Verfassungsgericht kippt Verbot baskischer Linkskoalition

Bildu legal

Das spanische Verfassungsgericht hat das undemokratische Verbot der baskischen Linkskoalition Bildu (Sammeln) kassiert. Bildu kann nun an den Regional- und Kommunalwahlen am 22. Mai teilnehmen. Warum viele Sachen in Baskenland etwas anders laufen, hat auch mit der lebhaften selbstorganisierten Widerstandskultur in Dörfern und Kleinstädten zu tun, weshalb ich auch auf diesen Artikel verweisen möchte.

 

In einer Erklärung spricht die Koalition "von einem Sieg der baskischen Gesellschaft gegenüber dem Unrecht und schäbigen Interessen." Gemeint ist das Interesse, in Gemeinden, Provinz – und Regionalparlamenten die Wahlergebnisse erneut über den Ausschluss der baskischen Linken stark zu verzerren. So regieren im baskischen Regionalparlament seit zwei Jahren erstmals spanische Sozialdemokraten (PSOE) mit der ultrarechten Volkspartei (PP) als spanisch-nationalistische Front. Die Parteien, die sich in Spanien als schärfste Rivalen darstellen, sind sich gegen die Basken einig, aber von von einer Stimmenmehrheit genauso weit entfernt sind wie stets zuvor.

 

Legt man das Ergebnis der Europaparlamentswahlen 2010 auf die Regionalwahlen 2009 um, als mit IISP eine Wahloption für die baskische Linke ebenfalls vom Verfassungsgericht zugelassen wurde, dann hat die spanisch-nationalistische Front sogar Zustimmung eingebüßt. II-SP bekam aus dem Stehgreif 16% der Stimmen im Baskenland und damit zeigt sich, dass Bildu 20% erreichen dürfte. Damit wird vor allem die völlig absurde Situation in Kleinstädten und Dörfern korrigiert. Dort wurden vor vier Jahren oft sogar mehr als die Hälfte der Stimmen ungültig gewertet, weil sie an verbotene Listen gingen. Krassester Fall ist Lizartza wo nur noch die PP antrat, die mit wenigen Stimmen also die absolute Mehrheit bekam, weil mehr als 90% der Stimmen illegalisiert waren. Das Dorf bekam eine ortsfremde Bürgermeisterin, die sofort eine große spanische Fahne zur Provokation gehisst hat.

 

Doch diese Verbotspraxis sollte nun noch deutlich ausgeweitet werden. Mit Bildu waren nun auch die sozialdemokratische Solidaritätspartei (EA) und Alternatiba betroffen, eine Abspaltung der Vereinten Linken (IU) im Baskenland. Den Verbotsantrag der spanischen Regierung hatte noch Anfang der Woche die Sonderkammer für Parteiverbote am Obersten Gerichtshof abgenickt, wie sie es bisher in allen anderen Fällen getan hat. Erstmals seit 2003 hat nun das Verfassungsgericht das Verbot einer bedeutsamen baskischen Formation kassiert.

 

Die höchsten Richter konnten der Argumentation der Regierung nicht folgen, wonach es sich erneut um eine Formation handele, die von der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) bestimmt wird. "Strohmänner" von Batasuna kontrollierten für die Untergrundorganisation der ETA angeblich auch Bildu. Beweise dafür gab es keine. Die Mehrheit der Verfassungsrichter folgte damit dem Minderheitsvotum des Obersten Gerichtshofs. Dort hatten 7 von 16 Richtern keine Verbotsgründe gesehen. Sogar im Mehrheitsurteil war nicht einmal angezweifelt worden, dass EA und Alternatiba die Gewalt der ETA stets verurteilt haben. Verfassungsrechtler hatten aber auch stets erklärt, dass es kein Verbotsgrund sein kann, wenn Ex-Batasuna-Kandidaten für Bildu kandidieren, schließlich wurden ihnen die bürgerlichen Rechte nicht aberkannt. Da dies aber früher schon zu Verboten geführt hatte, wurde das vermieden.

 

Dabei hat sich linke Unabhängigkeitsbewegung und Batasuna längst von der Gewalt der ETA distanziert, um die Kräfte vereinen zu können, die für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland eintreten und die ETA zu einer unbefristeten Waffenruhe gezwungen. Sauber sind diese Wahlen trotzdem nicht. Denn das Verfassungsgericht hat bisher nicht über Gründung der neuen baskischen Linkspartei Sortu (Aufbauen) entschieden. In der will sich die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung neu formieren. Auch sie wurde von dem Sondergericht verboten, doch das Verfassungsgericht wird wohl erst nach den Wahlen entscheiden.

 

Doch auch Sortu könnte nun legalisiert werden, das hat mit politischen Interessen zu tun. Möglich wurde die Entscheidung zu Bildu mit der knappen Mehrheit von 6 zu 5 Richtern am Verfassungsgericht nur möglich, weil es dort neue Mehrheiten gibt. Kürzlich wurden Richter, einst von der rechten Volkspartei (PP) ernannt, ausgetauscht, deren Mandat längst abgelaufen war. Deren Urteile, als sie wesentliche Teile des neuen katalanischen Autonomiestatuts beschnitten, hatte zu scharfen Reaktionen geführt.

 

Die spanische Regierung unter Zapatero hätte bei einer Bestätigung des Verbots vor einer dramatischen Situation gestanden. Denn die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), auf deren Stimmen die Regierung Zapatero in Madrid angewiesen ist, wollte nicht mehr tatenlos zusehen, wie auch frühere Koalitionspartner verboten werden. Die PNV schützt Zapatero aber Misstrauensanträgen der Konservativen, die seit langem zu seinem Sturz blasen. Sie segnete dafür alle Sparpläne und Reformen ab. Doch Parteichef Iñigo Urkullu drohte, Zapatero könne bei "zukünftigen Initiativen" nicht mehr auf die PNV zählen, denn die Regierung sei für die Lage verantwortlich, weil sie das "Verbot beantragt hat".

 

In Spanien hätten dann vorgezogene Neuwahlen angestanden und der von Experten prognostizierten Absturz des Landes wäre noch schneller näher gerückt. Auch politisch hätte sich die Parallele zu den Vorgängen in Portugal und Irland aufgedrängt, wo ebenfalls die Regierungskrisen den Absturz befördert haben. Die wirtschaftliche Situation in Spanien ist mit fünf Millionen Arbeitslosen (mehr als 21%) und einem weiterhin hohen Haushaltsdefizit ohnehin noch fataler als in Portugal. Nach bisherigen Umfragen werden Zapateros Sozialdemokraten (die sich Sozialisten nennen) bei den Wahlen wegen ihres Versagens in der Wirtschaftspolitik heftig abgestraft werden. Nach Katalonien könnten sie alle anderen Regionen verlieren, die Hochburg Andalusien eingeschlossen, womit sich das Ergebnis der Parlamentswahlen in einem Jahr abzeichnet. Zapatero, auch über seine fatale Atompolitik gestolpert traut sich ohnehin nicht mehr anzutreten.

 

© Ralf Streck, den 03.05.2011