Diesen Samstag, 17.11. fand im Rems-Murr-Kreis eine antifaschistische Kundgebungstour unter dem Motto „Gegenaktivität statt stillschweigender Akzeptanz“ statt. In vier Orten fanden Kundgebungen mit bis zu 60 DemonstrantInnen statt, bei welchen immer wieder PassantInnen und AnwohnerInnen vorbei schauten, um sich zu informieren.
Welzheim
Die Eröffnung der Tour fand um 12 Uhr in Welzheim auf dem Kirchplatz statt, wo sich ca. 45 AntifaschistInnen versammelt hatten. Der Ort der Tour war daher von Brisanz, da in Welzheim vor ein paar Jahren zahlreiche rechte Übergriffe stattgefunden hatten und die Verantwortlichen immer noch in dem Ort leben. Zudem hatte es während der Zeit des deutschen Faschismus in Welzheim ein KZ gegeben, welches man versucht bis heute aus dem kollektiven Gedächtnis des Ortes zu streichen.
Dementsprechend eröffnete ein Sprecher der VVN-BdA mit einer Rede zum örtlichen KZ die Tour, wobei er auf den Lagerkommandanten Karl Buck verwies, welcher nach 3 Todesurteilen durch alliierte Gerichte in die BRD ausgeliefert wurde. Dort begnadigte man ihn und der einstige Täter lebte daraufhin wenige Kilometer entfernt von dem ehemaligen Lager, bis er 1977 eines natürlichen Todes verstarb.
Zudem verwies er auf die Geschichtsleugnung in Welzheim anhand einer Straßenumbenennung in der Stadt, bei welcher man den Namen eines antifaschistischen Widerstandskämpfers, der im Lager verstarb, strich, da man nicht immer an diese „dunkle Zeit“ erinnert werden wollte.
Anschließend berichtete ein Redner des Jugendzentrums Welzheim von den faschistischen Versuchen, eine No-Go-Area für MigrantInnen in Welzheim aufzubauen aus den Jahren 2005/6 und einer erst kürzlich stattgefundene faschistische Plakatieraktion im Ort. In einer Analyse zog er das Fazit, dass rechten Umtrieben schon früh und konsequent entgegen getreten werden muss, damit diese keinesfalls gedeihen können.
Schorndorf
Nach diesen Reden ging es weiter nach Schorndorf, wo um 13 Uhr die zweite Kundgebung begann.
Zu dieser gesellten sich ca. 60 Personen, darunter zahlreiche direkt aus dem Ort, welche noch mit weiteren Flugblättern versorgt wurden und immer wieder wohlwollen äußerten.
In einer Rede der Initiative „Rems-Murr Nazifrei!“ wurde von dem in Winterbach stattgefundenen Mordversuch an mehreren jungen Migranten im letzten Jahr berichtet und dessen juristische Aufarbeitung thematisiert, wobei die Rolle der Polizei kritisiert wurde.
Diese war in diesem Fall mehrfach äußerst schlampig vorgegangen und hatte beispielsweise erst nach einer halben Woche einen Brandsachverständigen an den Tatort geholt, wodurch dessen Gutachten ohne Aussage blieb.
Nach dieser Rede begann eine Kreideaktion, bei der die Namen der Opfer des KZ Welzheim an eine nahestehende Kunstskulptur geschrieben wurden, womit noch einmal Öffentlichkeit für dieses beinahe vergessene Thema erzeugt wurde.
Mit einer Rede von „Weiler schaut hin e.V.“ wurde noch einmal Bilanz über die antifaschistischen Aktivitäten im Kreis gezogen, wie beispielsweise über die konstant stattgefunden Mahnwachen vor dem Lokal „Linde“ in Weiler, welches einem Nazifunktionär gehört und lange Zeit als Lager- und Verknüpfungsort der NPD genutzt wurde.
Anschließend machten sich die DemonstrantInnen auf den Weg nach Endersbach.
Endersbach
Nachdem sich gegen 14 Uhr die ersten DemonstrantInnen am Kundgebungsort gesammelt hatten erlangten diese den Eindruck, dass die Durchführung der Kundgebung hier wohl wirkungslos bleiben würde.
Als dann ca. 20 Personen vom Bahnhof mit einer Spontandemonstration an den Kundgebungsort gelangten, entschloss man sich auf die Kundgebung zu verzichten und mit der Spontandemonstration weiter durch den Ort zu ziehen, woraufhin sich ca. 40 Personen mit mehreren Transparenten und Flaggen auf den Weg durch den Ort zurück zum Bahnhof machten.
Auf dem Weg dorthin fuhr eine ältere Person mit seinem Mercedes in die Spontandemonstration, wobei diese erst stoppte, nachdem ein Antifaschist energisch auf ihre Motorhaube klopfte und die nahestehende Polizei in die Situation eingriff und den Fahrer kontrollierte.
Von dort fuhr man nach Waiblingen,wo man daraufhin früher mit der Kundgebung begann.
Waiblingen
Aufgrund der Entscheidung in Endersbach hatte man in Waiblingen die Zeit der Kundgebung auf eine Stunde ausgedehnt, wobei man diese trotzdem mühelos füllen konnte.
Nachdem man bereits um 15 Uhr den Infotisch aufgebaut hatte, eröffnete die Moderation eine ¼ Stunde später die Kundgebung mit einem Bericht über die faschistischen Vorfälle in Waiblingen in der letzten Zeit.
Anschließend wendete sich ein Redner noch einmal dem Thema Winterbach, wobei er sich darüber empörte, dass nun auch gegen die mit dem Tode bedrohten Migranten ermittelt wird, anstatt erst einmal die faschistischen Hetzer ernsthaft zu verfolgen.
Auffällig war hierbei, dass eine große Menge PassantInnen immer wieder anhielt und den Reden lauschten oder am Infotisch vorbeischauten. Unter den Zuschauern war jedoch leider auch wieder der allseits beliebte Staatsschutz.
Nachdem der Infotisch bereits einen großen Zulauf erlebt hatte, wurde eine Rede zur Inhaftierung des Antifaschisten Deno gehalten. Hierbei wurde der Charakter des Urteils von 2,5 Jahren Haft und das Verfahren kritisiert. Deno wurde nicht eingesperrt für das was er angeblich getan haben soll, sondern für das was er ist. Ein Kommunist und Antifaschist.
Es wurde hervorgehoben, dass wir die Menschen nicht vergessen werden, die für unsere Arbeit, für unser antifaschistisches Bewusstsein, der Gesinnungsjustiz der BRD zum Opfer fielen.
Ob während der kommenden 2,5 Jahre oder eines Berufungsprozesses:
Deno kann auf diesem Weg auf unsere volle Solidarität bauen.
Nach dem Verweis auf diesen Prozess der Kriminalisierung von antifaschistischer Arbeit widmete sich der inhaltliche Punkt der Kundgebung auf die Rolle des Staatsschutzes und dessen Verharmlosung, Verheimlichung und Unterstützung faschistischer Gewalt.
Anhand eines Flashmobs zum Thema wurde dies noch einmal verdeutlicht.
Drei Personen spielten die drei NSU-Haupttäter, wobei die 10 ermordeten durch mit „Bluttüchern“ bedeckten Personen dargestellt wurden und 2 Verfassungsschützer nach der Ermordung die entstandenen Beweise vernichteten.
Anschließend wurde auf Schildern das Motto des Aufrufes der … zu dem anstehend Prozess gegen Beate Zschäpe in die Runde gehalten – „Nazis morden, der Staat lädt nach!“
Nach dem Stück bildete sich eine regelrechte Traube um den Infotisch, bei der zahlreiche Bücher und Hefte erworben wurden. Es zeigte sich ein reges Interesse an tiefergehenden Informationen zum Thema Faschismus, seiner Geschichte im Rems-Murr-Kreis und seinem aktuellen Gesicht.
Den Abschluss dieser Kundgebung mit ca. 60 Teilnehmern und zahlreichen Besuchern bildete die Rede der Antifaschistischen Jugend Rems-Murr (s.u). Diese betonte noch einmal, dass antifaschistische Arbeit auch darin bestünde, gegen das „rechts-konservative Klima“, das dem Faschismus den Boden bereite, vorzugehen. Es gehe auch darum den Faschismus ideologisch zu schlagen und für eine Gesellschaft zu kämpfen, in denen „reaktionäre Denkmuster“ keinen Platz mehr finden.
Anschließend, um 16 Uhr, wurde die Kundgebung in Waiblingen beendet.
Fazit
Wir konnten in mehreren Orten antifaschistische Präsenz zeigen und Leute über die faschistischen Strukturen aufklären. Zudem zeigten wir den Faschisten, dass wir ihre Aktivitäten im Blick haben und entschlossene Gegenwehr erbringen werden, wenn sie versuchen, ihre Hetze zu streuen.
Mit verschiedenen Aktionsformen, wie dem Theather oder Kreideaktionen, konnten wir viele Leute ansprechen und schafften es großes Interesse an den Kundgebungen zu wecken, welches oft einherging mit Zuspruchsbekundungen oder weiterführenden Gesprächen. Wobei erfreulicherweise viele junge Gesichter zu entdecken waren.
Die Spontandemonstration in Endersbach führte außerdem dazu, dass es noch einmal einen selbstbewussten, aktiven Ausdruck gab, der eine willkommene Unterbrechung der stationären Kundgebungen darstellte.
Nach dieser erfolgreichen Aktion können wir letztlich nur noch festhalten:
Wir machen weiter, wir kommen wieder!
Faschisten keine Homezone bieten!
18.11.2012 „Antifaschistische Jugend Rems-Murr“
Bilder: Die Beobachter
Rede der Antifaschistischen Jugend bei der Tour
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Passanten und Passantinnen,
hier am kleinen Postplatz in Waiblingen findet die heutige Kundgebungstour ihren Abschluss.
In vier Orten haben wir antifaschistische Präsenz gezeigt. Wir haben gezeigt, dass es viele Menschen in diesem Kreis gibt, die sich Faschisten aktiv in den Weg stellen.
Getreu dem Motto der Tour haben wir gezeigt, dass wir es nicht hinnehmen werden, wenn Faschisten in diesem Kreis aktiv sind. Dass wir es nicht hinnehmen werden, dass sie glauben es sei ihr Kreis! Der RMK ist schon lange nicht mehr der Kreis der Faschisten. Der Kreis in dem sie sich hinter den Kulissen organisieren können.
Und was, wenn sie in die Öffentlichkeit gehen?
Wie Faschisten im RMK in der Öffentlichkeit dastehen zeigte erst ihre Kundgebungstour am 19. Februar dieses Jahres, als sie im Bewusstsein der Abwesenheit zahlreicher AntifaschisInnen eine Kundgebungstour durch BaWü machten.
Trotz der Mobiliserungszeit von nur einem Tag stellten sich den Nazis am Winnender Bahnhof an die 80 Gegendemonstranten entgegen! Mehr als doppelt so viele Personen, wie die Faschisten trotz der längeren Vorlaufzeit in der selbsterklärten „Nazizone“ auf die Straße bekamen.
Für uns als Gruppe ist klar, dass dieser Kreis ein faschistisches Problem hat und dass es hier rechte Hochburgen gibt, doch uns ist uns auch bewusst, dass es viele Menschen gibt die sich ihnen in den Weg stellen.
Doch es darf nicht dabei bleiben nur ihre Events zu blockieren. Es muss auch darum gehen unser Engagement auszubauen und gegen das vorherrschende rechts-konservative Klima vorzugehen, dass den Faschisten ihre Boden bereitet.
Wir können den Faschismus zwar auch auf der Straße schlagen, aber wesentlich wichtiger ist es ihn ideologisch zu schlagen. Deshalb müssen wir uns mit dem gesamten völkischen Komplex auseinandersetzen und auch aktiv sein gegen Stammtischparolen und anderes rechtes Geschwätz. Diesem aktiv zu widersprechen ist genauso bedeutend, wie sich den Faschisten in den Weg zu stellen.
Nur wenn wir auch gegen rechte Stammtische und Saufverbände wie die „Blood Brothers“ aktiv werden, nur dann können wir auch unserem Anspruch gerecht werden den Faschismus aus den Köpfen zu drängen.
Faschismus kann und darf niemals akzeptiert werden!
Dafür setzten wir uns als antifaschitische Jugend ein;
Für eine Welt in der Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Ausbeutung keinen Platz mehr finden. Wir wollen nicht ewig gegen den wieder aufkeimenden Faschismus kämpfen, sondern setzen uns ein. Für eine Gesellschaft in der reaktionäre Denkmuster keinen Platz mehr finden.
In diesem Sinne ist unsere antifaschistische Arbeit auch ein Kampf für eine neue Gesellschaft.
Eine Gesellschaft des Friedens und der internationalen Solidarität.
Dafür stehen wir mit unserer Motivation und unserer Kraft ein!
Für jeden der diese Motivation teilt stehen wir als Gruppe offen!
Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Den Schwur von Buchenwald erfüllen!
Hoch die internationale Solidarität!