[Frankreich] Aufenthaltsverbote - Repression / Tarnac

Magasin general de Tarnac

Der Ausnahmezustand in Frankreich erlaubt und ermöglicht es es den dortigen Behörden, im Schatten der Terrorbekämpfung mit Demoverboten, Hausarrestsanordnungen sowie Aufenthaltsverboten gegen unliebsame Personen auch gegen Linke vorzugehen. Als konkretes Beispiel hier die Übersetzung eines Artikels vom 3. Dezember 2015 von Laurent Borredon, Journalist von Le Monde, Experte für innere Sicherheit.

 

Original: http://delinquance.blog.lemonde.fr/2015/12/03/etat-durgence-petit-detour...

 

Notstandsgesetz: Kleiner Umweg über Tarnac - die Wiederkehr der «Ultra-Linken» [l’ultragauche]

 

Die Maßnahme steht zwar in keinem direkten Zusammenhang zum Ausnahmezustand, aber sie reiht sich ein in eine ganze Reihe von Aktionen oppositioneller Bewegungen, die rund um den Klimagipfel COP21 organisiert worden sind und gegen die das Innenministerium bereitwillig das ganze Instrumentarium eingesetzt hat, das der Ausnahmezustand bereitstellt: am Sonntag, den 29.11., sah sich ein 30jähriger Schweizer plötzlich mit einem Aufenthaltsverbot von unbegrenzter Dauer für das französische Staatsgebiet konfrontiert, das er unterzeichnen sollte, als er gerade vom französisch-schweizerischen Flughafen Basel einen Flug nach USA nehmen wollte.

 

Das Problem daran ist für D., der laut Verordnung "wohnhaft ist in der Schweiz" und "Nähe zur französischen radikalen linksextremistischen Bewegung" hat, dass er tatsächlich seit 2008 in Frankreich lebt, und zwar nicht irgendwo, sondern in Tarnac, diesem berühmte Dorf in der Corrèze, das Symbol geworden ist für die Irrungen des französischen Antiterrorismus und der "Ultralinken", denen die politisch Verantwortlichen damals den Kampf angesagt hatten. D. hat genau dort eine Freundin und einen kleinen Sohn von sechs Monaten. Im Handelsregister ist er eingetragen als Mit-Geschäftsführer des "Magasin général", des dortigen Lebensmittelladens und kleinen Restaurants des Dorfes. Er zahlt Beiträge in die Sozialkasse der Unabhängigen.

 

"Sein Profil lässt gewalttätiges Verhalten vermuten"

 

Aber in den Akten der Geheimdienste - die während der Hausarrest-Verordnungen der letzten Woche im Rahmen des COP21 schon viele Fehler gemacht haben, (falsche Adressen, Maßnahmen gegen Personen, die seit Jahren nicht mehr im Zusammenhang mit militanten Aktivitäten aufgefallen sind etc.) - fand sich nichts davon. Und von vielem anderen auch nicht. Um zu rechtfertigen, dass "aus Gründen der Bedrohung der öffentlichen Ordnung und der erwarteten gewalttätigen Ausschreitungen am Rande der angekündigten Demonstrationen im Rahmen der 21. Konferenz der Staaten zum Klimagipfel in Paris (COP21) zwischen dem 28. November und dem 12.Dezember 2015 sein Profil ein gewalttätiges Verhalten erwarten lässt, das verdächtig ist, die öffentliche Sicherheit zu bedrohen", wurde ein einziges Element aufgeführt, das sechs Jahre alt ist:

 

"D. ist einschlägig bekannt für seine Involvierung in die Aktionen der internationalen Bewegung, die für Tumulte gegen die öffentliche Ordnung in Dänemark während des 15. Klimagipfels in Kopenhagen im Jahr 2009 verantwortlich war". Tatsächlich ist D. am Rande der Demonstration festgenommen worden, das Verfahren wurde eingestellt.

 

D. wird einen Einspruch einlegen, der aber keine aufschiebende Wirkung hat. Der Countdown läuft: sein Ticket für den Rückflug nach Frankreich ist auf den 9. Dezember datiert. Der 9. Dezember... D. hatte also gar nicht vorgesehen, während des COP21 in Frankreich zu sein, der vom 29.11. bis zum 12. Dezember stattfindet.

 

64 Aufenthaltsverbote

 

Laut Innenministerium sind 64 Aufenthaltsverbote für Frankreich im Rahmen des COP21 ausgesprochen worden. Sie betreffen ein ganzes Spektrum von Leuten europäischer Staatsangehörigkeit: Deutsche, Spanier, Portugiesen, Italiener und Schweizer. Es handelt sich laut Ministerium um Personen, deren Anwesenheit festgestellt worden sein soll bei gewalttätigen Zusammenstößen während einer Demo zum NATO-Gipfel in Straßburg 2009, während Aktionen gegen das TAV-Schnellzugprojekt Lyon-Turin sowie als Teilnehmer des No-Border-Movements, die während verschiedener Demonstrationen gewalttätig wurden.

 

Autor: Laurent Borredon

 

Original: http://delinquance.blog.lemonde.fr/2015/12/03/etat-durgence-petit-detour...

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Am 7. Dezember hat das Innenministerium  das Verbot zurück genommen - wenige Stunden vor der offiziellen Gerichtsverhandlung in Paris:

"Selon le ministère de l'intérieur, 64 arrêtés d'interdiction de séjour sur le territoire français ont été pris dans le cadre de la COP21. Ils concernent un éventail de nationalités européennes: Allemands, Espagnols, Portugais, Italiens et Suisses, donc. Il s'agit, selon la Place Beauvau, de personnes dont la présence aurait été signalée, par exemple, lors des heurts violents d'un défilé en marge du sommet de l'OTAN à Strasbourg, en 2009, lors des actions contre la ligne à grande vitesse Lyon-Turin, mais également de membres présumés des No Border qui auraient été présents lors de certaines manifestations violentes."

http://delinquance.blog.lemonde.fr/2015/12/03/etat-durgence-petit-detour...

Hier der richtige Absatz:

le ministère de l'intérieur recule aussi, parfois. Lundi 7 décembre, il a retiré l'arrêté d'interdiction de séjour sur le territoire français visant un Suisse habitant à Tarnac (Corrèze), quelques heures avant l'examen d'un référé-liberté devant le tribunal administratif de Paris. D., 30 ans, cogérant du Magasin général du village, résidait en France depuis 2008 - alors que l'arrêté le domiciliait par erreur en Suisse, comme nous l'avions évoqué.  La décision du ministère avait été prise également dans le cadre de la COP21, mais sans limitation de durée, au contraire des assignations à résidence.

Laurent Borredon auf http://delinquance.blog.lemonde.fr/