Der Zweite Asylkompromiss – Fleisch vom Fleische der NSU

Andreas Temme – Volker Bouffier – Thomas Demeziere – Winfried Kretschmann – Simon Bromma

Neulich in der Bahn: „Engels (Name geändert). Bitte fassen Sie sich kurz, ich bin in einem vollen Abteil.“ – „ Nein, umgekehrt wird ein Schuh draus. Wenn Sie mit ihnen zusammengearbeitet hätten dann wäre es wohl nicht dazu gekommen. Die geben den Billiglohnarbeitern das Selbstwertgefühl zurück anstatt sie als sinnlose Reservearmee zu behandeln. Dann brauchen auch die Wracks nicht rauslassen was ihnen andernorts reingedrückt wurde. Mit Verlaub, Ihre Argumentation ist geistig prekär.“ – „Wenn Sie es zusammen mit Ihrer Katze angesehen haben dann reden Sie doch mit ihr darüber anstatt mit mir. Hier sind hundert Leute die heute alle zu viel Stress hatten und nicht gestört werden wollen. Wenn Sie jetzt bitte gehen möchten, Herr Stieber (Name geändert).“ Der zeitgenössische Leser hat es bereits erkannt: Die Rede ist von den Fußtritten der Aufseher in den Flüchtlingslagern und den krassen Irritationen die deren Bekanntwerden bei den verdorbenen Berufsjugendlichen der Sowjetzonen-Auslandsdeutschen hervorgerufen hat. So wie die Brände und Pogrome in deren Dunst der Erste Asylkompromiss verübt wurde bietet auch die Vollzugskulisse des Zweiten Asylkompromisses dem historischen Betrachter Erklärungsansätze wie es dazu kommen konnte. Doch wie die Brandursachen erst aus der Distanz erkannt wurden bleibt auch jetzt abzuwarten mit welchen Intentionen das nicht Wikileaks-zertifizierte Videomaterial in die Öffentlichkeit gelangt ist. Mit dem Ersten Asylkompromiss setzte sich das BRD-Regime an die Spitze rassistischer Pogrome, die von DDR-Beitrittsverlierern angefeuert worden waren um ebenjenem Regime beizukommen, und der Schuss ging nach hinten los, von den Rassisten so gewollt. Mit dem Zweiten Asylkompromiss ist Vergleichbares geschehen, doch in anderer Form. Diese Analyse zeigt auf dass auch im aktuellen Fall die Taktik der autoritären Affirmation das zentrale Element des Geschehens ist.

 

Zu dem eigentlichen Kuhhandel braucht an dieser Stelle nicht viel gesagt zu werden. Womöglich werden sich Flüchtlinge „Residenzpflicht abgelaufen“ auf die Kleidung drucken lassen müssen um ohne rassistische Belästigung Bahn fahren zu können. Wer hierherkommt um ein geeintes Land mit aufzubauen hat jetzt keinerlei Zweifel mehr einer vollendeten Balkanisierung gegenüberzustehen. Einwanderer die am Jahrestag des Knebelvertrages der den fristlosen Abzug der imperialistischen Besatzungstruppen blockiert einen „fröhlichen Unabhängigkeitstag“ wünschen wird es fortan nicht mehr geben. Denn die Abwägung des Regierungsdekrets ist so eindeutig negativ dass die öffentliche Debatte längst an dem Punkt angekommen ist nach Gründen dafür zu suchen wie es dazu kommen konnte, vor allem jetzt wo das Nachlassen der Flüchtlingszahlen keinerlei Erklärung mehr bedarf. Das Dekret heißt „Kompromiss“ nicht nur weil sein inneres Sich-Entgegenkommen realitätsfern ist. Rechtsmissbräuchliche Schikanen dreht man nicht auf Sparflamme sondern stellt sie ganz ab. Dafür dass aus einem Land wo „die Bundeswehr Frieden geschaffen hat“ eine Massenflucht stattfindet gibt man eine Erklärung anstatt die Leute grundlos abzuweisen. Wer eine dreckige Fabrik herunterfährt die keinen Gewinn mehr abwirft kann das nicht als Klimaschutzleistung ausgeben. Wer sich in dem einen Fall für befangen genug hält sich ganz herauszuhalten muss das auch in dem anderen tun, und darauf verzichten beim Umgang mit den Spätfolgen der Giftgasexportpolitik mitmischen zu wollen. Der „Asylkompromiss“ heißt auch deswegen Kompromiss weil er innerhalb der Staatsmacht sich einander widersprechende Elemente zusammenfasst, welche darüber hinaus in keinerlei zweckrationaler Einfriedung mehr fassbar sind.

Der „Asylkompromiss“ stellt eine rare Übereinkunft der widerstrebenden Provinzregierungen dar, die sich vor dem Misshandlungsskandal aufgrund der einseitigen geographischen Verteilung der Flüchtlingszugänge nicht einigen konnten. Es ist die erste und umfangreichste ihrer Art nach der Neuformierung des Gremiums „Bundesrat,“ dem in der sogenannten „Bundesrepublik“ eine besondere staatspolitische Funktion zukommt, da neben der Zentralregierung jedes „Bundesland“ über einen eigenen Geheimstaatspolizeiapparat verfügt und dieses daher nur dann zu einer Einigung in der Lage ist wenn all jene Amtsträger der Zentralbehörde hörig sind und letztere somit sämtliche 16 Unter-Behörden hinter sich scharen kann. Dem „Bundesrat“ steht seit kurzem einer der ehemaligen Innenminister vor, in deren Verantwortungsbereich es in dem fraglichen Zeitraum zu den unerledigten NSU-Morden gekommen ist. Die Kritik der ehrenwerten Frau John, dass es nicht zu einer Säuberung der Behörden gekommen ist, zeigt sich hier als vergeblicher Tropfen auf den heißen Stein: Nicht nur wurden die dafür verantwortlichen Schreibtischtäter nicht weggeputzt, sondern sogar noch in die Position befördert den skandalerschütterten Repressionsapparat neu zu formieren. Bereits der Blick auf die Aufstellung der Beteiligten offenbart: Der Zweite Asylkompromiss markiert den Übergang von der Vernebelung zur Restauration der tieferen Ursachen der NSU-Problematik.

Innerhalb dieses Proporzgremiums wiederum war es die sogenannte „Grüne Partei“ welche schlussendlich den Mist gebaut hat. Weniger bekannt ist dass diese nur in die Position dazu gelangen konnte weil in der entsprechenden Provinz „zufällig“ (der Termin stand schon fest) eine Wahl durch die Fukushima-Atomkatastrophe entschieden worden war. Die „grüne Partei“ in Baden-Württemberg unter ihrem Führer Kretschmann segelte im Windschatten der internationalen Bewegung, die sich um die emanzipatorische Gegenöffentlichkeit scharte welche bereits die Schocks von Three Mile Island und Chernobyl absorbierte in die Position der Staatsmacht, nur um dann wie im Fall Bromma umfassend nachvollziehbar geworden diese Bewegung an den Geheimstaatspolizei-Apparat zu verraten, als Negativbeispiel für „direkte Demokratie“ in Erscheinung zu treten und auch sonst die Kapazitäten des ökologischen Umbaus für sinnlose Großprojekte zu vergeuden. Der dortige Parteichef hat nämlich selbst einen ganz besonderen „Asylkompromiss“ mit dem Staatsapparat geschlossen: Einst als Oppositioneller mit Berufsverbot belegt, blockiert er jetzt die Entschädigung der Diskriminierten von denen sich viele in der „grünen Partei“ sammelten.

Jeder Flüchtling weiß dass die letzten Leidtragenden eines Massakers die Überlebenden sind, die der Selektion nur entgehen konnten indem sie sich selbst gegen ihren Willen veränderten; die gesellschaftlichen Auswirkungen des Berufsverbots auf die erste Nachkriegsgeneration waren auf gleichermaßen heimtückische Weise verheerend. Es wird sogar schon gemunkelt, Kretschmann habe das Berufsverbot gar nicht in echt erlitten sondern dabei auf dem unsichtbaren Podest des Geheimstaatspolizei-Apparats gestanden, welcher ihn einst als Spitzel zur außerparlamentarischen Opposition schickte wie später den Bromma. Sicher ist bislang aber nur dass Parteisprecher Uli Sckerl seine Aufgabe nicht gelöst hat. Wer hier tiefer nachbohrt stößt bald auf die gigantischen Löcher welche ungeklärte Todesfälle im Gefüge der „grünen Partei“ hinterlassen haben, so etwa der Verlust der von einer Stalking-Kampagne der Atomlobby zu Tode gehetzten Abrüstungsexpertin Petra Kelly, deren Auftreten bis zum heutigen Tage keine annähernd vergleichbaren Kapazitäten mehr folgten.

In dieser Provinz fand zuvor auch der einzige NSU-Fall statt der keinen Einwanderer traf sondern eine einheimische Polizistin, und zudem der einzige an dem auch Spione der imperialistischen Besatzungsmacht beteiligt waren, welche dort mittlerweile ihr „Africa Command“ aufgeschlagen hat. Ob hier ein Agent der Geheimstaatspolizei geplanter maßen auf die uniformierte Polizei schoss um „à la Celler Loch“ das Zutrauen der NSU zu erwerben, oder ob es sich um eine fahrlässige Tötung durch die NSU handelte kann dort nicht mehr bzw. noch nicht erfragt werden. Andernorts sind aus der Sicht des Öko-Veteranen eine grüne und eine alternative Partei dasselbe Paar Schuhe, in Deutschland gehen sie in unterschiedliche Richtungen. Wirtschaftspolitisch betrachtet verhalten sich die deutschen „Grünen“ wie ein Klebstoffvertreter der versucht Windmühlen an eine Geothermie-Genossenschaft zu verkaufen. Menschenrechtspolitisch gesehen verhalten sie sich jedoch wie jemand der mit tödlichen Lebenslügen erpresst wird, wobei unklar bleibt ob die Parteiführung der Erpresser ist oder der Erpresste, oder eine „Personalunion“ vorliegt wie schon im Fall der NPD, von deren behördlicher Fremdbestimmtheit sich die NSU gewaltsam abzuspalten versuchte.

Sehr viel durchsichtiger sind hingegen die Verhältnisse in der Provinz Hessen, deren Gouverneur jetzt den bereits erwähnten Vorsitz innehat. Unter der Regie Bouffiers verübte in der hessischen Stadt Kassel der Geheimstaatspolizei-Agent Temme den letzten NSU-Mord an einem Einwanderer, welcher in der Kalkulation des Bouffier als „Bauernopfer“ für eine Taktik der autoritären Affirmation herangezogen wurde, womit Temme und Bouffier den NSU-Leuten zu suggerieren trachteten durch zusätzliche Überdehnung der Spreizung von rechtlicher und tatsächlicher Wahrnehmung nicht weiter reizbar zu sein. Bouffier ist in die Position gelangt in der er jetzt ist weil er einen Schießbefehl gab der die NSU rechts überholte. Über den Täter Temme, der nach seiner ungewollten Prominenz in großem Stil versucht hat alle Spuren seiner Person zu verwischen, ist der Öffentlichkeit nur bekannt dass nicht einmal die bereits genannte Frau John ausschließen kann dass die Geheimstaatspolizei ihn nach wie vor irgendwo als Lockspitzel und Provokateur beschäftigt. Die Beförderung des Schreibtischtäters deutet vielmehr darauf hin dass sein Untergebener Temme mit neueren ungeklärten Todesfällen sozialer Basisbewegungen im Kausalzusammenhang stehen könnte, so wie womöglich schon Bromma.

Aus dem gesamten Hinterlassenschafts-Haufen von drei Jahren NSU-Affäre ist diese Person jedenfalls die mit Abstand heißeste Spur. Temme hatte das Ladengeschäft seines Kasseler Opfers schließlich nicht aus privaten Gründen aufgesucht sondern in seiner Funktion als Provokateur. Bouffier hat seine Karriere auf Temme gebaut und tut dies nach wie vor. Mit dem „Asylkompromiss“ hat er seine Position durch Einbindung aller an der NSU mitschuldigen Provinzbehörden gesichert, so dass es sehr unwahrscheinlich erscheint dass Temme jetzt unter falschem Namen irgendwo in Schweden Erbsen zählt. Wahrscheinlicher ist, dass der bekannte demokratiefaschistische Spion Temme hier im Land Oppositionellen auf die Nerven geht die nichts weniger gebrauchen können als einen ausrangierten Auftragsmörder, und noch wahrscheinlicher ist dass er dabei auf dieselbe Taktik zurückzugreifen versucht wie bei der NSU. Höchstwahrscheinlich würde er zur Rede gestellt behaupten dass er die ganze Abneigung nicht verstehe, wo doch sein Agenten-Führer jetzt den ganzen Laden mit allen Filialen unter sich habe. Allerhöchstwahrscheinlich würde man dann feststellen dass er außer Geld, Waffen und Autos nichts im Kopf hat. Aber das gilt ja schon in Bezug auf Bouffier.

Es bleibt zu befürchten der Lauf der Zeit wird es beweisen: Erst wenn der „Zweite Asylkompromiss“ in aller Form für nichtig erklärt worden ist, werden die Deutschen in der Lage sein der Wahrheit über die NSU auf den Grund zu gelangen. (Erst wenn der „Erste Asylkompromiss“ – von wegen sichere Drittstaaten und so – gekippt ist, werden die Deutschen die Wahrheit über die „Wiedervereinigung“ vertragen.) Um das zu erreichen muss aber zuvor schon die Statik der Konstruktion Bouffier-Temme/Kretschmann-Bromma transparent gemacht werden, damit es jedem der die Sprache versteht möglich wird das demokratische deutsche Lügengebilde kapitalistischen Typs auszuhebeln. Warum ist es nicht zu einer Säuberung der Sicherheitsbehörden gekommen, obgleich dies in einem frühen Stadium glimpflich abgelaufen wäre? (Arbeitslosigkeit tötet nicht, oder?) Anders gefragt: Wieso hat Bouffier nicht den Mut die amerikanische JCTIC[sp?]-Behörde, ebenso eine rückschlagsanfällige Mogelpackung wie das Stuttgarter „Africom“-Amt, aus Wiesbaden hinaus zu bitten? Antwort: Es ist wie wenn Merkel verlangt dass Obama ihr Telefon nicht abhört. Das kann sie nicht aufrichtig fordern, denn sie ernährt sich ja selber von abgehörten Telefonen.

Aber imperialistischer Befehlsnotstand rechtfertigt keinen „Asylkompromiss.“ Die Rechnung, zu Lasten des Verursacherprinzips die Fluchtländerliste zu „säubern“ (im zynischen Sinn des Wortes), die Ursachen und Folgen der NSU-Affäre krampfhaft zu verdrängen, und die Flüchtlinge mit „Schikane auf Sparflamme“ zu befrieden ginge vielleicht als Nachhut eines antiimperialistischen Impulses für eine Weile auf, in einem Umfeld allgemeiner Stagnation tut sie es definitiv nicht. Doch leider ist es wahrscheinlicher dass ein Ufo landet und Zahnersatz in die Menge schleudert als dass die Deutschen ihren Besatzern die Kinderhymne singen. Und wenn doch dann würden der Temme und der Bromma so schief singen dass Liebknecht und Luxemburg sich in ihren Gräbern umdrehten und die Zeitgenossen zu Spammasse erstarrten (siehe Pofalla). Allerdings sind alle Genannten lediglich Nebenfiguren des „Zweiten Asylkompromisses.“ Hauptschuldiger ist der Innenminister der damit seinem Außenminister die Bankrotterklärung der militärischen deutschen Menschenrechtspolitik seit dem „Ersten Asylkompromiss“ ausstellt, und der nach wie vor die einzige Whistleblowerin aus dem Apparat gefangen hält. Aber ist die tatsächlich ein schlechterer Mensch als andere Alarmisten, wären die Flüchtlinge nicht besser beraten stattdessen deren Dienstherren an die Hooligans auszuliefern?

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