Meßstetten soll "braunes Herz" werden

Erstveröffentlicht: 
15.08.2015

Die NPD will Meßstetten zum "braunen Herz" Baden-Württembergs machen. Zu diesem Zweck will ein früheres Gasthaus kaufen und zur Landesgeschäftsstelle samt Schulungszentrum umbauen.

 

An seine Facebook-Freunde schreibt der NPD-Funktionär Jan Zimmermann, die Stadt auf der Zollernalb sei "gekippt", das "Gutmenschengeseiere" ziehe nicht mehr. Die Einwohner hätten "keine Berührungsängste" mehr mit seiner Partei. Dies gelte es zu nutzen, Meßstetten solle das Zentrum der Partei im Land werden.

Konkret geht es um das Gasthaus Waldhorn, am Ortsrand gelegen, und zwar am Weg zur Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge (Lea). Hier soll die Landesgeschäftsstelle einziehen, ein Schulungszentrum entstehen und ein Veranstaltungsort etabliert werden.

Zimmermann ist Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Breisgau, zu dem neben Freiburg Emmendingen und die Ortenau gehören. Seinen Sitz hat der Verband in Eichstetten am Kaiserstuhl. Der 37-Jährige kommt aus Hamburg, saß dort im Landesvorstand, ist der Polizei als regelmäßiger Aufmarschierer bekannt und gilt als Immobilienbeauftragter der Partei.

Der derzeitige Eigentümer des Gasthofs, Niko Lustig, 36, stammt aus Meßstetten, ist insolvent und steht nach eigenen Angaben unter Polizeischutz – was die Polizei nicht bestätigt. Treffen kann man ihn nicht, er ist abgetaucht wegen ständiger Drohungen "von rechts und links". Seine Gaststätte ist seit Mai geschlossen, Lustig sollen rund 400 000 Euro Schulden drücken. Für das Lokal soll ihm Zimmermann 490 000 Euro geboten haben.

Seitdem diese Offerte bekannt ist, sind Kneipier und Kneipe zum Politikum geworden. Am heutigen Samstag wollen die Gegner des Verkaufs um 15 Uhr auf dem Marktplatz in Meßstetten eine Kundgebung abhalten. Das Motto lautet: "Keine Basis der NPD", gegen das "braune Herz Baden-Württembergs". Die Initiatoren haben die vergangenen Monate des Waldhorn unter die Lupe genommen. Demnach hat es 15 Veranstaltungen gegeben, unter anderem mit Edda Schmidt, 66, aus Bisingen, die im NPD-Landesvorstand für Kultur und Brauchtum zuständig ist. Sie ist Dauerkandidatin bei diversen Wahlen und Landesvorsitzende der NPD-Unterorganisation Ring Nationaler Frauen (RNF). Auch diese Gruppe hat sich bereits im Waldhorn getroffen.

Der 58 Jahre alte Bürgermeister Lothar Mennig (Freie Wähler), der die Stadt seit 24 Jahren regiert und im November abtritt, will sich zunächst nicht zum anstehenden Verkauf der Gaststätte äußern. Grundstücksangelegenheiten seien "prinzipiell nichtöffentlich" zu behandeln. Im Übrigen müsse er nicht besonders betonen, dass alle Beteiligten daran interessiert seien, dass das Waldhorn "nicht an die NPD verkauft wird". Mennig warnt auch noch vor einer "Aufwertung" rechter Gruppen, wenn zu viele öffentliche Aktivitäten stattfinden.

Der SPD-Ortsverein Meßstetten hat sich in der Sache an die potenziell zuständigen Landesminister Bilkay Öney (Integration), Reinhold Gall (Inneres) und Rainer Stickelberger (Justiz) gewandt. An ihrem Ort breite sich ein "ekliges politisches Krebsgeschwür" aus. Wer jetzt nicht Farbe bekenne, nehme braun hin, und deshalb seien öffentliche Äußerungen notwendig. Geantwortet hat nur das Büro von Öney. Für das Land käme ein Erwerb des Waldhorns nicht in Betracht, das sei Sache der Gemeinde, des Landkreises sowie der kommunalen Gremien.

Zugleich wird die Glaubwürdigkeit des Angebots bezweifelt. Denn der Marktwert der heruntergekommenen Liegenschaft liege bei allenfalls 100 000 Euro. Im Raum steht der Verdacht, dass hier die NPD wieder einmal – im Bunde mit Lustig – blufft, um zum Beispiel die Gemeinde in einen Kauf zu treiben und den Preis zu erhöhen. Die Stadt ist in einer schwierigen Lage. Lustig dementiert das vehement. Das Geld stehe bereit, sagt er, und er will sogar wissen, von wem: von Rolf Hanno, Altnazi und Immobilienmillionär, wohnhaft in Marbella. Der greise Kamerad hat der klammen Partei stets geholfen, wenn sie Geld brauchte.

Klarheit gibt es am nächsten Freitag. Dann werden sich beim Emmendinger Notar Alfons Veit Käufer und Verkäufer treffen. An diesem Tag soll laut Vertragsunterlagen der Kauf beurkundet werden. Veit will den Termin auf Anfrage nicht bestätigen. Er sei kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet. Derweil jubelt die NPD. "Unsere nächste Sonnenwende können wir auf der großen Wiese hinter dem Waldhorn feiern", schreibt Zimmermann auf Facebook.

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