Bremen: Solidarität mit denen vom NSU-Terror Betroffenen!

17 April Bremen

Circa 100 Menschen nahmen heute trotz der Verlegung des NSU-Prozesses in München an einer Solidaritäts-Kundgebung für die vom NSU-Terror Betroffenen in Bremen teil. Die Teilnehmenden waren dabei dem kurzfristigen Aufruf eines Bündnisses linker und antifaschistischer Gruppen zu einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz gefolgt. Im Zuge der einstündigen Kundgebung gab es Redebeiträge der Gruppen heart:beat, der kommunistischen Jugendgruppe und der Basisgruppe Antifaschismus, organisiert im kommunistischen ...ums Ganze!-Bündnis.

 

Der Bündnisaufruf:


Gegen Naziterror, staatlichen und alltäglichen Rassismus!

Solidarität mit den Betroffenen!


Antifaschistische und linke Gruppen aus Bremen rufen auf:

Am 17.04.2013 beginnt der Prozess gegen Beate Zschäpe sowie einige weitere Personen aus dem Neonaziterrornetzwerk NSU vor dem Oberlandesgericht München. Im November 2011 sowie in den darauf folgenden Monaten wurde bekannt, dass der NSU in ca. sieben Jahren mindestens 10 Menschen getötet und zwei Bombenanschläge verübt hat. Wir wollen mit unserer Kundgebung unsere Solidarität mit den Hinterbliebenen und den Betroffenen ausdrücken. Ebenso gilt es, die gesellschaftlichen Grundlagen zu kritsieren die Rassismus hervorbringen.

 

Das auf den ersten Blick schockierend wirkende Handeln diverser Verfassungsschutzämter, die Verflechtung von Inlandsgeheimdienst, Polizeibehörden und dem NSU konnte auch von den vielen Journalist*innen und Untersuchungsausschüssen nicht vollkommen aufgedeckt werden.

 

Verschwundene und geschredderte Akten zeigen eine Politik der Verschleierung auf, welche eine juristische Aufarbeitung verlangsamen oder verhindern sollte. Die verharmlosende Betitelung der Mordserie als ’’Dönermorde’’ seitens der Medien und eine Einberufung der Soko ’’Bosporus’’, die von Anfang an die Taten der sogenannten ’’Ausländerkriminalität’’ zuordnete und damit von vorne herein eine rassistische Motivation für die Morde ausschloss und stattdessen das direkte Umfeld der Opfer beschuldigte, zeigt in in

aller Deutlichkeit den strukturellen Zusammenhang von Naziterror des NSU und dem geselllschaftlichen Rassismus.

Ein Großteil der deutschen Politik tut sich nach wie vor schwer damit, den Hinterbliebenen auch nur einen Hauch Anerkennung zu kommen zu lassen. Auch die radikale Linke muss sich Tatenlosigkeit vorwerfen, sie tat sich lange schwer darin auf die von Rassismus betroffenen Menschen zu zu gehen.

 

Rassismus – Keine Randerscheinung einer kleinen Minderheit!

 

Brandanschläge oder Morde sind jedoch nur zwei von vielen Erscheinungsform des Rassismus.

Die Formen, die er annimmt, sind bei weitem nicht immer durch direkte, physische Gewalt gekennzeichnet. Rassismus kommt in alltäglichen Handlungen wie z.B. einem bestimmten Sprachgebrauch vor und findet sich in Verhaltensweisen oder einer ausländerfeindlichen Asylpolitik, also sowohl in sozialen Beziehungen, auf medialer wie auch auf staatlicher bzw. institutioneller Ebene wieder. Auch hier in Bremen finden sich unzählbare Beispiele dafür. Sei es der Brandanschlag im Juli 2012 im Stadtteil Woltmershausen, der rassistische Diskurs über angeblich ‘’klauende, bettelnde und nichts in die Rentenversicherung einzahlende’’ Roma und Sinti (Äußerungen wie sie jüngst durch den SPD-Abgeordeneten Novak und Korol getätigt wurden), ‘’Racial Profiling’’ (das gezielte kontrollieren von Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe oder vermeintlichen Herkunft durch die Polizei) als auch dumme Sprüche und Blicke an den Supermarktkassen. Die Aufzählung ließe sich lange weiterführen.

 

Rassismus ist also nicht den Nazis ’’vorbehalten’’, sondern überall in dieser Gesellschaft anzutreffen. Und findet auch seinen Ursprung in ihr. Rassismus ist kein Phänomen, dass der vermeintlich zivilisierten kapitalistisch-bürgerlichen Demokratie gegenübersteht und ihr einfach ausgetrieben werden könnte, sondern geht täglich aus diesen Verhältnissen hervor. Ausbeutung und Verwertung des Menschen im Kapitalismus und die Konkurrenzsituation, in der wir uns tagtäglich wieder finden, bieten die Grundlage für Ideologien der Ausgrenzung und Ungleichheit, in denen Bürger*innen sich für ihre bessere Stellung auch den allgegenwärtigen rassistischen Ressentiments bedienen.

Menschen werden sortiert nach der Nützlichkeit, die sie für diese Gesellschaft haben. Nimmt oder kann ein Mensch in dieser Gesellschaft keinen nützlichen Platz einnehmen und für Deutschland arbeiten, ist er der permanenten Hetze durch Presse, Mitmenschen und Polizei ausgesetzt, sei es im Jobcenter oder auf der

Ausländerbehörde. Wer nicht im Besitz eines deutschen Passes ist und als nicht nützlich erachtet wird, sieht sich wenn er es denn überhaupt in die ‘’Festung Europa’’ schafft, mit Lagerunterbringung, verweigerter Arbeitserlaubnis, Kettenduldung und Abschiebung oder einem Leben in „Illegalität“ konfrontiert.

Die Aufgabe des Staates ist es, diese Sortierung von Menschen durchzuführen, diese Verhältnisse zu bewahren und dafür zu sorgen, dass der Laden am Laufen gehalten wird. Er bedient sich dabei verschiedensten Methoden wie z.B. Gesetzen oder Polizieeinsätzen. Dieser Gewalt bedient sich der Staat nicht entgegen der Interessen der Bürger*innen, sondern bekommt dafür alle vier Jahre wieder seine Legitimität von ihnen.

 

  • Wir nehmen den Auftakt des Prozesses heute in München also nicht nur als Anlass, um auf Fehler und Skandale bei den Ermittlungen seitens der Polizei, der Justiz oder anderer Institutionen des Staates hinzuweisen oder weil wir uns viel von seinem Ausgang erhoffen. Begrüßenswert würden wir Entschädigungszahlungen vom deutschen Staat an die Betroffenen und Angehörigen finden, um sie zu mindest materiell zu unterstützen
  • Wir nehmen ihn als Anlass, um uns solidarisch mit den Hinterbliebenen der Opfer des NSU, solidarisch mit allen von Rassismus Betroffenen zu zeigen!
  • Wir nehmen ihn als Anlass um eine Gesellschaft, die Nazis hervorbringt, die jahrelang unbehelligt Menschen auf Grund ihrer vermeintlichen Herkunft umbringen konnten, die tagtäglich Rassismus und Ausgrenzung fördert und die Menschen, die nicht als ’’nützlich’’ für diese Gesellschaft erachtet werden abschiebt oder an den Grenzen Europas sterben lässt, in ihren Grundsätzen zu kritisieren.

 

Wir rufen auf, sich an den Kämpfen gegen die rassistischen Zustände dieser Gesellschaft, die auch derzeit zahlreiche Menschen auf den Straßen dieses Landes führen zu beteiligen!

Kundgebung

17. April, 17 Uhr,

Bahnhofsvorplatz, Bremen

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Gegen die Ohnmacht
Liebe Zuhörende,
wir von der Basisgruppe Antifaschismus sind heute hier anlässlich des in drei Wochen stattfindenden NSU-Prozesses in München.
Unsere Solidarität gilt den Betroffenen des Naziterrors und allen anderen, die Rassismus tagtäglich erfahren müssen. Was das persönliche Umfeld der Ermordeten oder die durch den Bombenanschlag in Köln verletzten, in den letzten Jahren durchmachen mussten, kann sich hier wohl kaum jemand vorstellen. Sie verloren auf tragische Art und Weise einen geliebten Menschen und überlebten einen Angriff auf ihr Leben. Zudem wurden sie mit einer durch und durch rassistischen, gegen sie gerichteten Ermittlungspraxis der Polizei und einer diffamierenden Berichterstattung der Presse konfrontiert. Solidarität und Unterstützung blieben auch seitens der radikalen Linken aus. Selbst nach dem Auffliegen der TäterInnen und ihrem Unterstüzendenkreis waren die Reaktionen verhalten. Dieser Terror von Nazis und Behörden erscheint unvorstellbar. Er ist aber ein erschreckend konsequenter Ausdruck dieser Gesellschaft. Daran wird auch der Prozess in München leider nichts ändern.

Illusionen zu diesem Prozess haben wir keine. Dem Rechtsstaat geht es in München darum, sein Gewaltmonopol durchzusetzen und diejenigen zu bestrafen, in diesem Fall NazimörderInnen, die es in ihre eigenen, mörderischen Hände genommen haben. Ebenso geht es darum zu zeigen, dass irgendetwas getan wird.

An ihm knüpft eine sich betroffen fühlende deutsche Öffentlichkeit an, die besorgt ist um ihren Ruf als Geschichtsaufarbeitungsweltmeister, nicht zuletzt auf dem Weltmarkt. Eine angemessene Auseinandersetzung mit dem NSU, seiner faschistischen Ideologie, der Unterstützung durch den Verfassungsschutz und seine gesellschaftlichen Ursachen ist von diesem Prozess nicht zu erwarten.

Was tragen Sie zum Erfolg des Standorts bei? Die Frage muss sich heute jede_r gefallen lassen. Mit der anhaltenden Krise wird deutlich: Auch in den kapitalistischen Zentren ist der Wohlstand nicht sicher, sondern muss gegen andere Nationalökonomien verteidigt werden. Kapitalismus ist ein endloser Wettlauf um maximale Verwertung. Uns Menschen bleibt nichts, als unsere Lebenszeit auf immer engeren Arbeitsmärkten zu verkaufen. Wir müssen froh sein, überhaupt eine Lohnarbeit zu ergattern und jedes noch so miese Angebot annehmen. Auch die bürgerlichen Staaten bringen ihr „Humankapital“, also die ihnen unterstellten Menschen, gnadenlos auf Trab. Sie biegen jede_n zurecht, um in ihrem Herrschaftsbereich optimale Verwertungsbedingungen zu schaffen. Das ist der offen ausgesprochene Konsens aller politischen Lager, gestritten wird nur über die bestmögliche Umsetzung. Mit staatlicher Gängelung und sozialer Diskriminierung werden alle gezwungen, den ständig wechselnden Trends auf dem Arbeitsmarkt hinterherzulaufen. Die Stammtischparole der Volkswirtschaft lautet: „Wer sich genug anstrengt, bekommt auch einen Job.“ Aber in Wahrheit werden die Letzten immer von den Hunden gebissen, egal wie sehr sie sich anstrengen.

Dies ist die Ausgangslage der gesellschaftlichen Verhältnisse in denen wir leben.
In der derzeitigen Krise können sich die Betroffenen, dann auch noch die rassistischen Anfeindungen und Vorurteile der Mehrheitsgesellschaft gefallen lassen – die Locker auf die niederkonkurrierten Nationalökonomien wie Griechenland, Portugal und andere, angewendet werden. Die Behauptung ist nämlich: nicht die globale Standortkonkurrenz, sondern kulturelle Eigenschaften hätten die so genannten Pleitegriechen in ihren Ruin getrieben.

Die Folge dieser so genannten Erklärungen kennen wir täglich aus dem Fernsehen: die Abschottung der EU Außengrenzen, die Einteilung in so genannte nützliche und nicht nützliche Migrant_innen, die Außerkraftsetzung der Reisefreiheit in der EU und so weiter.
Wer dies nun unvorstellbar findet, dem oder der sei gesagt, dass es in der Bundesrepublik noch verhältnismäßig moderat zugeht. Die Situation in Griechenland bspw. ist für Migrant*innen mittlerweile so gefährlich, dass sie dahin nicht mehr abgeschoben werden dürfen. Dort macht die Polizei gerne mal zusammen mit FaschistInnen Jagd auf diese und die offen faschistisch auftretende Partei Chrysi Avgi feiert erschreckend hohe Wahlergebnisse. Aber auch in anderen europäischen Ländern verzeichnen rechte Parteien einen enorme Popularitätssteigerung. Der Grund dafür ist simpel: Anderen die Schuld zu geben und sich so Erklärungen für das alltägliche Leid zu finden, ist nunmal wesentlich einfacher, als die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrer Gänze in Frage zu stellen.

Der Skandal um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) offenbart aber ebenso die ideologische Verschränkung von rechter Straßengewalt, institutionellem Rassismus und Alltagsrassismus der Mehrheitsgesellschaft. Behörden, Medien und Öffentlichkeit haben ein Jahrzehnt lang und gegen jede Evidenz die Opfer einer Nazi-Mordserie und ihre Angehörigen als kriminell Verstrickte stigmatisiert, als Mitglieder zwielichtiger „migrantischer Communities“. Rassistische Zuschreibungen wie „Döner-Morde“ und „SoKo Bosporus“ schützten vor allem das notorisch gute Gewissen der Öffentlichkeit. Einer Öffentlichkeit, die mordende Nazis und Antifaschist_innen als „Extremist_innen“ gleichsetzt, um sich selbst als Maß und Mitte zu genießen; die „Vielfalt“ zum Leitbild erklärt, aber nach Verwertungsinteressen und eigenen ideologischen Bedürfnissen ausbuchstabiert. Modern an diesem modernisierten Rassismus ist nicht seine Sympathie für Fachkräfte aus dem Ausland, sondern seine ideologische Flexibilität, die je nach Lage zwischen liberalen, kulturchauvinistischen und rassenbiologischen Deutungsmustern hin und her gleitet. Der Karneval der Kulturen und rassistische Sondergesetze sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

Die Kritik dieser gesellschaftlichen Verhältnisse muss die Mechanismen der Macht in allen Lebensbereichen entziffern und untergraben. Auch Antirassismus ist erst konsequent, wenn er alltägliche Diskriminierung und globale Ausbeutungsverhältnisse in ihrem Zusammenhang bekämpft. Antikapitalistische und antirassistische Kämpfe gehören zusammen – in einer wirklichen Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.

Wir wollen eine Welt in der die Menschen nicht mehr in Nützlich und Unnütz eingeteilt werden. In denen die Trennung von so genannten Ausländern und Inländern aufgehoben wird und alle Menschen dort leben und Reisen können wohin sie wollen -unabhängig vom Alter, vom Geschlecht oder der Hautfarbe und Herkunft.

Um dies zu erreichen ist es notwendig diese ganze Marktwirtschaft, diese gesellschaftlichen Verhältnisse zu überwinden und auf dem Weg dorthin Nazis wie die den so genannten Nationalsozialistischen Untergrund und andere FaschistInnen weiter konsequent zu bekämpfen, ihre Aufmärsche zu blockieren, ihre Infrastruktur zu sabotieren und ihre Anknüpfungspunkte zur Restgesellschaft offen zu legen. Die Grenzen dafür enden nicht am staatlichen Gewaltmonopol. Auch wenn in der derzeitigen Krise die Chance für eine emanzipatorische Aufhebung der Verhältnisse nicht wahrscheinlicher geworden ist, gilt auch weiterhin:

Wir wollen diese Ordnung fallen sehen, lieber heute als morgen. Wir wollen eine Gesellschaft ohne Staat, Nation und Kapital – und ganz sicher ohne Ausländerbehörde.