Stellungnahme zur BKA-Aussage 1999

Mitte Januar 2013 wurde ich mit meiner Aussage beim BKA 1999 konfrontiert. Es handelte sich dabei um Aussagen im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegen Hans-Joachim Klein. Als die Vorladung kam, habe ich mich mit meinem damaligen Rechtsanwalt beraten, der mir freistellte zur Vernehmung zu gehen oder nicht. Er machte aber klar, dass, wenn ich nicht zur Vorladung gehe, ich beim Prozess aussagen oder eben in Beugehaft gehen müsste.

Die Befragung drehte sich dann um die Angaben Kleins, die er in seinem Buch „Rückkehr in die Menschlichkeit“ und in seiner Aussage innerhalb seines Ermittlungsverfahrens gemacht hatte. Ich wurde auch zum Verhältnis Kleins zu Ingrid Siepmann und Gabriele Kröcher-Tiedemann befragt, die 1999 bereits verstorben waren. Außerdem wurde ich befragt wann und wo ich Klein damals getroffen habe. Die gemachten Aussagen haben juristisch nach meiner Einschätzung keine Tragweite, weil sie für niemanden eine Gefährdung bedeuten. Ich habe niemanden darin belastet.

Dass ich mich zu diesem Vorfall die ganzen Jahre nicht geäußert habe, war ein Fehler. Heute finde ich, dass die Aussagen – ungeachtet ihrer juristischen Seite – politisch/moralisch schwer wiegen und ein Fehler waren. Die Tatsache, dass ich mich überhaupt auf die Interessen der Bullen eingelassen habe, verletzt das Credo: „keine Aussagen“. Diese Grundregel ist die einzige Chance, jeglichem Manöver in Verhören standzuhalten. Letztlich trägt bei einer Einlassung der Gegner immer den Nutzen davon. Das Ergebnis der Vorladung hat gezeigt, dass ich mich selbst überschätzt hatte und letztlich der Lage nicht gewachsen war. Als ich jetzt nach 13 Jahren das Protokoll gelesen habe, war es mir unvorstellbar, dass ich mich derart eingelassen habe.

Mit dieser Stellungnahme zu dem aufgetauchtem Protokoll, ist mein damaliger Fehler zwar nicht aus der Welt zu schaffen, aber ich will damit auch noch mal bekräftigen, dass der Grat zwischen Einlassungen und Kollaboration mit dem Gegner immer sehr schmal ist und dass es eine Illusion ist, diesen selbstbestimmt bewältigen zu können. So oder so, die revolutionären Strukturen werden verunsichert und die revolutionäre Moral verletzt, die generelle, aber vor allem auch die eigene.

Es zeigt auch noch einmal, wie wichtig ein kollektiver Umgang bei der Konfrontation mit den Repressionsorganen ist. Hätte ich mich damals mit anderen GenossInnen über den Umgang mit der Vorladung ausgetauscht, wäre es vermutlich nicht zu diesem Fehler gekommen.

Inge Viett
März 2013

 

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Stellungnahme von GenossInnen, die seit Jahren intensiv mit Inge zusammenarbeiten

Inge ist eine Genossin, mit der wir seit Jahren eng zusammenarbeiten. Im Januar 2013 wurde uns das Protokoll einer Zeugenvernehmung mit ihr beim BKA 1999 in Berlin zugetragen. In der Zeugenvernehmung, die anlässlich des bevorstehenden Prozesses gegen Hans-Joachim Klein stattfand, machte Inge Aussagen zu Hans-Joachim Klein und seinen Aufenthalt in einem Ausbildungscamp im Südjemen 1976.

Die Zeugenaussage beim BKA war ein schwerer Fehler. Auch wenn der Inhalt der Aussagen keinen Schaden in Form weiterer Ermittlungen anrichten kann, bleibt der Grundsatz, dass es keine harmlosen Aussagen gibt richtig. Gerade deshalb halten wir es auch für notwendig diesen Vorfall öffentlich zu machen, auch wenn die Aussage 13 Jahre zurück liegt. Aussagen, Anquatschversuche und so weiter müssen zwingend öffentlich gemacht werden. Wir haben die gemachten Aussagen gemeinsam mit Inge aufgearbeitet und den Umgang damit besprochen.

Wir halten Inge trotz des gemachten Fehlers weiterhin für eine integere Person. Es gibt sicher auch Fehler, die eine weitere gemeinsame politische Arbeit unmöglich machen. Diese Aussage gehört unserer Meinung nach jedoch nicht in diese Kategorie. Wir werden unsere gemeinsame politische Arbeit mit Inge daher fortsetzen.

GenossInnen, die seit Jahren intensiv mit Inge zusammenarbeiten

danke!

Mich überrascht die ganze Angelegenheit, weil die aktuelle Sache nicht konsistent mit früheren Aussagen von Inge Viett ist (vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/33706). Aber, damit sich jede*r selbst ein Bild machen kann, hier zwei weitere Links:

Hier gibt es Kritik an der Kronzeugenaussage von Inge Viett:
https://linksunten.indymedia.org/node/32703

Und noch weitere Kritik:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/37071

 

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Nach ihrer Einschätzung, schreibt Inge Viett, haben ihre Aussagen keine Tragweite. Sie habe niemanden belastet. Solche Sprüche kennen wir auch von dem ehemaligen RZ-Mitglied Thomas Kram. Eine vermeintlich nicht belastende Aussage kann sehr wohl belastend sein. Andere können dies meist besser einschätzen als die aussagende Person selbst.
Warum haben Viett und ihre Genossinnen und Genossen die Aussagen nicht öffentlich gemacht? Das ist doch das mindeste, was man erwartet: In Gänze zu seinen Fehlern stehen, indem man sie offenlegt und nicht weiter die Hälfte verschweigt. Was alles hat Inge Viett dem BKA gesagt? Es muss ungeheuerlich sein, wenn sie heute selbst entsetzt ist über ihre schriftlich vorliegende Aussage.

Inge Viett ist es heute also "unvorstellbar", dass sie sich vor 13 Jahren "derart eingelassen" hat. Offenbar hat sie Erinnerungsschwierigkeiten. Sie wusste also bis vor kurzem nicht mehr, was sie da ungeheuerliches ausgeplaudert hat. In ihrem Schreiben auf Christians Klar Kritik von Anfang 2011 verschweigt sie ihre BKA-Aussage und gibt großmäulig kontra. Jetzt ist alles klar: Inge Viett hat zentrales verschwiegen, d.h. sie hat gelogen. Sie hat sogar nach ihrer Haftentlassung weiter locker mit dem BKA geplaudert. Inge Viett war Kronzeugin, das geht eindeutig aus ihrem Urteil und den bei Indymedia veröffentlichen Zeitungsartikeln aus der Frankfurter Rundschau vom 11.8.1992 ("Freispruch für Viett gefordert") und vom 25.1.1997 ("Inge Viett vorzeitig entlassen") hervor. Und hat danach dem Staatsapparat weiter bei Anfragen zur Verfügung gestanden. Einmal? Zweimal? Dreimal? Eine Antwort werden wir von Inge Viett nicht erhalten. Es wäre ohnehin sinnlos: Denn wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Unglaublich wie manche Einschätzung hier an der Realität vorbei geht - eine gewisse Absicht darf unterstellt werden. Die Einschätzung, dass durch Inge Vietts Aussage niemand belastet wurde, ist doch mehr als nur glaubhaft; schließlich wurde sie seit 14 Jahren von den Repressionsorganen in keinster Weise verwendet. Wie auch, wenn nur zum Zeitpunkt der Aussage schon Tote, sowie der Verräter (hier ist der Begriff einmal wirklich angebracht) Klein überhaupt erwähnt wurden. Dass diese Aussage bzw. ihre Nicht-Veröffentlichung dennoch ein großer Fehler war macht Inge Viett hier doch mehr als deutlich.

"Wer einmal lügt dem glaubt man nicht"? - Wer es für notwendig hält nach mehr als 13 Jahren, einen in seiner juristischen Tragweite offensichtlich nicht besonders schlimmen Fehler (den falschen Umgang damit will ich nicht relativieren und das tut sie ja auch nicht), öffentlich einzugestehen, der beweißt im Genteil ein hohes Maß an politischer Verantwortung und verdient Annerkennung für den Mut den ein solcher Schritt erfordert. Übrigens etwas, was nicht einE andereR ehemaligeR AktivistIn bewaffneter Gruppen gemacht hat - und dass viele geredet haben wissen wir alle.

 

Das allerwichtigste wird hier aber konsequent verschwiegen: Anders als ALLE anderen "Ehemaligen" ist Viett nach wie vor sichtbar politisch aktiv. Sie bekennt Farbe, steht nicht nur zu ihrer Geschichte, sondern versucht sich aktiv in die Neubestimmung revolutionärer Politik einzubringen. Sie schreibt nicht nur, sondern hält - trotz ihres fortgeschrittenen Alters - Reden, nimmt an Aktionen teil und ist ganz offensichtlich aufgrund dieses Engagements immer noch und immer wieder auch im Fadenkreuz der Repressionsorgane und der bürgerlichen Medienmeute. Ohne die vielfälltigen meist publizistischen Aktivitäten und deren Bedeutung anderer Ehemaliger zu schmälern - zumindest ich sehe niemanden aus dieser Generation der/die sich in vergleichbarer Weise versucht in den revolutionären Prozess einzubringen und auch die Konsequenzen dafür in Kauf zu nehmen...

 

Rote Grüße an Inge Viett!

Richtigstellungen:

1. Die Aussage von Inge Viett wurde verwendet. Und zwar in Prozessen, in denen der Kronzeuge Hans-Joachim Klein eine Rolle spielt. Deswegen wurde die Aussage von Inge Viett überhaupt öffentlich bekannt.

2. Inge Viett kam 1997 vorzeitig aus dem Knast, weil sie zur Erkenntnis gelangt ist, "dass der von ihr eingeschlagene Weg der gewaltsamen Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik falsch war." Quelle: https://linksunten.indymedia.org/de/node/37073 Aus Vietts Erklärung aus den 1990ern kann man nicht schließen, dass sie zu ihrer Geschichte steht.

3. Es gibt durchaus noch viele andere ehemalige Gefangene aus der RAF oder der Bewegung 2. Juni, die in lokalen politischen Strukturen bzw. in bundesweiten Kampagnen arbeiten und sichtbar sind. Auch in Berlin. Sie wollen aber alle nichts mehr mit Inge Viett zu tun haben.

...haltens Maul!!! Mehr gibts dazu nicht zu sagen!

 

Keine Zusammenarbeit mit Repressionsorganen! VerräterInnen aufs Maul!

VerräterInnen aufs Maul!

 

Körperliche Gewalt gegen "Verräter". Mit solchen "Linken" wie dir will ich nichts zu tun haben...

Du scheinst nicht ganz zu kapieren was hier auf dem Spiel steht.

Was genau steht denn auf dem Spiel? 13 Jahre nach der Aussage?

Das einzige was "auf dem Spiel steht" ist der generelle Wert des Grundsatzes der Aussageverweigerung. Und dazu hat sie sich doch klar bekannt!

 

Was hier betrieben wird ist nichts als dämliche Stimmungsmache gegen eine offenbar unliebsame Genossin, die im Gegensatz zu anderen immerhin zu ihren Fehlern steht

Es ging mir darum, dieses grundsätzliche und realitätsfremde Gewaltfreiheitsdogma was weiter oben gepredigt wurde zu kritisieren. Deinen letzten Satz unterschreibe ich so völlig.

Inge Viett steht meiner Meinung nach nicht zu ihren Fehlern, sonst würde sie transparent machen, was sie konkret warum ausgesagt hat.

Aber ihr habt in einem Punkt recht: Es wäre nicht richtig, dieser alten, gebrochenen Frau etwas Gewalttätiges anzutun.

Es ist erschreckend, wie Aussagen solchen Ausmasses (über Traininingscamps, Gruppenstrukturen) sowohl in der Stellungnahme von Inge Vieth als auch im Kommentar der Freund/innen bagatellisiert werden.
Wie kann man jemandem vertrauen, der zuvor Aussagen strikt geleugnet hat und sie erst dann zugibt, wenn sie öffentlich sind? Und selbst im Moment des Zugebens sie im selben Atemzug relativiert ("habe niemanden geschädigt").
Offenkundig liegt ein rein taktisches Verhältnis zur "Wahrheit" vor. Personen, die mit Inge Vieth zusammenarbeiten, sollten sich das vor Augen führen. Redebeiträge auf Konferenzen oder Demonstrationen diskreditieren sich vor diesem Hintergrund von selbst und sollten in Zukunft unterbunden werden.

Du gibst erstmal vor, dich über den Verrat aufzuregen, um dann im Schlusssatz auf das zu kommen, was du wirklich willst. Die Diskreditierung ihrer politischen Ideen. Die haben zwar mit Vieths fragwürdigem Handeln erstmal gar nichts zu tun, aber irgendwas wird schon hängen bleiben. Wie durchsichtig.

Unglaublich, wieviele Maulhelden hier unterwegs sind... Der Verfolgungsdruck, die angewandten Methoden der Verfolgungsbehörden, die Vorgeschichte, all das findet im Kontext der ehemaligen RAF in völlig anderen Dimensionen, in einer völlig anderen Liga statt, als bei euch steilgeilen Kiez-Revoluzern.

Groß rumkrakelen, dass Anna und Arthur gefälligst das Maul zu halten haben, kann jeder und jede.

Dass das ganze aber nicht mal ansatzweise damit zu vergleichen ist, was euch geschieht oder wie ihr euch verhaltet, wenn ihr mal auf ´ner Demo eingesackt worden seid oder dabei erwischt wurdet, wie ihr eine Luxuskarosse abgefackelt habt, begreift ihr nicht, oder?

Die RAF hatte dem Staat den Krieg erklärt (ob das jetzt in der Art und Weise, wie sie es getan hat, sinnvoll war, sei dahingestellt), und der Staat hat das vor allem auch so aufgefasst.

Wenn ihr Kleinstadtrevoluzer irgendwo ´nen NPD-Stand umschubst, die Arbeitsagentur mit Buttersäure bedenkt oder am 1. Mai auf die Strasse geht (alles begrüßenswerte Aktionen, ohne Frage!), fasst dieser Staat das aber noch lange nicht als ernst zu nehmende Kriegserklärung auf!

Hört also auf, Äpfel mit Birnen zu vergleichen - und wenn ihr nicht in der Lage seid, die Dimensionen der RAF und den bis heute andauernden Folgen einzuschätzen, dann haltet euch doch besser geschlossen...

danke für diese worte..

besser hätte ich es nicht schreiben können---

 

solidarische und revolutionäre grüße an inge

 

@lerta!!!!

warum werden diese protokolle nicht veröffentlicht,

oder wo findet man sie in der virtuellen welt?

dann könnten ihre freund-innen ja immerhin mal aufklärung betreiben

Für mich stellt sich eine andere Diskussion:

Wir sehen hier die Selbstkritik einer Genossin und den Versuch von ihr die Frage der "Aussagen" noch einmal allgemein politisch zu bewerten. Ein Teil der marginalisierten radikalen Linken ist offensichtlich nicht in der Lage mit der Selbstkritik einer Revolutionärin in solidarischer Weise (hart in der politischen Auseinandersetzung - Solidarisch in Form und Fokus) umzugehen.

Das ist jetzt nichts sonderlich Neues. Bezeichnend sind einige der hier veröffentlichten Kommentare aber wohl. Ginge es um die politische Auseinandersetzung (am Bsp. der Genossin), wäre der Ton hier nicht so vergiftet und es würde nicht öffentlich die politische Integrität der Genossin angegangen.

Das Kämpfer_innen unter Repression schwerwiegende Fehler machen und gemacht haben, Lebenswege nicht straight verlaufen, ist eine Binsenweisheit. Jeder Mensch, der über Jahre im politischen Kampf mit Repression und innerlinkem Streit zu tun hatte, weis das.

Inge Viett stellt sich ihren Fehlern. Das erkenne ich erstmal an.

Warum das in dieser öffentlichen Form und auf indymedia passieren muss, und nicht ausschließlich in unseren Strukturen, ist mir allerdings ein Rätsel (bzw. da kann ich nur mutmaßen).

Das Ergebnis sieht mensch in vorliegender Kommentarspalte. Schade und dem Gegenstand nicht angemessen.

Inge Viett konnte schon immer gut mit staatlichen Stellen. Sie war mindestens seit 1978 "IM Maria" und eine zuverlässige Quelle für die Stasi.