Gut gelaunt begann der gestrige Tag für zahlreiche Pariser Oberschüler. Teilweise schon in der Morgendämmerung machten sie sich auf den Weg, um Mülltonnen und anderes Material einzusammeln, um damit die Zugänge zu ihren Schulen zu blockieren. In Paris waren am Ende 40 und landesweit wohl an die 200 Schulen unzugänglich. Insgesamt noch eine überschaubare Anzahl, aber immerhin fast doppelt so viele wie beim letzten Aktionstag gegen die geplanten "Arbeitsmarktreformen" vor einer Woche.
Anschliessend formierte sich der Zug der Schüler, die gemeinsam zum Auftaktort der zentralen Demo am Platz der Republik zogen. Die Stimmung war ausgelassen, ja fast euphorisch. Immer wieder gingen Scheiben zu Bruch, wurden Fensterfronten und Steinwände mit Parolen geschmückt. Die ersten Bulleneinheiten, die versuchten, sich vor die Demo zu setzen, wurden attackiert und mussten sich zurück ziehen, bis Verstärkung eintraf. Und es waren eben nicht nur die üblichen Verdächtigen, die aktiv wurden. Am Ende fand die Demo der Schüler ihren Weg zum Platz der Republik, wo erst einmal verschnauft wurde, bevor es um 14:00 Uhr weiterging.
Der zentrale Demonstrationszug, der sich dann dort in Bewegung setzte, wurde dominiert von den unabhängigen Studenten und Schülern, dahinter formierten sich CGT, FO, die Syndikalisten von der CNT, die Langweiler der trotzkistischen Parteien... Es waren nicht so viele wie vor einer Woche, als die Gewerkschaften massiv mobilisiert hatten, aber es war immer noch eine grosse Masse, die durch die Strassen der Innenstadt zog.
Auch jenseits der Stasse trifft und organisiert man sich dieser Tage in der französischen Hauptstadt. Schon die ganze Woche über finden an den verschiedenen Pariser Hochschulen Treffen und Arbeitsgruppen statt, um sich auszutauschen, kennen zu lernen und zu strukturieren. Um dem ein Riegel vorzuschieben, hatte die Leitung der Sorbonne gestern sowohl das Hauptgebäude im Zentrum, als auch die Standorte für Jura, sowie der Sozialwissenschaften in der Rue Tolbiac schliessen lassen. Trotzdem fanden sich am frühen Abend in einem nahe gelegenden Park um die 100 Leute ein, die dann durch einen sich auf wundersame Art und Weise öffenden Hintereingang in die Hochschule gelangten. Die Bullen, die eh schon in den Strassen nervös mit zahlreichen Einheiten der CRS und ihren Schlägerkumpeln in Zivil von den Brigades Anti-Criminalité (BAC) Präsenz zeigten, zogen daraufhin massiv Kräfte zusammen und stürmten anschliessend den mittlerweile verbarrikadierten Hörsaal. Dabei flogen ihnen Stühle und Flaschen um die Ohren und der Inhalt eines Feuerlöschers wurde auch noch gegen sie eingesetzt. Im entschlossenen Nahkampf gelang es anschliessend noch eine Bullenketten zu durchbrechen, sodass etlichen Teilnehmern der Besetzung die Flucht gelang. Währenddessen prügelten draußen auf die Strasse andere Einheiten auf herbeigeeilte Unterstützer ein. Im übrigen war dies erst das zweite Mal seit 1968, dass die Leitung der Sorbonne Unigebäude schliessen ließ. Das erste Mal geschah dies 2006, wie diese gesellschaftliche Konfronatation ausging, ist ja bekannt.
In Rennes begann der Tag damit, dass Tausende in den zentralen Bahnhof der Stadt einfielen und anschliessend die Gleise blockierten, der Zugvehrkehr brach daraufhin über Stunden zusammen. Anschliessend zogen mehrere hundert Leute zum Rathaus und hinterliessen farbige Grüsse an der Fassade. Als die Bullen intervenierten, flogen auch einige Gegenstände in ihre Rchtung, woraufhin dann grosszügig Tränengas verschossen wurde. Zusammenstösse wurden auch auch Nantes gemeldet, hier gab es brennende Barrikaden vor einer Schule und eine Berufsschule war am frühen Morgen ohne intakte Fensterscheiben. Während der Demo kam es zu einer kurzen Auseinandersetzung mit Ordner der CGT, die etwas dagegen hatten, dass das Rathaus mit Farbe verziert wird. Im Laufe der Demo gingen dann Scheiben zu Bruch und es wurde großflächig Farbe mit umgebauten Feuerlöschern in der Innenstadt verteilt. Daraufhin folgte Tränengaseinsatz der Bullen, was den Demontrationzug spaltete. Nachdem sich die Demo teilweise reorgainisiert hatte, zogen noch einmal um die tausend Leute zum Bullenrevier, um die Freilassung der Festgenommenden zu fordern. Hier erneute Konfrontation mit den Bullen, noch mehr Tränengas. Stress mit den Bullen gab es auch in Marseille und Straßburg.
Landesweit dürften gestern über 100.000 Menschen auf den Strassen gewesen sein. Die Stimmung war allgemein ziemlich aufgeräumt, die Parolen fantasievoll und die Bereitschaft zur Konfrontation scheint langsam aber stetig zu wachsen. Am Wochenende wird in Paris ein landesweites Koordinierungstreffen von Schülern und Studenten stattfinden, um darüber zu diskutieren, wie die Kämpfe grundsätzlich weiter gehen sollen. Fest steht bisher schon, dass es auch am kommenden Donnerstag neue Aktionen und Demonstrationen geben wird. Für den Donnerstag der folgenden Woche werden dann auch wieder CGT und FO ihre Mitglieder auf die Strasse bringen.
*La nuit c'est pour baiser, pas pour travailler. Baiser kann man mit küssen oder vögeln übersetzen, je nach gusto.
Videos zum 17.März 2016:
Dokumentation von taranis news aus Paris
Zentrale Demo in Paris
Schüler in Paris
Action in Paris - Bericht von street politics
Szenen aus Rennes von taranis news
Bordeaux
Marseille
Auseinandersetzungen am Rathaus von Rennes
Orléans
Dijon
Auseinandersetungen in Nantes
Bullen machen sich breit in Straßburg
@mods
Hab wieder Probleme mit den Absätzen. Wird wohl daran liegen, woher ich den Text rauskopiere. Hab es heute versucht mit Absatz für Absatz reinzukopieren. Seht ja das Ergebnis. Könnt ihr bitte die Absätze nachträglich einfügen. Danke...!!!
kopieren
texte vorher immer in ein anderes textfeld kopieren welches die formatierung entfernt: z.b. texteditor, pastebin im internet (nicht abschicke/speichern) oder jedes beliebige textfeld und dann erst hier rein kopieren, damit gehen elemente wie besondere schriftarten/fett/links etc. verloren und nur der text mit den absätzen bleibt bestehen. links, kursives und fettes muss man hier im editor dann noch hinzufügen
Baiser
"Faire un baiser" ist im klassischen französisch "küssen", doch das Verb "baiser" kann nicht nach Gusto übersetzt werden, sondern bedeut klar "vögeln" oder jedes andere Slangwort dafür, je nach Vorliebe. Die hedonistischen Parolen sorgten für reichlich Empörung in bürgerlichen Rängen, es gab auch diverse Parolen gegen die Arbeit an und für sich. Empörte Reaktion: "Diese jungen Schnösel haben nicht mal den Gesetzestext gelesen [wer tut das schon?] und trotzdem demonstrieren sie! Und die wollen ja gar nicht arbeiten!" Nein, wer will das schon?
Anzumerken ist auch, dass die Aktionen heute kaum gewerkschaftlichen Rückhalt hatten, und hauptsächlich von den Lycées und den Universitäten ausgingen. Da mehr oder weniger 80% aller Franzosen ihr Bac machen, bevor sie sich spezialisieren und in den ausserschulischen Arbeitsmarkt eintreten, ist die Situation anders als in der Schweiz oder Deutschland, wo tendenziell die Prolos keine Matura oder Abi machen. Es ist durchaus möglich, dass sich das ganze radikalisiert - und/oder niedergeprügelt wird. Rechtlich betrachtet herrscht immer noch Ausnahmezustand in Frankreich, was bedeutet, dass per se jegliche Demonstration verboten ist und die Bullen mehr oder weniger alles machen dürfen. Gleichzeitig brodeln andere Konflikte hie und da, wird sicher viel passieren in den nächsten Wochen.
Interviews mit B. Schmid...
...zu den geplanten "Reformen" des Arbeitsrecht auf Radio Dreyeckland:
http://www.freie-radios.net/75772
Räumung des Institut für Sozialwissenschaften
der Sorbonne am Donnerstagabend (s.o. im Artikel):
https://www.youtube.com/watch?v=i9ekcuJ6IAs