Ein Bericht aus der Berliner Mieter“gemeinschaft“
Die Räume der Berliner Mietergemeinschaft (BMG) waren selten so voll. Neben 10 Vertreter_innen aus 4 Berliner Bezirksgruppen und einzelnen Mitarbeiter_innen der Geschäftsstelle der BMG erschienen zahlreiche im Auftrag der Mietergemeinschaft tätige Berater_innen und Aktivist_innen aus Mieter- und Stadtteilinitiativen.
Auf der Tagesordnung des Delegiertenrats, dem laut Satzung entscheidenden Gremium der BMG, standen am 14.03.2014 zwei brisante Anträge. Nach dem Antrag einer vom Vorstand beauftragten Gruppe, die sich ironischerweise „Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der BMG e.V. und den beauftragten Rechtsberatern“ nennt, dürfen Delegierte der Berliner Mietergemeinschaft keine Rechtsberater_innen mehr sein. Auch für die Bildung von Bezirksgruppen sollen neue Maßstäbe gelten. So muss die Gründung beim Vorstand angezeigt werden. Erst nach sechs Monaten soll die Gruppe die in der Satzung festgelegten Rechte erhalten. Und wenn ihre Arbeit sich gegen nicht näher bestimmte „satzungsgemäße Ziele“ richtet, kann die Zustimmung gleich verweigert werden. Die Beurteilung hierüber wurde der Redaktion des Mieterechos übertragen. Die Nachfrage, welche Personen dazu gehören, wurde jedoch nicht beantwortet. Überhaupt war die ganze Zeit fraglich, über was und wieso diskutiert wurde. Die Debatte hatte nichts mit den teilweise konfliktreichen, aber immer um den Austausch von Argumenten und die Suche nach Strategien bestimmten Diskussionen in den Netzwerken von Mieter- und Stadtteilinitiativen gemein. Sämtliche Einwände von Mitgliedern der BMG prallten an der als Block auftretenden Fraktion der Delegierten aus Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln ab.
Der derzeitige Delegiertenrat repräsentiert zwar nur ein Drittel der Mitglieder, da in einzelnen Bezirken teilweise seit mehr als 20 Jahren keine Wahlen mehr stattfanden. In den grundsätzlichen Fragen waren sich die Vertreter_innen der drei Bezirksgruppen jedoch einig. Der Antrag der Bezirksgruppe Prenzlauer Berg auf Wahlen in allen Bezirken, in denen Delegierte bisher fehlen, wurde abgelehnt. Die Vorlage der vom Vorstand beauftragten Arbeitsgruppe wurde gegen das Votum der Vertreter_innen dieser Bezirksgruppe und unter Protest von anwesenden Gästen angenommen. Während der Antrag auf die Unvereinbarkeit von Mandat und Beratertätigkeit anfangs noch wortreich mit einem Rechtsgutachten begründet wurde, brachte es später eine der Neuköllner Delegierten auf den Punkt: „Allein die Tatsache, dass Ihr (Anm. d.V. gemeint sind die Vertreter_innen der Bezirksgruppe Prenzlauer Berg) unsere Positionen nicht teilt, zeigt, dass Ihr ausgeschlossen werden müsst“.
Diese Beschlüsse müssen zwar noch beim nächsten Treffen des Delegiertenrats am 04. April bestätigt werden, da die jetzige Sitzung aufgrund der relativ geringen Anzahl von Delegierten nach der Satzung nicht beschlussfähig ist. Dies ist allerdings nur eine Formsache. Auch in der Vergangenheit wurden die Vorlagen des Vorstandes in der Regel zustimmend zur Kenntnis genommen.
Die BMG und der Umgang mit Kritik
Der Ausschluss von Kritiker_innen hat in der Mietergemeinschaft eine lange Tradition. Bereits in der 90er Jahren wurden zahlreiche Delegierte ausgeschlossen, die abweichende Meinungen über Struktur und Zielsetzungen der BMG vertraten. Diese Maxime wurde im Juli 2000 in einer wegweisenden Satzungsänderung nochmals bekräftigt. Danach sind Delegierte verpflichtet, die Beschlüsse des Delegiertenrats in der jeweiligen Bezirksgruppe der BMG (!!) zu vertreten. Im Falle eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz droht der Ausschluss, insbesondere dann, wenn „die Durchführung gefasster Beschlüsse … durch eine unberechtigte Vertretung nach außen“ verhindert wird. Der eigentlich lobenswerte basisdemokratische Organisationsansatz wurde damit systematisch in das Gegenteil verkehrt. Nicht die Gruppen vor Ort beeinflussen die Ziele und Arbeitsansätze der BMG, sondern ein kleiner Kreis von Menschen lenkt die Geschicke der Organisation und sucht sich willfährige Helfer_innen in den Stadtteilen. Die BMG hat seit dieser Zeit mehr mit einer stalinistisch geprägten Kadergruppe als einer von den Mitgliedern bestimmten Organisation zu tun. Wahlen zum Delegiertenrat fanden nach dem um die Jahrtausendwende erfolgten Ausschluss der Kritiker_innen nicht mehr statt. Die Arbeit in den Bezirksgruppen ist – bis auf wenige Ausnahmen – faktisch kaum noch vorhanden.
Auch von den Mitgliedern der Bezirksgruppe Prenzlauer Berg wurden diese Strukturen in einem Schreiben kritisiert. Bemängelt wurde unter anderem, dass die letzten Vorstandswahlen im Jahre 1997 stattfanden, obwohl die Satzung einen zweijährigen Turnus vorschreibt. Beklagt wurde auch, dass Wahlen zum Delegiertenrat in einzelnen Bezirken zum Teil jahrzehntelang nicht mehr stattgefunden haben und damit lediglich nur ein Bruchteil der Mitglieder vertreten ist. Ob durch Wahlen angesichts der vorhandenen Grundlagen die Entscheidungsstrukturen der BMG tatsächlich entscheidend positiv verändert werden, bleibt zwar mehr als zweifelhaft. Wie ernst es der leitenden Gruppierung des BMG jedoch mit dem Bemühen ist, bereits erste kritische Ansätze zu ersticken, zeigt dieser Fall. Zwei der drei Delegierten aus dem Prenzlauer Berg sind gleichzeitig als Berater_innen der BMG tätig.
Die BMG und die Initiativen
Das Verhältnis zur und die Kooperation mit der Berliner Mietergemeinschaft war des Öfteren Thema bei den Treffen von Stadtteil- und Mieterinitiativen. Überwiegend wurde die Qualität des monatlich erscheinenden „Mieterecho“ und die gegen die Einflussnahme von Parteien gerichtete Strategie der Mietergemeinschaft begrüßt. Die Unzufriedenheit mit der Mietergemeinschaft ist jedoch groß. Vertreter_innen von Initiativen berichten von zahllosen Versuchen zur Einschüchterung. So werden inhaltliche Kritiken grundsätzlich nicht geduldet oder als „Schmutzkampagne“ definiert. Aktive von unabhängigen Initiativen werden unter Druck gesetzt, vermeintlich feindliche Bestrebungen zu denunzieren. Einzelnen Initiativen wird eine Unterstützung zuteil, während anderen diese verweigert wird. Dies wurde in den Debatten oft als Ausdruck einer Schwäche einer autoritär strukturierten Organisation in der Auseinandersetzung um Handlungsansätze interpretiert. Die Berliner Mietergemeinschaft ist allerdings meilenweit von einer kontinuierlichen Unterstützungsarbeit entfernt. Im Gegenteil, Kreativität, Eigeninitiative und spontanes Handeln werden immer wieder torpediert, wenn diese von der Struktur der BMG nicht kontrolliert werden können.
Es ist daher völlig unbegründet, sich Hoffnungen auf eine langsame Änderung der Berliner Mietergemeinschaft zu machen oder daran zu glauben, dass die BMG mit aller Kraft den Aufbau und die Entstehung einer unabhängigen und starken Mieter_innen-Bewegung fördern wird. .Angesichts dieser Umstände erscheint es erforderlich, über alternative Organisationsstrukturen nachzudenken. Ein erster Schritt könnte vielleicht darin bestehen, künftig nicht mehr aktiv für einen Beitritt in die BMG zu werben.
AG kritischer BMG-Mitglieder
Kontakt: contro.tschistka@gmx.de
BMG, wie weiter?
Ich finde den Text dahiningehend gut, dass er mal aufzeigt was eigentlich los ist in der BMG. Seit Jahren ist nämlich zu beobachten, dass der vermutlich über 18.000 Mitglieder zählende Verein quasi nicht mehr wahrnehmbar ist in der Berliner MieterInnen-Bewegung. Das ist wegen dieses riesen Potentials extrem ärgerlich. Aber! Wieso aufgeben? Die Satzung sieht vor wie im Verein tatsächlich die Mitglieder Einfluß nehemen können, nämlich durch Wahlen, Gründung von Bezirksgruppen o.ä.. Noch ist nichst verloren, wir sollten kämpfen und die BMG nicht einer machtsüchtigen Clique überlassen.
Die Wiederholung der im Text genannten Delegiertenratssitzung findet morgen Freitag den 4. April um 18 Uhr in der Möckernstraße 92 statt. Die Sitzung ist öffentlich für alle also auch für nicht Mitglieder.
Lasst uns doch dahingehen und schauen wir "demokratisch" dort agiert wird...