Maikäfer - plötzliches anarchistisches Straszenblättchen

Maikäfer

Gegen die herrschenden Verhältnisse, in Opposition zur MayDay!

Diese angeblich fröhliche Parade ist in Wahrheit bezeichnend für die zunehmende Ratlosigkeit unseres Umfelds. Saufen statt kämpfen. Tanzen statt Barrikaden bauen. Sein Gehirn mit Drogen betäuben, um flüchtig die alltägliche Verdrossenheit zu vergessen. Sich in eine Route einpferchen lassen, anstatt sich den ganzen öffentlichen Raum nehmen. Um die Freiheit bitten, anstatt sein Leben wiederzuerlangen. Gehorchen statt Schaffen. Darauf haben wir keinen Bock mehr: Schon zu viel Zeit haben wir verloren. Ebenfalls bringen uns die Folklore der Sozialdemokratie – Wächter des sozialen Friedens, sowie der bolschewistisch-stalinistische Dreck zum Kotzen. Auf die Lohnarbeit scheiszen wir mit viel Freude! Wir wollen auch nicht länger Sklaven dieses sozialen Gefängnisses sein. Integration kommt für uns nicht in Frage. Wir werden uns nicht verkaufen, zugunsten irgendeines Ausbeuters. Es reicht uns aber auch nicht mehr, den Müll des Systems und seine Lücken zum Überleben zu nutzen. Wir wollen nicht im Verborgenen leben. Unsere Absicht ist, die Umstände radikal zu verändern. Wir wollen ganz neue Wege finden. Wir wollen die Revolution aufbauen. Wir streben nach der Selbstverwaltung unseres Alltags; wir kämpfen für die Selbstbestimmung unseres Schaffens; wir werden die Aneignung der Produktionsmittel, Felder, Lebensräume und des öffentlichen Raumes insgesamt vollziehen!


Einige Anarchistinnen und Anarchisten


straszenblaettchen@riseup.net

 

Dieses Editorial ist der anarchistischen Straszenzeitung entnommen, die am 1. Mai in Wien unter anderem auf der MayDay-Parade und dem "Was ihr wollt"-Straßenfest verteilt  wurde, bzw auflag.

 

Die gesamte Zeitung findet sich im Anhang als PDF.

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Insurrektionalistische Rhetorik gewürzt mit antideutschem Sprachcode find ich irgendwie etwas komisch. Könnt ihr mir erklären, wieso genau ihr die "ss" mit "sz" ersetzt? Ist der antideutsche Idealismus in Wien dermassen hegemonisch, dass sogar die Insurrektionalisten (die sich übrigens paradoxerweise immer mal wieder als "Materialisten" bezeichnen) deren Sprachsäuberung mittragen?

Angesichts der phänomenalen Schwäche der radikalen Linken ist es extrem dumm, jede_n und alles neue und unbekannte direkt in irgenwelche Schubladen zu stecken. Ist doch toll wenn Menschen lust habe eine anarchistische Straßenzeitung zu machen. Warum ist es so wichtig sich direkt abzugrenzen? Wir können vieles sein, dass gilt für alles bereiche des Lebens! Das heißt mensch kann auch "sz" statt "ss" verwenden ohne Teil eines hegemonialen antideutschen Idealismus zu sein!

aber lasst euch mal besser eben nicht gleich durchkategoriesieren. die kategorienbildung hat für die strukturellen prozesse des systems zu erfolgen und nicht für menschen zu gelten.

dieser blinde dumme haß auf sogenannte antideutsche (und das in wien) - von verstaubten "antiimps"(?) - lässt einen anarchisten immer wieder nur erschauern.

vermutlich schmeckt ihnen genau eure kritik am leninismus und stalinismus eben nicht. blöder staatskapitalismus. weg damit.

Du kritisierst Kategorisierungen, aber kategorisierst mich als Antiimp, Leninist oder gar Stalinist. Ich bin nichts von alldem, ich bin Kommunist, verstehe allerdings unter Kommunismus nicht Staatskapitalismus, sondern eine Welt ohne Geld, Wert, Staaten, Ausbeutung usw. Mit den Antideutschen hab ich ein Problem, weil diese den Kommunismus nur als fernes Ziel verstehen und glauben, in der Zwischenzeit den israelischen Staat verteidigen zu müssen. Mein "Hass" auf Antideutsche ist nicht blind, ich weiss ziemlich gut um was es geht.

Die "phänomenale Schwäche der radikalen Linken" ist in dieser Hinsicht nicht verwunderlich. Inmitten einer tiefen Wirtschaftskrise bringen die meisten Strömungen nichts anderes zustande als blödsinnige idealistische Tiraden. Man versucht, den Leuten zu erklären, dass dies und jenes böse ist, dass man stets politisch korrekt sein und dass man alle bösen Wörter aus der Sprache verbannen muss. Kein Wunder interessiert das keinen Prolo, es gibt schliesslich genügend andere Möglichkeiten ein schlechtes Gewissen zu haben...

Vielleicht sollte man sich wieder mal mit der kapitalistischen Ausbeutung und dem Alltag der Leute befassen, anstatt eine moralische Reinheit zu suchen, die es sowieso niemals geben wird. Die meisten Leute haben schlicht und einfach keinen Bock, sich am Feierabend noch mit irgendwelchen abstrakten Debatten zu befassen und sich erklären zu lassen, was ein "guter Linksradikaler" tun soll und auf keinen Fall tun darf.

Und übrigens gibt es die insurrektionalistische Strömung schon ziemlich lange, sie ist alles andere als "neu und unbekannt", zumindest in Italien und in Frankreich. Da man hauptsächlich mit Antifaschismus, Antisexismus, Tierrechten und anderen Moralfragen beschäftigt war, ist sie einfach erst jetzt im deutschsprachigen Raum angekommen. Ausserdem finde ich es auch gut, wenn Leute eine Strassenzeitung machen, sie muss auch nicht zwingend "anarchistisch" sein, um subversive und revolutionäre Inhalte zu verbreiten. Allerdings erlaube ich mir, zu kritisieren, was Leute schreiben, die ich trotz einigen theoretischen Differenzen als Genossen betrachte. Wir können nicht einfach "vieles in allen Bereichen des Lebens sein", wer "sz" schreibt, bezieht sich diskursiv explizit auf den antideutschen Sprachcode, was soweit ich weiss im deutschsprachigen Raum keine andere Homepage oder Zeitschrift dieser Strömung zu tun pflegt. Ob man es schliesslich will oder nicht, ist man dann eben Teil von einer anscheinend in der Wiener Szene verbreiteten, antideutschen diskursiven Hegemonie. Meine Kritik hat nicht die Spaltung oder Schubladisierung zum Ziel, es geht auch nicht darum, irgendwelche Leute moralisch zu verurteilen, sondern darum, gewisse Denkmuster zu kritisieren, um die theoretische Debatte weiterzubringen.

in ösiland ist das sz anstelle von ß wesentlich länger üblich gewesen, und findet sich zum beispiel in vielen aufschriften an häusern. vielleicht fanden die leute es einfach stylish, und sz=antideutsch war ihnen gar nicht bewusst?

der inhalt der zeitung scheint mir mit antideutschen "positionen" jedenfalls eher wenig gemein zu haben.

wieso ist den sz antideutsch?

i see i see....oje oje

"Illegale" Geschwister ....

von 3.Mai 2013

 

"(Libertäre Gruesse und ne Umarmung geht diesmal nach Österreich...https://linksunten.indymedia.org/de/node/85313)

 

Der Illegalismus ist keine Lösung.... !?!

Vermutlich ist es auch eine Krankheit der Intellektuellen,
Linken und Akademiker_innen alles in -ismen zu
verpacken und in theoretischen Leichenschränken wegzusperren:
reden wir also einfach von “illegalen Aktivitäten”.
Illegale Aktivitäten sind keine Lösung, sie sind
aber klarerweise notwendig um aus dem Rahmen des
Legalen auszubrechen. Der legale Rahmen, der von Politiker_
innen und Justiz ständig neu gesteckt wird, und
von ihren Wächter_innen – Polizei, Security, Justizwache,
Sozialarbeiter_innen… – kontrolliert wird, zwingt
viele ins Elend oder zu illegalen Aktivitäten.
Ein Rahmen der uns durch Moral und Medien einen
Käfig voller bürgerlichen Freiheiten vorgaukeln will, der
uns in einem System von Klassenunterschieden, Rassismus
und Sexismus gefangen hält. Werden Menschen bei
illegalen Aktivitäten erwischt, werden sie von den Wächter_
innen des Gesetzes mit Geldbußen, Häfn(Knast), oder Abschiebung
bestraft. Trotz herrschender Moralvorstellungen
begegnen uns an allen Ecken und Enden Individuen
und Gruppen, die sich aus politischer Überzeugung oder
aus Not, auch abseits legaler Pfade bewegen. 

Viele unserer Mitbewohner_innen sind per se illegali-
siert, oder werden dazu gezwungen illegalen Aktivitäten
nach zu gehen. Menschen ohne “richtigen” Pass – arbeiten
als Sexarbeiter_innen, – “schwarz” am Bau, – verkaufen
legale und verbotene Drogen auf der Strasse, –
klauen, – sammeln Kupfer und verkaufen es etc. Sogar
Bettlerei gilt in Wien als Verbrechen, was deutlich macht,
dass der legale Rahmen immer weiter eingeengt wird,
um uns in den bestehenden Eigentumsverhältnissen zu
beschissenen Jobs zu zwingen – damit wir Miete, Essen
etc. bezahlen können.
Illegale Aktionen sind ein befreiender Akt, der die Eigentumsverhältnisse
nicht anerkennt, sondern angreift

und selbstbestimmt umverteilt.

Illegale Aktivitäten waren vor allem um 1900 in Frankreich,
Italien, Belgien, Schweiz und Russland stark anarchistisch
beeinflusst. Einbruch und Diebstahl – an
“Klassenfeinden” – wurde damals als eine zulässige revolutionäre
Handlung gesehen. Auch wenn eine Vielzahl
dieser Banden tragische Geschichten hatten, und ihre
Aktivitäten der Polizei einen Vorwand zur Repression
gegen die anarchistische Bewegung gaben, erscheint es
in Zeiten einer derartigen Befriedung sinnvoll, sich an
die Möglichkeiten der “Reprise individuelle”, an die
Möglichkeiten der individuellen Wiederaneigung, zu erinnern,
und Inspiration daraus zu schöpfen."
aus: Maikäfer - plötzliches anarchistisches Strassenblättchen)

Während der Artikel "Wien.Stillstand." sich mit den Zuständen in Wien auseinandersetzt, werden aus dem Wiener Beispiel Schlüsse für ein allgemeines politisches (natürlich: linksradikales) Handeln gezogen.

Zurecht wird ein unreflektiertes Zusammenarbeiten mit staatlichen Organen kritisiert. Wer sich von ÖH und grüner Partei abhängig macht, wird bei politischen Aktionen Rücksicht auf deren Befindlichkeiten nehmen oder einen plötzlichen Liebesentzug akzeptieren müssen. Dieses Faktum jedoch als Anlass zu nehmen keinerlei Ressourcen mehr in Anspruch zu nehmen, schiesst über das Ziel hinaus. Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft und in der hängt auch der politische Aktionsradius vom Zugriff auf Geld ab. Klar: Wenn sich die Szene eine Druckerei organisiert, dann muss kein Geld für den Druck von Flyern und Co ausgegeben werden. Die Druckerei selbst, wird jedoch erstens gekauft worden sein und zweitens wird für den Erhalt derselbigen auch Geld benötigt. (Nicht umsonst sind die Spendenboxen ein bekanntes Bild in Szenenlokalen oder Infoläden).

 

Warum also nicht die Möglichkeiten, die ÖH und Co bietet, nutzen? Wenn es durch eine Kooperation möglich ist Bücher finanziert zu bekommen: Warum nicht? Wenn es durch EU-Gelder möglich ist Zeitschriften zu produzieren und Camps zu organisieren: Los gehts!

 

Die Widersprüche und Abhängigkeiten die sich politische Gruppen dabei einfangen, sollten weder geleugnet noch verharmlost werden. Aber diese Widersprüche und Abhängigkeiten wird es auch gegenüber SpenderInnen, Beislaktivitäten und Co geben. Solange die Wirtschaftsweise in der wir leben nicht überwunden wird, muss mensch darin zurechtkommen. Ob mensch sich mit Lohnarbeit, mit kreativen Umgang mit dem Sozialsystem oder mit der regelmässigen Missachtung des Privateigentums durchschlägt - eines ist all den Strategien gemein: Sie sind ein Umgang mit dem unangenehmen System Kapitalismus. Genauso pragmatisch sollten auch politische (auch anarchistische) Gruppen vorgehen: Was soll erreicht werden, wie kann es erreicht werden und welche Ressourcen erleichtern oder ermöglichen die Erreichung dieser Ziele. Kurz formuliert: Der Inhalt sollte über der Form stehen. Im Vordergrund der politischen Aktivität sollte die Überzeugung möglichst vieler Menschen für eine Überwindung von Staat und Kapital sein - ob das mit EU-Geldern, der Zusammenarbeit mit ÖH und grüner Partei oder durch eine breite UnterstützerInnebasis ermöglicht wird, spielt eine kleinere Rolle.