Kaltland - Der Tod bleibt ein Meister aus Deutschland

Kaltland 1 (Foto: Azzoncao)

Heute vor 15 Jahren verstarb am 17. Oktober 1997 der schwule Frührenter Josef-Anton Gera mit 59 Jahren im Bochumer St. Elisabeth Krankenhaus. Drei Tage zuvor, am 14. Oktober, war Josef Gera von den homophoben und rechten Obdachlosen Patrick K. und Uwe K. zusammengetreten und mit einem Stahlrohr zusammengeschlagen worden.

 

Die Tat geschah auf der Brache des ehemaligen Kruppanliegens, nahe des heutigen Westparks. Dort feierte Gera am 14.Oktober mit vier Männern aus dem Wohnungslosenmilieu in einer alten Hütte, die die beiden Täter bewohnten. Die beiden Obdachlosen gaben nach ihrer Ergreifung durch die Polizei an, dass Gera ihnen im Laufe des Abends sexuelle Avancen gemacht hätte. Dies sei der Anlass gewesen ihn zusammenzuschlagen. Josef Gera schaffte es gerade noch sich bis zur anliegenden Klosterstraße zu schleppen, wo ihn Passanten fanden. Seine inneren Verletzungen waren aber derart massiv, das er drei Tage später verstarb.

 

Durch den leitenden Kommissar der Mordkommision Walter Pindur konnte nicht nur der Tatort ermittelt werden. Eine Hütte, die die beiden Täter mit SS-Runen, Hakenkreuzen und anderen Malereien versehen hatten. Sondern auch, dass am Abend selber der Haupttäter Patrick K. nationalsozialistische Parolen gegröhlt hatte. Sowie das beide Täter am Tag nach der Tat vor Verwandten des Einen sich damit gebrüstet hatten es „einem Schwulen gezeigt zu haben“ und dieses mit dem Hitlergruß boniert hatten.

Schon während der Pressekonferenz bestritt der leitende Staatsanwalt Dieter Justinsky die Motivlage der Täter, die diese in ihrem Geständnis angegeben hatten. Er sprach von einer „Schutzbehauptung“. Es würde sich um eine Exzesstat unter Alkoholeinwirkung handeln. Selbst einen Hinweise aus der anwesenden Schar der Besucher der Pressekonferenz, dass Geras sexuelle Orientierung hinlänglich in der Wohnungslosenszene bekannt gewesen sei, konterte er mit der Haltung, die beiden Männer seien aus nichtigem Grund ausgerastet.

So verwundert es nicht, dass im Prozess 1998 der Alkoholkonsum im Vordergrund stand und aus der Anklage „gemeinschaftlicher Mord“ der Vorwurf „gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge“ wurde. Eine von dem 26 jährigen Haupttäter Patrick K. versprochene Alkoholtherapie sollte diesem obendrein eine vorzeitige Entlassung nach nur vier Jahren erbringen. Sein Kumpan Uwe K. wurde zu fünf Jahren verurteilt, da das Schwurgericht unter Richter Kerstingtombroke nicht an eine erfolgreiche Alkoholtherapie für den 35 Jährigen glaubte.

Die Wut und der Hass auf Homosexuelle waren nebensächlich. Ebenso die nationalsozialistische Gesinnung der Täter. Letztere wurde zu dem in Frage gestellt, weil die beiden Angeklagten angaben nicht Mitglied einer rechten Partei zu sein. Somit war für das Gericht der politische Hintergrund der Tat obsolet.

Dank der Staatsanwaltschaft und des vorsitzenden Richters handelt es sich bei dem Mord an Josef Gera somit nicht um einen rechten und homophoben Mord, sondern um eine Exzesstat, die juristisch als „gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge“ gewertet wurde. Somit steht die Stadt Bochum in der Öffentlichkeit so dar, als ob es keine Todesopfer rechter Gewalt in Bochum gäbe.

Dafür hat auch die Berichterstattung der lokalen Medien gesorgt. Wurde 1997 noch über den rechten Hintergrund der Täter berichtet, verschwand deren politische Gesinnung im abschließenden Artikel über den Prozessausgang im April 1998 gänzlich.

Der damalige Titel der WAZ-Autorin über den Mord an Josef-Anton Gera war „Den alten Mann auf die Rolle genommen“.

 

Den fünfzehnten Jahrestag des Angriffs auf Josef Gera haben wir zum Anlass genommen in Bochum ein Graffiti gegen die deutschen Verhältnisse in den öffentlichen Raum zu stellen. Es ist allen Menschen in Deutschland gewidmet, die Opfer rechter Gewalt wurden. Exemplarisch haben wir dabei Menschen gewählt, die aus den unterschiedlichsten rechten Motiven und von Tätern mit den verschiedensten rechten Hintergründen ermordet wurden.

 

Yvonne Hachtkemper; sie war eine 34-jährige Polizeibeamtin, die am 14. Juni 2000 von dem Rechtsradikalen Michael Berger in Waltrop erschossen wurde. Sie trat ihren Polizeidienst nach einem längeren Erziehungssurlaub nach der Geburt ihres Kindes wieder an, als sie mit zwei Kopfschüssen aus einem Auto heraus erschossen wurde. Das gleiche Schicksal ereilte ihre beiden Kollegen Thomas Goretzky und Matthias Larisch-von-Woitowitz. Auch sie wurden von Michael Berger erschossen, der Mitglied der „Republikaner“ und der „DVU“ war. Darüber war er Sympathisant der NPD und gehörte zum Umfeld der „Kameradschaft Dortmund“ unter Siegfried Borchardt. (siehe: https://linksunten.indymedia.org/de/node/21477)

 

Eisam Chandim; war ein 9-jähriger libanesischer Junge der bei einem Brand in einer Bochumer Flüchtlingsunterkunft erstickte. Bis heute ist unklar, ob dieser Brand eine rassistischer Brandanschlag war. Die Polizei verfolgte diesbezügliche Aussagen von Nachbarn nicht, sondern fokusierte sich in ihren Ermittlungen gegen die MigrantInnen. Machte Opfer zu Täter. (siehe: https://linksunten.indymedia.org/de/node/42044)

 

Thomas Schulz; war ein 31-jähriger Punk aus Dortmund. Am 28. März 2005 wollte er sich die rechtsradikalen Sprüche des 17-jährigen Naziskin Sven Kahlin nicht bieten lassen und stellte ihn zur Rede. Kahlin zog ein Messer, verbarg dies hinter seinem Rücken und stach dies Thomas bei der nächst bietenden Situation ins Herz. (siehe: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/azzoncao/schmuddel.html)

 

Oury Jalloh; war ein Flüchtling aus Sierra Leone, der am 7. Januar 2005 im Polizeigewahrsam von Dessau verbrannte. Die Polizeiversion ist, dass es dem in einer Ausnüchterungszelle, auf einer feuersicheren Matratze gefesselten Mann gelungen sei, die Matte anzuzünden. An diesen selbstverschuldeten Brandverletzungen sei er verstorben. Dieser Version der diensthabenden Polizisten ist entschieden zu widersprechen.

(siehe: http://initiativeouryjalloh.wordpress.com und http://www.prozessouryjalloh.de)

 

Mehmet Kubaşık; war ein Kioskbesitzer aus Dortmund. Er wurde am 4. April 2006 in seinem Geschäft von Mitgliedern des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordet. Wie bei allen anderen Morden an MigrantInnen durch die NSU ging die ermittelnde Poizei von migrantischen Tätern aus. Im Rahmen der Ermittlungen dieser Mordserie richtete die Polizei eine SoKo Bosborus ein, machte die Familien, Freunde, sowie per se alle MigrantInnen von Opfern zu Tätern.

(siehe: nsu-watch.apabiz.de, zeit.de/schlagworte/themen/nsu-mordserie/index, publikative.org/?s=nsu&x=0&y=0, wikipedia.org/wiki/Neonazi-Mordserie)

 

 


 

 

Sites zu Opfer rechter Gewalt:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/todesopfer-rechter-gewalt

http://www.opferfonds-cura.de

 

 


 

 

Verwandte Begriffe:

 

Kaltland stammt aus einem Lied von Toxoplasma:

Toxoplasma – Deutsch in Kaltland

http://www.magistrix.de/lyrics/Toxoplasma/Deutsch-In-Kaltland-135868.html

 

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ stammt aus dem Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan:

http://www.celan-projekt.de/todesfuge-deutsch.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Celan

 

 

 

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Adresse:

Azzoncao, ein Polit-Cafè

c/o Bahnhof Langendreer

Wallbaumweg 108

44894 Bochum

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