Zu den Massenfestnahmen in München-Giesing – Eine Gegendarstellung

do not question authority

Am Samstagabend wurden in Giesing 49 Menschen kontrolliert, stundenlang eingekesselt und schließlich festgenommen und eingesperrt, bis sie schließlich Stück für Stück fotografiert und auch ihre Fingerabdrücke abgenommen wurden. Das steht fest und kann man überall lesen. Jedoch liegen Welten zwischen dem, was im Vorhinein wirklich passiert ist und dem, womit die Bullen und die Medien diese Festnahme begründen und was im Internet unhinterfragt und unkritisch wiedergegeben wird.

 

Es gab keine Randale, keine Verwüstung, keine gemeinschaftlich begangenen Sachbeschädigungen, keine Eskalation. Es gab ein Konzert, in der Trambahn, nicht mehr und nicht weniger. Auf diesem Konzert waren viele unterschiedliche Leute und es sind unterschiedliche Sachen passiert. Es wurde gesungen, getanzt, gegröhlt und getrunken und es war schön und spaßig. Unter anderem wurden die Kameras in der Trambahn abgeklebt und anscheinend ein paar Sticker und Tags mit Stiften hinterlassen. Diese fielen dem Trambahnfahrer erst im Depot auf. Was die Bullen bzw. Medien daraus machen, ist ein wildes Gelaber von „Verwüstung, mehreren zerkratzten Fahrzeugen, Graffitis etc.“. Nachdem eine Runde mit der Tram gedreht wurde, entschloss sich die angeheiterte Menge noch ein bisschen weiter Krach an der Silberhornstraße zu machen und so wurden auch dort noch vier, fünf Songs gespielt, Pogo getanzt und getrunken. Anscheinend wurden auch dort ein, zwei Tags hinterlassen, unter anderem auf dem Mini-Vordach der Post. Danach löste sich die Menge auf.

 

Niemand dachte, dass die Bullen danach so am Rad drehen würden. Niemand dachte, dass sie den Münchner_innen wirklich erzählen werden, dass 50 Linksextremist_innen auf dem Dach der Post getanzt hätten und es „30 Tatorte“ geben würde und dass die Medien wirklich Parolen und Tags fotografieren und abdrucken würden, von denen jede_r Giesinger_in weiß, dass sie schon seit Wochen an der Wand stehen. Das hier ist sicher keine Unschuldskampagne, wir haben kein Problem damit wenn Leute randalieren oder Trambahnen kaputt machen, aber nichts davon ist passiert. Das war keine Aktion von Politaktivist_innen oder angereisten Krawallmacher_innen. Es gab ein Punk-Konzert, eine Aneignung des öffentlichen Raumes, und unterschiedliche Leute haben das unterschiedlich für sich genutzt. Aber es gab keinen gemeinsamen Plan oder irgendeine Verabredung etwas kaputt zu machen. Alles andere ist eine Falschdarstellung. Und wenn jemand in einer Gruppe ein „ACAB“ an die Wand kritzelt, dann ist das dessen Entscheidung und nicht die kollektive Entscheidung einer Gruppe. Vielleicht ist das der Anlass für die Bullen zu kommen, aber der Grund für die Repression sind und bleiben die Bullen selbst. Man auch kritisieren, dass es vielleicht nicht schlau ist sich beim Taggen sehen zu lassen und es gefährlich sein kann, spontan und unabgesprochen dies und das zu tun, obwohl es vielleicht kein Bewusstsein oder eine Wahrnehmung dafür gibt, dass die Cops gleich kommen könnten. Kritik – ja bitte! Aber wir reden hier von einem Punk-Konzert und ein paar kleinen Schmiereien und nicht von mehr oder weniger.

 

Jedenfalls sind die Bullen dann 10, 15 Minuten später mit einer Hundertschaft angerückt und haben die komplette Silberhornstraße abgesperrt und Leute auf dem (500 Meter entfernten) Grünspitz gekesselt. Es wurde wahllos Jagd auf Jugendliche gemacht, es wurden Leute aus der U-Bahn gezerrt, Autos angehalten, Anwohner verhaftet und alles kontrolliert und festgenommen was nicht Niet und Nagel fest ist. Schnellstmöglich wurden die Festgenommenen in einen Hinterhof gebracht, wo sie wie vom Erdboden verschwunden stundenlang abgeschottet festgehalten wurden. Dieses sofortige Verstecken der Festgenommenen sollte offensichtlich verhindern, dass irgendjemand etwas davon mitbekommt oder Leute die Möglichkeit haben, sich solidarisch mit den Kontrollierten zu zeigen. Leute, die nachfragten, was hier denn los sei, kriegten Platzverweise und Leute, die im Vorbeigehen darüber informierten, dass es ein Recht auf Aussageverweigerung gibt, wurden auch gleich eingesackt und mit den selben Anschuldigungen festgenommen. Dann kamen die Gefangenentransporter und man kam in Gemeinschaftszellen in der Ettstraße. Dort wurde jeder der 49 Festgenommenen einer ED-Behandlung unterzogen. Einzelne Leute konnten sich dem trotz körperlichem Zwang entziehen. Den Festgenommenen wurden teils Handys, Jacken und Kameras abgenommen; die letzten verließen die Wache in den Mittagsstunden des Folgetages.

 

Was am nächsten Tag in der Zeitung stand, kann man ja nachlesen. Eins zu eins werden die Lügen der Bullen übernommen oder sogar noch mehr ausgeschmückt und skandalisiert. Heute fordert die CSU bereits im Stadtrat eine Koordinierungsstelle gegen Linksextremismus, damit sich so etwas nicht wiederholt und es keine „Berliner Zustände“ in Giesing gibt.

Es ist offensichtlich, dass die Bullen und die Politik ihre eigenen Pläne verfolgen. Ihnen ist klar, dass die Vorwürfe des Landfriedensbruch absolut unhaltbar sind. Es geht um einen Skandal. Die Bullen wollen alle von der Straße fegen, die sich dort unerlaubt versammeln und auch noch Spaß haben. Sie wollen die Daten und das genetische Material all jener, die sich nicht gesellschaftskonform verhalten. Die Medien wollen Verantwortliche für die Sprüherein, die seit Wochen und Monaten überall in Giesing zu sehen sind und die dazu auffordern, sich die Stadt zurück zu nehmen und gegen Gentrifizierung zu kämpfen. Die Politik will eine immer klarere Kategorisierung in Gesinnungen und ein härteres Vorgehen gegen „extremistische“ Meinungen und Gruppierungen, und da reicht es halt schon aus, wenn Leute, die in den gleichen „linker Straftäter-Karteien“ stehen, gemeinsam auf ein Konzert gehen. Und wenn dann noch ein Dritter „Linksextremist“ aus Hinterdrupfing auf das Konzert kommt, wo dann ein Tag gemacht wird, dann haben wir schon einen abgesprochenen Krawall zu dem Linksextremisten aus ganz Bayern anreisen....

Jetzt ist es erst einmal nötig zu erklären und zu betonen, was wirklich und vor allem was nicht passiert ist. Und das tut man sicher nicht, indem man in irgendeinem Internet-Gossip die Mediendarstellungen übernimmt und mit einem „Smash G20“ unterschreibt und vereinnahmt, denn das Punk-Konzert hatte und hat wirklich nichts, absolut gar nichts mit einer G20 Kampagne zu tun. Und all die Schlaumeier, die meinen, dass die Randale schlecht geplant und mies durchgeführt wurde, sollten besser mal überlegen, wie hart ihr Hirn schon von irgendeinem Medien-Brainwash und Szene-Geläster kontaminiert ist.

 

Diese Stadt braucht mehr Lärm und Krach, mehr Leute, die sich die Straßen und Plätze nehmen um laut und wild zu sein, mehr Leute, die miteinander Spaß haben und zusammen halten, egal ob und wie lange sie auch von uniformierten Deppen eingekesselt werden. Aber vor allem brauchen wir Ideen und Motivation, wie man sich gegen die Scheiße wehren kann, die diese reaktionäre Polizei-Medien-Politiklandschaft uns jeden Tag verzapft, wie gegen diesen Sicherheits- und Repressionswahn der CSU-Diktatur vorgegangen werden und diese bayerischen Zustände zum Umsturz gebracht werden können.

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Ich stimme euch, vor allem im letzten Absatz, voll und ganz zu! Klingt nach einer guten Zeit, die ihr da hattet.

 

Und ihr befindet euch in guter Tradition:

https://www.youtube.com/watch?v=XKT7v_NrTbM

stimmt,

aber auch

https://www.youtube.com/watch?v=7m1hB-AT8-4

 

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die aneignung öffentlichen raums. was versteht der verfasser darunter?

entspricht die aneignung des öffentlichen raums in der bürgerlichen gesellschaft nicht automatisch der erschließung privatisierter sphäre, wenngleich hier auch informell vollzogen, der eigenen bezugsgruppe entsprechend? so eine argumentation bleibt phrase  - die aktion ist in jenem sinne auch politisch motiviert, dass sie ja eine kritik an den gestaltungsmöglichkeiten in münchen beinhaltet. oder liege ich falsch?

 

und das wäre auf jeden fall mal ne gute nachricht, dass sich leute aus münchen zusammenfinden und die zustände in dieser stadt offenlegen, in der linke subkultur weitgehend verdrängt wird. mal abgesehen davon, dass das polizeiaufgebot ziemlich überzogen wirkt und die mediale darstellung wohl wie üblich dem polzeibericht entspricht, ist es bei so welchen dichten und dezentralen "aktionen" von dritten grundsätzlich schwer zu beurteilen, inwiefern hier organisation, planung und koordination wirksam waren.

 

somal ja niemand ausschließen kann, dass einzelne sich dazu verabreden würden. (was ich nicht unterstellen will)

 

natürlich kann man sich hier als organisator heraushalten und sagen, dass einzelne delikte im fall nichts mit dem konzert an sich zu tun habtten und von keiner geschlossenen gruppe geplant wurden; dass so einer "aneignung des öffentlichen raums" dann aber doch auch organisation und übereinkünfte vorausgehen könnte, ist eine andere option, die die mobhaftige selbstgerechtigkeit mancher menschen bändigen würde.

 

das ist gelinde gesagt der unterschied zwischen gartenfest und straßenbahn.

Ist bei euch zufällig demnächst Wahl?

die nächsten landtagswahlen sind glaube ich 2018 und Stadtrat erst wieder 2020. bin mir aber nicht ganz sicher

Alles hardlinermäßig-staatstragende Gepolter gerade in Bayern (siehe Integrationsgesetz etc.) ist knallharter Wahlkampf für die Bundestagswahl, wo die CSU versucht, das Straußsche Mantra "Rechts von der CSU nur noch die Wand" mit Leben zu erfüllen. Wo der (Achtung, Stereotyp!) schwarzbraune Stammtischbayer in Bayern tatsächlich die sich bis zum extremen rechten Rand breitmachende Law&order/Obergrenzen/Abschiebungs-CSU wählen kann, springt in den anderen Bundesländern, wo die CDU einer Angela Merkel schon als linksextrem verschrien ist, die AfD als wählbare Rechtsalternative in die Bresche. Um die AfD als mindestens drittstärkste Kraft in Berlin zu verhindern ist das etwas kontraproduktiv. Manchmal möchte ich meinen, Seehofer & Co wollen das gar nicht, sondern eher für Bund und irgendwann Bayern ohne Umweg über schwarzgrün, wenn schon nicht die absolute Mehrheit drin ist, einen Koalitionspartner nach schwarzbraunem Geschmack hochzupäppeln.

 

So wird ein Schuh draus.