Dass der baskische Friedensprozess trotz massiver Repression nicht mehr zu stoppen ist, hat sich in den letzten Tagen deutlich gezeigt. Zehntausende demonstrierten gegen die Verurteilung zu Haftstrafen von bis zu zehn Jahren von baskischen Führungspersönlichkeiten haben sich am Sonntag nun auch die Gefangenen der ETA dem Abkommen von Gernika in der für die Basken so bedeutsamen Stadt angeschlossen. Als Reaktion darauf hat nun die internationle Beobachtergruppe die Kommission gebildet, die den einseitigen und dauerhaften Waffenstillstand der ETA überwachen wird. Damit tritt der Friedensprozess in die entscheidende Phase ein.
Die langjährigen Friedensbemühungen im Baskenland zeigen Früchte. Nun ist die internationale Vermittlungsinitiative, in der sich auch vier Friedensnobelpreisträger befinden, nach 18 Monaten eifriger Tätigkeit einen wesentlichen Schritt gegangen. Die Initiative, die vom südafrikanischen Anwalt Brian Currin koordiniert wird, der sich schon in diversen Friedensprozessen einen Namen gemacht hat, stellte im Baskenland die "International Commission of Verification of Ceasefire in the Basque Country" (CIV) vor. Die Kommission wird von fünf Männern gebildet und von einer Frau koordiniert.
In der Gruppe sticht die renommierte Dialogue Advisory Group (DAG) aus Amsterdam hervor. Ihr gehört die Koordinatorin Fleur Ravensbergen genauso an, wie Ram Manikkalingam. Der DAG-Präsident steht gleichzeitig der Kommission vor und auch er hat in verschiedenen Friedensprozessen weltweit interveniert. Dazu kommt der Südafrikaner Ronnie Kasrils, der in seiner Heimat zwischen 2004 und 2008 als Minister für den Geheimdienst verantwortlich war. Dazu kommen auch der frühere Interpol-Präsident, Raymond Kendall und Chris Maccabe, der für die britische Regierung an den Friedensverhandlungen in Nordirland teilgenommen hat. Reichlich Erfahrung mit Konfliktlösung hat auch Satish Nambiar. Der indische General leitete den ersten UN-Einsatz im ehemaligen Jugoslawien.
Die Aufgabe der Kommission ist, die einseitigen Verpflichtungen der baskischen Untergrundorganisation ETA zu überprüfen. Die spanische und französische Regierung hat die Kommission zwar offiziell nicht anerkannt, doch inzwischen wird erklärt, dass man sie auch nicht behindern werde. Einen "permanenten und überprüfbaren Waffenstillstand" hatte die ETA schon am 10. Januar erklärt. Und vor einem Jahr hatte sie eingeräumt, längst in einer stillen Waffenruhe gewesen zu sein. Denn die ETA wollte die Friedensbemühungen der baskischen Linken nicht zu torpedieren, die sie zuletzt mit dem Abbruch der Waffenruhe Ende 2006 gesprengt hatte. Seit mehr als zwei Jahren hat sie keine Anschläge mehr durchgeführt und befindet sich damit in der längsten Waffenruhe ihrer 50-jährigen Geschichte.
Mit wachsweichen Zusicherungen der ETA wollten sich weder die baskische Linke noch die internationalen Vermittler zufrieden geben. Mit der Erklärung von Gernika hatten die baskische Linke deshalb die ETA erstmals unmissverständlich zu der permanenten und überprüfbaren Waffenruhe als "Ausdruck des Willens" aufgefordert, die bewaffneten Aktivitäten definitiv beenden zu wollen. Der Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele wurde dabei eine definitive Absage erteilt, um die Gewaltspirale zu durchbrechen.
Dass die internationalen Vermittler nun ihre Überprüfungstätigkeit aufnehmen, hat mit einem weiteren historischen Schritt zu tun. Denn zum Jahrestag des Abkommens von Gernika, hatten sich m vergangenen Sonntag haben auch die Gefangenen der ETA dem Abkommen angeschlossen. Denn seit mehr als einem Jahr wurde auch unter den fast 800 Gefangenen debattiert, die wegen über Knäste in ganz Spanien und Frankreich verteilt sind. Am Sonntag haben sich also auch die Gefangenen der Untergrundorganisation ETA dem Abkommen in der für die Basken so bedeutsamen Stadt Gernika angeschlossen. Auch die Gefangenen machten deutlich klar, dass der eingeschlagene Weg unumkehrbar ist. Die baskische Linke will ein "gewaltfreies Szenario" für die "politische Normalisierung" schaffen, in dem sich alle "politischen Projekte" entwickeln können. Eingeschlossen ist natürlich das Szenario einer baskischen Unabhängigkeit. Bisher tut Spanien nämlich vordergründig so, dass sich die Repression gegen die ETA und ihre Gewalt richtet. Faktisch haben die illegalen Zeitungs-, Organisations- und Parteiverbote aber längst gezeigt, dass faktisch eine politische Position kriminialisiert wird.
Gloria Rekarte und Jon Agirre Agiriano unterschrieben für das Kollektiv der baskischen politischen Gefangenen (EPPK) das Abkommen. Es sind Ex-Gefangene der ETA und Agirre Agiriano wurde erst kürzlich entlassen, nachdem er eine Haftstrafe von 30 Jahren verbüßt hatte. Verlesen wurde auch die EPPK-Erklärung. Die Gefangenen erklären, dass ein dauerhafter Frieden nur ohne "Sieger und Besiegte" möglich sei und sie fordern eine "Amnestie". Sie weisen aber darauf hin, dass Spanien auf die Friedensbemühungen mit verschlechterten Haftbedingungen reagiert habe. Zudem würden Verhaftete weiter gefoltert und mit Sortu (Aufbauen) sei erneut eine Partei verboten worden, worüber aber noch das Verfassungsgericht entscheiden muss.
"In diesen Momenten stellt diese Vorgehensweise und diese Politik das größte Problem für einen Friedensprozess dar", erklärten die Gefangenen. Sie hatten auch im Blick, dass gerade Arnaldo Otegi, Rafa Díez und drei weitere Führer der baskischen Linken vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid zu hohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren verurteilt wurden, die diesen Friedensprozess auf den Weg gebracht haben. Der Ex-Sprecher der verbotenen Partei Batasuna, Otegi, und der Ex-Generalsekretär der Gewerkschaft LAB, Díez, sollen sogar "ETA-Führungsmitglieder" sein, hatte der Nationale Gerichtshof geurteilt.
Gegen dieses Urteil waren am Samstag etwa 25000 Menschen in der baskischen Metropole Bilbao auf die Straße gegangen und schon eine Woche zuvor hatten zehntausende auf einer länger vorbereiteten Demonstration in Donostia für die Rechte der Gefangenen demonstriert. Das Urteil gegen Otegi, Diez und die übrigen Angeklagten Schon zuvor hatte Brian Currin in einem Interview das Urteil als "Skandal" bezeichnet.
Demonstriert wird nicht nur gegen die "politische Justiz", sondern stets wird auch für eine "demokratische Lösung" eingetreten. Auf der Demonstration wurde ein Brief verlesen, den Otegi für die Verurteilten geschrieben hat. Er erklärt, dass mit den Verhaftungen 2009 der Strategiewechsel der baskischen Linken verhindert werden sollte. Es gäbe in im Staat mächtige Kräfte, die nur ein Interesse verfolgten: "Den Frieden zu verhindern." Sie versuchten weiter zu verhindern, dass es zu "neuen Schritten im unumkehrbaren offenen demokratischen Prozess kommt". Das werde ihnen nicht gelingen, sagte er voraus.
Alle baskischen politischen Kräfte hatten sich über das Urteil empört. Deutlich wurde sogar der Sprecher der großen Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV). Auch Joseba Egibar sprach von einem "Skandal" und er warf der spanischen Regierung direkt vor, für das politische Urteil verantwortlich zu sein. "Die Zeit hat längst gezeigt, dass diese fünf Personen uneingeschränkt für politische und demokratische Wege eingetreten sind und die Gewalt, auch die der ETA, ablehnen.” Egibar hofft, dass der Oberste Gerichtshof oder das Verfassungsgericht das Urteil aufheben. Beide Gerichte stellen sich immer öfter gegen den Nationalen Gerichtshof. So hatte zum Beispiel der Oberste Gerichtshof eine zweijährige Haftstrafe kassiert, die Angela Murillo gegen Otegi verhängt hatte, weil sie eindeutig befangen war. Das hinderte das Sondergericht aber nicht daran, dass sie erneut zur Präsidentin der Kammer in diesem Prozess gegen Otegi und die übrigen Angeklagten berufen wurde.So hatte der Oberste Gerichtshof kürzlich eine zweijährige Haftstrafe gegen Otegi wegen Befangenheit kassiert.
Spanien wurde ebenfalls gerade vom Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg zur Strafzahlung verurteilt, weil sie die Meinungsfreiheit von Otegi eingeschränkt hatte. Und das Verfassungsgericht kassierte im Mai sogar das Bildu-Verbot. Die Koalition "Sammeln" wurde damit auf Anhieb zweitstärkste Kraft bei den Wahlen im Mai. Erwartet wird, dass sie bei den Parlamentswahlen im November sogar zur stärksten Kraft im Baskenland wird.
© Ralf Streck, den 29.09.2011
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