Weit mehr Aufsehen als die 6 Nazis mit Deutschlandfähnchen (Linksunten-Artikel) und der Apfel auf der Ladebühne erregte am vergangenen Dienstag das Vorgehen der Polizei. Bei den Protesten des "Bündnis Halle gegen Rechts" kam es zu mehreren schweren Polizeiübergriffen, deren Unverhältnismäßigkeit und Brutalität in den folgenden Tagen tiefes Entsetzen bei den BürgerInnen, der Politik (außer natürlich der CDU) und in den Medien auslöste.
Während Beamte der 2. Magdeburger Einsatzhundertschaft bei einem der Betroffenen, "nur" Prellungen des Oberarms verursachten, kam es an anderer Stelle zu einem deutlich schwereren Übergriff, wobei ein Mensch schwere innere Verletzungen davontrug. Diese unverhältnismäßige Brutalität brachte den Betroffenen für mehr als eine Woche ins Krankenhaus. Nach zwei Notoperationen steht nun fest, dass er aufgrund der schweren Verletzungen irreversible Schäden von dem Übergriff davongetragen hat.
Rechtfertigungsversuche und die ganz eigene Wahrheit der Bullen
Sofort versuchte die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) den Betroffenen dadurch zu diskreditieren [10], dass dieser bereits öfters bei linken Demonstrationen "aufgefallen" sei. Die Erklärung ob ein Mensch bereits dadurch "auffällt", dass er bei einer Demonstration teilnimmt und inwiefern dies den Vorwurf einer schwere Körperverletzung abschwächt bleibt uns die MZ jedoch schuldig. Interessant ist hier auch die Frage woher die MZ die angeblichen Informationen überhaupt hat. War es womöglich eine Behauptung der Polizei, in der Hoffnung die Sache verharmlosen zu können? Die Anmelderin der Gegendemonstration, die auch die Anzeige gegen die Polizei erstattete, sagte „die Berichterstattung der Mitteldeutschen Zeitung vom 08. August 2012 kann als tendenziös bezeichnet werden, da sich der Betroffene noch nie strafbar gemacht hat“. [13] Wobei sich hier auch die Frage stellt inwiefern es einen Unterschied machen würde, ob Betroffene von Polizeigewalt in der Vergangenheit Straftaten begangen haben, schließlich ist die Polizei nicht zur Bestrafung von Straftätern da.
In der von der Polizei
veröffentlichten Darstellung, wurde weiter versucht
Rechtfertigungen für das Fehlverhalten der Magdeburger Bullen zu
suchen. Es wurde von "40 Demonstranten" die womöglich die
Polizisten in den "fließenden Verkehr" hätten stoßen
können gesprochen. Tatsächlich war die Straße für den fließenden
Verkehr jedoch längst gesperrt worden, schließlich sollte hier der
NPD Truck langfahren. Auch war es nicht so, dass der NPD Truck
irgendeinen Menschen hätte anfahren können, dieser kam nämlich
erst rund eine halbe Stunde später dort an. In Wahrheit wurde die
Straße wohl der "deutschen Jugend" freigemacht, einer
kleinen Gruppe von 4-5 Nazis aus Halle und dem Burgenlandkreis, die
den freien Kräften zuzurechnen sind, und von denen einige später
als Prügeltruppe die Innenstadt unsicher machten. Warum es
notwendig war, für solche Menschen eine der wichtigsten
Verbindungsstrecken zwischen den angemeldeten Gegenkundgebungen
abzusperren, und notfalls GegendemonstrantInnen gewaltsam von dieser
Strecke zu entfernen, wenn die Nazis genauso gut mit einer
Polizeieskorte einen Umweg hätten nehmen können, ist uns unklar.
Im Nachhinein mussten nicht nur die Landesverbände der Parteien einsehen, dass der Protest tatsächlich friedlich verlief. Das Bürgerbündnis gegen Rechts, dass die Proteste organisiert hatte, beschrieb die Situation als "durchgehend friedlich". Die Darstellungen der Polizei, die natürlich ersteinmal staatshörig von allen großen Medien übernommen wurden, stellten sich mittlerweile als falsch heraus.„Die Einsatzleitung konnte sich im Auswertungsgespräch selber nicht erklären, wieso fälschlicherweise von fließendem Verkehr gesprochen und die überzogene Zahl von 40 Demonstrierenden veröffentlicht wurde.“, so ein Pressesprecher des Bürgerbündnis. [11]
Die Anmelderin der Gegenkundgebungen erstattete Anzeige gegen die Polizeibeamten, und steht weiterhin im Kontakt mit den Betroffenen und ihren AnwältInnen. Der Anwalt des Betroffenen sagte: „neben dem laufenden Ermittlungsverfahren ist seit letztem Montag eine Klage beim Landesverwaltungsgericht anhängig, um die Unverhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Gegenveranstaltung feststellen zu lassen“.
Während bei Übergriffen auf Autonome und "Linksextreme", ja sowieso immer die Bullen die wahren Opfer sind, die stets in Notwehr handeln, wurde also am vergangenen Dienstag mal wieder eines deutlich: Polizeigewalt kann auch friedliche Menschen in friedlichen Situationen treffen. Diese eigentlich banale Erkenntnis, schockiert nun nicht nur das "Bündnis gegen Rechts", sondern auch die Landespolitik.
Ein politisches Nachspiel?
In Anbetracht der Vorfälle forderten
- wie schon öfters – die Jugendorganisationen aller
Landtagsparteien, außer natürlich die der CDU, eine
Kennzeichnungspflicht für PolizeibeamtInnen im Dienst. In einer
Pressemitteilung der Jusos hieß es hierzu: "Eine
nicht-namentliche Kennzeichnung würde es zudem ermöglichen,
gewalttätige Polizeiangehörige schnell zu identifizieren und so
auch alle anderen Polizistinnen und Polizisten vor pauschalen
Verurteilungen und Misstrauen seitens der Bevölkerung zu schützen"
[12].
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit den Ermittlungsbehörden ist es genau dieses Misstrauen, mit dem wir Polizei und Justiz begegnen. Es wäre nun wirklich keine Überraschung, wenn die Ermittlungen gegen die verdächtigen Polizisten eingestellt werden, weil Korpsgeist und Protektionismus mal wieder siegen, oder im Prozess politische Interessen die Aufklärung und Verurteilung der Täter verhindern.
Für uns macht es keinen Unterschied, ob die Opfer von Polizeigewalt der radikalen Linken entstammen oder nicht. Polizeigewalt ist immer ein ernstzunehmendes Problem, dessen Ursache eben weniger im Verhalten der DemonstrantInnen zu suchen ist, sondern vielmehr aus strukturellen und systematischen Problemen des Konzeptes Polizei herrührt. Dementsprechend gilt unsere volle Solidarität den Betroffenen und es ist für uns alle klar, dass wir nicht zulassen werden, dass die Verfahren wie so viele andere Ermittlungsverfahren gegen die Polizei im Sande verlaufen.
Uns ist klar, dass es notwendig ist, einen möglichen Prozess kritisch zu begleiten, und Öffentlichkeit für das Problem Polizeigewalt im Allgemeinen, sowie für die Betroffenen, im Speziellen herzustellen. Wenn der "Rechtsweg" mal wieder am System Polizei, Politik und Justiz scheitert, werden wir handeln müssen.
Wir sind gespannt, und bereit.
Antifaschistische Aktion Halle
Antifaschistisches Recherche Team Halle
Hinweis: Wenn ihr etwas von Angriff und Übergriffen durch die Polizei an diesem Tag mitbekommen habt, oder die Situation beschreiben könnt, wie es zu Übergriffen kam, wendet euch bitte an die Rote Hilfe Halle unter: halle(ed)rote-hilfe.de
Eure Gedächtnisprotokolle und Hinweise werden vertraulich behandelt und nur in Absprache mit euch weitergegeben oder weiterverwendet. Schickt sie immer mit PGP verschlüsselt, den Schlüssel findet ihr hier: http://rotehilfehalle.blogsport.de/pgp-schluessel/
Wenn ihr eure Nachrichten nicht verschlüsseln könnt, dann könnt ihr auch einfach immer Dienstags um 18:00 Uhr zur Sprechstunde der roten Hilfe in den Infoladen VL Ludwigstraße kommen, oder einen Termin per E-Mail vereinbaren.
Auch das Bündnis gegen Rechts, das die Gegenproteste organisiert hat, und nun die Klage führt, nimmt verschlüsselte Gedächtnisprotokolle (auch anonymisierte) entgegen. Die E-Mail Adresse des Bündnis und ihren PGP-Schlüssel könnt ihr hier finden: http://www.halle-gegen-rechts.de/kontakt.html
Quellen und Verweise:
[10] http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1344409638318
[12] http://www.jusos-halle.de/index.php?nr=2799&menu=10
[13] http://hallespektrum.de/nachrichten/politik/weitere-kritik-nach-polizeie...
Erster Teil
Den ersten Teil des Artikels, der sich den Nazis und der Gesamtsituation an diesem Tag widmet, könnt ihr hier finden:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/65656
Antifaschistische Aktion Halle?
Sonst hieß es doch immer >>Antifaschistische Gruppen Halle<<
Ist das jetzt ein neuer Name um das Image zu verbessern?
Jahrestag des Übergriffs -Ziemlich beste Freunde Demo 31. August
Unter dem Motto "Täter, Ermittlungsbehörde, Staatsanwalt: Ziemlich beste Freunde" wird am 31. August 2013 in Halle die erste Jahrestagsdemo wegen des Polizeiübergriffs stattfinden. Die Ermittlungen wurden zwar bereits einmal eingestellt, mussten aber im März aufgrund nachweislicher "Versäumnisse" und "Ermittlungsfehler" der Bullen wiederaufgenommen werden. Seit dem passiert nicht viel, und es ist zu erwarten dass es zur erneuten Einstellung kommen könnte. Um dagegen jetzt schon eine breite Öffentlichkeit zu schaffen und Halle wenigstens ein bisschen auf die Nerven zu gehen, findet die ZBF Demo nun am 31. August statt.
zbf.blogsport.de
Alerta.