Leipziger Banken-Business

betabank

Die BetaBank: Nachschlag zu einer allseits ungewollten Debatte. Leipzig ist nicht nur ein Magnet für jene „jungen Kreativen“, die das Stadtmarketing meint. Vielerorts bestehen und entstehen kollektive Ansätze des Zusammenlebens und -wirtschaftens wie Haus- und Wohnprojekte, häufig mit dem Anspruch das entsprechende Eigentum in dieser oder jener Form zu vergesellschaften. Alle möglichen Werkstätten, Infoläden, Raum für Veranstaltungen und Politik, Kinos, Umsonstläden, Veküs… alles gibt’s wie Sand am Meer. Ob man das nun sympathisch oder nur als subkulturellen Sumpf empfindet: Vielen bietet der Sumpf Chancen, die sie in kommerziellen Räumen nicht finden.

 

Der billige Raum einerseits, die bohémiene Lebensweise andererseits, bieten viele Möglichkeiten des Nischenlebens. Doch diese haben auch ihre Schattenseiten. Wo sich die „Alternativen“ zu ernst nehmen, wo Gegenkultur zum Gegen-Kult wird, wird der Blick auf die gesellschaftlichen Bedingungen versperrt und der Boden bereitet für Ideologie. Beispiel hierfür sind esoterische und verschwörungstheorethische Welterklärungen, oder Versuche dem bösen Kapitalismus und seinen imaginierten Handlangern ein moralisch Gutes aufzudrücken. Letzteres geschieht etwa seit 2012 in Form der BetaBank.

 

Mitte Dezember erschien auf Indymedia-Linksunten ein Artikel, der Verbindungen der Gruppe und ihrer Mitglieder zum esoterischen Milieu und jenen aufzeigte, die mit gutem Recht als Teil des „rechten Randes“ bezeichnet werden können. Es folgte ein weiterer kritischer Artikel zur „Bank“ und eine rege Diskussion in den Kommentaren. Die Autor_innen wurden bezichtigt, Menschen als Nazis zu denunzieren und gewissenlos alle Folgen für das Wohl der komplett zu unrecht beschuldigten hinzunehmen. Die einzige sachliche Stellungnahme folgte der Logik, man sei ein „linkes“, „solidarisches“ Projekt, das nicht für die Ansichten Einzelner, die sich im Umkreis der Gruppe bewegen, verantwortlich gemacht werden könne.

 

Die „Indymedia-Redaktion“ wurde in einem „offenen Brief“ aufgefordert, den Artikel zu löschen, da auch sie sonst mitverantwortlich sei für die Folgen, die der Rufmord haben könne. Mit Erfolg. Statt den Verweisen des Artikels nachzugehen, die mehr oder weniger enge Kontakte der Gruppe zu EsoterikerInnen, VerschwörungstheoretikerInnen und „Reichsbürgern“ belegten, löschten die Mods den Artikel einen Tag später. Zur Begründung hieß es auf Nachfrage kurz und knapp: „wir finden, dass hier Leute als Nazis geoutet werden, die keine sind“, ohne dass der Begriff Nazi in den Artikeln einmal gefallen wäre, oder die Gruppen und Personen undifferenziert einen Stempel aufgedrückt bekommen hätten. Eine Nachfrage blieb unbeantwortet.

 

Das Konzept der BetaBank ist wohl weit weg von einer Verwirklichung die den Namen verdient, und trotzdem einen Blick wert: Eine Alternativwährung soll die Entwicklung einer Inselökonomie bewirken. Löhne und Einkommen der in der Währung Beta Wirtschaftenden sollen sich zwischen 8 und 80 Beta bewegen und können auf einem „Arbeiterkonto“ unbegrenzt gespart werden. Bei einer Anstellung, die über individuelle Arbeit hinausgeht, stellt die BetaBank eine Aushandlung von Beteiligung am Profit des Unternehmens in Aussicht. Profite fließen auf ein „Girokonto“, das eine sogenannte „Akkumulationsgrenze“ besitzt. Diese dient dazu, Ersparnisse zu deckeln (was natürlich nicht im Geringsten etwas damit zu tun hat, Akkumulation zu verhindern).

 

Hier paart sich die altbackene Rede von profitgierigen Heuschrecken mit Zinskritik und Freigeldphantasien: Geld soll nicht gehortet, sondern konsumiert oder in gute Arbeit investiert werden. Für den restlichen Altruismus sorgt dann ein „Geschenkkonto“, auf das nach Transaktionen zwar lediglich ein ideeller Wert fließt, das dadurch aber etwas über die „Großzügigkeit“ seiner Besitzer*innen aussagen soll. (Beiträge über Zinskritik und Gesells „Freigeldlehre“ gibt’s z.B. im Audioarchiv.)

 

Die Ideologie ist alter Wein in neuen Schläuchen. Das heißt nicht, dass sie etwas an ihrer Gefährlichkeit verloren hätte. Sie ist die praktische Umsetzung, quasi der do-it-yourself-Ausdruck, eines die Gesellschaft durchziehenden Hangs zur Verklärung der Verhältnisse als Produkt böser globaler Machenschaften, der gute Arbeit, authentische Beziehungen und die Rückkehr zu etwas Natürlichem entgegenzusetzen wären. Mit solcherlei Ansichten versucht sich die Gruppe auch in Zusammenhängen zu profilieren, deren Bedeutung für linke Strukturen nicht geleugnet werden kann. So hielt sie ihr Plenum in der Vergangenheit in Räumen einer dezidiert linksradikalen Gruppe ab oder warb auf einem der „Projektvernetzungstreffen“ im Westen um die Gunst der Hausprojekte.

 

Mit ihrer Beteuerung, Teil einer irgendwie linken, irgendwie solidarischen Szene sein zu wollen, unterscheidet sie sich von anderen lokalen Versuchen der Geldkritik (So etwa der Lindentaler, oder die Neues Geld gemeinnützige GmbH, die ihren Sitz in der Stadt hat und 2012 einen Kongress mit 1.500 Teilnehmenden in der Arena veranstaltete).

 

Eine Kritik solcher Umtriebe, die nicht nur in den Zirkeln von Eingeweihten verharrt, sondern sich mit praktischen Ansätzen und kollektiven Strukturen auseinandersetzt, ist – das macht das Beispiel deutlich – unerlässlich. Wer etwa diese Verklärung nicht als wesentlichen Teil eines antisemitischen Weltbildes benennt, bleibt mit seiner Kritik der falschen Praxis nicht nur allein, sondern hat auch anderen Formen wenig entgegenzusetzen, die das deutsche do-it-yourself gerne einmal annimmt.

 

Eine Auseinandersetzung damit sei auch den linksunten-Moderator*innen zu empfehlen, wenn sie einer Reflexion linker Praxis nicht im Wege stehen möchten. Teil dieser Reflexion ist auch die Vorsicht im Umgang mit Veröffentlichungen von Namen und Daten von Einzelpersonen. Wer aber eigene Strukturen davor schützen will, dass rechte Spinner in ihnen Gehör finden, der kommt neben einer inhaltlichen Auseinandersetzung auch nicht umhin, zum Zwecke nachvollziehbarer Aufklärung über konkrete Personen und deren Tun zu berichten.

 

So etwa, wenn zum Netzwerk Leipzitopia, zu der die BetaBank u.a. personelle Kontakte pflegt, auch „Reichsbürger“ gehören oder „Jeet-TV“, ein Esoterik-Sender mit Sitz in Connewitz, der Aussagen wie der folgenden eine Plattform bietet: „Je klarer und reiner unsere DNA ist, umso höher schwingen wir.“

 


Der Beitrag gibt die Informationen des genannten Indymedia-Artikels nur oberflächlich wieder. Die Autor*innen dürfen sich eingeladen fühlen, ihren Artikel evtl. hier noch einmal zu veröffentlichen. Anders verhält es sich mit dem Artikel, der in den Kommentaren veröffentlicht wurde. Die AutorInnen stimmen mit den AutorInnen dieses Artikels überein, der Inhalt wurde zu Teilen hier verarbeitet.


Dieser Beitrag darf als Einstieg in eine Debatte gelesen werden. Die (im weiten Sinne) linke Szene ist voll mit Moralismen und vermeintlichen ökonomischen Perspektiven, deren Kritik Not tut. Gerne darf schon vor der „Degrowth Konferenz“ damit begonnen werden.

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"Ob man das nun sympathisch oder nur als subkulturellen Sumpf empfindet"

 

Weder noch. Ich halte das für den völligen Egotrip und Selbstbetrug. Und es hält die LEute davon ab tatsächlich POlitik zu machen. Aber das nur so am Rande.

Im Eso-Milieu trifft man sicherlich allenthalben auf Leute mit kruden Weltbildern - und sicher ist dieses Milieu zumindest "rechtsoffen", in dem Sinne, dass mensch einem faschistoiden Denken halt wenig entgegensetzen kann, wenn man selbst aufs rationale Denken weitgehend verzichtet.

Zur BetaBank: Dass Regionalwährungen, Freigeld usw. als antikapitalistische Praxis nix taugen, ist das eine. Das andere sind die "Kontakte", die im letzten Absatz angedeutet werden. Leute von der BetaBank haben also Kontakt zu Leuten, die wiederum Kontakt zu "Rechsbürgern" und einem ominösen Esoterik-Sender haben? Gut möglich, als Vorwurf aber reichlich dünne.

Leipzitopia besteht (soweit ich der Website entnommen habe und mein sonstiges Wissen reicht) aus genau zwei Leuten, die halt irgendwelche Gruppen promoten, die sie irgendwie gut finden, wobei sie tatsächlich ziemlich unbedarft und wahllos vorgehen. Da wurden anfangs dezidiert linke Gruppen wie the future is unwritten (wenn ich mich recht entsinne)  ebenso wie die Hare Krishnas und ähnlich krude Vereine angefragt, ob sie mit auf die Liste wollen. Die Kontakte dürften im einen wie im anderen Fall nicht sooo furchtbar eng gewesen sein, und das "Netzwerk" von Leipzitopia beschränkt sich wohl darauf, dass sich die Leute alle paar Monate zum Brunch treffen.

Mag sein, dass der ursprüngliche Artikel mehr Informationen beinhaltete (würde mich sehr interessieren). Aber bevor man mit Begrifflichkeiten wie "personelle Kontakte" enge Zusammenhänge suggeriert, die so eng wahrscheinlich doch nicht sind, sollte man es besser lassen...

Ein selbsternanntes Antifa-Kollektiv mit riseupMail und Inventati-Seite prangert falsche Moralismen an und findet sich selbst dabei total sexy. WOW! Ich bin beeindruckt von soviel Ignoranz, Deppentum und Selbstmitleid:

 

Eine Kritik solcher Umtriebe, die nicht nur in den Zirkeln von Eingeweihten verharrt, sondern sich mit praktischen Ansätzen und kollektiven Strukturen auseinandersetzt, ist – das macht das Beispiel deutlich – unerlässlich. Wer etwa diese Verklärung nicht als wesentlichen Teil eines antisemitischen Weltbildes benennt, bleibt mit seiner Kritik der falschen Praxis nicht nur allein, sondern hat auch anderen Formen wenig entgegenzusetzen, die das deutsche do-it-yourself gerne einmal annimmt.


Wenn wir über Zweck und Mittel antifaschistischen Widerstands reden wollen, dann bitte mit etwas mehr Substanz und etwas weniger unverdauter Theorie.