Über 150 Menschen zeigten sich heute Nachmittag in der Berner Innenstadt solidarisch mit dem Verhafteten und Verletzten am G20 Gipfel in Hamburg. Trotz der medial aufgeladenen Stimmung konnten wir wie geplant unsere Route laufen, Reden halten und Flyern.
Heute konnten wir ein starkes Zeichen setzen!
Rund 150 Menschen solidarisierten
sich heute lautstark für jene, welche während der Proteste gegen
den G20 Gipfel in Hamburg inhaftiert oder verletzt wurden.
Noch immer befinden sich einige Menschen in Untersuchungshaft und spüren die Repression des Staates. Andere spürten diese Repression durch die Prügeltrupps der Staatsgewalt und trugen Verletzungen davon.
Damit ist der
Protest auch für uns nicht abgeschlossen. Während sich Diktatoren,
Despoten und Neoliberale PolitikerInnen trafen, um zu bereden, wie
sie mit den selbst gemachten Problemen umgehen können, ohne ihre
eigenen Interessen zu gefährden, versuchte die Polizei die Proteste
dagegen mit aller Gewalt zu unterdrücken. Während Trump fröhlich
den Klimawandel leugnete, prügelte die Staatsgewalt gegen den
legitimen Widerstand. Wer ein Zeichen gegen die entstehende Diktatur
in der Türkei setzen wollte, lief Gefahr, verhaftet und eingesperrt
zu werden. Bereits an der Vorabenddemo gegen den Gipfel setzte die
Polizei auf die Taktik, möglichst hart einzugreifen und beschnitt
dadurch die Freiheiten der Protestierenden, wie sie sich auch selbst
ins Bein schnitten.
Der Widerstand, den wir gemeinsam auf die
Strasse trugen, müssen wir auch jetzt solidarisch weiterführen.
Wenn einzelne von der Repression betroffen sind, müssen wir zu
zusammenstehen. Denn gemeint sind wir alle!
Gleichzeitig nehmen
die totalitären Fantasien vieler PolitikerInnen und aus Teilen der
Bevölkerung zu. Es werden vorgeblich zum Schutze des „Rechtsstaates“
Massnahmen gefordert, die den Idealen eines Rechtsstaates grundlegend
Widersprechen. Es werden Karteien, Reisebeschränkungen und extrem
harte Strafen gefordert. Diese unreflektierte und absolute
Solidarisierung mit dem Staatsapparat und die Identifizierung mit
einem System, welches für Umweltzerstörung, Armut und Ausbeutung
zuständig ist, offenbart eine erschreckende Tendenz zur Befürwortung
faschistoiden Herrschaftsfantasien.
Die Polizei feuert die Debatte zusätzlich an. Erst gestern wurde öffentlich, dass die Polizei die Zahlen ihrer Verletzten so zurecht bog, wie sie für ihre totalitären Forderungen am besten sind. PolitikerInnen forderten gar Demonstrationsverbote für die Verhafteten.
Wir lassen uns diese Angriffe nicht gefallen und werden uns auch weiter gegen Repression einsetzen und uns mit jenen solidarisch zeigen, die von ihr betroffen sind.
Folgender Flyer wurde während der Demo verteilt:
Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
Dass in den Strassen Hamburgs in den Tagen um den 7. und 8. Juli etwas los war, scheint auch den Berner*innen nicht entgangen zu sein.
Entgegen den scheinbar omnipräsenten Schwarzen-Block-Vorwürfen etwas vorgreifend und mit einer kurzen Momentaufnahme der herrschenden Verhältnisse unsere Kritik einleitend, bedienen wir uns bei der Taz (Emily Laquer, 5. Juli 2017):
Im G20-Mitgliedstaat Argentinien wird durchschnittlich jeden Tag eine Frau von Männern ermordet. Im G20-Staat Mexiko gelten mittlerweile 27.000 Menschen als verschwunden. Kaum ein Krieg auf der Welt, in den nicht mindestens ein G20-Staat verwickelt ist. Menschen verhungern, Obdachlose erfrieren, obwohl der globale Reichtum ein historisch beispielloses Ausmaß erreicht hat. Die Welt ist von unzähligen Gewaltverhältnissen durchzogen, ja, der Kapitalismus ist als solcher Gewalt. Viel zu allgegenwärtig ist sie, als dass dieser Text sie angemessen beschreiben könnte. Aber darum geht es nicht im öffentlichen Diskurs. Nicht Angela Merkel wird die Frage gestellt, wie sie es mit der Gewalt hält und ob sie sich distanziert von Diktatoren, Kriegsverbrechern und Minderheitenhassern oder von der Grenzschutzagentur Frontex. Stattdessen sind es die Proteste gegen den Wahnsinn der Welt, für die wir uns ständig und bis zur Ermüdung rechtfertigen sollen. Nicht die herrschende Gewalt gilt als erklärungspflichtig, sondern der Versuch, sie zu beenden.
Und was war in Hamburg, wo sich Regierungschef*innen freundlich die Hände schüttelten und entspannt Bethoovens Neunter lauschten? Eine ständige Erklärungspflicht schien sich über die dagegen anhaltenden Proteste gelegt zu haben, während Polizei und Staatsvertreter*innen kaum hinterfragt und hinterfragend ihre Arbeit verrichteten:
Mit allen Mitteln und grosser Brutaliät wurde gegen Protestierende vorgegangen – dabei wurden Schwerverletzte, wenn nicht sogar tote in Kauf genommen.
Journalist*innen wurden gewaltsam aus öffentlichen Räumen verwiesen, damit Polizeitaktiken keine breite Öffentlichkeit erreichen.
In der Gesa (Gefangenensammelstelle) festgehaltene Menschen berichten von folterähnlichen Zuständen, Knäckebrot und Wasser, überfüllten Zellen, Demütigungen, Schlägen und Tritten.
Anwält*innen wurden an ihrer Arbeit gehindert, wenn nötig mit Gewalt und Verdrängung.
Unsere zahlreichen und vielseitigen Proteste gegen den G20 Gipfel wurden von der breiten Öffentlichkeit kaum beachtet, während vor allem Hetze gegen den wütenden Widerstand auf der Strasse betrieben wird.
Wir fragen uns deshalb: Wie können sich so viele ob fliegenden Steinen und brennenden Autos empören, wenn täglich Menschen von der Logik des Kapitalismus und ihren Vertreter*innen gefoltert, vertrieben und ermordet werden?
Wie kann das Ergebnis solcher talgelanger Proteste die Verständnislosigkeit gegenüber den widerständischen Menschen sein, wenn der Hass dem Kapitalismus und den herrschenden Verhältnissen gelten sollte?
Wir solidarisieren uns mit den Gefangenen, wünschen den Verletzten gute Besserung und setzen ein Zeichen gegen reaktionäre Repressionsfantasien.
Stellungnahme der Reitschule Bern
Gemeint sind wir alle!
Solidarität mit den in Hamburg von Repression Betroffenen
Solidarität mit der Roten Flora
Am vergangenen Wochenende protestierten Zehntausende gegen den G20-Gipfel in Hamburg – die Bilder gingen um die Welt. Was danach folgt, ist die Diskussion über Gewalt. Aber nicht über die strukturelle Gewalt oder über Krieg oder Ausbeutung - alle drei Teil und Grundlage der Politik von Merkel, Trump, Erdoğan & Co.
In den grossen Medien fehlt die Diskussion über das seit Jahren nicht mehr gesehene Ausmass an Polizeigewalt und Willkür gegenüber Demonstrierenden sowie Unbeteiligten. Statt die wahllos prügelnde Beamt_innen zu kritisieren und den unverhältnismässigen Einsatz von schwerbewaffneten Spezialeinheiten mit Schussfreigabe zu hinterfragen, spricht der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gar von einem "heldenhaften" und "hochprofessionellen" Einsatz.
Zwar gesteht er ein, dass die Polizei zeitweise die Kontrolle verloren habe, Schuld daran seien aber die anderen: der „kriminelle Mob“, die Krawallmacher_innen – und natürlich die Rote Flora.
Ob Bern oder Hamburg, der Mechanismus ist der gleiche: Ausschreitungen werden schnell Vorwand, um autonome Zentren in Frage zu stellen und anzugreifen können. Es ist einfach, die Verantwortung abgeben zu können und der eigenen Politkariere zuliebe hartes Durchgreifen zu versprechen.
Wir aber möchten daran erinnern: Sei es die Reitschule oder die Flora, ihr könnt zwar (versuchen), uns die Häuser zu nehmen, aber wir werden davon genauso wenig verschwinden, wie unsere Ideen. Die Geschichte zeigt, eine Räumung hat noch nie zur Befriedung einer Situation beigetragen, sondern sie schürt Wut.
Die Reitschule Bern erklärt sich solidarisch mit den in Hamburg immer noch Inhaftierten, mit denen, die verletzt wurden und allen, die von Repression betroffen sind. Und wir erklären uns solidarisch mit der Roten Flora.
Flora bleibt!
Link zur Flora Mitteilung (siehe: https://linksunten.indymedia.org/de/node/218083)
Wenig «Solidarität» für G-20-Chaoten
Kundgebung in Bern: Wenig «Solidarität» für G-20-Chaoten
Von Alois Feusi 15.7.2017, 16:11 Uhr
Nur rund hundert Personen sind einem Aufruf linksextremer Organisationen zu einer «Solidaritätsdemonstration» für verhaftete und verletzte Randalierer an den Hamburger Anti-G-20-Krawallen gefolgt. Die Demonstration am Samstag in Bern verlief friedlich.
Eine Strassenmusikantin spielt neben der Heiliggeistkirche Alphorn. Beim Nordportal der Kirche hängen die üblichen Randständigen herum und trinken billiges Dosenbier. Eine Hen-Party mit jungen Frauen in grünen Peter-Pan-Kostümen und einer Frau Käpt’n Hook mit Dreispitz und rotem Samtumhang zieht über den Bahnhofplatz. Touristen schlendern die Spitalgasse hinauf, und an der Tram- und Bushaltestelle steigen Leute mit Einkaufstaschen ein und aus. Nichts deutet an diesem Samstagnachmittag kurz vor zwei Uhr darauf hin, dass in Bern in wenigen Augenblicken der Teufel los sein soll. Diesen hatten manche besorgte Zeitgenossen an die Wand gemalt, nachdem Mitte Woche zwei linksextreme Grüppchen zu einer «Solidaritätsdemonstration» für die bei den Ausschreitungen am Rande des G-20-Gipfels in Hamburg verhafteten und verletzten Demonstranten in die Bundesstadt geladen hatten.
Übersichtlicher Aufmarsch
Beim vorgesehenen Kundgebungsbeginn um zwei Uhr sitzt allerdings bloss ein einziger Jugendlicher mit einem eingerollten Transparent auf der Kirchentreppe. Kurz darauf ziehen einige junge Leute einen rot-schwarz beflaggten Wagen von der Reitschule her auf den Platz. An dem Karren hängt ein Transparent mit der Forderung «Free Nekane and all prisoners», auf anderen Tüchern steht «Pfefferspray für Friedliche?» oder «Unsere Solidarität gegen ihre Repression. Strukturelle Gewalt bekämpfen».
Bald versammeln sich gegen fünfzig Personen um den Wagen, einige spannen rosafarbene Schirme mit der Aufschrift «Grenzenlose Solidarität» auf. Aus einem Lautsprecher dröhnen Rock, Hip-Hop und lateinamerikanische Protestlieder. Es werden Flugblätter verteilt, auf welchen gegen die «grosse Brutalität» gewettert wird, mit der in Hamburg gegen Protestierende vorgegangen worden sei, sowie gegen die «Hetze gegen den wütenden Widerstand auf der Strasse». Die Verfasser des Pamphlets schimpfen: «Wie können sich so viele ob fliegenden Steinen und brennenden Autos empören, wenn täglich Menschen von der Logik des Kapitalismus und ihren Vertreter*innen gefoltert, vertrieben und ermordet werden?»
Solch verquerer Argumentation mögen sich jedoch nur die allerwenigsten Globalisierungsgegner anschliessen, zumal die Bilder von dem gewalttätigen Mob in Hamburg einen ganz anderen Schluss nahelegen. Und so bleibt der Demonstrationszug, der sich um Viertel nach zwei beim Bahnhofplatz in Bewegung setzt, recht übersichtlich. Es mögen schliesslich etwa hundert Personen sein, die zum Zytgloggeturm und von dort über den Kornhausplatz, die Zeughausgasse und die Aarberggasse zum Bollwerk und nach einer Schwenkung Richtung Bahnhofplatz schliesslich hinunter zur Reitschule ziehen. Sie skandieren Parolen wie «Amore, anarchia subito», «Freiheit für alle politischen Gefangenen» oder «Tutti liberi, tutte libere».
Passanten singen mit
Die Stimmung ist fröhlich, und die vielleicht zehn Vermummten im Demonstrationszug müssen die Hoffnung auf handfesten Krawall und Kämpfe mit der Polizei schnell aufgeben. Als dem Generator auf dem Wagen offenbar das Benzin ausgeht und der Lautsprecher stumm bleibt, singen die Demonstranten selber, bald eher zaghaft, bald aus voller Kehle. In die eingängige italienische Partisanen- und Anarchisten-Hymne «Bella Ciao» stimmen auch etliche Passantinnen und Passanten ein, die den Zug vom Strassenrand aus verfolgen.
Kurz vor drei Uhr dann geht die Kundgebung, die so ganz anders ist als die Anti-G-20-Krawalle von Hamburg, im Hof der Reitschule zu Ende. Ein Polizeisprecher bestätigt später, dass es ausser kleinen Behinderungen des öffentlichen Verkehrs in der Altstadt sowie des Privatverkehrs am Bollwerk zu keinen Zwischenfällen gekommen sei.