[Bbg] AWO bereichert sich weiterhin an Flüchtlingen

Arbeitskreis Antirassismus Magdeburg

... und macht sie darüber hinaus zu Sündenböcken

Kurzer Rückblick: Zu den Zuständen in der „Gemeinschaftsunterkunft“ (GU) Bernburg (Sachsen-Anhalt) wurden in den letzten Wochen eine ganze Reihe an Presseartikeln veröffentlicht. So z.B. ein Interview in der jungen welt am 6. September, zwei Pressemitteilungen des Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt (3. und 26.9.) und zwei der Partei Bündnis 90/ Die Grünen (17. und 19.9.), Artikel im mdr am 18.9. und in der Volksstimme (20.9.), sowie drei Artikel in der Mitteldeutschen Zeitung (7., 13. und 24.9.), um nur einige zu nennen.

 

Nun sahen sich AWO Landes- und Kreisverband (Salzlandkreis), sowie der Ortsverein Bernburg also gezwungen, eine gemeinsame Mitteilung zu verfassen, was die Kritik am Lager Bernburg betrifft.

Wie viel Angst die AWO Sachsen- Anhalt dabei um ihr Image hat, beweist ein Rundschreiben, welches sie am 20. September versandte, angehängt war auch der Leitfaden „Kommunikation im Krisenfall“.

Darin heisst es: „Krisen sind normal, kommen oft wie der Blitz vom Himmel, können eskalieren oder auch im Sande verlaufen. Wichtig für die Re-/Aktion durch eine Krisenkommunikation sind die Fragen nach dem „Worst case“ – was sind die schlimmstmöglichen Folgen, die diese Krise für uns haben kann (für das Image, das Vertrauen, die Kunden, die Mitarbeiter/innen, wirtschaftliche Schäden) und dem Grad der öffentlichen Aufmerksamkeit.“

Und weiter:

„4.1. Kernbotschaften guter Krisenkommunikation

-Wir haben ein Problem.

-Wir haben dies erkannt und sind im Zweifel selbst betroffen.

-Wir arbeiten daran.

-Wir sind kompetent in der Problemlösung.

-Wir informieren umfassend.“

 

Augenscheinliche Ursache für die Kakerlakenplage in der GU Bernburg, so liessen sie in ihrer gemeinsamen Erklärung verlauten, sei „Vermüllen“ einiger (weniger) Heimbewohner in ihren Zimmern.

Den Gipfel der Dreistigkeit erklommen sie dann mit der Aussage, dass „bislang aus Respekt vor der Privatsphäre der Bewohner von Zwangsmaßnahmen in den Zimmern Abstand genommen wurde (Entfernen von Sperrmüllmöbeln u.a.). Dazu solle es gezielt Gespräche mit uneinsichtigen Ausländern geben, mit Unterstützung der „Kritiker“, damit alle Heimbewohner ihren Reinigungspflichten auf ihren Zimmern nachkommen.“1

 

Dazu Sören Herbst (Bündnis90/Die Grünen):

„Angesichts der Pressemitteilung von Salzlandkreis und AWO Ortsverein drängt sich der Gedanke auf, dass sich beide Beteiligten als Opfer einer ungerechtfertigten Kampagne sehen.
Es ist unverantwortlich, erneut betroffene Flüchtlinge und Migranten als selbst für ihre Misere verantwortlich darzustellen und diese als „uneinsichtige Ausländer“ zu diffamieren. Ein unvoreingenommener Blick in die Gemeinschaftsunterkunft Bernburg Teichweg zeigt, dass die jahrelang unveränderten, äußeren Umstände der Unterbringung das Problem sind, nicht das mögliche Verhalten Einzelner. (…)

Weitere Gifteinsätze, wie schon in den vergangenen Jahren regelmäßig praktiziert, führen nicht zu einer Verbesserung der Situation. Vielmehr müssen Salzlandkreis und Betreiber die unwürdigen Lebensumstände in ihrer Einrichtung beenden und zukünftig alle Bewohnerinnen und Bewohner in Wohnungen unterbringen - verfügbare Wohnungen sind im Salzlandkreis in ausreichender Zahl vorhanden.“2

In einer Pressemitteilung zwei Tage zuvor, kritisierte Herbst den Trägerverein AWO wie folgt: „Die AWO betreibt die Gemeinschaftsunterbringung im Teichweg als Geschäftsmodell ohne soziale Verantwortung. Selbst Duschvorhänge für ein paar Euro bleiben den Einwohnern vorenthalten. Nach Angaben der Heimleitung beschäftigt die AWO zudem Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses für einen Stundenlohn von 1 Euro als Billig-Putzkräfte im Haus. Sie spart sich so das Engagement einer Putzfirma. Ein Skandal für einen Verband, der sich nach außen als Vorreiter für einen flächendeckenden Mindestlohn ausgibt!“

 

Nicht nur das. In einem Raum, den sich fünf Menschen teilen müssen, nimmt die AWO pro Person ca. 150 € an Miete ein, die vom Sozialamt gezahlt werden. Oder am Beispiel einer fünfköpfigen Familie, die in einem Zimmer leben müssen, beläuft sich die Miete auf ca. 800 €.

Man kann sich leicht ausrechnen, auf welche immensen Summen der „Wohlfahrtsverein“ AWO verzichten müsste, sollte das Lager geschlossen werden. (siehe dazu auch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten in Sachsen-Anhalt vom 8.8.2012)

 

Zu anderen Vorwürfen den Zuständen in Bernburg liest man in der Erklärung des Landkreises/AWO weiter: „Von sämtlichen über 5 Etagen verteilten Küchenherden war lediglich 1! Kochplatte defekt. Von sämtlichen, nach Geschlecht getrennten und abschließbaren Duschen, waren 3 defekt. Bei zwei dieser Duschen wurde der Duschkopf gestohlen. Festzustellen war, dass nachts fremde, in Wohnungen untergebrachte Ausländerfamilien, in der GU duschen.“

Wie das fest-, bzw. unterstellt wurde, bleibt ein Geheimnis.

 

Seit Jahren wird die gesamte „Gemeinschaftsunterkunft“ in Bernburg regelmäßig mit hochgradig giftigen Chemikalien besprüht, was bis heute nichts an der Kakerlakenplage änderte. Auch können die Probleme für die Verantwortlichen nicht neu sein: Im März 2011 beispielsweise besuchte die EU-Abgeordnete der Grünen, Ska Keller, die GU Bernburg und sprach mit BewohnerInnen. Schon damals teilten sich Männer und Frauen die Toiletten und Waschräume und waren Kakerlakenfallen vonnöten.


Die Erklärung jedenfalls endet mit einer Selbstbeweihräucherung: „Die AWO wird auch weiterhin Sommer-, Weihnachts- und sonstige Feste auf eigene Kosten für die Bleibeberechtigten in der GU veranstalten, für eine ordnungsgemäße Unterbringung und einen menschlichen Umgang mit allen GU-Bewohnern Sorge tragen.“

Wie „ordnungsgemäße Unterbringung und menschlicher Umgang“ in der Praxis aussehen, liess sich im April diesen Jahres in Aschersleben beobachten. Dort wurde ein 2009 geschlossenes „Asylbewerberheim“ wiedereröffnet- Betreiberin ist wiederum die AWO. An der Einganstür ein eingekratztes Hakenkreuz. Migranten die dort mitten in den Sanierungsarbeiten hinziehen mussten, berichteten, dass sie für Tür- und Schrankschlüssel 40 € zahlen sollten- bei einem monatlichen Taschengeld von um die 150 €!

 

Zurück nach Bernburg: Auch Susi Möbbeck besah sich Ende September das Lager. Die Integrationsbeauftragte der Landesregierung lässt sich in Gesprächen mit Salzlandkreis und AWO mit der Ankündigung abspeisen, dass „besonders betroffene Räume“ beräumt werden und wiederholt eine Schädlingsbekämpfung erfolgen solle- so wie die letzten Jahre auch. Selbst wenn es gelänge, das Lager in Bernburg kakerlakenfrei zu bekommen, was die letzten Jahre durch regelmässige Gifteinsätze keinen Erfolg brachte, bliebe weiterhin das Problem des Lagers selbst bestehen, für dessen Schließung sie allerdings „keine Grundlage“ sähe. Stattdessen setzte sie sich dafür ein, dass Bernburg keine neuen Flüchtlinge zugewiesen bekommen solle, da die hohe Belegung des Heims schon jetzt problematisch und konfliktträchtig sei. Dies ist allerdings auch Jacke wie Hose, denn wie oben bereits erwähnt, betreibt die Awo im selben Landkreis seit Frühjahr ein zweites Lager.

Willkür, Schikanen und rassistische Sondergesetze werden zu „entstandenen Spannungen“ zwischen Landkreis/AWO und BewohnerInnen umformuliert, die angeblich aufgelöst werden könnten, wenn „BewohnerInnen mehr als bisher bei der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes mitwirken, ihre Interessen formulieren und Eigenverantwortung übernehmen können.“ Nun wurde durch Frau Möbbeck der umwerfende Vorschlag gemacht, einen Heimbeirat zu initiieren und den BewohnerInnen mehr Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben, wie z.B. die selbstorganisierte Nutzung eines Clubraums.

Apropos Clubraum: Für weitere Presse-/Behördenbesuche führte die Heimleitung einen „Gemeinschaftsraum“ vor, der extra eingerichtet wurde und sofort danach wieder verschlossen wurde. Darin fand sich ein neben einem Sofa auch ein Kassettenrecorder mit sehr lauter afrikanischer Musik, obwohl niemand im Zimmer war. Darüber hinaus wurden einige Bewohnerinnen und Bewohner von der Heimleitung unter Druck gesetzt, weil sie sich über die Zustände beklagt hatten und zu Pressegesprächen bereit gewesen waren.4

 

Es reicht! Wir fordern die AWO auf, ihre Einschüchterungsversuche zu unterlassen und sich aus dem Geschäft mit Flüchtlingen herauszuziehen!

Für die Schließung aller Lager!

Wir solidarisieren uns mit dem selbstorganisierten Kampf der Flüchtlinge in der BRD und unterstützen ihre Forderungen nach Abschaffung aller Sondergesetze!



AK AntiRa, Magdeburg, Oktober 2012