Aufbauend auf einem unserer Leitartikel über den Zustand der NPD vor etwa einem Jahr, wollen wir einige aktuelle Entwicklungen der Kreisverbände überblicksartig darstellen. Manches mag aufmerksamen Leser_innen einschlägiger Publikationen vielleicht schon bekannt sein, anderes dagegen wurde bisher noch nicht veröffentlicht. Wir werden versuchen die Entwicklungen kurz und übersichtlich, nach den einzelnen Kreisverbänden gegliedert, zusammenzufassen.
Generell steckt NPD in Schleswig-Holstein in einer Krise, die sich immer
weiter verschärft. Der jährliche “Trauermarsch” durch Lübeck wurde
dieses Jahr schon das zweite Mal in Folge abgesagt und
öffentlichkeitswirksame Auftritte gibt es aktuell nur noch vereinzelt im
Gebiet des Kreisverbands Segeberg-Neumünster. Allgemein sind offene
Auftritte von mehr als fünf Neonazis in Schleswig-Holstein höchst
selten. Doch auch neonazistische Subkultur leidet. Bedingt durch
persönliche Streitigkeiten und antifaschistische Aufklärungsarbeit,
herrscht in weiten Teilen der Szene Verunsicherung und Misstrauen. Die
andauernde Schwäche der etablierten neonazistischen Organisationen hält
an und mehr und mehr Kameradschaften im Umfeld der NPD zerfallen. Ob die
NPD als gemeinsames Label überhaupt noch das Potential besitzt, den
rechten Personenkreis zu vereinen, darf bezweifelt werden – gerade in
Anbetracht der Machtkämpfe und Schlammschlachten innerhalb der
Bundespartei. Allerdings mangelt es derzeit an Alternativen. “Die
Rechte” mit ihrer Kieler Funktionärin Ingeborg Lobocki konnte sich trotz
vielfacher Ankündigungen und Besuchen vom Bundesvorsitzenden Christian
Worch in Kiel nicht etablieren. Teile der Szene, insbesondere in
Nordfriesland, sympathisieren mit der neuen Neonazi-Partei “Der Dritte
Weg”, einem parteipolitischen Flügel der süddeutschen
Kameradschaftsszene. Doch auch diese Partei hat bisher keine Basis in
Schleswig-Holstein. Lediglich die Organisationsform der “Bruderschaften”
scheint einen zumindest moderaten Zuwachs zu erfahren. Damit dürfte
sich die Szene allerdings noch weiter von öffentlicher Politik und damit
auch der NPD entfernen.
Segeberg-Neumünster
Der Kreisverband Segeberg-Neumünster ist auch aktuell der Aktivste in
Schleswig-Holstein. Doch hat auch dessen Aktionismus im Vergleich zu den
letzten beiden Jahren stark nachgelassen. Öffentliche Auftritte finden
vereinzelt bei Ratssitzungen des Stadtrats Neumünster über den
NPD-Neu-Ratsherrn Mark Proch oder bei Info-Tischen meist in kleineren
Ortschaften statt. Doch auch die personelle Basis des Kreisverbands
bröckelt. Einigen langjährigen Aktivist_innen scheint der
gesellschaftliche Gegenwind gegen ihre neonazistischen Umtriebe
zunehmend die Motivation zu rauben, für die Partei einzutreten und
andere Mitglieder verlieren sich in persönlichen Streitigkeiten. So
vermeiden mit Michael Denz und Arne Voss zwei relativ engagierte
Mitglieder zunehmend die Öffentlichkeit. Während sie für den
Kreisvorsitzenden Daniel Nordhorn lange Zeit zum Stammpersonal bei
Kleinstkundgebungen gehörten, nehmen sie aktuell zwar weiter an
Aktivitäten der rechten Szene teil, versuchen das aber tunlichst vor der
Öffentlichkeit zu verbergen. Öffentlichkeitsarbeit lässt sich so nicht
gestalten. Auch die inzwischen in Seth wohnhafte ehemalige Kieler
Neonazistin Katharina Schubert verlies im letzten Jahr ihren Posten als
Schatzmeisterin des Kreisverbands, nachdem sie dieses Amt zuvor schon
jahrelang für den Kreisverband Kiel-Plön bekleidet hatte. Als Ersatz
sprang Mark Prochs Frau Sonja Proch ein. Doch da die Beziehung der
Prochs zerrüttet ist, kommt es wie so oft: Persönliche Fehden werden
über Politik gestellt und Sonja Proch verlässt mit ihrem Mann auch den
Posten der Schatzmeisterin der NPD Segeberg-Neumünster. Da noch niemand
für die Nachfolge in Sicht ist, schweigt sich die NPD zu diesen
Vorkommnissen bisher aus.
Doch der Posten der Schatzmeisterin ist nicht die einzige Baustelle. So scheinen auch Konflikte zwischen verschiedenen Flügeln der Neumünsteraner Neonaziszene die Partei zunehmend zu schwächen. Insbesondere die Betreiber der rechten Kneipe “Titanic”, Horst Micheel und Pascal Micheel, bis vor kurzem noch wichtige Aktivposten der Partei, scheinen mit den Führungskadern um Mark Proch und Daniel Nordhorn im Konflikt zu liegen. Neben persönlichen Vorwürfen dürfte die Gemengelage eher profan sein: Während die Micheels gute Kontakte zu den “Bandidos” unterhalten, sympathisieren die Führungsebene des Kreisverbands und deren Anhänger_innen mit den verfeindeten “Hells Angels”. Insbesondere Mark Proch wird seine Vorliebe für die “Hells Angels” in Teilen der Szene übel genommen. Auch holen Daniel Nordhorn zunehmend seine Eskapaden ein. Sein Substanzkosum bringt Teile der Szene gegen ihn auf, nach unserer Veröffentlichung seiner Mitgliedschaft im “Schützenverein Marianne” in Heikendorf hat er seinen Posten im Vereinsvorstand verloren und jüngst wurde er auch noch verurteilt. Außerdem griffen Proch, Nordhorn und weitere Neonazis wie Alexander Meeder, Nordhorns Rechte Hand bei den Info-Tischen, im November 2013 eine Gruppe Fotograf_innen an. Trotzdem versucht sich Nordhorn aktuell als aufstrebender Führungskader in Stellung zu bringen: Im Oktober 2013 im Saarland und vor wenigen Wochen in Berlin nahm er an Führungskräfteschulungen der Bundespartei teil.
Lübeck-Ostholstein
Auch der Kreisverband Lübeck-Ostholstein kämpft derzeit mit Problemen.
Insbesondere in Ostholstein, eigentlich eine Region mit relativ aktiver
neonazistischer Vernetzung im Rechtsrock und dem “NSU”, hat die Partei zuletzt ihre aktionistische Basis eingebüßt. Bedingt durch die Querelen um Marcus Tietz, dem Umzug von Miriam Haack nach Bayern und der Orientierung von NPD-Kandidaten wie Kai Sager in Richtung Rechtsrock oder Fabian Wittig zu “Identitas Nord” ist die NPD im Kreisgebiet von Ostholstein kaum noch wahrnehmbar.
Etwas anders gestaltet sich die Situation in Lübeck, auch wenn die
Partei hier ebenfalls schwächelt. Mit Jörn Lemke wohnt einer der
aktivsten Kader der schleswig-holsteinischen NPD in der Stadt. Durch
seine Nähe zu der Kameradschaftsszene in Lübeck und Stormarn, gelingt es
ihm immer wieder, Akzente zu setzen, wenn auch nachhaltiger Erfolg
meist ausbleibt. So stammt die Idee der “Braunen Hilfe”
aus der Lübecker Neonaziszene und es waren an dem Angriff in
Neumünster zum “Heldengedenken” maßgeblich Personen aus dem Umfeld der
Lübecker NPD und dem “Aktionsbündnis Lübeck/Stormarn” beteiligt. Doch
auch die vermeintlich aktive Szene in Lübeck musste zuletzt herbe
Niederlagen einstecken. Der jährliche “Trauermarsch” musste die letzten
beiden Jahre abgesagt werden, die maßgeblich von Jörn Lemke betreute
NPD-Mitgliederzeitschrift “SH-Stimme” erscheint statt vierteljährig nur
noch halbjährig, Kundgebungen finden nicht mehr statt, das Jörn Lemke
zugerechnete Portal der Kameradschaftsszene, “Mein SH”, war lange
inaktiv und ist aktuell nicht mehr erreichbar, selbst der neonazistische
Bloghoster “logr.org” ist nicht mehr bereit, dem “Aktionsbündnis
Lübeck/Stormarn” Webspace zur Verfügung zu stellen. Auch mehrt sich in
der Szene der Unmut über den “Solifond”,
dessen Gelder von dem Neonazi Jörn Gronemann veruntreut wurden. Als
Konsequenz werden dem Projekt “Braune Hilfe” nur geringe Chancen
eingeräumt, da sich keine Neonazis mehr finden, die den Lübecker Kadern
ihr Geld anvertrauen möchten. Dennoch scheint es der Lübecker NPD zu
gelingen, zumindest vorerst zu verhindern, dass aktive Neonazis sich
gänzlich von der Partei abwenden.
Lauenburg-Stormarn
Der Kreisverband Lauenburg-Stormarn steckte im Jahr 2013 in einer schweren Krise. Nach dem Abgang vom Kreisvorsitzenden Kay Oelke brach der Kreisverband weitgehend zusammen und wurde vom Landesvorstand
kommisarisch verwaltet. Vor allem Jörn Lemke und der Landesvorsitzende
Ingo Stawitz versuchten, teilweise mit Aufbauhilfe aus dem benachbarten
Mecklenburg-Vorpommern, neue Strukturen zu schaffen. Dem Kreisverband,
der seinen organisatorischen Schwerpunkt traditionell im Kreis Herzogtum
Lauenburg hat, während sich die Neonazis aus Stormarn verstärkt
Richtung Lübeck oder Hamburg orientieren, gelang es erst im März 2014
einen neuen Vorstand zu wählen. Den Vorsitz übernahm Simon Haltenhof,
sein Stellvertreter ist Martin Vorwerk. Ebenfalls im Vorstand ist der
langjährige Neonazi und verurteilte Brandstifter an einer
Flüchtlingsunterkunft Heinrich Förster. Um den Kreisverband zu
reaktivieren, hat die NPD in Lauenburg die ohnehin große Nähe zu der
Kameradschaftsszene weiter ausgebaut. Zuletzt fanden mehrere klandestin
organisierte Aktionen zum “Heldengedenken” an deutsche
NS-Verbrecher_innen statt. Aktuell hetzt der Kreisverband gegen ihren
ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden Sebastian Sommer, der über die
Webseite der Ausstiegsorganisation Exit bekannt gab, aus der rechten
Szene ausgestiegen zu sein.
Kiel/Plön/Rendsburg-Eckernförde
Während die NPD im Kreisgebiet Rendsburg-Eckernförde nicht
handlungsfähig ist, liegt ihre organisatorische Basis in Kiel und im
Kreis Plön. Allerdings hat sie hier in den letzten Jahren einen massiven
Niedergang zu verzeichnen. Der langjährige Neonazi Roland Fischer
wandte nach internen Machtkämpfen der Partei den Rücken zu und die aktuellen Führungsfiguren des Kreisverbands, Hermann Gutsche,
Jens Lütke und Björn Schubert, werden jeweils von einem Teil der
schleswig-holsteinischen Neonazis angefeindet. Björn Schubert gilt
schlicht als inkompetent und unzuverlässig und Jens Lütke hat als
stellvertretender Landesvorsitzender und Mitarbeiter des
NPD-Unterstützers Dietmar Munier zwar eine wichtige organisatorische
Funktion, wird aber von Teilen der Szene, aufgrund seiner Behinderung
und als “Frauenschläger”, angefeindet. Der NPD-Ratsherr von Kiel,
Hermann Gutsche, ist weitgehend inaktiv, lässt sich kaum noch bei
Veranstaltungen der Neonazis sehen und spielt deshalb im politischen
Alltag kaum noch eine Rolle. Seinen Wahlkampf zur Wiederwahl ins Rathaus
musste er weitgehend ohne Unterstützung von NPD-Mitgliedern bestreiten.
Schließlich verhalf ihm die neonazistische Fussballmannschaft
“Bollstein Kiel” doch noch zum Ratssitz.
In der Konsequenz liegt die politische Arbeit im Kreisverband weitgehend
am Boden. Vom Kreisverband organisierte Propagandaaktionen, seien es
Info-Tische, Flugblattverteilungen oder Kundgebungen, finden nicht mehr
statt. Webseite und Emailadresse werden teilweise über viele Monate
nicht betreut. Auch zu den “Deutschlandfahrten” des NPD-Bundesvorstands
in Kiel 2012 und 2013 kamen jeweils nicht mal eine Handvoll örtlicher
Neonazis. Die NPD-nahen “Freien Nationalisten” Kiel verschwanden mit
Roland Fischer fast gänzlich von der Bildfläche.
Jüngst verstarb mit Günter Kawlewski ein Wehrmachtsveteran, NPD-Gründungsmitglied, -Funktionär und -Geldgeber aus Kiel.
Trotz der aktuellen Schwäche haben die Neonazis in Kiel und Plön
sicherlich eines ihrer größten Potentiale in Schleswig-Holstein.
Wahlergebnisse, der Versuch eine JN in Kiel aufzubauen oder die breite neonazistische Infrastruktur zeugen davon. Doch zumindest vorerst ist die NPD aufgrund
gesellschaftlichen Drucks und interner Feindschaften nicht in der Lage,
auch nur Teile dieses Potentials abzurufen.
Nordfriesland/Schleswig-Flensburg
Wenig Veränderungen sind im nördlichsten Kreisverband zu verzeichnen.
Aktionen sind selten, oft nur grenzübergreifend mit dänischen Neonazis
(wir berichteten).
Die eigene Öffentlichkeitsarbeit beschränkt sich auf das gelegentliche
Verteilen von Flyern, meist allein oder in Kleinstgruppen. Insbesondere
in Husum und dem nordfriesischen Umland steht der NPD eine zunehmend
parteikritische Kameradschafts- und Bruderschaftsszene gegenüber.
Während einige Mitglieder dieser Gruppierungen vor wenigen Jahren noch
für die NPD bei Wahlen antraten, stehen sie dem relativ alten örtlichen
NPD-Kreisverband inzwischen skeptisch gegenüber.
Dithmarschen/Steinburg/Pinneberg
Auch an der Westküste dominieren ältere Spießbürger_innen den
Kreisverband. Die Aktivitäten der Mitglieder um den
NPD-Landesvorsitzenden Ingo Stawitz und seinem Stellvertreter Kai Otzen
ließen jüngst nochmals nach. So sind die Zeiten regelmäßiger
Kundgebungen im Hamburger Umland anscheinend vorbei. Insbesondere das
Ausscheiden des zwischenzeitlichen Aktivpostens Steffen Peter scheint
das Potential des Kreisverbands nochmals geschwächt zu haben. Ähnlich
wie Daniel Nordhorn, versucht sich auch Rudolf Rosenthal durch
Führungskräfteschulungen der NPD für höhere Aufgaben zu empfehlen.
Allerdings scheint daran im Fall von Rosenthal selbst in der NPD niemand
zu glauben.
Auch wenn der Kreisverband aktuell auf niedrigem Niveau stagniert, hat
er doch traditionell gute Kontakte zur Kameradschaftsszene, besonders im
Pinneberger Raum. Durch dieses Mobilisierungspotential sind im Falle
einer Wiedererstarkung der organisatorischen Basis öffentliche Auftritte
wieder denkbar.
Es wird deutlich, dass die NPD und weite Teile der sie umgebenden Neonazi-Szene derzeit arge Schwierigkeiten haben, ihre Kräfte zu bündeln und zu mobilisieren. Dennoch bergen die rechte Infrastruktur, die internationalen Kontakte und die Basis an unorganisierten Neonazis ein Potential, dass auch zukünftige Aufmerksamkeit erfordert. Dabei haben sich die Organisationen schon oft genug als austauschbar erwiesen. Also wächst mit der Schwäche der NPD auch gleichzeitig die Lücke, die andere neonazistische Strukturen nutzen könnten. Erste Versuche in diese Richtung sind noch zaghaft, allerdings könnte diesem Trend zukünftig eine größere Bedeutung zukommen.
Sind schlicht "pleite" (fast)
Wahl in Schleswig-Holstein 2012
NPD: 0,7%
-> keine Wahlkampfkostenrückerstattung
CDU: 30,8%
-> Bekam Geld
FDP 8,2%
-> Bekam Geld
Gibt also noch mehr zu tun, da ja Parteien vorhanden, welche nicht gegen Nazidemos zu Blockaden aufrufen. Antifaschist*Innen aus Berlin machen es vor.
https://de.wikipedia.org/wiki/Landtagswahl_in_Schleswig-Holstein_2012
HH Auswärtsfahrt
Am Freitag 4.4.14 stehen Nazis des ABLS in Lübeck vor Gericht.
Rechtzeitiges Erscheinen sicher die besten Plätze .