[K] Bericht zum kritischen Stadtteilspaziergang durch Köln-Kalk

Kaltmiete Kalk
Am 19. Juni beteiligten sich etwa 30 Menschen am kritischen Stadtteilspaziergang zum Themenkomplex Wohnen und Miete durch Köln-Kalk. Es wurden verschiedene Orte momentaner Kämpfe im Viertel besucht. Die erste Ausgabe der linken Stadtteilzeitung Jurnalo wurde großflächig verteilt und es kam zu interessanten Gesprächen mit Bewohner_innen.

 
Um 18:00 Uhr wurde auf Kalk Post nach einer kurzen Begrüßung an die Geschehnisse vom 27. Juli 2013 erinnert: Dort hatte die Kalker Polizei eine Gruppe Feiernde unter Einsatz von  Schlagstöcken, Pfefferspray, Fausthieben und Hunden auseinandergeprügelt. Während dieser Gewaltorgie wurden mehrere Menschen verletzt (unter anderem wurde ein Hund auf einen am Boden Gefesselten gehetzt und mehrfach von diesem gebissen) und über Nacht in der berüchtigten Kalker Polizeiwache festgehalten. Dabei kam es unter anderem zu sexualisierter Gewaltanwendung gegen eine Frau. Die Anzeigen gegen die in Gewahrsam  genommenen, sowie gegen einzelne Polizist_innen, sollen demnächst vor Gericht verhandelt werden. Wir werden den Prozess kritisch beobachten und rufen nochmal alle dazu auf, die dabei waren, sich als mögliche Zeug_innen zu melden (mail an: kalkpost(at)riseup.net).
 
Anschließend ging es weiter zum Hausprojekt Robertstraße 12. Die jetzigen Bewohner_innen, die das Haus gemeinschaftlich kaufen wollten, wurden vom vorigen Besitzer bis zuletzt im Glauben gelassen, dies auch tun zu können. Einen Tag vor der Zwangsversteigerung wurde das Haus dann jedoch an eine andere Person verkauft, ohne dass dies den Bewohner_innen transparent gemacht wurde. Vor Ort erzählten die Bewohner_innen von der momentanen Situation und schilderten das dreiste Vorgehen des neuen Eigentümers. Es gab einige Fragen und angeregte Diskussionen und es wurde klar, dass der Kampf um günstigen Wohnraum und Gentrifizierung am Beispiel der Robertstraße noch lange nicht vorbei ist. Hier gilt es gemeinschaftlich vielfältigen Widerstand zu entfalten, um die Verdrängung der jetzigen Bewohner_innen zu stoppen. 
 
Beim Weg durch Humboldt-Gremberg wurden – wie auch während des ganzen Weges - Schilder mit aktuellen Kaltmietpreisen an den betroffenen Häusern hoch  gehalten. Es wurde deutlich, dass einige Vermieter_innen auf den Zug von Aufwertung und Mietsteigerung aufspringen und Mietpreise verlangen, die sich nur ein Bruchteil der momentanen Bewohner_innen des Viertels leisten kann. Eine schleichende Auswechslung gegenwärtiger Mieterschichten ist seit längerem zu beobachten. So ziehen kontinuierlich mehr Student_innen nach Kalk, die auf der Suche nach “günstigem” Wohnraum sind.
 
Am Kaufhof und am ehemaligen Huwald-Hammacher-Gelände erzählte ein langjähriger Kalker Bewohner zu der Geschichte der beiden Objekte und den derzeitigen Entwicklungen. Auf dem Huwald-Hammacher-Gelände sollen nach Vorbild der Neubauten der GAG in Kalk Nord “Sozialwohnungen“ entstehen, die mit großer Wahrscheinlichkeit Mietpreise haben werden, die eine weitere Gentrifizierung des Viertels vorantreiben. Der Kaufhof  soll nach Wünschen von Politiker_innen und des neuen Besitzers Ten Brinke aufwendig umgebaut werden. Auch hier spielen Verwertungsinteressen die entscheidende Rolle. So fordern vor allem Geschäftleute und Hauseigentümer_innen einen schnellen Umbau, in der Hoffnung die Kalker Hauptstrasse aufwerten zu können.
 
Auf dem Weg nach Kalk Nord ging es am “Kalk für alle” vorbei. Hierbei handelt es sich um eine Initiative, die einen selbstverwalteten und unkommerziellen Raum in Kalk geschaffen hat und diesen seit Anfang 2013 mit Leben füllt. Diese Initiative wird momentan von Bauordnungsamt und hohen Nebenkosten sowie weiteren Faktoren in ihrer Existenz bedroht und  ruft dazu auf, sich finanziell an einer Neustrukturierung zu beteiligen. 
 
Zum Abschluß des 2,5-stündigen Spaziergangs wurden die Wohnblocks der Annington in Kalk Nord besucht. Am “Service-Center” der Annington berichtete eine Bewohner_in von den Praktiken eines des größten Immobilien-Verwerters in Köln. Nachdem die Heizung ihrer Wohnung im Winter nicht funktionierte, wurde den Bewohner_innen gesagt, dass sie einen Heizstrahler bekommen würden. Dabei sollten die entstandenen hohen  Stromrechnungen selbst gezahlt werden. Außerdem wurde bei einem Rohrbruch erst nach mehrmaligen Anrufen die Wand trocken gelegt. Weitere Berichte über nicht beseitigte Mängel kamen zur Sprache. Auch nachdem die Miete durch diese Umstände erfolgreich gedrückt wurde, kam keine Reaktion seitens der Deutschen Annington. Dass es überhaupt zu Reparaturen kam, lag daran, dass die Bewohner_innen nicht locker ließen. Dass dies für viele aus dem Block schwierig ist, da Sprachbarrieren und nötige Zeit wahrscheinlich fehlen, nutzt die Deutsche Annington geschickt aus. Auch verlangt die Deutsche Annington, wie aus einem Gespräch mit einem anderen Bewohner zu hören war, einen Mietpreis von 10 €/qm. 
 
Bei diesem Spaziergang wurde ein weiteres Mal deutlich, dass Kalk im Wandel ist. Bewohner_innen werden aus ihren Häusern geworfen, um höhere Mietpreise einer neuen Klasse von Mieter_innen aufzudrücken. Die Verwertungslogik wird auf Kosten der hier lebenden Menschen gnadenlos umgesetzt. Die Reaktionen der Parteien und der Polizei sind dabei zynisch bis ignorant. 
 
Erst vor kurzem wurde bekannt, dass die Kölner Polizei ein Gefahrengebiet in Kalk und an anderen Orten in Köln eingerichtet hat. Dies ermöglicht weitreichende Handlungsspielräume für die Polizei: Ausweise kontrollieren, Taschen durchsuchen und gegebenenfalls Platzverweise aussprechen. Dass dieses ordnungspolitische Werkzeug nicht das Problem von konstruierter Armut beheben wird und unliebsame “Personengruppen” der polizeilichen Repression und Ausgrenzung ausgesetzt werden, liegt auf der Hand. Die tägliche Praxis von racial profiling und das Vertreiben von Obdachlosen, Bettler_innen und allen anderen Menschen, die für die Stadt als Arbeitskräfte oder Konsumenten nicht verwertbar sind, wird sich mit dieser Praxis weiter verstärken. 
 
Doch bei all den schlechten Nachrichten soll es nicht bleiben. So liegt es an uns allen aus dem Viertel den Widerstand gegen Gentrifizierung und  Verdrängung, Gefahrengebiet und die Praktiken der Kalker Polizei zu organisieren. Wir werden nicht tatenlos zuschauen, wie unser Viertel dem  Markt gefügig gemacht wird und rufen dazu auf mit uns gemeinsam für ein solidarisches Kalk zu streiten. 
 
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