Erneut muss sich in Karlsruhe der Anmelder einer Demonstration vor Gericht verantworten. Nach der revolutionären 1. Mai-Demonstration 2010 in Karlsruhe sind nicht nur gegen den Anmelder, sondern auch gegen zwei weitere Beteiligte Strafverfahren eingeleitet worden. Zum wiederholten Mal versucht die Staatsanwaltschaft Karlsruhe auf diese Weise erfolgreiche Demonstrationen im Nachhinein zu kriminalisieren.
Mit mehr als 600 Teilnehmenden aus verschiedenen Spektren war die erste revolutionäre 1. Mai Demonstration in Karlsruhe seit vielen Jahrzehnten für alle Beteiligten überraschend erfolgreich. Trotz des Versuchs von Polizei und Ordnungsamt, die Demonstration durch die unrechtmäßige Personalienfeststellung der OrdnerInnen und einem hohen Polizeiaugebot zu behindern, ließ sich die Demonstration nicht einschüchtern und zog entschlossen und kämpferisch in die Karlsruher Innenstadt. Nachdem die Polizeiführung trotz mehrfacher Aufforderung ihre Schikane mit Abfilmen des Demonstrationszugs und einem engen Spalier auch vor der Demo-Spitze nicht aufgab, wurde die Demonstration am Marktplatz vorzeitig aufgelöst.
Gegen die Versammlungsfreiheit
Polizei und Staatsanwaltschaft versuchten daraufhin die Daumenschrauben der Versammlungsfreiheit weiter anzuziehen. Gegen den für die Beschallung der Demonstration ausgemachten Techniker, den mutmaßlichen Moderator sowie den Anmelder wurden mit verschiedenen Vorwürfen Strafverfahren eingeleitet. Dem "Techniker" wurde ein Strafbefehl wegen Beleidigung über 90 Tagessätze, dem Angeklagten einer wegen zweifacher Nötigung sowie wegen Beleidigung über 180 Tagessätze zugestellt. Beleidigt fühlten sich mehrere Beamte durch das Abspielen eines Liedes, in dem die Textzeile „Wir wollen keine Bullenschweine“ vorkommt. Genötigt fühlte sich „der Staat“ da die Demo auf einer Straßenkreuzung, in Verbindung mit der Aufforderung das Polizeispalier abzuziehen und das Filmen einzustellen, kurzzeitig zum Stillstand kam, worin der Tatbestand einer Blockade erkannt wurde.
Beide Verfahren wurden bereits in 1. Instanz vor dem Amtsgerichts Karlsruhe verhandelt. Der "Techniker" wurde dabei zu 60 Tagessätzen verurteilt (Forderung der Staatsanwaltschaft: 90 Tagessätze), der "Moderator" erhielt 150 Tagessätze (Die Staatsanwaltschaft forderte 180 Tagessätze). Gegen beide Urteile wurde von den Betroffenen Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe demonstrierte im zweiten Prozess ihren deutlichen Willen zur Verurteilung mit der Anklagevertretung durch Oberstaatsanwalt Peter Zimmermann selbst, der solche Fälle und Instanzen sonst seinen Mitarbeitern überlässt. Ein Signal, das von Richter Cay Schwirblat verstanden wurde.
Einer für alle?
Ebenfalls in der Berufungsschleife hängt seit mittlerweile über drei Jahren der Fall des Demo-Anmelders einer Anti-G8-Demo im Mai 2008. Ebenfalls vom Amtsgericht Karlsruhe wurde er erstinstanzlich zu 60 Tagessätzen verurteilt, wobei die Staatsanwaltschaft 160 Tagessätze forderte. Nach der Rechtsauffassung von Amtsgericht und Staatsanwaltschaft Karlsruhe haften AnmelderInnen von Demonstrationen für das Verhalten aller Demo-TeilnhemerInnen. Eine Auffassung, der in höheren Instanzen kaum gefolgt werden dürfte. Die Prozesswelle gegen fast 50 Betroffene nach einem Straßenfest in der Karlsruher Südstadt, die fast ausnahmslos in Freisprüchen vor dem Land- und Oberlandesgericht endete, sollte hier als Lehrstück dienen.
Alle für einen!
Doch umso mehr gilt es, Solidarität mit den Betroffenen auszudrücken. Zum Prozess gegen den Anmelder der 1. Mai Demonstration am kommenden Dienstag, 25.10.2011 wird es eine Kundgebung vor dem Amtsgericht Karlsruhe (Schlossplatz 23) geben. Treffpunkt ist um 07.45 Uhr, der Prozess beginnt um 08.30 Uhr.
karlsruhe [ät] rote-hilfe.de
Pressemitteilung des 1. Mai-Bündnis Karlsruhe
Demonstrationsanmelder vor Gericht
Das „Revolutionäre 1. Mai Bündnis Karlsruhe“ informiert darüber, dass
die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Anklage gegen den Anmelder der
letztjährigen Demonstration erhebt. Die Verhandlung am Amtsgericht
Karlsruhe beginnt am kommenden Dienstag den 25. Oktober beginnt um 08:30
Uhr und ist öffentlich.
Die Staatsanwaltschaft sieht den Angeklagten für Verstöße einzelner
Demonstrationsteilnehmer in der Verantwortung. Ihm droht aus diesem
Grund eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
Der Sprecher des Bündnisses und Landesgeschäftsführer der Linksjugend
['solid], Benjamin Krüger betont: „Verstöße einzelner
Demonstrationsteilnehmer können bei 600 Beteiligten nicht in den
Verantwortungsbereich eines Anmelders fallen.“ Krüger bekräftigt weiter:
„Mithin gehört das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu den
unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens.
Eine Verurteilung des Angeklagten hätte stark einschüchternde Wirkung
auf die Anmeldung zukünftiger Demonstrationen.“
Die öffentliche Verhandlung am Amtsgericht Karlsruhe beginnt am 25.
Oktober um 08:30 Uhr. Das „Revolutionäre 1. Mai Bündnis Karlsruhe“ ruft
im Vorfeld zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude am Schloßplatz 23
auf.
Termine
Di. 25.10.2011 - 07:45 Uhr
Kundgebung: Solidarität mit dem Angeklagten
Vor dem Amtsgericht Karlsruhe (Schlossplatz 23)
Di. 25.10.2011 - 08:30 Uhr
Prozess gegen den Anmelder vom 1. Mai 2010
Amtsgericht Karlsruhe (Schlossplatz 23)
die urteile sind unglaublich
scheiß klassenjustiz
damit kommen sie nicht durch!
Solidarität
Entgegen aller möglicher Spalterkommentare hier war es es eine richtige gute Demo von KommunistInnen, AnarchistInnen, Autonomemn usw.
Für einen Revolutionären 1. Mai 2012!
Prozessbericht
http://linksunten.indymedia.org/de/node/49303