Biologismus oder Gesellschaftstheorie? - Marxismus und geschlechtliche Arbeitsteilung

Lenin und Zetkin philosohieren über das Wesen der Frau (DDR-Briefmarke 1970)

Den gestrigen zweiten Teil meiner dreiteiligen Kritik der „marxistische Frauenemanzipati­on­stheo­rie“ hatte ich mit folgendem Satz beendet: „Der Satz, die Klassenherrschaft sei die materielle Basis der ‚Frauenfrage’, ist falsch; aber er ist ein Symptom der Realität der geschlechtshierarchi­schen Arbeitsteilung, der tatsäch­li­chen materiellen Ba­sis der ‚Frauenfrage’.“ Im hiesigen dritten Abschnitt soll es nun um diese Arbeitsteilung und den biologischen Essentialismus, mit dem der Marxismus sie zu erklären pflegt, gehen.

„Essentialismus“ (von Lateinisch essentia = Wesen) bezeichnet, die Vorstellung eines im Laufe der Geschichte sich entfaltenden, inneren, homogenen Wesens – im vorliegenden Fall die Vorstellung von einem unterschiedlichen „Wesen“ von Männern und Frauen. Beliebte Metaphern, mit denen diese Vorstellung ausgedrückt wird, sind die Kategorien „Oberfläche“ und „Tiefe“, „Wesen“ und „Erscheinung“, „Substanz“ und „Form“ sowie „latent“ und „manifest“ (vgl. dazu kritisch an einem anderen Beispiel: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/05/22/und-noch-eine-begriffserlaeuterung-der-deutsche-materielle-rechtsstaat-ist-philosophischer-idealismus/).

Daß Frauen für’s Klo putzen und Männer für’s Auto reparieren zuständig sind; daß Führungspositionen von Männern und Hilfspositionen von Frauen besetzt sind, wird dann zum Ausdruck des unterschiedlichen weiblichen und männlichen Wesens erklärt. Dieses Wesen kann prinzipiell kulturalistisch oder biologistisch definiert werden; im allgemeinen dürfte es aber eine biologistische Grundierung haben, da Natur als weniger veränderbar gilt als Kultur.

Der Mechanismus, der Wesen und Erscheinung, Tiefe und Oberfläche angeblich verbindet – also die Antwort auf die Frage, warum (so die geläufige These) Personen mit Vagina  für’s Klo putzen und Personen mit Pimmel für’s Auto reparieren vorherbestimmt sein sollen – bleibt dabei dunkel: Essentialismus beinhaltet keine klare Kausalitäts-Behauptung, sondern ist eine suggestive Redeweise. Spätestens den Umstand, daß es Trans-Frauen ohne Vagina gibt, von denen einige fanatische Kloputzerinnen sind und andere einen Auto-Fetisch haben, und daß es Trans-Männer ohne Penis gibt, von denen einige einen gut bezahlten Führungsjob und andere einen schlecht bezahlten Hilfsjob haben, müßte den Essentialismus massiv irritieren – tut es aber nicht, da essentialistische Vorstellungen keine materialistischen, wissenschaftlichen Theorien, sondern ideologische Glaubenssätze sind.


Nach dieser Einleitung nun also der dritte Teil meiner Marxismus-Kritik in Sachen Geschlechterverhältnis…

 

 

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4. Der unbewußte biologistische Essentialismus der marxisti­schen Erklärung der ge­schlechts­spezifischen Arbeitsteilung

 

Die theoretischen Grenzen der marxistischen Auffassung der ‚Frauenfrage’ können insbe­sondere an dem letztgenannten Aspekt – der geschlechtshierar­chischen Struktur der (Erwerbs)Arbeit – genauer benannt wer­den. Dazu kann auf die „symptomatische Lek­türe“ (Althusser 1965b, 32), die Schaper-Rinkel 1994, 10 - 16 an den Äu­ßerungen der marxisti­schen Klas­sikerInnen zu diesem Thema vorgenom­men hat, zu­rück­gegriffen wer­den. „Diese Lektüre liest aus den Lüc­ken der Texte der KlassikerInnen einen zwei­ten Text her­aus: die in ihren Texten als selbst-evident vor­ausge­setzte Problematik, die die Gren­zen ih­rer Interventionen bestimmten.“ (Schaper-Rin­kel 1994, 10).

 

a) Die Naturalisierung der geschlechtshierarchischen Arbeitstei­lung durch Marx und En­gels

 

In dem oben in Abschnitt 2.a) bereits angeführten Zitat aus der Deutschen Ideologie (s. S. 4) befassen sich Marx und En­gels mit der geschlechtlichen Arbeitsteilung. In dem oben aus­gelassenen Halbsatz charak­terisieren sie diese Arbeitsteilung als „naturwüchsige Teilung der Arbeit in der Familie“ (Marx/Engels 1845/46, 32).

Marx und Engels scheinen hier „naturwüchsig“ nicht im Sinne von ‚naturgegeben-unver­änder­bar’, son­dern im Sinne von ‚spontan entstanden, ge­sellschaftlich veränderbar’ zu verste­hen – explizit wird dies von ihnen in Bezug auf das Geschlechterverhältnis aber nicht gesagt, und sie schließen ihren kurzen Hinweisen in der Deutschen Ideologie auch keine Untersuchung der historischen Variabilität der geschlechtlichen Arbeitsteilung an. Auf S. 33 schrei­ben sie jedenfalls Folgendes über Arbeitsteilung:

 

„Und endlich bietet uns die Teilung der Arbeit gleich das erste Beispiel davon dar, daß solange Men­schen sich in der naturwüch­sigen Gesellschaft befinden, [...], die Tätigkeit also nicht freiwil­lig, sondern natur­wüch­sig geteilt ist, die eigne Tat des Menschen ihm zu ei­ner fremden, gegen­überste­henden Macht wird, die ihn unter­jocht, statt daß er sie beherrscht.“ Und es folgt dann das be­kannte Zitat, wo sie das Bild der „kommunistischen Gesellschaft“ entwerfen, „wo nicht Jeder einen aus­schließlichen Kreis der Tätig­keit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweig ausbilden kann, die Ge­sellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir dadurch möglich macht, heute dies, und mor­gen jenes zu tun, morgens zu ja­gen, nachmit­tags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Es­sen zu kritisieren, wie ich ge­rade Lust habe, oh­ne je Jä­ger, Fi­scher, Hirt oder Kritiker zu werden.“ (Marx/Engels 1845, 33).

 

Es muß hier weder geklärt werden, wie unvollständig bei diesem Entfrem­dungsmo­dell („fremde, ge­genüberstehende Macht“) die Abrechnung mit dem „philosophischen Gewis­sen“ (Marx 1859, 10) geblieben ist, noch wie (un)realistisch folglich(?) das Modell der ständigen Arbeits­platzrotati­on ist, um feststel­len zu kön­nen, daß Marx und Engels hier (in ihren bewußten ausdrücklichen Formulierun­gen) je­denfalls davon ausgehen, daß die „naturwüchsige“ Ar­beitstei­lung gesell­schaftlich veränderbar ist.

Trotzdem konnte Schaper-Rinkel zeigen, daß die Perspektive der Aufhebung der Ar­beits­tei­lung für Marx und Engels „die Kritik der Arbeitsteilung zwi­schen Männern und Frauen nicht ein­schließt“ (1994, 10 – Hv. d. Vf.).

Zum Beleg führt sie ein Zitat aus dem Kapital an, in dem Marx „naturwüchsig“ auf einmal im Sinne von ‚naturgegeben, unver­änderbar’ verwendet:

 

„Innerhalb einer Fa­milie, weiter entwickelt eines Stam­mes, ent­springt eine naturwüch­sige Teilung der Ar­beit aus den Ge­schlechts- und Altersverschiedenenheiten, also auf rein physiologi­scher Grund­lage“ (Marx 1867/90, 372 – Zitat überprüft; Hv. von Schaper-Rinkel übernommen).

 

Schaper-Rinkel schreibt dazu:

 

„Diese Auffassung deutet sich schon in der ‚deutschen Ideologie’ an, wenn dort die Ar­beitsteilung zwi­schen Männern und Frauen als ‚Keim’[1] der sonstigen Arbeits­teilung be­zeichnet wird. Die Ar­beitsteilung zwischen Männern und Frauen wird eventuell bereits dort als naturwüchsig im Sinne von ‚rein physio­lo­gisch’ verstan­den; diese angeblich ‚rein physiologisch’ be­dingte Arbeitsteilung habe der sonstigen ‚na­turwüchsigen’ (im Sinne von: [... spontan entstan­den, d. Vf.]) Arbeitstei­lung den Weg bereitet.“ (Schaper-Rin­kel 1994, 10 f.).

 

Die vermeintlich natürlich-naturwüchsige Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern wäre danach der „Keim“ der naturwüchsig-spontane sonstigen Arbeitsteilung, aber nicht gleichermaßen historisch-gesellschaftlich wie die naturwüchsig-spontane sonstige Arbeitsteilung, insbesondere die zwischen den Klassen. Die Kernaussage wäre dann: Keim, aber nicht gleich.

Diese Lesart wird auch von dem oben (S. 10) schon angeführten Zitat aus dem Kommunistischen Manifest gestützt. Dort erklärten Marx und Engels – wenn auch durch die moderne In­dustrie untergraben werdend – die (bis dahin bestehende – aber seitdem bezeichnenderweise auch nicht verschwundene) geschlechtliche Arbeitsteilung mit der angeblich geringeren körperlichen Kraft von Frauen (Marx/Engels 1848, 469: „Je weniger die Handarbeit Ge­schicklichkeit und Kraftäußerung erheischt, [....].“)

Jene Lesart wird – konkret am Text der Deutschen Ideologie selbst – noch durch die Reflexion darüber gestützt, welche Tä­tigkeiten Marx und Engels bei der Beschreibung ihrer Utopie einer kommu­nistischen Gesell­schaft nicht er­wähnen: Das Essen ko­chen, das Abwaschen, das Kinder füttern, ... (allerdings er­wähnen sie auch keine in­dustriel­len Tä­tig­keiten).

 

Schaper-Rinkel führt weiter aus, daß die biologistische Bedeu­tung von „naturwüchsig“ in Be­zug auf das Geschlechterverhält­nis „jedenfalls in spä­teren En­gels-Schriften deutlich [wird]: Die Ar­beitsteilung zwischen Männern und Frauen er­scheint als selbstverständlich und nicht erklärungs­be­dürftig“ (Schaper-Rinkel 1994, 11):[2]

 

„Die Teilung der Arbeit ist rein naturwüchsig; sie be­steht nur zwischen den Geschlech­tern.“ (Engels 1884, 155 – Hv. wie­derum von Schaper-Rinkel übernom­men).

 

Soweit es nicht um die geschlechtliche Arbeitsteilung gehe, ver­wende aller­dings auch En­gels „naturwüchsig“ wieder im Sinne von ‚spontan entstanden, aber gesell­schaftlich verän­derbar’:[3]

 

Zur jeweiligen Doppelbedeutung von „naturwüchsig“ und „gesellschaftlich“ bei Marx und Engels

 

[siehe Tabelle in der beigefügten .pdf-Datei auf S. 4 (dieses Artikel-Teils) bzw. 27 (der teilübergreifenden Seitenzählung)]

 

„Marx und Engels nehmen also“, so resümiert Schaper-Rinkel (1994, 11), „hinsichtlich der Ar­beits­tei­lung nach Geschlecht eine Ableitung spezifischer Tätig­keiten aus der von ihnen zu­grundege­legten physiologischen Unter­schiedlichkeit von Männern und Frauen vor“, und zum Beleg zitiert sie noch einmal aus Engels Der Ursprung...:

 

„Die Teilung der Arbeit ist rein naturwüchsig; sie be­steht nur zwischen den Geschlech­tern. Der Mann führt den Krieg, geht jagen und fischen, beschafft den Roh­stoff der Nah­rung und die dazu nötigen Werk­zeuge. Die Frau besorgt das Haus und die Zuberei­tung der Nahrung und Kleidung, kocht, näht, webt.“ (Engels 1884, 155).

 

Mit dieser Formulierung nimmt Engels, paralell zur oben in Abschnitt 3.b) erörterten ‚Verlegung’ des Entstehungs­zeit­punktes der Frauenunterdrüc­kung, eine weitere Verschie­bung der Position von Marx und En­gels aus Deut­schen Ideo­logie vor: Wurde in der Deutschen Ideologie die „naturwüchsige“ Ar­beitsteilung zwi­schen den Ge­schlech­tern noch als hierarchisch („ungleiche Verteilung der Ar­beit und ihrer Pro­dukte [...], wo die Frau [...] Sklav[i]n des Mannes“ ist) charakter­siert, wird dieses Verhältnis vom späten Engels hinge­gen als „nicht-hierar­chisch“ (Schaper-Rinkel 1994, 11), sondern als komplementär-ergänzend ausgegeben: Je­des Ge­schlecht sei „Herr auf sei­nem Gebiet: der Mann im Walde, die Frau im Hause“ (Engels 1884, 155).

Dieser Charakter habe sich – so der späte Engels – erst mit der Steigerung der Pro­duktion in der Vieh­zucht, die zu den Domä­nen der Männer gehörte, geändert. Mit der Möglichkeit, das Vieh einzu­tau­schen gegen Waren und Sklaven, hätten Männer ein zu­sätzliches Er­werbsmittel in die Hand be­kom­men. Dies stellte „jetzt das bisherige häusliche Verhältnis auf den Kopf“ (Engels 1884, 157):

 

Die „Hausarbeit der Frau verschwand jetzt neben der Erwerbsar­beit des Mannes; diese war alles, jene eine unbedeutende Beigabe. Hier zeigt sich schon, daß die Be­freiung der Frau, ihre Gleich­stel­lung mit dem Manne, eine Unmög­lichkeit ist und bleibt, so­lange die Frau von der gesell­schaft­lichen produkti­ven Arbeit ausge­schlossen und auf die häusliche Privatarbeit be­schränkt bleibt“ (Engels 1884, 158).

 

Schaper-Rinkel 1994, 12 schreibt dazu:

 

„Hier deutet sich schon die spätere Entwicklung im Real­sozialismus an: Die Frauen blei­ben für die ‚Pri­vatarbeit’ zuständig, aber sie bleiben nicht dar­auf beschränkt. Hinzu­kommt die Arbeit in der ‚gesell­schaftlichen Produktion’.“

 

Wie wir in Abschnitt III. [in diesem Fragment nicht mitveröffentlicht] sehen wer­den, wurde diese Entwicklung von der KPD, die sich damit aus­drück­lich in der Po­litik in der Sowjetunion orientierte,[5] zum ausdrück­lichen Pro­gramm erhoben.

 

b) Die Naturalisierung der geschlechtshierarchischen Arbeitstei­lung durch August Bebel

 

Hier seien aber zunächst noch die Ausführungen von Schaper-Rinkel zur weiteren Argumentation von Au­gust Bebel in Sachen geschlechtlicher Arbeitsteilung angeführt:

 

„Auch Bebel entwirft in seiner Schrift ‚Die Frau und der Sozialis­mus’ ein solches Bild der ‚Frau in der Zu­kunft’: ‚(S)ozial und öko­nomisch völlig unabhängig’, ‚keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen’, ist sie ‚Herrin ihrer Geschicke’. Sie bleibt jedoch das ‚Andere’: ‚Ihre Erziehung ist der des Mannes gleich, mit Ausnahme der Abweichungen, wel­che die Ver­schieden­heit des Geschlechts und ihre ge­schlechtlichen Funktionen bedin­gen’ (Bebel 1974: 515). Sie kann Arbeiterin sein, in der Kunst, der Wis­sen­schaft oder in verwal­tenden Funktionen tätig sein (Bebel 1974: 515). Für Kinder ist sie je­doch allein zu­ständig: ‚Die Frau ist also frei, und Kin­der, die sie besitzt, verkür­zen ihr diese Frei­heit nicht, sie kön­nen ihr nur die Freude am Leben vermehren. Pfle­ge­rinnen, Erzieherinnen, befreunde­te Frau­en, die heranwach­sende weibliche Ju­gend stehen ihr in Fällen, in wel­chen sie Hilfe braucht, zur Seite’ (Bebel 1974: 519 f.). Damit hat Be­bel bezüglich der Arbeitsteilung nach Ge­schlecht sehr früh (1879) eine Vorstel­lung entwic­kelt, die in weiten Teilen (insbesondere in ihren Be­grenzungen) maß­geblich für die sozialistische Frau­en­bewegung [...] wurde.“ (Schaper-Rinkel 1994, 12).[6]

 

Die Frauen erscheinen Bebel als „von Natur aus geschlechtsbe­dürftiger“,[7] die Ehe sei „also der wahre Jungbrunnen“ für jene.[8] Er

 

„betrachtete die Frau häufig ausgehend vom Schwerge­wicht Gebär­fähigkeit und daher -funktion, so auch in seiner Begründung für den Ausschluß von Frauen und Mädchen aus bestimmten Indu­strie­zweigen, in de­nen sie nicht beschäftigt werden sollen ‚speziell we­gen der Schädlichkeit für ih­re sexuel­le Funktion’.“ (Reinstadler 1984, 13 f. – Bebel 1879/1909, 264 zitierend).

 

Insofern gibt es auch für Bebel

 

„Fälle, wo die Verschiedenheit des Geschlechts sie [die Trennung bei der Erziehung, d. Vf.] zur ab­so­lu­ten Notwendigkeit macht“ (Bebel zit. n. Reinstadler 1984, 19 bei FN 3).

 

Bebel übersieht:

1. Sex und generative Reproduktion sind nicht identisch – außer es würde das Weltbild der katholischen Kirche geteilt. Er verwendet „sexuel­le Funktion“ im Sinne von „generativer Reproduktion“. Die Reproduktionsfähigkeit kann aber beeinträchtigt sein, ohne daß zugleich die „sexuelle Funktion“ – das sexuelle Vergnügen – beeinträchtigt ist.

2. Nicht alle Frauen sind gebärfähig (wenn auch die allermeisten).

3. Auch die Frauen, die es (prinzipiell) sind, sind es nicht ihr ganzes Leben lang.

4. Auch von den aktuell gebärfähigen Frauen, sind viele nicht gebärwillig.

5. Arbeitsbedingungen, die sich nachteilig auf die „sexuel­le Funktion“ (von Bebel aber gemeint: Reproduktionsfähigkeit) von Frauen auswirken, dürften sich auch ansonsten gesundheitlich nachteilig auf Frauen und Männer auswirken.

Das heißt: Besonderer Arbeitsschutz im Hinblick auf die „sexuel­le Funktion“ von Frauen ist doppelt biologistisch-sexistisch – er gibt gleichzeitig ‚zu viel’ und ‚zu wenig’. Er läßt die gesundheitlichen Interessen von vermeintlich harten Männern, die nicht so empfindlich zu sein haben, außer Acht und macht generative Reproduktion zur dauernden Aufgabe von allen Frauen.

Zu fordern wäre also entweder gleicher Arbeitsschutz für alle Arbeitenden oder aber spezifischer Arbeitsschutz für die diejenigen, die tatsächlich gebär- und zeugungsfähig und -willig sind. Bebel nimmt statt dessen eine Teilung der Arbeitenden entlang der Geschlechtergrenze und eine Homogenisierung innerhalb der Geschlechter vor und befestigt so ideologisch-gesellschaftlich die Arbeitsteilung, die ihm als biologisch-„sexuell“ – aus der generativen Reproduktion begründet – erscheint. Auch Bebel ist (wie so viele andere) (gesellschaftlicher) Mit-Konstrukteur dessen, was er (natürlicherweise) vorzufinden meint…

 

c) Der Einfluß der Bolschewiki: Lenin, Kollontai, Trotzki

 

Auch der sowjetische Einfluß auf die bis dahin ‚deutsche’ ‚marxistische Fraueneman­zipati­on­stheorie’ brachte keine Korrek­tur der Essentialisierung der geschlechtshierar­chischen Arbeits­tei­lung:

 

„Auch bei Lenin stand die Forderung nach Integration von Frauen in die wichtigen ge­sell­schaftli­chen Be­rei­che im Vordergrund. Ohne ausdrücklich darauf ein­zugehen, ist diese Inte­gration aller­d­ings auch bei ihm mit traditionell von Frauen ausgeübten Tätig­keiten und Be­reichen verknüpft und beinhaltet damit implizit auch eine Reproduktion der Arbeitsteilung zwischen Män­nern und Frau­en auf außer-familiärer Ebene. Deutlich wird diese Vorstellung bspw. bei der Volksmiliz: ‚Eine solche Miliz würde jene Funk­tio­nen entwic­keln, die – um es gelehrt auszudrücken – in das Gebiet der ‚Wohlfahrtspolizei’, der sanitären Kontrolle usw. gehö­ren, und würde alle erwachsenen Frauen zu solchen Funktionen her­anziehen’ (LW 23: 343). ‚Solche Funktio­nen der ‚Polizei’ aber wie die Fürsorge für Kranke, die Sorge um ver­wahrloste Kin­der, um ge­sunde Ernäh­rung sind ohne die tat­sächliche, nicht nur auf dem Pa­pier bestehende Gleichbe­rechtigung der Frauen überhaupt nicht be­friedigend durchzuführen’ (LW 24: 56). Die Form von Tätigkei­ten ist zu verändern, die Zuwei­sung von spezifischen Arbei­ten an Frauen bleibt jedoch bestehen, wie Le­nin bezüglich der Haus­wirt­schaft – ‚die un­produktiv­ste, die barba­rischste und die schwerste Arbeit, die die Frau ver­richtet’ (LW 30: 26) – aus­führt: ‚Wir schaffen mustergültige Ein­richtungen, Speisehäuser, Kinder­krip­pen, die die Frau von der Hauswirtschaft be­freien sollen. Und die Schaffung dieser Ein­richtun­gen ist eine Ar­beit, die hauptsäch­lich von den Frauen zu leisten ist. (...) Wir sa­gen, die Befreiung der Ar­beiter muß das Werk der Arbeiter selbst sein, und genauso muß auch die Be­freiung der Ar­beite­rinnen das Werk der Arbeite­rinnen selbst sein. Die Arbeiterinnen selbst müs­sen sich um die Schaffung solcher Einrichtun­gen kümmern’ (LW 30: 27). Befreien sollen sich die Frauen nur von der Pri­vatform der Haus- und Er­zie­hungsarbeit, nicht jedoch von der Zuwei­sung eines spezifi­schen Bereiches von Arbei­ten, so daß eine Auf­hebung der Arbeitsteilung nicht einmal perspekti­visch anvisiert wurde. ‚(E)rdrückt, erstickt, abgestumpft, erniedrigt von der Kleinarbeit der Hauswirt­schaft, die sie an die Küche und das Kinderzimmer fes­selt und sie ihre Schaffens­kraft durch eine gera­dezu barbarisch un­produktive, kleinliche, entner­vende, abstumpfen­de, niederdrüc­kende Arbeit vergeu­den läßt’ (LW 29: 419), so schildert Lenin die Situation, de­ren Aufhe­bung durch die ‚massenhafte Um­ge­staltung zur so­zialisti­schen Großwirt­schaft’ (ebd.) erreicht werden soll. Zwar er­höht die Großpro­dukti­on die Ar­beits­produk­tivität, führt die Arbeit in ihr zu sozialen Kontakten; was Le­nin aber übersah ist, daß al­lein schon die spezielle Zuständigkeit von Frauen (bzw. Män­nern) für be­stimmte Ar­bei­ten der sogenannten ‚Be­freiung der Frau’ entgegen­steht.“ (Schaper-Rinkel 1994, 12 f.).

 

Schaper-Rinkel zeigt in ihrer Arbeit (S. 13 – 15) weiter, daß „[s]elbst Ale­xandra Kollontai, die als die­jenige gilt, die die pa­triarchalen Verhältnisse zu ihrer Zeit am stärksten in Frage stellte, und die inner­halb der Bolschewiki als Feministin ange­fein­det wurde, [...] die Ar­beitsteilung nach Ge­schlecht“ ver­teidigte (Schaper-Rinkel 1994, 13). Auch Trotzki, der eine „scharfe Kri­tik an den tra­ditionellen Fami­lienstruk­turen und den unzureichenden Maß­nahmen, diese zu zerstören,“ leiste­te, habe jedoch

 

„bezüglich der Arbeitsteilung [...] eine übereinstim­mend determini­stische Auf­fassung [gehabt], wenn er [...] schreibt: ‚[...]. Doch selbst die kühnste Revolution könnte eben­sowenig wie das ‚allmächtige’ briti­sche Parlament die Frau in einen Mann umwan­deln oder, besser gesagt, die Last der Schwangerschaft, des Ge­bä­rens, des Stillens und der Kin­dererziehung zu gleichen Teilen zwi­schen beiden aufteilen’ (Trotzki 1935/36: 837). Auch bei Trotzki ist damit eine selbst­verständliche Gleichsetzung von Frau gleich Mut­ter sowie die analytische Gleichsetzung von tat­sächlich biolo­gisch festgelegten Fähig­kei­ten / Tätigkei­ten wie Schwangerschaft und Stillen mit der Kindererzie­hung ge­geben. Kindererziehung ist damit bio­logisch ab­gelei­tet und wird nicht als ge­sellschaft­lich und sozial or­ganisierte Tätig­keit aufge­faßt.“ (Schaper-Rinkel 1994, 14 f.)

 

Wir müssen hier unsererseits nicht näher auf Kollontai und Trotzki einge­hen, son­dern müssen – er­gän­zend zu Schaper-Rin­kel – noch die Auffassung Clara Zetkins, die für die KPD-Politik von unmit­tel­ba­rerer Bedeutung als Kol­lontai und Trotzki war, er­örtern:

 

d) Die Naturalisierung der geschlechtshierarchischen Arbeitstei­lung durch Clara Zetkin

 

Clara Zetkin teilte den Geschlechteressentialismus bereits zu ih­rer sozialde­mokrati­schen Zeit:

 

„[...] Clara Zetkin leistete ihren Beitrag zur marxisti­schen Jugend- und Schulpolitik. Er ist imma­nenter Be­standteil des Kampfes um die Befreiung der Frau. In ihrer [also: Zetkins] Konzeption zur Lösung der Frau­enfrage neh­men die Erziehungsfragen von Anfang an einen ge­wich­tigen Platz ein.“ (Staude 1976, 71 – Her­vorh. d. Vf.).

 

Die Frauenunterdrückung wird der biologischen Mutterschaft zu geschrie­ben; letztere aber nicht in Frage gestellt:

 

„[...] die Frau [wurde] durch die Bedingungen der Mutterschaft zum ersten und ältesten Eigentum des Mannes [...].“[9]

 

Insofern kann es für Zetkin auch nicht darum gehen, die sog. „Doppelbelastung“, also die Frauenunter­drückung abzuschaffen, sondern nur darum, sie zu erleichtern (Partisch 1978, 12 bei FN 1; vgl. dazu krit. Mitchell 1966-71, 98 - 101):

 

„[...] – es darf unmöglich die Aufgabe der sozialistischen Frauenagita­tion sein, die proletari­sche Frau ih­ren Pflichten als Mutter und Gattin zu entfremden; im Ge­genteil sie muß darauf wirken, daß sie diese Aufga­ben besser erfüllt als bisher, und das im Interesse der Befreiung des Proletariats.“ (Zetkin 1896, 108 – auch zit. bei Penrose 1990, 62)[10]

 

Über ihr eigenes Leben heißt es allerdings bei Friedrich Boll:

 

„1896 heiratete sie den Kunstmaler Friedrich Zundel, der sich als Student für den Sozia­lismus be­gei­sterte. Daß diese Ehe jahrelang sehr harmonisch geführt wurde, [...], lag an dem großen Re­spekt, den beide ein­ander entgegenbrachten [...]. In den Jahren zwi­schen 1896 und 1914 hat Zetkin eine sehr mo­derne Ehe ge­führt: Berufli­che Anspannung und politische Tätig­keit dürften ihr kaum Zeit für Hausar­beit gelassen ha­ben. Die Sorge für die Kinder sowie für Haus und Garten wurden daher zweifellos stär­ker von ihrem Mann als von ihr getragen.“ (Boll 1985, 71, s.a. 66).

 

Aber zurück zu den politisch-theoretischen Positionen Zetkins:

Clara Zetkin schrieb (in einem in der Sekundärliteratur nicht mit genauer Quellenangabe zitierten Text):

 

„Menschliches und Weibliches [man/frau beachte die Gegenüber­stellung!, Anm. d. Vf.] in der Frau müs­sen sich in Harmonie ne­ben- und miteinander entwickeln und ausleben können. Als Mensch wird sicher im all­gemeinen mit voller Kraft die Frau wir­ken, die Liebes­glück genossen hat, das Beste ihres Seins und Stre­bens, des Seins und Strebens eines geliebten Gatten in gesun­den Kin­dern heranwach­sen und über sich selbst hinaus wachsen sieht. Als Weib wird die Frau das Höchste leisten, die als voll er­blühter Mensch auch im Leben außerhalb des Hauses – im Be­ruf, in der Po­litik – daheim ist.“ (zit. n. Keßler 1983, 68[11]kur­sive Hervorh. i.O.; fette d. Vf.)

 

Das ‚Weibliche in der Frau’, das ihre ‚Menschlichkeit’ stützen soll, ist hier im wesent­lichen die Liebe zu ihrem „Gatten“ und dessen („eines geliebten Gatten in gesunden Kindern“) Kindern; die weibli­che Ar­beit, deren Effek­tivität durch ihre ‚Menschlichkeit’ gestützt wer­den soll, leistet sie „daheim“. Wie man/frau es auch dreht und wendet – ob man/frau es aus der Per­spektive der ‚Frau als Menschen’ oder der ‚Frau als Weib’ sieht: am Ende steht im­mer die Identifizierung von Weiblichkeit mit Ehe, Familie, Kinder, Hausarbeit. Der Ge­genbegriff – interes­santerweise nicht ‚das Männliche’, sondern ‚das Men­schliche’ genannt – kommt ohne diese Identifizie­rung aus; wir sehen: Der Mensch ist in Clara Zetkins Ge­schlechterbild ein Mann; die Frauen sind keine Menschen, sondern Menschen, die die Kindern ihrer Männer betreuen!

Daß Frauen keine normalen Menschen sind, sollte nach Ansicht von Clara Zetkin auch bei der Flug­blatterstellung berücksichtigt werden.

 

„Nicht traditionell das schlechteste Papier und der schlechteste Druck – ein solch schlecht gestaltetes Flugblatt knüllt die proletarische Frau, die nicht den Respekt vor dem gedruckten Wort hat wie der Prole­tarier, einfach zusammen und wirft es weg –, sondern, [...] kleine Büchelchen von 4 bis 6 Seiten In­halt, dessen Ausstattung nett ist. Denn soweit ist auch die Proletarierin Frau, daß sie sagt: Ach, das Dingelchen ist so nett, das muß ich aufheben!“ (Zetkin 1896, 109).

 

Diesen Essentialismus – diese klischee-beladenen Weiblichkeits-Vorstellungen – behielt sie auch in ihrer KPD-Zeit bei. In den Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung schrieb sie:

 

„Diesen Richtlinien entsprechend, haben die kommunistischen Partei einzutreten [...f]ür eine Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die der Eigenart des weiblichen Organismus und den leiblichen wie geistig-sittlichen Anforderungen der Mutterschaft gerecht wird [...] Schutz der Mutterschaft der Kinder, und der Jugend [...] Kranke[n], Schwache[n], Alte[n], Arbeistunfähige[n]; [...]“ (Zetkin 1920, 276, 277, 278 s.a. 276, 282: „weiblicher Milizen, Rote Schwestern, [...] Bildungsarbeit in der Roten Armee usw.“, „geistig-sittliche Eigenart der Frau“)

 

Als Präsidentin der Sektion zum Studium der Theorie und Praxis der inter­nationalen Frau­enbewegung an der Kommunistischen Akademie Moskau[12] 1927 bis 1933 maß sie schließlich der

 

„Erforschung des bestmöglichen Einsatzes der Frau im gesell­schaftlichen Produktions­prozeß [...] und der Rolle als Produzentin und Mutter besondere Bedeutung“

 

bei (Partisch 1976, 20 bei FN 4 unter Hinweis auf: IML ZPA, NL 5/29).

 

„Mit Hilfe dieser Untersuchungen sollte festgestellt werden, in welchen Produktions­zweigen die Frau­enar­beit produktiver als die der Männer ist. Um eine im­mer optimalere Übereinstimmung zwi­schen der Frau als Produzentin und als Mutter zu erreichen, sollte die Einwirkung der Arbeit auf den weib­lichen Orga­nismus analysiert werden, ebenfalls die Arbeitsbedingungen und der ge­setzliche Arbeite­rinnen­schutz“ (Partisch 1976, 24, FN 8 – Hv. d. Vf.).[13]

 

Zetkin sah dabei

 

„im Aufbau von Einrichtungen zum Dörren, Konservie­ren u.ä. in­nerhalb der landwirt­schaftlichen Pro­dukti­onsgenossenschaften weitere Möglichkeiten zur Einbe­ziehung der Bäuerinnen in die so­zialisti­sche Produk­tion [...].“ (Partisch 1978, 30 bei FN 3 – H­v. d. Vf.).

 

e) Resümee der theoretischen Grundlagen der KPD-Frauenpolitik

 

Wie wir sehen, findet die Analyse von Schaper-Rinkel auch eine Bestätigung in der Unter­su­chung der theoretischen Schriften von Clara Zetkin. Auch für Zetkin gilt, was Schaper-Rinkel zum Zusammen­hang von „Naturalisierung der Arbeitsteilung und ‚Doppelrolle’“ schreibt:

 

„In den dargestellten theoretischen Ansätzen wurde die Alltags­vorstellung von der Selbstverständ­lich­keit der geschlechtlichen Arbeitsteilung übernommen. Das Ergebnis eines sozialen Verhältnis­ses, die Arbeits­tei­lung, wurde fälschlicherweise als Folge bio­logi­scher Unterschiede aufgefaßt: daß der als ‚Frauen’ defi­nier­ten Gruppe die potentielle biologische Gebärfähigkeit als ‚Schlüsselqualifikation’ zu­gewiesen wird, ist aber bereits das Er­gebnis sozialer Prozesse (und gilt weder für alle ‚Frauen’ noch für irgendeine Frau an­dauernd). Aus der potentiellen Gebärfähig­keit wurde zudem eine Vielzahl an Ei­gen­schaften abgeleitet, wie die besondere (und ausschließliche) Eignung von Frauen für Kindererzie­hung und -pfle­ge. ‚Weiblichkeit’ und ‚Männlichkeit’ wurden nicht als so­zial und ideologisch konstituiert er­kannt, son­dern als ‚natur'gegeben auf­gefaßt. ‚Natur’ wurde (auf das Ge­schlechterverhältnis bezogen) als unmittelbar die sozia­len Ver­hältnisse de­termi­nierend und Veränderung begrenzend verstan­den (ohne Berücksichtigung der so­zial produ­zierten Auffassung von Natur). [...]. Aus der Auffassung einer grund­sätzlichen Differenz zwi­schen den Geschlechtern folgt die Zu­schrei­bung einer doppelten Rolle von Frauen. Zu den ‚natürlichen’ Auf­gaben kommt die Inte­gration in die ‚gesellschaftliche Produktion’ hinzu, die als Garantie für ein verän­dertes gesellschaftliches Machtver­hält­nis bewertet wird. Für Marx und En­gels stellte sich das Problem, was die Na­turwüchsig­keit der Arbeitsteilung für die Zu­kunft heißt, nicht konkret. Die Frage, in welcher Form Anteile der naturwüchsigen Arbeitstei­lung die konkrete und spe­zifische Arbeit von Frauen in der ‚gesellschaftlich pro­duktiven Arbeit’ be­stimmen, stellte sich für Lenin, Kollontai und Trotzki nach der Ok­tober­revolution hin­gegen fak­tisch: Die Ar­beits­teilung wird auch bei ihnen als ‚natürlich’ und damit nur be­grenzt gesellschaftlich veränderbar be­griffen. Frauen be­finden sich nach dieser Auffassung aufgrund ihrer potentiellen Ge­bärfähigkeit in ei­ner benachtei­ligten Position, die es über die gesellschaftli­chen Ver­hältnis­se auszugleichen gilt. Die Aufgabe des sozialisti­schen Staates (der Organisation der Übergangsgesell­schaft) besteht darin, die Frauen zu­ge­wiesenen und als unpro­duktiv aufgefaßten Tätigkei­ten der Haus- und Ver­sorgungsarbeit über Vergesell­schaftung – al­so die ef­fektivere Form der Organisie­rung dieser unan­ge­nehmen Auf­gabe – weitest­gehend abzumildern. Die Aufgaben verbleiben jedoch aus­schließlich bei Frau­en, auch wenn sie statt im einzel­nen Haushalt im Rahmen industrieller Ar­beitsteilung und in Form von pflegeri­schen und fürsorgerischen Berufen ausge­übt werden. Damit wurden die Grund­la­gen der traditio­nel­len Arbeitstei­lung nicht angetastet. Zu­gleich kommt eine hierar­chi­sche Komponente dieser Arbeits­tei­lung zum Tra­gen, indem jeweils ein un­pro­duk­tiver, erniedrigen­der und belasten­der Charakter aller Tätig­keiten im Reproduktions­bereich be­tont wird; diese Tätigkei­ten zugleich weiterhin Frau­en zugewiesen werden und es sich zugleich um Tä­tigkei­ten handelt, die sich nur teilweise indu­strialisieren lassen. Ledig­lich die Rolle von Frauen, nicht je­doch die von Män­nern, unterliegt per­spektivisch gesell­schaftlicher Ver­änderung. Die gesellschaft­li­che Rolle von Männern (maximales Maß an ‚produktiver’ Arbeit, minima­les Maß an reproduktiver Ar­beit) bleibt dabei implizit die po­sitive Norm, die Frauen aufgrund ihrer ‚Natur’ nicht erreichen können, an die sie sich je­doch mit Hilfe des Staates annähern sol­len/können. Wird die Konstituie­rung von zwei Ge­schlechtern nicht als sozialer Prozeß verstanden, er­scheint die be­stehende ge­schlechtshierarchi­sche Arbeitsteilung als – in ihren Grundlagen – unabänderlich. Es geht dann nur noch um die Be­dingun­gen, unter denen die ‚natürliche’ Rolle als Mutter mit der im Gegen­satz dazu stehend aufge­faßten ‚sozialen’ Rolle als Erwerb­sarbeitende zu ver­einbaren ist. Die­ser biolo­gisti­schen Auffassung ge­mäß gab es in den real­sozialisti­schen Staaten die Diskus­sion über die sogenannte ‚Frauenfrage’ und nicht die Frage nach dem gesell­schaftli­chen Geschlechterver­hältnis. Problematisiert wurde damit nicht das gesell­schaft­liche Herr­schaftsverhältnis zwischen Frauen und Män­nern, son­dern die ver­meint­lichen Defizite von Frauen. Das Ziel war nicht die Überwindung der Ar­beitsteilung – der Grundlage des patriarcha­len Ge­schlech­terver­hältnisses –, sondern Hilfestellung für Frau­en, ih­rer ‚doppelten’ Rolle als Mutter und Erwerb­sar­bei­tende gerecht zu werden: die quanti­tative Inte­gration von Frauen in den Erwerbsarbeitsbereich wurde mit der ‚Abmilderung’ der nicht in Frage ge­stellten soge­nannten Doppelbelastung verbunden (sozialpolitische Lei­stun­gen, Appelle an Män­ner ‚mit’zuhelfen u.ä.). Dieses Konzeption der ‚Gleichbe­rechtigung durch Hilfestellung’ korre­spondiert mit der eingangs ana­lysier­ten Differenzierung von Marx und Engels zwi­schen der Ar­beitsteilung von Männern und Frauen einerseits und der sonsti­gen Ar­beits­teilung anderer­seits: Während letztere ‚in der kommuni­stischen Ge­sellschaft’ (MEW 3: 33) als auf­heb­bar galt, wurde erstere ‚rein physio­logisch’ (MEW 23: 372) erklärt. Entsprechend ging es Marx und En­gels konse­quen­terweise nicht um eine ‚Gleichberechtigung der Klas­sen’, sondern um deren Ab­schaf­fung (MEW 19: 21; 20: 580 f.), wohl aber um eine ‚Gleichstellung’ der Frau ‚mit dem Manne’ (MEW 21: 158).“ (Schaper-Rin­kel 1994, 15 f. – alle Hv. i.O.).

 

Editorische Nachbemerkung:

 

Ich habe – der Einfachheit und Ehrlichkeit halber – in die jetzige Veröffentlichung des vorliegenden Textes einige theoretisch-terminologische Schwachpunkte, die ich 1995, als ich den Text ursprünglich schrieb, noch nicht erkannte, übernommen. Dies betrifft insbesondere folgende Ausdrücke:

 

  •  „Frauenunterdrückung“ – statt dessen spreche ich in meinen späteren Texten von: „Herrschaft über und Ausbeutung von Frauen“ oder schlicht von „Patriarchat“ oder „patriarchales Geschlechterverhältnis“ (letzteres sind Ausdrücke, die ich auch schon seinerzeit mehr oder minder synonym mit „Frauenunterdrückung“ verwandte).
  •  Das Gleiche gilt für den Ausdruck „Klassenunterdrückung“. Statt dessen spreche ich inzwischen von „Klassenherrschaft und -ausbeutung“ oder (konkreter) von „Kapitalismus“, „Feudalismus“ etc.

 

Eine kurze Begründung für den Terminologie-Wechsel habe ich dort gegeben:

http://theoriealspraxis.blogsport.de/1990/09/28/scheidelinien-anja-meulenbelt-ueber-sexismus-rassismus-und-klassismus/.

 

  •  Statt „man/frau“ schreibe ich inzwischen von „man/frau/lesbe“. Eine Begründung für diese Schreibweise findet sich dort im zweiten Abschnitt:

http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/07/01/1-beitrag-zum-namen-und-zur-funktion-von-theorie-als-praxis/.

 

Dazu, das noch fehlende Literaturverzeichnis zu meinem vorliegenden, bisher dreiteiligen Text nachzureichen, werde ich wahrscheinlich erst nach der „Marxismus/Feminismus“-Veranstaltung, die am kommenden Dienstag (10.3.) im Bandito Rosso in Berlin stattfinden wird, Gelegenheit haben. – Mein Vortragsskript, das – wie schon in der Einleitung zu Teil I meines Text gesagt – Neues bringen wird, ist nämlich noch nicht ganz fertig… ;-)



[1]Wörtlich bezeichnen Marx und Engels die Ar­beitsteilung zwi­schen Männern und Frauen dort allerdings nicht als „Keim“ der sonstigen Arbeits­teilung, sondern als „Keim“ des Eigentums:

„Mit der Teilung der Arbeit [...] ist zu gleicher Zeit auch die Vertei­lung, und zwar die ungleiche, sowohl quantita­tive wie qualitative Verteilung der Ar­beit und ihrer Produkte gegeben, also das Eigentum, das in der Familie, wo die Frau und die Kinder die Sklaven des Mannes sind, schon seinen Keim, seine er­ste Form hat.“ (Marx/Engels 1845/46, 32 – H­v. i.O.).

Das Eigentum beruht freilich seinerseits auf der Verfügung über fremde Arbeitskraft, die sich aus hierarchischer Arbeitsteilung ergibt:

„Die freilich noch sehr rohe, latente Sklaverei in der Familie ist das erste Eigentum, das übrigens hier schon vollkommen der Definition der modernen Ökonomen entspricht, nach der es die Verfügung über fremde Arbeitskraft ist.“ (Marx 1845/46, 32).

[2] Für den Bereich der Sexualität (‚weibliche Hingabe’) bestätigt Reinstadler 1984, 5 f. diesen Befund.

[3] „Zu dieser biologisch bedingten Arbeitsteilung nach Geschlecht (oder auch Alter [MEW 16: 277])“ komme nach Ansicht von En­gels, so Schaper-Rinkel 1994, 11 „– aufgrund der Ent­stehung von Handelsbeziehungen – jene Arbeitsteilung hinzu, die den ‚natürlichen Zusammenhang sprengt’*. Aber auch diese erklärungsbedürftige, ‚hinzukommende’ Arbeitsteilung wird von ihm als naturwüchsig (aber anscheinend nicht im Sinne von ‚physiologisch’, sondern von ‚unbewußt’) bezeichnet: ‚Der Austausch mit fremden Gemeinwesen ist dann eines der Hauptmittel zur Sprengung des naturwüchsigen Zusammenhangs des eignen Gemeinwe­sens durch Weiterbildung der naturwüchsigen Teilung der Arbeit.’ (MEW 16: 277 – kursiv P. S.-R.)."

Marx selbst (bei dem von Schaper-Rinkel zitierten Text handelt es sich um Engels Konspekt über ‚Das Kapital’ von 1868) spricht (an der entsprechenden Stelle im Kapital) in Bezug auf diese ‚hinzukommende’ Arbeitsteilung von „gesellschaftliche[r] Teilung der Arbeit“ (Marx 1867/90, 372; vgl. auch S. 373 mit dem von Schaper-Rinkel angeführten Zitat).

Dies unterstreicht einerseits, daß auch Marx (und nicht nur Engels) dem Wort „naturwüchsig“ in Bezug auf das Geschlechterver­hältnis eine biologisti­sche Bedeutung gibt.

Andererseits ergibt sich daraus aber folgende Frage: Wenn nach der Begrifflichkeit von Marx im Kapital die nicht physiologisch bedingte Arbeitsteilung, also bereits die Arbeitsteilung in Klassengesellschaft, nicht mehr „naturwüchsig“, sondern „gesellschaftlich“ ist, was ist dann mit der kommunistischen Gesellschaft, zur Charakterisierung deren Arbeitsteilung in der Deutschen Ideologie der Begriff ‚nicht-naturwüchsig’ reserviert war. Gibt es für Marx im Kapital mindestens zwei Arten der ge­sellschaftlichen Arbeitsteilung (eine kommunistische und mindestens eine vorkommunistische)?

* Schaper-Rinkel paraphrasiert hier – statt wörtlich zu zitieren. Wörtlich schreibt Engels: „Sprengung des naturwüchsigen Zusammenhangs“. Aber der Kontrast bei Engels zwischen „naturwüchsige[r] Zusammenhang des eignen Gemeinwe­sens“ und „Weiterbildung der naturwüchsigen Teilung der Arbeit“ durch „Austausch mit fremden Gemeinwesen“ (Hv. d. Vf.) und den drastischen Vorgang der „Sprengung“, den Engels dazwischen bzw. darin sieht, spricht in der Tat dafür,

  •  das erste „naturwüchsig“ bei Engels – das in Bezug auf als die geschlechtliche Arbeitsteilung – im Sinne von ‚naturgegeben-unveränderbar’
  •  und das zweite „naturwüchsig“ – in Bezug auf die sonstige Arbeitsteilung – im Sinne von ‚spontan entstanden, veränderbar’ zu verstehen.

[4] [entfällt]

[5] „Wir [Die KPD] lernten aus den Erfahrungen der Sowjetunion, von ihren Gesetzen, und formulierten die Forderungen für die Arbeite­rinnen, für den Schutz von Mutter und Kind.“ (Roberta Gropper, Mit der Sowjetunion im Bunde, heißt zu den Siegern gehören, in: Lernen und Handeln. Funktionärsorgan des DFD, Heft 20, 1967, 2 zit. Arendt 1985, 43, FN 6).

[6] a) Schaper-Rinkel 1994 zitiert (wenn auch in anderer Zitierweise bzw. mit anderer Datumsangabe) die auch für diese Arbeit verwandte Bebel-Ausgabe (Berlin/DDR, 1974).

b) Auf allgemeinerer, nicht auf konkrete Tätigkeiten bezogener Ebene spricht Bebel aber von „rechte[r] mütterliche[r] oder vä­terliche[r] Liebe [...] oder wahre[r] Elternliebe“ (zit. n. Neef 1978, 130, FN 3).

[7] Bebel 1879/1909, 132; auch zit. bei Reinstadler 1984, 9 bei FN 3.

[8] Bebel 1879/1909, 133 (der dort H. Ploß, Das Weib in der Natur und der Völkerkunde, 2. Band, Leipzig, 19052 zitiert); auch zit. bei Reinstadler 1984, 9 bei FN 4 . Das angebliche Be­bel-Zitat (Ausgabe Berlin/Bonn, 1980, 160) bei Reinstadler 1984, 15 bei FN 3 konnte dagegen weder auf den entsprechenden Seiten der Ausgabe: Berlin/DDR, 1974 noch Berlin/Bonn, 1977 (S. 172 - 179 bzw. 140 - 148) verifiziert werden.

[9] Clara Zetkin zit. n. Partisch 1978, 25 bei FN 2.

[10] S. auch Zetkin 1896, 102, 110, 111: „[...]; es gilt ihr ihre Rechte als Gattin, als Mutter wiederzugeben und zu sichern. [...] in ihrer Eigenschaft als Proletarierin, als Gattin, als Mutter. [...], gleichzeitig aber auch ihre Aufgabe als Gattin und Mutter im höchsten Maße erfüllen können.“ – Auf dem SPD-Parteitag 1906 erklärte sie dagegen zusammen mit Heinrich Schulz: „Die geschichtliche Entwicklung eignet nicht die Tendenz, die Erzie­hung im Heim auszuschalten, sondern sie zu vertiefen. Die Erziehung im Heim hat das Wirken des öffentli­chen Un­terrichts und der Erziehungsanstalten zu vervollständigen. Sie soll nicht bloß Mutterwerk, sie muß gemeinsames Eltern­werk sein.“ (Protokolle über die Verhandlungen des Parteitages der SPD in Mannheim 1906, Berlin, 1906, 194 zit. n. Neef 1978, 126 bei FN 24; letzter Satz auch zit. bei Reinstadler 1984, 32 bei FN 2). Zetkin formulierte diese Position allerdings „nur in­nerpar­teilich“ und wurde „dort abgeblockt“ (Reinstadler 1984, 32).

[11] Die Verfasserin dieses, im DKP-nahen Theorieorgan Marxistische Blätter veröffentlichten Textes unter dem Titel „Clara Zetkin lebt in unseren Taten“ macht sich die zitierte Orientie­rung nach dem emphatischen Ausruf „Ja, so ist es!“ durchgängig zu eigen: „Einstellung der Frauen, [...], Beruf und Fa­milie zu vereinbaren“; „Wir wollen Familie!“; „eine Welt der Gebor­genheit zu schaffen“ (Keßler 1983, 69, 71, 74 – Hv. d. Vf.).

[12] Die Sektion konnte allerdings „keine größere Ausstrahlungskraft erlangen, da nach Auffassung Clara Zetkins die reale Basis dafür fehlte und Unklar­heiten über den Charakter der Sektion von Anfang an vorhanden waren. Eine nicht geringe Anzahl von Wissenschaftlern der Kommunistischen Akademie, der die Sektion angeschlossen war, vertrat die Auffassung, daß Forschung auf diesem Gebiet wissenschaftlich ‚minderwertig’ sei. Deshalb lehnten sie die Mitarbeit in dieser Sektion ab.“ (Partisch 1976, 23, FN 3 unter Hinweis auf: IML Moskau, ZPA, Fonds 528/684 und Fonds 528/1573).

[13] Wenn auch Zetkin also den Essentialismus des „marxistischen Frauenemanzipation“ teilte, so teilte sich nicht die stalinistische Propaganda, in der SU sei die „Frauenfrage“ bereits ‚gelöst’ – mit dieser Begründung wurden 1930 die Frauenabteilungen der KPdSU abgeschafft (s. Schaper-Rinkel 1994, 22 f. m.w.N.). 1928 schrieb sie an ihren Sohn Kostja, daß es in der SU „die Frauen z.T. schwer [haben, d. Vf.], sich als Gleichberechtigte durchzusetzen. Nur langsam wird das Prinzip Praxis.“ (zit. n. Partisch 1976, 24, FN 9). Noch 1929/30 ver­suchte sie eine Erhebung über „die wirkliche Lage der Frau, Gesetzesverletzungen und die Reaktionen der Frauen“ in der SU durch­zusetzen. Dabei sollten u.a. Daten über den Aus­gang von arbeits- und familienrechtlichen Gerichtsverfahren und die ge­schlechtliche Zusammensetzung (!) der entscheidenden Gerichte erhoben werden. Die Untersuchung kam an­geblich aufgrund „organisatorischer Mängel“ nicht zustande. (Partisch 1976, 22, 24 - 25, FN 10 – 13 und Anlage 1 - 3).

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Es gibt jetzt einen Mitschnitt meines - im letzten Absatz vor den Fußnoten erwähnten - Vortrages vom 10. März zum Verhältnis von Marxismus und Feminismus online:

 

http://perspektive.nostate.net/480

 

Eine schriftliche Fassung mit den obiligatorischen Fußnoten usw. wird es auch demnächst geben. -

 

Und bis ich es schaffe, das Literaturverzeichnis zu dem obenstehenden Artikel (und den beiden vorhergehenden Teilen) nachzureichen, wird es leider auch noch ein paar Tage dauern.