Auch heutige Gesellschaften sind patriarchal, aber sie sind es nicht, weil das Kapital oder der Kapitalismus daran schuld wäre.

Die Kölner Gruppe des kommunistischen ...ums Ganze-Bündnisses, der Antifa AK, hat einen Aufruf für einen "linksradikalen und queerfeministischen" Block bei der feministischen und antirassistischen Demonstration am 12. März in Köln veröffentlicht.

 

Dem Antifa AK fällt auf, was vielen, die meinen, 'der Feminismus' sei in der Berichterstattung über die Kölner Silvesternacht für Rassismus instrumentalisiert worden (was impliziert, daß er sich habe instrumentalisieren lassen), nicht aufgefallen ist:

 

"in fast allen [...] Artikeln sind auch [...] die Wörter Sexismus und Patriarchat abwesend - eine verräterische Abwesenheit, die Hinweise auf den unheilvollen Charakter der geführten Debatte gibt." Was wir in der Debatte sehen, ist keine Rassismus-Anfälligkeit von Feminismus, sondern die Ersetzung einer feministischen Erklärung der und Positionierung zu den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht durch Rassismus.

 

Zurecht zurückgewiesen wird daher vom Antifa AK auch die Forderung: Feministinnen "sollten sich in der Frage von Zuwanderung, Islam und co. endlich 'mal positionieren'".

 

"Während die, die sexuelle Gewalt gegen Frauen* normalerweise ignorieren und verharmlosen, nun dankbar die Gelegenheit wahrnehmen, ihren Kulturalismus unter 'progressiven' Vorzeichen voll auszuleben, halten sie Feminist*innen, den eigentlichen Erkämpferinnen und Verteidigerinnen von Frauen*rechten vor, sie sollten sich in der Frage von Zuwanderung, Islam und co. endlich 'mal positionieren'.

 

Der Antifa AK stellt außerdem fest: "Der Konflikt, der nach Silvester geführt wurde, war kein Kampf für Frauen*rechte". Daraus müßte freilich noch eine weitere Schlußfolgerung folgen, die der Antifa AK leider nicht zieht (bzw.: die jedenfalls nicht in seinem Aufruf steht):

  • Die Zurückweisung linker Positionen, die behaupten, der Feminismus stehe (seit der Kölner Silvesternacht) vor einer besonderen Pflicht zur Abgrenzung von Rassismus

 

  • und auch die Kritik an Feministinnen, die darauf defensiv reagieren und diese besondere Abgrenzung - bereitwillig oder notgedrungen - liefern.

 

In diesem Sinne erscheint mir auch das Motto der Kölner Demo problematisch: "Unser Feminismus ist antirassistisch." - Zwar ist zutreffend, daß Feministinnen genauso wie AntikapitalistInnen und alle (weißen) Menschen rassistisch sein können. Insofern ist es gut, wenn sich Feministinnen antirassistisch positionieren und verhalten. Freilich wäre auch gut, wenn AntikapitalistInnen und AntirassistInnen genauso laut betonen würde: "Unser Antikapitalismus / Unser Antirassismus ist antipatriarchal." (Der Aufruf des Antifa AK endet positiverweise mit den Parolen: "Für einen feministischen Antikapitalismus – für einen antikapitalistischen Feminismus!")

 

M.E. sollten also zwei Fälle deutlich unterschieden werden:

 

1. Der Fall, daß Feministinnen neben feministischen Positionen zum Geschlechterverhältnis rassistische Positionen zum Verhältnis der - gesellschaftlich hergestellten - Rassen/Ethinien/Kulturen/Nationen bzw. zu Fragen der Migration vertreten. Gegenüber solchen Feministinnen ist es richtig zu betonen: "Mein Feminismus ist antirassistisch."

 

2. Ganz anders gelagert ist aber der Fall des mainstream-Diskurses über die Kölner Silvesternacht. In diesem Diskurs positionieren sich nicht Feministinnen rassistisch, was für antirassistische Feministinnen notwendig machen würde, besonders dagegen zu halten. Tatsächlich findet im Rahmen dieses Diskurses vielmehr eine Ersetzung der feministischen Erklärung der und Positionierung zu Männergewalt gegen FrauenLesben durch Rassismus statt. Männergewalt gegen FrauenLesben aus Herkunft und/oder Religion statt aus den weltweiten patriarchalen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen zu erklären, ist kein fehlorientierter Feminismus, sondern Antifeminismus. Genauso ist es allerdings Antifeminismus, patriarchale Männergewalt aus den kapitalistischen Klassenverhältnissen zu erklären.

 

Die Kölner Silvesternacht und auch die medialen Reaktionen darauf nötigen nicht im geringsten zu Abstrichen am feministischen Kampf gegen patriarchale Männergewalt. Insofern scheint es mir auch zumindest schief ausgedrückt zu sein, wenn es in dem Aufruf heißt: "Die Ereignisse wurden deshalb explosionsartig so hochgekocht, weil bereits überall rassistische Denkweisen vorhanden waren, die ein solches Ereignis nur erwarteten."

 

Nein, die Ereignisse wurden nicht hochgekocht; sie hatten m.E. auch nicht 'zuviel' Aufmerksamkeit; was "hochgekocht" wurde, war die rassistische Interpretation dieser Ereignisse.

 

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Während mir also die erste Hälfte des Aufrufs des Antifa AK - trotz seinen stellenweise psychologisierenden Tonfalls ("herbeihalluziniert"; "perverse Faszination"; "Projektion der Wunschvorstellung") richtig, wenn auch in den Schlußfolgerungen lückenhaft erscheint, bin ich mit der Mittelpassage nicht einverstanden. Dort heißt:

 

"Die kapitalistische Produktionsweise kann nicht ohne die Bestimmung und Entwertung des weiblichen Körpers gedacht werden. Die Entmachtung von Frauen* ist das Ergebnis des in den Jahrhunderten nach dem Ende des Feudalismus in Europa tobenden und letztlich verlorenen Klassenkampfes."

 

Tja, daß Gruppen des ...ums Ganze-Bündnisses den Antikapitalismus betonen, ist weder überraschend noch kritikwürdig; daß sie das Patriarchat in einem Ableitungsverhältnis vom Kapitalismus denken, ist dagegen zwar kritikwürdig, aber leider auch nicht überraschend. Erstaunlich finde ich allerdings, daß - wo doch ansonsten (durchaus nicht zu meinem Wohlgefallen) der Antikapitalismus des UG-Bündnisses eher ohne Klassen und Klassenkampf auszukommen meint [1] - nun schon wieder [2] eine UG-Gruppe den Klassenkampf ausgerechnet dann entdeckt, wenn es um das Geschlechterverhältnis geht...

 

Auch wenn nicht zu bestreiten ist, daß auch das Geschlechterverhältnis vom Wandel der Klassenverhältnisse beeinflußt wurde, so waren aber auch die Feudalgesellschaften und die antiken SklavInnenhalterInnengesellschaft schon Patriarchate [3] und wahrscheinlich ist das Patriarchat - anders als Friedrich Engels meinte - auch älter als alle Formen von Klassenherrschaft und Privateigentum.

 

Die Geschichte der Verdrängung von Frauen* aus allen Bereichen des Lebens in den reproduktiven Sektor, ist nicht bloß Frauen*- sondern Klassengeschichte. Um Frauen* den Platz zuzuweisen, a    n dem das Kapital sie benötigte - in der Reproduktionsrolle - ging die Bourgeoisie in den entstehenden Nationalstaaten unter Komplizenschaft der entstehenden Arbeiterschaft zum unverhohlenen Angriff über.

 

Werte GenossInnen, meint ihr wirklich, daß Männer in vorkapitalistischen Gesellschaft mehr Babypopos gewischt, mehr Babys gefüttert, mehr Kinder beaufsichtigt und erzogen hatten als heute?!

 

Und von welcher Zeit redet Ihr, wenn Ihr von "Verdrängung von Frauen* aus allen Bereichen des Lebens" sprecht? Frauenerwerbstätigkeit war doch im 19. Jahrhundert in der entstehenden Industrie weit verbreitet. Nehmt Ihr mit Eurer These nicht eine Rückprojektion der Verhältnisse, die in zwei, drei Jahrzehnten Fordismus existierten, auf den Frühkapitalismus vor?

 

Ihr schreibt: "Die kapitalistische Produktionsweise kann nicht ohne die Bestimmung und Entwertung des weiblichen Körpers gedacht werden." - Warum nicht?! Die kapitalistische Produktionsweise bedarf der Warenförmigkeit der Arbeitskraft, also freier und gleicher Rechtssubjekte, denen erlaubt ist, ihre Arbeitskraft als Ware zu tauschen; alles andere sind Randbedingungen, auf die sich die Einzelkapitale (so oder so [4]) einstellen können, aber nichts, was die Struktur der kapitalistischen Produktionsweise charakterisiert. Auch heutige Gesellschaften sind patriarchal, aber sie sind es nicht, weil das Kapital oder der Kapitalismus daran schuld wäre.

 

"Frauen*rechte und -macht [...] wurden abgeschafft, um eine Reproduktionsrolle für die benötigte proletarische Arbeitskraft zu bilden."

 

Das Kapital ist zwar auf die Reproduktion der Ware Arbeitskraft angewiesen; aber von Angehörigen welcher Geschlechter die für notwendige Arbeit ausgeübt wird, ist für das Kapital schnurz.

 

Ebenfalls ist es für das Kapital schnurz, ob diese Arbeit unentlohnt in Privathaushalten oder marktvermittelt erfolgt. Entgegen einer gängigen These erspart die Nicht-Entlohnung der Hausarbeit dem Kapital keinen Cent.

 

"Denn, auch wenn Männer in aller Regel keinen Lohn für die häusliche Arbeit ihrer Ehefrauen und Freundinnen zahlen, so hat aber eine Ehefrau, deren Arbeitskraft mit Putz- und Erziehungsarbeit (weitgehend) ausgeschöpft ist und die (daher) keine Erwerbsarbeit leistet, einen Unterhaltsanspruch gegen ihren erwerbstätigen Ehemann (es sei denn, sie hat anderweitig Einkommen bzw. Vermögen).

Dieser Unterhalt mag formal korrekt berechnet und ausgezahlt oder informell im Rahmen einer gemeinsamen ‚Haushaltskasse’ + ‚Taschengeld’ für die EhepartnerInnen (und ggf. Kinder) abgewickelt werden – aber alldas ändert nichts daran, daß das Kapital nach kapitalistischer Logik sämtliche Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft auf einem bestimmten historisch-kulturellem Niveau tragen muß. Wenn diese Reproduktion in einer bestimmten historischen Situation in Form von Arbeitsteilung zwischen weit überwiegend männlicher außerhäuslicher Erwerbs- und weit überwiegend weiblicher häuslicher Putz- und Erziehungsarbeit organisiert wird, dann muß das Kapital – um der Verfügbarkeit von Arbeitskräften willen – nicht nur für die Lebensmittel- und Wohnungskosten von Ehemann (und Kindern = künftige Arbeitskräfte), sondern auch für die der Ehefrau aufkommen. Das Kapital muß den Männern den sog. „Familienlohn“ zahlen, da nur deren Arbeitskraft reproduziert wird (zubereitetes Essen; geputzte Wohnung; Erziehung der Nachwuchs-Arbeitskräfte; …).

Würden dagegen häusliche Putz- und Erziehungsarbeit einerseits und außerhäusliche Erwerbsarbeit andererseits auf Männer und Frauen gleich verteilt werden, so würde die Arbeitsmarktverfügbarkeit von Männern sinken und die von Frauen steigen. Bei gleichbleibenden Stundenlöhnen würde die Erwerbsarbeitszeiten und Monatslöhne von Männern sinken und die von Frauen steigen. Das Gesamtvolumen von Lohnarbeitszeit und Löhnen bliebe gleich. – Die Aufteilung von Löhnen und Arbeitszeit auf Frauen und Männer ist für das Gesamtkapital [...] ein Nullsummenspiel.

Es ist also nicht das Kapital, das davon profitiert, daß häusliche Putz- und Erziehungsarbeit weit überwiegend nicht als Lohnarbeit (sondern aus ‚Liebe’ + etwaigem Unterhaltsanspruch) verrichtet wird. Vielmehr sind es Männer, durch deren Taschen der Familienlohn fließt und die dadurch eine starke Verhandlungsposition bei der Aufteilung des Familieneinkommens auf die Familienmitglieder haben, die von dem patriarchalen Arrangement profitieren." [5]

 

"Wie es um Frauen*rechte in einer Gesellschaft bestellt ist, ist keine Frage der Kultur, es ist eine politische Frage. Es ist eine Frage von Produktionsverhältnissen und von Kämpfen der Selbstermächtigung gegen diese."

 

Ja, aber die Produktionsverhältnisse sind nicht nur Klassenverhältnisse, sondern auch patriarchale Geschlechter- und rassistische Verhältnisse (geschlechtshierarchische und rassistische Arbeitsteilung; Lohndiskriminierung). Rassismus und Patriarchat kommen zum kapitalistischen Klassenverhältnis hinzu und sind nicht von letzterem verursacht.

 

Eine wirkliche Gleichberechtigung ist nicht ohne die Aufhebung des Kapitalverhältnisses zu haben - eine Infragestellung der kapitalistischen Verhältnisse ist wiederum nicht denkbar ohne den feministischen, antipatriarchalen Kampf.

 

Werte GenossInnen, was ist denn bitte sehr "wirkliche Gleichberechtigung"?! Da Ihr ja jetzt den Klassenbegriff entdeckt habt (siehe oben): Würdet Ihr auch die "wirkliche Gleichberechtigung" von LohnarbeiterInnen und KapitalistInnen fordern?

 

Und im übrigen zu dem Satz - ich würde meinerseits formulieren:

 

"Für AntikapitalistIn­nen mag es politisch nützlich sein, sich auch mit dem Geschlechterverhältnis und Ras­sismus zu befassen, aber eine sich logisch aus Antikapitalismus selbst ergebende Notwendigkeit dafür gibt es m.E. nicht. Das gilt entsprechend umgekehrt auch für AntirassistInnen und Feministinnen: Auch für sie mag es politisch nützlich und analytisch aufschlußreich sein, sich auch mit den Klas­senverhältnissen zu befassen; aber eine logische Notwendigkeit dafür ergibt sich aus Antirassismus bzw. Feminismus selbst nicht. [...] Klassen- und Ge­schlechterherrschaft und -ausbeutung sind unter jeweils spezifischen historischen Um­ständen entstanden, sie unterliegen historischem Wandel und sie sind prinzipiell über­windbar, aber sie sind nicht aus einander ableitbar; sie sind zwar nicht von einander ge­trennt, sondern beeinflussen und modfizieren sich wechselseitig, aber sie sind Unter­schiedliches und von einander unterscheidbar. Ihre Unterschiedlichkeit ist die Voraus­setzung ihrer Wechselwirkung."

 

(http://www.trend.infopartisan.net/trd0116/Spezifitaet_Historizitaet_Materialitaet_VORTR-ENTW.pdf, S. 9 f.)

 

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Der letzte Absatz des Aufrufs gefällt mir dagegen wieder besser:

 

"Eine radikale Linke, die antritt, um sich mit feministischen Kämpfen zu solidarisieren, steht zunächst vor einem offensichtlichen, gewaltigen Defizit. Die radikale Linke muss sich mit der Vorstellung abfinden, dass sie die Spitze von feministischen Kämpfen längst verlassen hat- oft hapert es schon an der bloßen Beteiligung. Die großen antisexistischen Kämpfe der letzten Jahre wurden stets ohne Unterstützung des größten Teils der radikalen Linken geführt. Die stark von Männern dominierte Restlinke muss sich also zunächst in den Dialog- in die gemeinsamen Kämpfe- in die Verständigung zurückbegeben. Zu oft wurden Kapital und Patriarchat nicht zusammen gedacht, sondern das eine Haupt- und das andere als Nebenwiderspruch gedacht. Wie ein feministischer Antikapitalismus- ein antikapitalistischer Feminismus gestaltet werden könnte, ist jedoch eine Frage, die nur zusammen mit Feminist*innen die antipatriarchale Kämpfe bereits führen, geklärt werden kann. Ohne dies zusammenzuführen, ist eine kommunistische Bewegung nicht denkbar."

 

Die Frage ist allerdings, ob "[d]ie radikale Linke" - so ganz pauschal - jemals an der "Spitze von feministischen Kämpfen" stand - und ohne Rücksicht auf's Geschlecht (also einschl. Männern, insb. Cis-Männern) dort überhaupt stehen kann oder soll.

 

Zwar war das linke Nebenwiderspruchs-Denken in der autonomen Szene Ende der 1980er / Anfang der 1990er Jahre stärker zurückgedrängt als heute in den entsprechenden (Nachfolge-)Strukturen. Aber auch dies war in aller ersten Linie das Ergebnis von Kämpfen, die feministische FrauenLesben-Strukturen auch gegen linke - auch "radikal linke" - Männer führten und führen mußten.

 

Insofern würde ich sagen: Es ist zwar sehr wünschenswert, wenn die geschlechter-gemischte - radikale, revolutionäre und nicht ganz so radikale - Linke, feministische Kämpfe unterstützt, aber mit an der Spitze wäre sie erst dann (zurecht), wenn es keine geschlechter-gemischte, selbst patriarchale, sondern eine post-patriarchale, geschlechterlose Linke wäre.

 

[1] Vgl. dazu kritisch https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/data/2016/01/2109480462.pdf (S. 6 f.) und https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/data/2016/01/6465873495.pdf (insb. S. 4).

 

[2] 2014 hatte ich an dem damaligen 8. März-Aufruf der Berliner ...ums Ganze-Gruppe TOP zu kritisieren: "Ihr habt ja bisher nicht wirklich häufig von gesellschaftlichen Klassen gesprochen (Eure Kapital-Kritik kommt ja eher ohne Klassen-Begriff aus!); und sozialdemokratische und KPD-Politiker*innen waren bisher auch nicht Eure großen politischen und theoretischen Inspirationsquellen. – Aber wenn’s um den Feminismus geht, dann entdeckt Ihr auf einmal die „Klassen“ und sogar Clara Zetkin: Auf einmal gibt es in Eurem Diskurs 'Klassengren­zen' (S. 2, re. Sp.), sogar ein 'bürgerliches Lager' (S. 1, li. Sp.) und selbst Clara Zetkin, die vielleicht antifeministischste Marxistin, die es gab, wird von Euch hochgehalten, wenn es gilt den 'bürgerlich geprägten Feminismus' zu bashen" (https://linksunten.indymedia.org/de/node/110989).

 

[3] Weiter unten in dem Aufruf wird dies anscheinend erkannt, wenn dort von der "moderne[n] Form des Patriarchats" gesprochen wird, was zu implizieren scheint, daß es auch eine vor-moderne Form des Patriarchats gab.

 

[4] Vgl. dazu meine (mit Beispielen illustrierten) These: "Trotz ihrer Nicht-Ableitbarkeit von einander beeinflussen sich die verschiedenen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse wechselseitig – dies kann allerdings sowohl in verstärkender als auch in abschwächender Weise geschehen." (http://www.trend.infopartisan.net/trd0116/Spezifitaet_Historizitaet_Materialitaet_VORTR-ENTW.pdf, S. 5 f.)

 

[5] Selbst-Zitat aus der erweiterten Verschriftlichung meines Vortrages, den ich im März des vergangenen Jahre zum Thema "Feminismus und Marxismus" gehalten hatte: http://perspektive.nostate.net/480. Die Verschriftlichung wird demnächst jedenfalls online und evtl. auch auf Papier erscheinen.

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"geschlechterlose Linke"

 

Was??? Müssen wir uns jetzt die Geschlechtsteile entfernen lassen?

Ernstgemeinte Frage. Was soll das heißen?

Woran erkennst Du denn auf der Straße, im Supermarkt, am Arbeitsplatz, in der Uni oder in der Schule das Geschlecht von Leuten? Dadurch, daß du ihnen erst einmal in Unterhose guckst?!

 

Daß Menschen diese oder jene - durchaus nicht strikt binäre - körperliche Ausstattung haben, ist nicht der Grund für die Existenz von Geschlechtern, sondern bloß die biologistischen Rechtfertigung der herrschenden Zwei-Geschlechter-Ordnung.

dein beitrag erklärt immer noch nicht was mit "geschlechterlose linke" gemeint ist.

 

der grund für die existenz von geschlechtern ist wohl die art der fortpflanzung der menschlichen gattung. dafür sind geschlechter in erster linie da. das hat kein herrschender erfunden (außer du glaubst an sowas wie einen gott). das hat sich so aus der evolution ergeben.

dass es menschen jenseits von "mann und frau" gibt, negiert übrigens nichts von dem was ich oben geschrieben habe. es gibt auch menschen die ohne arme auf die welt kommen, aber die definition des menschlichen körpers beinhaltet trotzdem die extremitäten.

dein beitrag erklärt immer noch nicht was mit "geschlechterlose linke" gemeint ist.

 

A. Eine „geschlechterlose Gesellschaft“ würde sich mindestens durch folgende Merkmale auszeichnen:

(1.) Es gibt keine Arbeitsteilungs- und sexuelle Gewalts-Unterschiede mehr zwischen den (bisher) als „Männer“ und „Frauen“ Definierten.

(2.) Die Geschlechtsangabe bei den Personenstandsangaben im Melderegister und in Pässen wird abgeschafft [dies kann erst nach (1.) passieren, da bis dahin Geschlechtszugehörigkeiten für Quotierungs- und Definitionsmacht-Regelungen benötigt werden]; die Verwendung der Wörter „Frau“, „Mann“, „Mädchen“, „Junge“, „männlich“, „weiblich“ stirbt ab. Es werden Pronomen erfunden/gebräuchlich, die nicht vergeschlechtlicht sind.

(3.) Vornamen können von den Eltern freigewählt und später von den NamensträgerInnen, unabhängig von der bisherigen Vergeschlechtlichung der Namen, geändert werden.

(4.) Die Wörter „hetero-“, „homo-“ und „bisexuell“ verlieren ihren Sinne / werden unverständlich.

 

B. Eine geschlechterlose Linke würde eine solche gesellschaftliche Entwicklung zu ihrem Programm erklären und versuchen, sie in ihren eigenen Reihen möglichst weitgehend zu antizipieren.

 

der grund für die existenz von geschlechtern ist wohl die art der fortpflanzung der menschlichen gattung.

 

a) Und inwiefern bringt die die "art der fortpflanzung" die Geschlechter hervor?! - Wenn, dann ist es doch in deinem biologistischen Weltbild genau umgekehrt: nämlich so, daß die Existenz von dem, was Du für Geschlechter hälst, eine bestimmte "art der fortpflanzung" zur Folge hat (und nicht etwa die Folge ist).

b) In unserer Gesellschaft sind die Individuen aber - anders als Du zu glauben scheinst - nicht in drei Geschlechter (Gebärfähige, Zeugungsfähige und Menschen, die weder gebär- noch zeugungsfähig sind) eingeteilt, sondern es sind nur zwei Geschlechter (Männer und Frauen) anerkannt und die Zuordnung zu diesen erfolgt unabhängig  von Gebär- und Zeugungsfähigkeit.

Welches ist denn dann der Grund?

 

Ich würde sagen: Es gibt keinen "Grund" im strengen Sinne; also im Sinne von: 'Die gesellschaftlichen Verhältnisse (hier: das Geschlechterverhältnis) muß so sein, wie es ist.'

 

In einem schwächeren Sinne von "Grund" würde ich, wenn ich mich mit einem Satz kurzfassen soll, sagen: Die Menschen denken vergeschlechtlicht, weil sie sich vergeschlechtlich Verhalten.

 

Wenn ich noch etwas mehr sagen soll, so würde ich noch sagen:

 

1. Die Zuordnung der Individuen zu einem von genau zwei Geschlechtern ist einem Ordnungs- und Herrschaftsinteresse dienlich.

 

2. Nicht alle Gesellschaften dachten und denken im hiesige heutigen Zweigeschlechtermodell; vgl.: http://www.trend.infopartisan.net/trd0116/Spezifitaet_Historizitaet_Mate..., S. 6, Punkt c). Vermutlich gab es keine Gesellschaft, von der wir Zeugnisse haben, die die Individuen nicht in irgendeiner Weise Geschlechtern zu geordnete; aber ich sehe keinen Grund, warum Gesellschaften, die die Individuen keinen Geschlechtern zuordnen, unmöglich sein sollen.

 

3. Dafür, wie sich gesellschaftliche Verhältnisse entwickelten (welche Kämpfe geführt wurden und wie sie ausgingen), lassen sich zwar Ursachen angeben; aber Geschichte folgt keinem einheitlichen Plan; hat keinen "Grund", der sich im Laufe der Geschichte bloß 'entfalten' würde. Insofern würde also eine Darstellung der Entstehung des/der heutigen Geschlechterverhältnisse/s eine Menschheitsgeschichte der diesbzgl. geführten Auseinandersetzungen und Kämpfe erfordern. Das würde hier jetzt etwas den Rahmen sprengen...

„Es gibt keine zufriedenstellende humanbiologische Definition der Geschlechtszugehörigkeit, die die Postulate der Alltagstheorien einlösen würde.“

 

(Carol Hagemann-White, Wir werden nicht zweigeschlechtlich geboren, in: dies. / Maria S. Rerrich [Hg.], FrauenMännerBilder. Männer und Männlichkeit in der feministischen Diskussion [Forum Frauenforschung Band 2], Bielefeld: AJZ 1988, 224 - 235 [228]).

 

„Klassifikationskriterien können [… nämlich] die Genitalien zum Zeitpunkt der Ge­burt oder die Chromosomen sein, die im Zuge vorgeburtlicher Analyseverfahren festgestellt werden; beide müssen nicht notwendigerweise übereinstimmen. […]. Im Alltag jedoch erfolgt die Zuordnung – und wird aufrechterhalten – aufgrund der sozial geforderten Darstellung einer erkennbaren Zugehörigkeit zur einen oder anderen Kategorie. In diesem Sinne kann man sagen, daß die soziale Zuordnung zu einem Geschlecht das entsprechende biologische Geschlecht unterstellt und in vielen Situationen ersetzt.“

 

(Candace West / Don H. Zimmermann, Doing gender, in: Judith Lorber / Susan A. Farell [Hg.], The Social Construction of Gender, Sage: Newbury Park / London / New Dehli, 1991, 13 - 37 [14 f.] zitiert nach:

 

Regine Gildemeister / Angelika Wetter, Wie Geschlechter gemacht werden. Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung, in: Gudrun-Axeli Knapp / Angelika Wetterer (Hg.), Traditionen. Brüche. Entwicklungen feministischer Theorie, Kore: Freiburg i. Br., 1992, 201 - 254, [212 f.])

 

Meine Schlußfolgerung daraus (noch ein Vorab-Zitat aus der Verschriftlichung meines Vortrages aus dem vergangenen Jahr zu Marxismus und Feminismus:

 

"Auch wenn es schon immer Menschen mit Vaginas und schon immer Menschen mit Penissen gab und auch einige wenige (und weniger beachtete), die – ich beschreibe das vielfältige Phänomen der Intersexualität (im Volksmund: 'Zwitter') der Kürze halber hier sehr schematisch – sowohl eine Vagina als auch einen Penis haben, so ist doch die Vereinheitlichung der Personen mit Vagina zum Geschlecht 'Frauen' und die Vereinheitlichung der Menschen mit Penis zum Geschlecht 'Männer' und die zwangsweise, operative Vereindeutigung von Intersexuellen kein natürliches Verhältnis, kein biologisches Verhältnisses, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis. Eine Gesellschaft ohne Geschlechter; ein Postpatriarchat ist möglich."

 

"Gesellschaftlich entscheidend ist dabei die Vereinheitlichung von Individuen zu Geschlechtern, d.h.: zu gesellschaftlichen Gruppen. – Dagegen geht es (einem wohlverstandenen De-Konstruktivismus) nicht darum, zu bestreiten, daß es Individuen mit je individuellen körperlich-biologischen Merkmalen gibt."

Werte GenossInnen, meint ihr wirklich, daß Männer in vorkapitalistischen Gesellschaft mehr Babypopos gewischt, mehr Babys gefüttert, mehr Kinder beaufsichtigt und erzogen hatten als heute?!

 

Niemand muss schwanger sein. Und wenn doch, wähle deinen Partner doch verher so aus, dass er kein Arschloch ist. Zumindest dieser Teil des Textes hat nichts mit einer vernünftigen Kritik am Patriarchat zu tun. Weiter hab ich nicht gelesen. Sorry.

"Zumindest dieser Teil des Textes hat nichts mit einer vernünftigen Kritik am Patriarchat zu tun."

 

Dann legt doch mal eine in Deinen Augen "vernünftige Kritik am Patriarchat" vor... - ich bin gespannt, was dabei herauskommt.

 

"Babypopo ist nicht mein Problem

 

Solange Du keine Babys zeugst und kein Interesse an der Reproduktion der Menschheit im allgemeinen hast, würde ich Dir da sogar zustimmen.

 

Das Interessante ist ja aber, daß in den allermeisten hetero/a/sexuellen PartnerInnenschaften, die sich einvernehmlich für ein Kind oder mehrere Kinder entscheiden, die Haus-, Erziehungs- u.ä. -arbeit - trotz dieses Einvernehmens - überwiegend auf Frauen lastet. Auch die Gesamtarbeitsbelastung (also Erwerbs- + Haus- etc. -arbeit) von Frauen ist höher als die von Männern; siehe: https://linksunten.indymedia.org/en/node/164505, Abschnitt IV.

 

"Und wenn doch, wähle deinen Partner doch verher so aus, dass er kein Arschloch ist."

 

Ist das Entsprechende auch Dein Ratschlag an Lohnabhängige: "Wähl Dir doch einen Sozialpartner, der kein Arschloch ist?" - Oder sieht Du zumindest im Falle der Klassenverhältnisse ein, daß gesellschaftliche Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse nicht (in erster Linie) eine Frage individueller Fehlhaltungen und individuellen Fehlverhalten, sondern Folge von gesellschaftlichen Strukturen sind, die bestimmtes Verhalten nahelegen? Und falls Du dies im Falle der Klassenverhältnisse einsiehst: Warum siehst Du dies im Falle des Geschlechterverhältnisses nicht ein?

Dann legt doch mal eine in Deinen Augen "vernünftige Kritik am Patriarchat" vor...

 

Nein, werde ich nicht tun. Dafür ist mir meine Zeit zu schade.

 

Solange Du keine Babys zeugst und kein Interesse an der Reproduktion der Menschheit im allgemeinen hast, würde ich Dir da sogar zustimmen.

 

Es geht hier nicht um Re- sondern um Überproduktion. Jeder vernünftige Mensch müsste die Fortpflanzung unter den derzeititgen Verhältnissen zumindest vorlaüfig einstellen. Aber hier siegt oft der Egoismus über das Allgemeinwohl. Ich will Kinder weil ich  es kann, weil es so Usus ist, weil ich einen Sinn im Leben brauche. Oder ich will gar keine, ist halt passiert, leider schon drei mal... Naja.

Es wird so gut wie nie, leider auch nicht in "linken Kreisen" reflektiert, ob nicht sowieso schon zu viele Menschen auf diesem Planeten sind. Und falls doch, und falls das Ergebnis des Nachdenkens ein "JA!" ist, wird dennoch fast nie die entsprechende Konsequenz gezogen.

 

Ist das Entsprechende auch Dein Ratschlag an Lohnabhängige: "Wähl Dir doch einen Sozialpartner, der kein Arschloch ist?"

 

Nein, ist es nicht. Aber hier vergleichst du Äpfel mit Birnen. Sozialpartner sind immer Arschlöcher. Keiner davon hat mehr ein Interesse am Klassenkampf. Genauso wenig wie die meisten Arbeiter.

Bevor du fragst, das selbe gilt für ein Arbeitsverhältnis. Arbeiten muss ich halt, wenn ich mir etwas "leisten" will, dennoch bleibt jede Form der Lohnarbeit Ausbeutung. Mal mehr, mal weniger. Oder ich beziehe Hartz, lass mich vom Jobcenter gängeln und lebe auf einem Mindeststandard. Man hat also die Wahl zwischen Pest und Cholera, soll heißen keine.

Im Privaten allerdings, da kann ich sehr wohl entscheiden, wer sich in meinem Umfeld bewegt, bzw. in wessen Umfeld ich mich bewege. Und in aller Regel siebe ich da Arschlöcher aus und meide sie. Auf keinen Fall würde ich eine (Liebes)beziehung mit ihnen eingehen und mich hinterher beschweren, dass sie ein Arschloch sind.

 

So, das ist die Internetkurzform, das geht alles viel detaillierter, aber ich würde dich bitten einfach selbst ein wenig nachzudenken, über das was ich schrieb. Du kannst dich natürlich auch daran aufhängen, dass ich keine vernünftige Kritik formuliere. Die Entscheidung liegt bei dir.

ich habe auch probleme mit dem begriff "geschlechtslose (linke)". TaP hat mich zwar inzwischen so weit überzeugt, dass die soziale wahrnehmung des 'geschlechts' wenig (bis gar nichts) mit der 'biologischen' definition (oder nicht-definition) des geschlechts zu tun hat. trotzdem ist für viele menschen (tatsächlich nicht für alle) die geschlechtliche (sexuelle) identität eine wichtige sache (und zwar auch unabhängig von der fortpflanzung) - ja, sogar der kern ihrer persönlichkeit. diese sexuelle identität ist offensichtlich sogar so stark ausgeprägt, dass sie selbst sogar dann zum tragen kommt, wenn offensichtlich erkennbar ist, dass das geschlechterverhältnis 'asymmetrisch' ist. anders wäre es nicht erklärbar, dass frauen heterosexuelle beziehungen eingehen (wenn man den faktor ökonomische abhängigkeit unberücksichtigt lässt, von psychisch-sexueller ganz zu schweigen). (nach meiner erfahrung sogar lieber mit 'arschlöchern' als z. B. mit 'softies', aber das ist jetzt nur [m]ein persönlicher nebenkriegsschauplatz ;) ). ich weiss natürlich, dass TaP weder die 'sexuellen leidenschaften' [allerdings erscheint es mir häufig so, dass der dekonstruktivistische feminismus politische correctness-normen für sex aufstellen will*] noch die 'biologischen merkmale' wegdekonstruieren will, sondern 'nur' das 'patriarchale herrschaftsverhältnis' überwinden möchte. trotzdem ist dieser begriff "geschlechtslos" unglücklich gewählt, denn viele leute werden diese feinsinnge unterscheidung von 'sex' und 'gender' gar nicht treffen (und in der deutschen sprache gibt es diese unterscheidung auch gar nicht), sondern werden sich in ihrer geschlechtlichen identität und ihren basalen leidenschaften (sexualität) getroffen und angegriffen fühlen. und das wird kaum einer (egal ob männer oder frauen) mitmachen, selbst wenn die politischen ziele noch so 'emanzipatorisch' sind. auf den zu erwartenden einwand von TaP, dass auch viele leute die marxsche waren- und wertanalyse nicht verstehen, kann ich nur antworten: im zweifel ist mir die hose (meine sexuelle identität) näher als die jacke (das kapitalverhältnis und die klassenverhältnisse). dies hat aber auch sicher was mit der trennung von 'privat' und 'öffentlich' zu tun; da hat die feministische theoriebildung sicher noch so einiges an forschungsarbeit zu leisten.

 

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* erst ist eine ernsthaft zu diskutierende frage, ob z. B. BDSM sex in einem 'post-patriarchat' noch praktiziert werden würde. aber das werden wir heutigen nicht entscheiden können. ich finde in diesem zusammhang interessant, was die GAM über Judith Butler schreibt (auch wenn ich nicht weiss, ob die GAM Butler richtig wiedergibt): 

“Die Aufrechterhaltung patriarchaler Strukturen äußert sich oft in sowohl körperlicher als auch in sprachlicher Gewalt, welche sie [Butler] als genauso körperlich verletzend definiert. Dabei stellt sich Butler gegen die Zensur von Pornografie oder alltäglichen sexistischen und homophoben Äußerungen. Es gilt diese radikal öffentlich aufzuzeigen, um sie zu isolieren und eine Stellungnahme zu erzwingen. Denn sie sagt, dass nicht das Zeigen sexueller Erniedrigung die eigentliche Gewalt sei, sondern dass die gesellschaftliche sexuelle Praxis Machtverhältnisse demonstriert, deren verletzender Charakter in ihrer unausgesprochenen Zustimmung liege.”
http://arbeitermacht.de/ni/ni207fr/queerfeminismus.htm

"viele leute [...] werden sich in ihrer geschlechtlichen identität und ihren basalen leidenschaften (sexualität) getroffen und angegriffen fühlen."

 

Wer sagt denn, daß Sex weniger interesssant ist, wenn er nicht mehr auf die drei Möglichkeiten,

 

++ Mann und Frau

 

++ Mann und Mann

 

und

 

++ Frau und Frau

 

(sowie etwaige Mehr-Personen-Konstellationen) und die damit jeweils verbundenen Standarderwartungen verbunden, reduziert ist?

 

dass der dekonstruktivistische feminismus politische correctness-normen für sex aufstellen will

 

Das ist eher umgeht: In den sog. feminist sex wars (siehe 1 und 2) stehen die meisten De-Konstruktivistinnen auf der Seite derjenigen, die sich selbst als "sex-positiv" bezeichnen und damit implizit die Gegenposition als "sex-negativ" (oder "anti-sex") stigmatisiert. (Ich selbst stehe irgendwo zwischen beiden Lagern.)

Wer sagt denn, daß Sex weniger interesssant ist, wenn er nicht mehr auf die drei Möglichkeiten,

...und die damit jeweils verbundenen Standarderwartungen verbunden ist?

 

niemand. nur gehört dies eben in den breich des 'möglichen' oder gar des -- aus heutiger sicht -- 'utopischen'. diese ansicht müsste dann vermittelt werden und kann nicht einfach vorausgesetzt werden (ausserdem würde es dann auch reichen, ALLE leidenschaften ihren freien lauf zu lassen. dann wärst du bei Charles Fourier, und ich glaube nicht, dass das deine position ist). ausserdem gibt es nun mal die enge verbindung von sex und fortpflanzung (wenn auch heute weniger eng als vor der erfindung der pille), und die fortpflanzung ist nun mal (biologisch!!) an die zweigeschlechtlichtkeit gebunden. das sagt zwar nicht apriori was über die soziale gestaltung der sexuellen praktiken aus, legt aber den 'rahmen' der zweigeschlechtlichkeit zumindest nahe.

 

Das ist eher umgeht: In den sog. feminist sex wars (siehe 1 und 2) stehen die meisten De-Konstruktivistinnen auf der Seite derjenigen, die sich selbst als "sex-positiv" bezeichnen und damit implizit die Gegenposition als "sex-negativ" (oder "anti-sex") stigmatisiert. (Ich selbst stehe irgendwo zwischen beiden Lagern.)

 

könntest du diese "zwischenposition" noch etwas näher ausführen? das würde mich wirklich interessieren.

ausserdem würde es dann auch reichen, ALLE leidenschaften ihren freien lauf zu lassen. dann wärst du bei Charles Fourier, und ich glaube nicht, dass das deine position ist

 

a) Ja, Leidenschaften, die auf Herrschaft und Ausbeutung gerichtet sind, würde ich in der Tat nicht freien Lauf lassen wollen.

 

b) Ich habe - nicht nur Federici, sondern auch - Fourier nicht gelesen, aber ich würde jedenfalls sagen: So wie Marx zeigte, daß die (unterschiedlichen) Bedürfnisse von Individuen von den (unterschiedlichen) gesellschaftlichen Verhältnissen abhängig sind, so sind auch sexuellen Leidenschaften gesellschaftlich konstituiert.

 

c) Ich würde sagen: Die herrschende Zwei-Geschlechter-Ordnung begrenzt die Möglichkeiten nicht-herrschaftlicher Lust, und folglich ist die Kritik der herrschenden Zwei-Geschlechter-Ordnung etwas anderes als die Forderung nach - herrschafts-indifferenter - Freisetzung aller Leidenschaften.

 

gehört dies eben in den breich des 'möglichen' oder gar des -- aus heutiger sicht -- 'utopischen'. diese ansicht müsste dann vermittelt werden und kann nicht einfach vorausgesetzt werden

 

Ich schließe mich diesbzgl. modest an: Wir wissen halt noch noch nicht, wie der Kommunismus sein wird, und in sexueller Hinsicht können auch feministische FrauenLesben* den Kommunismus nicht vollständig antizipieren, und von dem, was wir feministischen FrauenLesben* uns so alles (Unterschiedliches) vorstellen, wollen wir - aus hoffentlich verständlichen Gründen - auch nicht alles hier und heute vor einem voyeuristischen überwiegend (noch-)hetero/a/sexuellen Publikum ausbreiten.

 

ausserdem gibt es nun mal die enge verbindung von sex und fortpflanzung (wenn auch heute weniger eng als vor der erfindung der pille), und die fortpflanzung ist nun mal (biologisch!!) an die zweigeschlechtlichtkeit gebunden.

 

a) Es gibt nicht nur die Pille, sondern auch Kondome.

 

b) Weniger ist Sex an Fortpflanzung gebunden, als vielmehr umgekehrt - abgesehen von in vitro fertilisation - Fortpflanzung an Sex.


c) Intersexuelle sind nicht (notwendigerweise) fortpflanzungsunfähig. Und vor ein paar Jahren hat das Bundesverfassungsgericht - aus m.E. juristisch unzutreffenden Gründen, im politischen Ergebnis aber begrüßenswert - entschieden, daß sich Transsexuelle für die sog. "große Lösung" (nicht nur Vornamens-, sondern auch Personenstandsänderung) nicht mehr (in ihrem Ursprungsgeschlecht) fortpflanzungsunfähig machen lassen müssen - was heißt, daß zum Beispiel ein Mann (!) im staatlich anerkannten Sinne mit dem Sperma einer staatlich anerkannten Frau (!) schwanger werden darf. - Das paßt nicht nicht so ganz zu der alltagsverständige Zwei-Geschlechter-Ordnung, oder?

 

"könntest du diese 'zwischenposition' noch etwas näher ausführen?"

 

Ich beschränke mich mal auf zwei Beispiele:

 

a) Vermeintliche Anti-Sex-Feministinnen, wie Drowkin in den USA und Schwarzer in Deutschland, fordern von den bestehenden patriarchalen Staatsapparaten in den USA und Deutschland staatliche Pronographie-Verbote und sind dafür auch zu Bündnissen mit Konservativen bereit.

Die selbst-erklärten "sex-positiven" Feministinnen nehmen mehr oder minder eine laissez-faire-Position ein: JedeR produziert und konsumiert die Pornographie, die ihm/ihr gefällt, auch wenn sie persönlich eine Präferenz für bestimmte Pornos haben und diese Präferenz teilweise auch aussprechen.

 

Ich würde sagen: Es kommt darauf an, ob der Inhalt / die Botschaft des jeweiligen Pornos emanzipatorisch ist (kommt selten vor) oder nicht (ist der Regelfall). Dafür, diese Unterscheidung zu treffen, sind die existierenden patriarchalen Staatsapparaten denkbar ungeeignet. Aber nichts spricht gegen feministische Selbsthilfe gegen patriarchale Propganda (ob in pornographischer oder nicht-pornograpischer Form).

 

b) Vermeintliche Anti-Sex-Feministinnen fordern ein Prostitutions-Verbot; für viele selbst-erklärte "sex-positiven" Feministinnen ist Prostitution eine Arbeit wie jede andere.

 

Ich würde meinerseits sagen:

 

  • Schon mal prinzipiell ist der Tausch von Arbeitskraft gegen Geld eine sehr spezifische Arbeit; in einer kommunistischen Gesellschaft hat sie - also auch der Tausch von Sex gegen Geld - keinen Platz mehr.

 

  • Für kapitalistische Verhältnisse ist zu unterscheiden, ob es sich um ökonomisch erzwungene Arbeit handelt (dies gilt für die meiste Arbeit im Kapitalismus) oder ob die Sexarbeit mit außer-ökonomischem Zwang (Gewalt, Drohung mit Gewalt oder anderen außer-ökonomischen Übeln, Diebstahl/Raub/Einziehung von Pässen u.ä.) erzwungen ist.

 

  • Aber auch rein ökonomisch erzwungene Prostitution ist kein rein ökonomische erzwungene Arbeit wie jede andere; dies zeigt sich schon daran, daß die Sexarbeits-Branche die Branche mit der höchsten Geschlechterspezifik sein dürfte: Die allermeisten AnbieterInnen sind Frauen (abgesehen von einigen Männern, die für schwule Männer und/oder heterosexuelle Frauen arbeiten) und ein noch höherer Anteil unter den KundInnen sind Männer, während FrauLesbe-für-Lesbe-Sexarbeit von marginaler Bedeutung ist. - Trotz dieser Geschlechtsspezifik von Sexarbeit kann für die jeweilige Anbieterin Sexarbeit die aktuell beste Möglichkeit sein, die ihr zur Verfügung steht.

 

  • Daher halte ich ein staatliches Verbot von Sexarbeit für falsch, aber eine staatliche Regulierung von Sexarbeit, z.B. unter dem Gesichtspunkt von Gesundheitsschutz für die Arbeitenden für richtig (wie ich auch ansonsten staatliche Arbeitsschutzgesetzgebung für richtig halte, solange es noch Staaten gibt).

So wie Marx zeigte, daß die (unterschiedlichen) Bedürfnisse von Individuen von den (unterschiedlichen) gesellschaftlichen Verhältnissen abhängig sind, so sind auch sexuellen Leidenschaften gesellschaftlich konstituiert.

 

jein. sie sind gesellschaftlich konstitituiert, aber der 'trieb' ist auch naturveranlagung, der dann je nach sozialen verhältnissen sich unterschiedlich ausdrückt. (natur/kultur-verschränkung)

 

Die herrschende Zwei-Geschlechter-Ordnung begrenzt die Möglichkeiten nicht-herrschaftlicher Lust, und folglich ist die Kritik der herrschenden Zwei-Geschlechter-Ordnung etwas anderes als die Forderung nach - herrschafts-indifferenter - Freisetzung aller Leidenschaften.

 

ja, soweit stimme ich zu. aber auch da gilt, was meines erachtens die GAM richtig geschrieben hat: 

 

“Tatsächlich schließt die biologische Bipolarität der Geschlechter aber keine dazwischen liegenden aus, sondern besagt, dass es eine Polarisierung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht zum Zweck der Fortpflanzung der Gattung geben muss. Es gilt also nicht diese Polarisierung zu leugnen, sondern aufzuzeigen, wodurch die Diskriminierung aller anderen entsteht. Diese liegt aber nicht in der Biologie der sexuellen Vermehrung und der dazu erforderlichen beiden Geschlechter begründet, die fortschrittliche Menschen deshalb auch gar nicht zu leugnen gezwungen sind, sondern in der Art und Weise der gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Menschen eingehen. Folglich können diese auch andere Verhältnisse gestalten, die jegliche Unterdrückung des Menschen durch den Menschen aufheben (Kommunismus).”

 http://arbeitermacht.de/ni/ni207fr/queerfeminismus.htm

und an dieser feststellung ändert meines erachtens auch dein bespiel mit den intersexuellen nichts. die geschlechtliche 'eindeutigkeit' (bopolarität) gilt dann eben nicht für alle menschen, aber doch für einen ziemlich grossen teil. (ich würde mal sagen: 95% ?) 

Es gibt nicht nur die Pille, sondern auch Kondome.

ja, das weiss ich auch, aber erstens sind kondome als alleinige verhütung nicht sehr sicher und zweitens sind sie echte "lustkiller" ;) (und zwar nicht nur aus männersicht, sondern sicher auch für frauen. was anderes ist aber noch mal die AIDS gefahr, aber das möchte ich jetzt nicht thematisieren)

was du über die "zwischenpositionen" geschrieben hast, kann ich weitgehend nachvollziehen. aber auch die themen prostitution und pornografie möchte ich im rahmen dieses threads nicht weiter ausführen.

"biologische Bipolarität [...] besagt, dass es eine Polarisierung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht zum Zweck der Fortpflanzung der Gattung geben muss."

 


die geschlechtliche 'eindeutigkeit' (bopolarität) gilt dann eben nicht für alle menschen, aber doch für einen ziemlich grossen teil. (ich würde mal sagen: 95% ?)

 

1. Die hauptsächlich strittige Frage ist vielleicht, was alles als "männliche[s] und [...] weibliche[s] Geschlecht" bezeichnet wird: Wenn "männlich" tatsächlich nur ein anderes Wort für "sperma-produzierend" und "weiblich" nur ein anderes Wort für "eizellen-produzierend" ist, würde ich dem GAM-Satz so einigermaßen zustimmen (allerdings auch nicht als Notwendigkeits-Postulat ["muß"], sondern als Beschreibung der bisherigen menschlichen Faktizität).

 

2. Aber tatsächlich wird in dieser Gesellschaft die Zuordnung der Individuen zu den Geschlechtern ganz anders gefaßt - einerseits weiter: Sie umfaßt auch Menschen vor der Pubertät und nach Menopause. Sie wird andererseits enger/strenger gefaßt: Um in dieser Gesellschaft als ('richtiger') Mann bzw. ('richtige') Frau zu gelten, mußt Du noch ganz andere Kriterien erfüllen.

Diese Schwammigkeit macht den Begriff "Geschlecht" zu einem ideolgischen statt wissenschaftlichen.

 

3.a) Zumindest einige Lebewesen pflanzen sich parthogenetisch (eingeschlechtlich) fort.

 

b) Mit scheint es nicht notwendig, an dieser Stelle zu diskutieren, ob sich die Menschheit auch auf parthogentischer Grundlage hätte entwickeln können sowie ob es möglich und wünschenswert wäre, menschliche Parthogenese mit den Mitteln der Reproduktionsmedizin einzuführen.

Beatriz [mittlerweile Paul B.] Preciado postuliert in ihrem [mittlerweile anscheinend: seinem] Kontrasexuellen Manifest (b_books: Berlin, 2003) jedenfalls: "Die kontrasexuelle Gesellschaft erklärt und fordert die absolute Trennung von Sex und Fortpflanzungsaktivitäten." (S. 27) Ich verstehe das zunächst einmal als Forderung nach einer begrifflichen Unterscheidung je nachdem, ob bestimmte Handlungen zum Zwecke der Lust oder zum Zwecke der Fortpflanzung ausgeführt werden.

Ob damit bei Preciado auch eine generelle Präferenz für sog. "künstlische Befurchtung" einhergeht, weiß nicht.

Jedenfalls heißt es außerdem in dem Manifest: "Der hohe Entwicklungsstand der meisten therapeutisch-medizinischen Bereich und der Kybernetik [...] stehen in deutlichem Widerspruch zur Unterentwicklung derjenigen Technologien, mit deren Hilfe Organe (Phalloplastik, Vaginoplastik...) und die sexuellen Praktiken veränderbar sind. Das Ziel der Biotechnologien, die wie heute von der Medizin betrieben werden, besteht darin, die heteronormativen Kategorien Sex und Geschlecht (was bei der Auslöschung vorgeblich monströser sexueller Abnomitäten beginnt und bis zu neuen Operationsmöglichkeiten Transsexueller reicht) zu stabilisieren."

Zumindest marxistischen Produktivkraft-FetischistInnen dürfte der Gedanke an eine Ausweitung reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten sympathisch finden...

 

d) Schon jetzt gibt es die Möglichkeit von medizinisch-kontrollierten Bauchhöhlenschwangerschaften von Menschen, die keine Gebärmutter haben: http://www.zeit.de/1994/51/frankeneggers-tochter und http://www.welt.de/print-welt/article566829/Maenner-koennen-schwanger-werden.html (und was allerdings nichts daran ändert, daß die Eizelle irgendwo herkommen muß). - Im Tagesspiegel las ich vor ein paar Jahren eine Kurzmeldung, daß die von der Zeit und Welt beschriebene Technologie in Frankreich tatsächlich bei einem Mann erfolgreich zur Anwendung kam; den Artikel habe ich jetzt aber auf die Schnelle nicht im Netz finden können.

 

4. Wenn wir die ganze Bandbreite von Kriterien nehmen, die in dieser Gesellschaft einen ('richtigen') Mann bzw. eine ('richtige') Frau ausmachen, dann liegt der Anteil von Männer und Frauen deutlich niedriger als bei 95 %:

 

  • Allein schon hinsichlich Intersexualität ist berücksichtigen, daß die Menschen nicht systematisch auf ihre Chromosomen untersucht werden, also Abweichungen von der erwarteten Übereinstimmung von Chromosomen und anderen gängigen Geschlechtsmerkmalen nur zufällig bekannt werden.

 

  • Dann wäre, wenn denn Fortpflanzung das entscheidende Kriterium sein soll, diejenigen abzuziehen, die nicht intersexuell, aber aus Zyklus-, Alters- oder anderen Gründen im Moment nicht, noch nicht, nicht mehr oder überhaupt fortpflanzungsfähig sind.

 

  • Jedenfalls ein unsicherer Personenkreis wären unter diesem Gesichtspunkt diejenigen, die zwar fortpflanzungsfähig sind, aber sich trotzdem nicht fortpflanzen (wollen).

 

  • Dann wären Transsexuelle und Transgender abzuziehen, deren gefühltes, gewünschtes, politisches definiertes, ... - ggf. psycho-gutachterlich und in der Folge staatlich anerkanntes - Geschlecht nicht zu deren körperlichen Merkmalen paßt - sei es, daß sie sich dem staatlichen Transsexualitäts-Procedere unterwerfen oder sich diesem verweigern. Auch post-operativ und bei Hormon-Einnahme bleiben Abweichungen zwischem dem 'Standard-Körper' von Cis- und dem Körper von Trans- des jeweiligen Geschlechts.

 

  • Bei einer Koppelung von Geschlecht, Sex und Fortpflanzung sind auch Lesben und Schwule keine (100 %-)Männer und -Frauen, denn sie haben Sex nicht zum Zwecke der Fortpflanzung.

 

  • Und schließlich wäre noch der ganze Bereich der vergeschlechtlichten Mode, Verhaltensweisen etc. zu berücksichtigen und die diesbzl. Abweichungen von den Standard-Erwartungen (seitens Personen, die sich trotz ihrer diesbzgl. Abweichungen nicht als trans* definieren) von der Männer- und Frauen-Quote abzuziehen.

 

Am Ende bleiben ziemliche kleine Gruppen von 100 %-Frauen und 100 %- Männern und die größte Gruppe dürfte die Gruppe der unsicheren Fälle sein.

  • Jedenfalls ein unsicherer Personenkreis wären unter diesem Gesichtspunkt diejenigen, die zwar fortpflanzungsfähig sind, aber sich trotzdem nicht fortpflanzen (wollen).

sei mir nicht böse, aber das ist ziemliche 'hirnwichse', die du da absonderst. es gibt eine menge gründe heutzutage keine kinder in die welt zu setzen, und solche leute fühlen sich trotzdem als (vollständige) 'männer' oder 'frauen'.

 

ich kann ja noch mitgehen, dass der begriff 'geschlecht' (bei menschen) einen ideologischen überschuss enthält, aber trotzdem gründet er natürlich ;) in der 'biologie' (auch wenn diese vlt nicht vollständig -- bei menschen -- geklärt ist). bei Rehen ist es dir wahrscheinlich vollkommen egal, dass es böcke und ricken gibt (da gibts nix zu 'dekonstruieren'). bei menschen gibt es halt das 'patriarchat' und irgendwelche leute denken über 'parthogense' und die 'trennung von sex und fortpflanzung' nach. das mit der 'parthogenese' vergessen wir mal gleich wieder und die 'trennung von sex und fortpflanzung' ist auch höherer blödsinn, denn ob es ein pärchen just for fun 'macht' oder wegen der familienplanung, immer sind sexualität und 'lust' (verlangen) eine 'einheit'. (bei der familienplanung fühlen sich allerdings häufig männer unter druck [gesetzt], warum es dann häufig nicht so richtig 'klappt'. das gleiche gilt auch für die weibliche empfängnisfähigkeit, die auch von psychischen faktoren abhängig ist, aber frauen können auch ohne lust "es" zumindest "machen [lassen]"). ob 'künstliche befruchtung' da wirklich eine 'massenwirksame' alternative ist, wage ich zu bezweifeln.

 

wenn der 'mainstream' ideologisch verbohrt ist, ist er der 'dekonstruktivistische feminismus' mindestens genauso. das führt politisch nirgendwo hin (das ist einzige trost ;) ). ich will auch gar nicht über die "95%" (als zahl) streiten. die habe ich mir nur aus dem bauch ausgedacht, um die grössenverhältnisse aufzuzeigen. für mich ist entscheidend, dass die überwiegende mehrheit der menschen eine eindeutige geschlechtliche identität (männlich oder weiblich) hat (und ich glaube, klamottenmode ist dafür der allerunwichtigste faktor). wie man diese letztlich definiert (vlt ist sie auch gar nicht 'definierbar') ist gegenüber der massgeblichen psychischen funktion dieser identität zweitrangig. wer das nicht berücksichtigt, kann noch so gelehrte abhandlungen über 'gender' schreiben, mit seinen/ihren ideen füllt er/sie nur sein eigenes geistiges nirvana, ohne aussicht auf eine gesellschaftliche verbreiterung. daher natürlich auch der hang bei (radikalen) linken und feministInnen, subkulturelle szenen zu bilden. und das ist ein grosses (organisations)politisches problem. (womit ich mich natürlich nicht gegen das recht auf bildung subkultureller szenen ausspreche)

es gibt eine menge gründe heutzutage keine kinder in die welt zu setzen, und solche leute fühlen sich trotzdem als (vollständige) 'männer' oder 'frauen'.

 

Kommt es nun für die Geschlechtszugehörigkeit auf die Fortpflanzung (und tatsächliche Fortpflanzung ist etwas Anderes als das Potential zur Fortpflanzung!) oder auf das Geschlechts-Zugehörigkeits-Gefühl an? Und falls es auf das "Gefühl" ankommt: Ist das "Gefühl" dann Biologie (m.E. nicht) oder vielmehr Kultur/Ideologie/sozial o.ä.?

Kommt es nun für die Geschlechtszugehörigkeit auf die Fortpflanzung (und tatsächliche Fortpflanzung ist etwas Anderes als das Potential zur Fortpflanzung!) oder auf das Geschlechts-Zugehörigkeits-Gefühl an? Und falls es auf das "Gefühl" ankommt: Ist das "Gefühl" dann Biologie (m.E. nicht) oder vielmehr Kultur/Ideologie/sozial o.ä.?

 

die geschlechtliche identität (also auch das "gefühl" der geschlechtsidentität; so wie es überhaupt letztlich keine trennung in der erkenntnis von subjekt und objekt gibt) ist beides: natur und kultur. wie sich diese verschränkung aber genau gestaltet, (und im welchem verhältnis) darüber werden sich noch biologen, psychologen und sozialphilosophen/gender-theoretiker so lange streiten, wie die menschheit (auf diesem planeten zumindest) noch zeit hat der (ökologischen) selbstzerstörung zu entgehen.

Ich bleibe hier einmal bei TaP's Schema der Analogie: Selbst wenn viele Arbeiter*innen hauptsächlich arbeiten, und sich auch über diese Arbeit definieren, ihre soziale Position und ihr Status davon abhängen, so hat das doch überhaupt nichts mit einem progressiven pn olitischen Slogan zu tun. So wie sich diese Arbeiter*innen die Klassenlose Gesellschaft nicht vorstellen können, und die Revolutionär*innen diese nicht abstrakt vorschreiben können, so müssen sich auch nicht alle vorstellen können, was eine geschlechtslose Gesellschaft wäre, und wie der Weg dahin aussieht.  Eine feministische Revolution wird neue Formen des sozialen, auch wenn das aus heutiger Sicht noch nicht sagbar oder denkbar ist, oder eben nur in unzureichenden Kategorien.

Was mich allerdings sehr interessier ist der Modus des 'hinzu'. In Bezug auf den modernen Kapitalismus gibt es nämlich gewiss Konstitutionsprozess, die den weiblichen Körper gewissen Regularien unterwerfen, in Wert setzen und für die Reprodukution verfügbar machen. Ebenso wie die Koloniegeschichte zwar auch keine 'absolut notwendige' aber eben doch konstitutive Rolle für den westlichen Kapitalismus spielt. Ich meine das inbesondere in Folge von Federicis "Caliban und die Hexe", die schreibt: "Wenn 'Weiblichkeit' in der kapitalistischen Gesellschaft als Arbeitsfunktion konstituiert worden ist, die die Produktion der Arbeiterschaft unter dem Deckmantel eines vermeintlichen biologischen Schicksas verschwinden lässt dann ist 'Frauengeschichte' auch 'Klassengeschichte'. "Das Patriarchat" ist nicht genuin kapitalistisch, aber das modere Patriarchat ist vielleicht auch kapitalistisch.

Ich muß gestehen: Ich habe Federici bisher nicht gelesen (auch wenn der Aufstand aus der Küche hier rumsteht). - Auf allgemeiner Ebene würde ich sagen:

 

1. Ja, Frausein und Mannsein bedeutet in kapitalistischen Klassengesellschaften teilweise etwas anderes, als es in vor-kapitalistischen Klassengesellschaften bedeutete. Auch bedeutet Frausein und Mannsein in der Klasse der KapitalistInnen teilweise etwas anderes das eine oder andere in der Klasse der Lohnabhängigen zu sein.

 

2. Wenn Ferderici in dem von Dir angeführten Zitat schreibt, "Wenn 'Weiblichkeit' in der kapitalistischen Gesellschaft als Arbeitsfunktion konstituiert worden ist", so vermute ich, daß damit die Konstitituierung als Reproduktionsarbeiterin gemeint ist. - Aber war denn Reproduktionsarbeit in vor-kapitalistischen Klassengesellschaften weniger geschlechtshierarchisch verteilt als heute?

Dagegen könnte eingewandt werden, daß in Gesellschaften, die - abgesehen von dem Produktionsanteil, der an die Feudalität abzuführen war - auf Subsistenzwirtschaft beruhte und kaum markt-vermittelt war, die Unterscheidung zwischen Produktions- und Reproduktionsarbeit wenig Sinn hatte. Dann bleibt aber trotzdem die Frage, ob es nicht auch damals eine geschlechtliche Arbeitsteilung in Bezug auf Kochen und auf Kinder aufpassen einerseits sowie im Stall oder auf dem Feld arbeiten andererseits gab und das Beischaffen der Nahrungsmittel höher bewertet wurde als deren Zubereitung und das Füttern der Kinder.

Und was die vom Antifa AK erwähnte "formelle Verdrängung der Frauen aus dem Handwerk" anbelangt: Wann fand die denn statt? Waren die feudalen Zünfte nicht weit überwiegend Männerbünde? Es mag Ausnahmen gegeben haben, aber auch im Kapitalismus sind nicht alle Frauen auf "Kücher, Kinder, Kirche" eingeschränkt (Und dito auch, was die Beteiligung von Frauen an Stall- und Feldarbeiten in Feudalgesellschaften anbelangt).

 

3. Mit dem Satz, "'Das Patriarchat' ist nicht genuin kapitalistisch, aber das moderne Patriarchat ist vielleicht auch kapitalistisch", kann ich mitgehen. Allerdings würde ich auch sagen: "'Der Kapitalismus' ist nicht genuin patriarchal, aber die Kapitalismen, die wir bisher kennen, sind auch patriarchal."

 

4. Schließlich scheint mir noch:

 

Aus dem Vorwort der Herausgeberinnen zum Aufstand aus der Küche, das ich immerhin gelesen habe, habe ich gelernt: Federici kommt aus operaistischer Traditionslinie. Das heißt: Unabhängig davon, was hinsichtlich des Verhältnisses von Patriarchat und Kapitalismus umstritten ist, könnte auch noch umstritten sein, wie Kapitalismus kritisieren werden sollte / im Verhältnis zu Feudalgesellschaften bewertet werden sollte und wie die Dynamik gesellschaftlicher Entwicklung zu erklären ist. Vgl. dazu die Kritik der Revolutionären Sozialisten von 1988 an der operaistischen Autonomie (im vorliegenden Fall: Nr. 14 Klassengeschichte - soziale Revolution?) bzw. der operaistisch geprägten autonomen Kampagne gegen die damalige IWF/Weltbank-Tagung in Westberlin: http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/RevSoz_Kritik_an_Autonomie_14.pdf.

genoss_innen,

 

leider erscheint vieles in den thesen oben brüchig und die kritik der kritik auch nur nebulös.

 

ich möchte nicht alles sezisieren nur ein, zwei beispiele zu bedenken geben,

 

es gilt dieses entweder/oder gehabe zu entschleiern, zweifelsohne gab es das patriarchat schon vor dem kapitalismus und eine sozialistische gesellschaft könnte ebenfall patriarchal organisiert sein ( eine befreite gesellschaft auch??)

das heißt aber doch nicht das kapitalismus und das patriachat vorzüglich gegenseitig bedingen und einen reibunglose abwicklung des jewiligen herrschaftsverhältnis weiter verdichten.

diese komplizenschaft müßte ziemlich genau untersucht werden.

genauso wie eine spur bis offener rassistischter tendenzen sich vorzüglich für diese wirtschaftsform zum vorteil wendet.

rassismus gab es auch schon vorm kapital.

was bedeutet das denn alles??

die überwindung des jeweiligen kann nur durch die überwindung in theorie und praxis gedacht/gemacht werden.

dem weg zur "freien gesellschaft" fehlt es an perspektive...........

phrasen, verkürzte kritik.............

das eine kann nicht losgelöst vom anderen betrachtet werden weil es sich eben bedingt.

 

vollkommen fehlerhaft ist die rechenbehauptung oben, das nullsummenspiel,

weil es eben den patriachalen kapitalismus relativiert oder ausklammert.

auch wenn in der linksradikalen wenig kinder geboren werden ist es nicht so schwer vorstellbar das Frauen* körperlich während der schwangerschaft und danach beeinträchtigt sind (eigentlich ja nicht, sondern im maßstab zur leistungsgesellschaft) und  sich überhaupt nicht so gut verwerten lassen, besonders die ein/zwei jahre danach und erst die emotionalen veränderungen und da männer solche versager sind, was die kinder angeht akzeptieren viele frauen AUS LIEBE stillschweigend die verhältnisse oder freuen sich über reprduktiönchen als teilhabe und verdrehten gleichberechtigungskampf. Wo kämpfen die männer gleichberechtigt für ihre kinder da sein zu wollen (befreiung!!) und so bleibt die frau* ein unsicherheitsfaktor in der akkumulation von kapital und ab hier könnte es dialektisch werden.........

 

mit solidarischen grüßen

das heißt aber doch nicht das kapitalismus und das patriachat vorzüglich gegenseitig bedingen und einen reibunglose abwicklung des jewiligen herrschaftsverhältnis weiter verdichten.

 

Ja, da sind wir uns ja einig. Siehe FN 4 meines Artikels: "beeinflussen sich die verschiedenen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse wechselseitig – dies kann allerdings sowohl in verstärkender als auch in abschwächender Weise geschehen."

 

vollkommen fehlerhaft ist die rechenbehauptung oben, das nullsummenspiel,

weil es eben den patriachalen kapitalismus relativiert oder ausklammert.

 

Inwiefern ist dies Deines Erachtens der Fall?

 

auch wenn in der linksradikalen wenig kinder geboren werden ist es nicht so schwer vorstellbar das Frauen* körperlich während der schwangerschaft und danach beeinträchtigt sind (eigentlich ja nicht, sondern im maßstab zur leistungsgesellschaft) und  sich überhaupt nicht so gut verwerten lassen, besonders die ein/zwei jahre danach und erst die emotionalen veränderungen

 

a) "ein/zwei jahre" scheint mir ein ziemlich großzügig angesetzter Zeitraum zu sein...

 

b) Auch dauerhaft kinderlose FrauenLesben - und das sind mittlerweile ziemlich viele in Deutschland - sind ja aber von der geschlechtlichen Lohndiskriminierung betroffen.

 

c) "nicht so gut verwerten lassen" - Und was ist Deine Schlußfolgerung (für das Verhältnis von Patriarchat und Kapitalismus) aus dem von Dir angenommenen Umstand?