Bundesinnenministerium behindert Aufklärung im Fall des Satanistenmörders Hendrik Möbus

Erstveröffentlicht: 
17.05.2017

Das Bundesinnenministerium behindert offenbar gezielt die Aufklärung über eine mögliche Beteiligung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) an der Flucht eines wegen Mordes verurteilten Neonazis in die USA. Diese Rückschlüsse lässt die Antwort der Bundesregierung (BT-Drucksache 18/12313) auf die Kleine Anfrage (Drucksache 18/12069) der Abgeordneten Martina Renner zu.

 

Renner hatte sich in der Anfrage nach "Quellen des Verfassungsschutzes als Leumundszeugen für den wegen Mordes verurteilten Hendrik Möbus“ erkundigt. Mit seiner Flucht zum Gründer der "National Alliance" (NA), William Pierce, in die USA hatte der als "Satansmörder" bekannte Möbus 1999 versucht, sich seiner Strafe zu entziehen. Dort baute er für Pierce und sein Musiklabel neue Vertriebswege in Europa auf. Als ihn Zielfahnder des Landeskriminalamtes Thüringen aufspürten, stellte er in den USA einen Asylantrag. Im folgenden Asylverfahren in den USA sagten im Jahr 2000 der V-Mann des BfV, Mirko Hesse, und Tino Brandt, V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, zugunsten Möbus aus. In der Antwort auf Renners Anfrage weigert sich das Innenministerium mit Hinweis auf den Quellenschutz, Fragen nach der Rolle des BfV und den V-Männern zu beantworten.

Durch Publikationen und Veröffentlichungen ist bekannt, dass die NA mit ihren internationalen Kontakten unter Leitung von William Pierce zu einer begehrten Organisation zur Fluchthilfe für deutsche Neonazis wurde. Pierce ist Autor des Buches "The Turner Diaries", das als Blaupause für das Vorgehen und die Morde des NSU gilt, seine Verbindungen und die der NA zu deutschen Neonazis sind altbekannt.

Bereits 1996 hatte die NPD in einem Interview mit der NA ihr Interesse an einer "worlwide confederation of nationalists as a step in the right direction" bekräftigt. In den folgenden Jahren nahmen NA-Vertreter an Veranstaltungen der NPD und "Jungen Nationaldemokraten" in Deutschland teil und andersherum, wie die Teilnahme des damaligen NPD-Funktionärs Alexander von Webenau an einer "Leadership Conference" der NA im April 1997 zeigt. Pierce selbst gehörte 1998 zu den Ehrengästen einer NPD-Veranstaltung in Passau und besuchte weitere Neonazi-Veranstaltungen in Deutschland.

Angesichts dieser und anderer Verflechtungen verwundert es nicht, dass der deutsche Neonazi Henrik Ostendorf aus Bremen in dem Jahr Bürodienste bei Pierce versah, als Möbus zu dem NA-Leiter flüchtete. Da die damaligen V-Leute Brandt und Hesse auf Einladung Ostendorfs in die USA reisten, ist davon auszugehen, dass er den Kontakt zu beiden hergestellt hat, damit diese sich für Möbus verwenden. Von Ostendorf war auch Übersetzer einer Rede des NPD-Funktionärs Jürgen Distler bei einer von der NPD angeregten und der NA organisierten Solidaritätskundgebung für Möbus in Arlington, Virginia. Bei dermaßen häufigen wechselseitigen Besuchen von NA-Vertretern um Pierce und deutschen Neonazis sowie ihrer Anwesenheit bei neonazistischen Veranstaltungen in den USA kann getrost von einem NA-Netzwerk mit deutschen Neonazis aus NPD, JN und dem "Thüringer Heimatschutz" (THS), aus dem das Terrornetzwerk NSU hervor ging, gesprochen werden. Dessen feststehende Arbeitsstrukturen verhalfen deutschen Neonazis zur Flucht in die USA und den "Turner Diaries" zum Weg in die deutsche militante Neonazi-Szene, die das Buch als Inspirationsquelle für neonazistische Attentate und Morde aufgriff. Im April 2006 wurden die "Turner Diaries" von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt. Dieser Umstand brachte kurz darauf erneut eine offensichtlich lang gehegte Verbindungslinie zu Tage: Acht Kartons mit 238 Exemplaren der "Turner Diaries" wurden in Bremen beschlagnahmt.

Bei diesem Charakter eines Netzwerks klandestiner Neonazi-Strukturen um einen Mörder und den Autoren der Blaupause der NSU-Morde ist die Auskunftsverweigerung des Ministeriums nicht hinnehmbar. Spätestens seit den Taten des NSU wissen wir, dass ein solcher vorgeschobener "Quellenschutz" die aktive Unterstützung des NSU-Netzwerks durch staatlich bezahlte Neonazis verschleiern soll. Auch das Innenministerium sollte inzwischen aus diesen Fehlern gelernt haben und seine Verweigerungshaltung im aktuellen Fall aufgeben.

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