches Gutachten" von Texten aus der von GDM herausgegebenen "Jugend für Menschenrechte Zeitung" erstellt und ins Verfahren eingeführt werden. Das erste, vom "Zentrum gegen Extremismus" beauftragte Gutachten der Anklage war so offensichtlich tendenziös gewesen, dass Richterin Zemtsova eine Verurteilung damit wohl nicht begründen will und es selbst als zweifelhaft bezeichnete. Dass weder die ablehnende Stellungnahme des für das "Foreign Agent"-Register zuständigen Justizministeriums, noch das von der Verteidigung beauftragte wissenschaftliche Gegengutachten von ihr als Grundlage für einen Freispruch genutzt wurden, deutet ein weiteres Verfolgungsinteresse zumindest an.

Die Pausierung des Gerichtsprozesses wurde jetzt bis 25. September verlängert, weil das neue vom Gericht beauftragte psychologisch-linguistische Sprachgutachten nicht in der angesetzten Zeit fertiggestellt werden konnte.