[De] Auswertung des 8. März in Dessau

no nazis

Am 8. März 2014 galt es in Dessau, sich mit gleich zwei Demonstrationen von neonazistischer Seite auseinander zu setzten. Die Nazis wollten nicht nur ihren jährlichen „Trauermarsch“ vom Hauptbahnhof bis in den Süden der Stadt durchführen, sondern gedachten obendrein, am Abend durch den eher linksalternativen Stadtteil Dessau-Nord zu ziehen.

 

Während der „Trauermarsch“ leider schon fast zu einer Art „Tradition“ geworden ist, sahen wir uns mit der zutiefst rassistischen Demo am Abend einer neuen Bedrohung ausgesetzt, welcher es sich entschieden entgegen zu stellen galt. Da die regionalen „Kameradschaften“ ihre „Heulparade“ scheinbar in Gefahr sahen, oder zumindest daran zweifelten diese ohne größere Störung durchführen zu können, wurde ihnen vom Verwaltungsgericht in Halle eine zweite Demo am Abend durch Dessau-Nord und die Innenstadt erlaubt.

 

Zum „Trauermarsch“

 

Während im letzten Jahr die Teilnehmerzahl dieser geschichtsrevesionistischen Versammlung deutlich gestiegen war, kamen diesmal auch in Dessau die Mobilisierungsprobleme der „Freien Kameradschaften“ zu Tage. Waren es 2013 noch über 300 Neonazis, so kamen dieses Jahr lediglich ca. 240 Nazis um die Geschichte zu verklären. Diese sammelten sich, wie jedes Jahr, zu 12:00 Uhr am Hauptbahnhof, um von dort quer durch die Innenstadt nach Dessau-Süd zu ziehen.

Für die Realisierung dieses Vorhabens stellte die PD- Ost ca. 1300 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet, sächsische Reiterstaffeln, Hunde und einen Hubschrauber zur Verfügung. Es sollte der größte Einsatz in der Geschichte für die PD- Ost werden.

 

Ab 11:00 Uhr begann am Bahnhof das Bühnenprogramm des „Netzwerks Gelebte Demokratie“, welches mit mit Musik und Redebeiträgen die Bürger unterhalten sollte. Leider konnte dieser Veranstaltung, auch dieses Jahr wieder, nur bedingt ein politischer Charakter unterstellt werden.

Selbstbeweihräucherung und Wahlwerbung, da ja Kommunalwahlen anstehen, regionaler Politiker und miserable Redebeiträge, zusammen mit eintöniger „gute Laune Musik“, ließen eher eine Kirmes denn eine politische Veranstaltung vermuten. Eine Ausnahme bildete hierbei der kritische Redebeitrag einer Gruppe, in welchem u.a. die Auseinandersetzung der Stadt Dessau mit dem Fall Oury Jalloh und andere Probleme thematisiert worden. Der Moderator, Daniel Kutsche von der SPD, wollte offenbar keine kritischen Töne über die Stadt, das Netzwerk usw. zulassen und spielte während des Redebeitrags die Musik wieder ein, schaltete das Mikrophon ab und führte das „offene Mikro“ ad absurdum. Glücklicherweise war ein Großteil der Anwesenden bereit den Beitrag zu vernehmen und Herr Kutsche musste das Mikro freigeben.

Als die Nazis dann gegen 13:00 vom Hbf losmarschieren wollten, mussten sie in der Antoinettenstrße bereits das erste mal stocken, da kleine Sitzblockaden ihnen den Weg versperrten und von der Polizei geräumt werden mussten.Im laufe des Tages kam es trotz des massiven Polizeiaufgebots immer wieder zu spontanen Sitzblockaden auf der Route der Nazis, welche durch die Teilung der Stadt in zwei Hälften von den Gegenprotesten, auch der Menschenkette, getrennt werden sollten. Trotz teils gewalttätigen Eingreifens der Polizei, auch durch Polizeipferde, kam es nur zu leichten Verletzungen einiger Antifaschisten_innen.

Am Zielort der Nazis, dem Friedhof 3 in Dessau-Süd, gelang es Gegendemonstranten_innen die Kundgebung der Faschisten mit Trillerpfeifen und lauten Sprechchören zu sabotieren und ein „ehrenvolles“ Gedenken zu verhindern.

Vom Friedhof zogen die Nazis dann weiter zum Bahnhof Dessau-Süd, wo sie ihre Abschlusskundgebung hielten und sich in zwei Gruppen aufteilten. Während eine Gruppe in die Züge stieg und nach Hause fuhr, verblieb die zweite Gruppe vor Ort und wurde dann mit 12 Autos zu Wörlitzer Bahnhof gebracht um sich für die Demo am Abend zu sammeln.

 

Zur Demo am Abend

 

Obwohl die Nazis zu 18:00 am Abend mobilisiert hatten, dauerte es doch sehr lange, bis sie ihren eigentlichen Auftaktplatz, den Kreisverkehr Kurt-Weil- und Marienstr, erreicht hatten und ca. 130 Nazis gegen 19:00 mit ihrer rassistischen Hetzjagd begannen. Voraus gegangen war ein Verwirrspiel der Polizei und der Faschisten um den Auftaktpunkt und Route der Demo, weshalb organisierte antifaschistische Aktionen sehr schwierig zu koordinieren waren. Trotzdem konnten neuralgische Punkte in Dessau-Nord, wie das Ajz, besetzt und die Route der Nazis somit zumindest eingeschränkt werden.

Eine spontane Versammlung, vorausgegangen war eine Sitzblockade, an der Ecke Karl- und Jonitzer Str. konnte nur wenige Meter neben einer der Kundgebungen durchgeführt werden und mit Trillerpfeifen und Megaphon die ausländerfeindlichen rassistischen Hasstiraden übertönen.

Danach kam es noch zu einem Zwischenfall, als einem Nazi die Fahne aus der Demo heraus abhanden kam. Dabei wurden zwei Personen von der Polizei festgenommen, aber nach kurzer Zeit wieder frei gelassen.

Auf ihrem Weg zurück zum Bahnhof liefen die Nazis auch durch einen Teil der Innenstadt, welcher noch am Nachmittag (14:00 bis 14:15 Uhr) von der so hoch gelobten Menschenkette „beschützt“ worden war. Nach unserer Einschätzung besitzt diese Menschenkette, welche diesmal angeblich 3000 Bürger umfasste, somit nicht einmal mehr Symbolcharakter.

Zumindest wurde den Nasen am NH Hotel eine Kundgebung vom Polizeipräsidenten untersagt.

Nach 21:00 erreichte der Demozug dann mit dem Hbf sein endgültiges Ziel und gegen 22.00 waren alle Nazis abgereist oder wieder nach Süd zu ihrem Treffpunkt gefahren worden.

 

Zusammenfassung

 

Auch wenn beide Aufmärsche nicht verhindert und nur der „Trauermarsch“ teilweise verzögert werden konnte, so können wir doch ein positives Fazit aus diesem Tag ziehen.

Positiv hervor zu heben ist sicherlich, dass die Zusammenarbeit aller Aktiven an diesem Tag funktioniert hat. Personen aus verschiedenen politischen Spektren haben sich an den Vorbereitungen und der Struktur für den Tag beteiligt und darauf können wir sicherlich aufbauen. Ein besonderer Dank geht dabei vor allem an die auswärtigen Unterstützer_innen, mit denen wir hoffentlich auch in Zukunft gemeinsam gegen Naziaufmärsche agieren werden. Danke auch an die Kochgruppen und Sanis, für die es sicherlich auch ein langer und anstrengender Tag war.

Insgesamt haben uns ca. 150 Antifaschisten_innen aus verschiedenen Städten und Bundesländern an diesem Tag unterstützt, von denen auch viele Abends in Nord mit dabei waren. Dafür vielen Dank auch an Euch. Auch scheinen endlich mehr und mehr Bürger in Dessau wach zu werden und haben sich u.a. in Dessau-Nord aktiv am Widerstand/ Blockaden beteiligt.

Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr ( 7.März 2015) und auch zu anderen Veranstaltungen, noch viel mehr Leute nach Dessau bekommen, um ihren Aufmärschen wieder adäquat etwas entgegensetzen zu können.

Da unsere Strukturen noch immer Aufbau begriffen und am zusammenwachsen sind und sich die Gruppe, welche die Gegenaktionen organisiert hat, erst Anfang 2014 gefunden hat, war es uns leider nicht möglich, eine ausreichende und frühzeitige Mobilisierung und Kampagne auf die Beine zu stellen und ein wirklich tragfähiges Konzept für den Tag zu beschließen. Aufgrund der leider zu geringen Zahl an Aktiven an diesem Tag, mussten wir unser ausgearbeitetes Konzept kurzfristig ändern, was dazu führte, dass keine größeren koordinierten Blockaden/ Aktionen zu Stande kamen. Wir werden auch in Zukunft auf die Unterstützung anderer Gruppen angewiesen sein und wir würden uns wünschen, dass ihr uns auch in den nächsten Jahren zahlreich unterstützt, damit die Nazis in Dessau irgendwann nicht mehr laufen können. Nur wenn die verschiedenen linken Strömungen an einem Strang ziehen, so wie an diesem Tag, ist es möglich die Nazis auch in einer kleineren Stadt wie Dessau in die Schranken zu weisen.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Als die Faschos mit ihrer Kundgebung begangen, war der Bahnhofsvorplatz seit einer Viertelstunde so gut wie leer. Das kann ich persönlich bestätigen. Habe da fast alleine protestiert.

Die Blockade kurz darauf im Anschluss war kein Problem, denn du brauchtest ja nur vor die Demo fix zu sprinten, war deren "trauerquatsch" ja nun wirklich von der Geschwindigkeit maximal Schneckentempo.