The only good na­ti­on is ima­gi­na­ti­on - Aufruf der antifa nt zu den Protesten gegen die Einheitsfeierlichkeiten in München

The only good nation is Imagination

Am 3. Ok­to­ber lädt die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung an­läss­lich des Tages der deut­schen Ein­heit die Fans der Na­ti­on zum „fröh­li­chen Fest in Schwarz-​Rot-​Gold unter dem weiß-​blau­en Him­mel Bay­erns“. Eine Ein­la­dung, die wir ge­trost aus­schla­gen.

Mit der „Wie­der­ver­ei­ni­gung“ wurde eines der of­fen­sicht­lichs­ten Hin­der­nis­se, sich po­si­tiv auf die deut­sche Na­ti­on zu be­zie­hen, be­sei­tigt: Die Tei­lung Deutsch­lands war nicht nur eine geo­po­li­ti­sche Schwä­chung, son­dern stell­te als un­mit­tel­ba­re Kon­se­quenz des von Deutsch­land ver­ur­sach­ten Welt­kriegs, einen per­ma­nen­ten Ver­weis auf den na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Teil der deut­schen Ge­schich­te und Iden­ti­tät dar.Nach dem in­dus­tri­el­len Mas­sen­mord der Na­tio­nal­so­zia­lis­t_in­nen an Jüd_in­nen, Ro­m­ni_ja und Sin­ti_z­za fin­det jede Be­zug­nah­me auf Deutsch­land not­wen­di­ger­wei­se im Kon­text die­ser Ver­nich­t­uns­po­li­tik statt. Der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus grün­det auf einer völ­ki­schen Idee von Na­ti­on, die auf einem ras­sis­ti­schen Ab­stam­mungs­prin­zip und Ho­mo­ge­ni­täts­ide­al be­ruht und die von An­fang an Jüd_in­nen, Sin­ti_z­za, Ro­m­ni_ja, Schwar­ze und viele an­de­re von der Teil­ha­be aus­schließt. Die­ses völ­ki­sche Prin­zip war seit jeher im deut­schen Na­tio­na­lis­mus prä­gend und vor­herr­schend. Die Ver­nich­tungs­po­li­tik der Nazis stellt dabei den Ver­such dar, die­sen völ­kisch-​na­tio­na­lis­ti­schen Ein­heits-​ und Ho­mo­ge­ni­täts­wahn durch die Ver­nich­tung sei­nes Nicht-​Iden­ti­schen prak­tisch durch­zu­set­zen.
Jeder deut­sche Na­tio­na­lis­mus nach 1945 stand und steht – wenn auch un­be­wusst – damit vor der „Auf­ga­be“ den Wahn die­ser Ver­nich­tung zu ra­tio­na­li­sie­ren (zum Bei­spiel in der Aus­blen­dung der Ir­ra­tio­na­li­tät des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und im blo­ßen, em­pa­thie­lo­sen sta­tis­ti­schen Er­fas­sen von Ge­schich­te), zu re­la­ti­vie­ren (in der Gleich­set­zung na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ver­nich­tungs­po­li­tik mit Ver­bre­chen des Sta­li­nis­mus im Rah­men der To­ta­li­ta­ris­mus­theo­rie oder im Ver­glei­chen is­rae­li­scher Mi­li­tär­ak­tio­nen mit na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen), zu ver­drän­gen (in For­de­run­gen nach einem Schluss­strich unter die Ver­gan­gen­heit) und zu recht­fer­ti­gen (im of­fe­nen Neo­na­zis­mus). All die­sen For­men des (Nicht-​)Um­gangs mit der ei­ge­nen Ver­gan­gen­heit – so ver­schie­den sie un­ter­ein­an­der auch sein mögen – ist ge­mein, Em­pa­thie für und Trau­er um die Opfer nicht in sich auf­neh­men zu kön­nen. Em­pa­thie und Trau­er für die Opfer sind aber über­haupt erst die Be­din­gun­gen der Mög­lich­keit nach Por­a­j­mos und Shoah1 eman­zi­pa­to­risch den­ken und han­deln zu kön­nen. Das ge­schäf­ti­ge Wei­ter­ma­chen, das nach der mi­li­tä­ri­schen Nie­der­la­ge Deutsch­lands Wirt­schafts­wun­der und Ver­drän­gungs­leis­tung glei­cher­ma­ßen be­ding­te ist dabei das Ge­gen­teil des­sen, was an­ge­sichts der Mas­sen­ver­nich­tung an der Zeit war und immer noch ist, das Still­le­gen des be­wusst­lo­sen Wei­ter­ma­chens und der ra­di­ka­le Bruch mit aller ge­sell­schaft­li­chen und in­di­vi­du­el­len Ge­walt, die in der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­nich­tungs­po­li­tik auf die grau­sams­te und un­vor­stell­bars­te Weise kul­mi­nier­te. Die Ge­walt­för­mig­keit der Ge­sell­schaft ist dabei al­ler­dings keine, die sich auf den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus be­schrän­ken lässt. Bis­he­ri­ge Ge­sell­schaf­ten grün­de­ten und grün­den sich un­mit­tel­bar und mit­tel­bar auf Ge­walt, von dem – in Deutsch­land bis in die ra­di­ka­le Linke hin­ein ver­dräng­ten – Ko­lo­nia­lis­mus, dem ras­sis­ti­schen Grenz­re­gime der „Fes­tung Eu­ro­pa“ und der Ab­wehr ge­gen­über Mi­gran­t_in­nen, bis hin­ein in die per­sön­li­chen Be­zie­hun­gen un­ter­ein­an­der. Dabei darf es nicht darum gehen, die Spe­zi­fik na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ge­walt und Herr­schaft durch den Ver­weis auf die fun­da­men­ta­le Ge­walt-​ und Herr­schafts­för­mig­keit der Ge­sell­schaft zu ver­schlei­ern, son­dern im Ge­gen­teil: darum die Spe­zi­fik der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­nich­tungs­po­li­tik in ihren his­to­ri­schen und ge­sell­schaft­li­chen Be­din­gun­gen zu ver­ste­hen und eben diese Be­din­gun­gen von Iden­ti­täts­zwang, Herr­schaft und Ge­walt zu über­win­den.
Na­ti­on und Na­tio­na­lis­mus ohne den ge­walt­sa­men Aus­schluss des „An­de­ren“ oder „Frem­den“ ist an sich un­mög­lich, eben­so ist es die Vor­stel­lung den deut­schen Na­tio­na­lis­mus von sei­nem völ­ki­schen und na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Erbe zu tren­nen, wie es ak­tu­el­le Dis­kur­se um den sog. „Par­typa­trio­tis­mus“ sug­ge­rie­ren; als ra­di­ka­le Linke bleibt für uns daher nur die Mög­lich­keit mit der Na­ti­on im All­ge­mei­nen zu bre­chen, mit der deut­schen aber im Be­son­de­ren.
Die un­ter­schied­li­chen deut­schen Na­tio­na­lis­men waren dabei, bei allen Ge­mein­sam­kei­ten, nie­mals ein mo­no­li­thi­scher Block, sie waren immer schon wi­der­sprüch­lich und von in­ne­ren Aus­ein­an­der­set­zun­gen und Kon­flik­ten ge­prägt. Ge­ra­de in der Frage des Um­gangs mit der ei­ge­nen (na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen) Ver­gan­gen­heit wird dies deut­lich. Wäh­rend in West­deutsch­land die alten na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Eli­ten wei­test­ge­hend re­la­tiv naht­los in die Nach­kriegs­ge­sell­schaft re­inte­griert wur­den und die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­bre­chen ver­drängt und re­la­ti­viert wur­den, wurde in Ost­deutsch­land durch die Theo­re­ti­sie­rung des NS als bür­ger­li­ches In­stru­ment an­ti­kom­mu­nis­ti­scher Kon­ter­re­vo­lu­ti­on des­sen an­ti­zi­ga­nis­ti­sche und an­ti­se­mi­ti­sche Di­men­si­on wei­test­ge­hend aus­ge­klam­mert; eine Ten­denz die sich durch den sta­li­nis­ti­schen An­ti­se­mi­tis­mus und An­ti­ko­s­mo­po­li­tis­mus, sowie durch die an­ti­zio­nis­ti­sche Po­li­tik des War­schau­er Pak­tes noch ver­stärk­te.
Die Ver­su­che, den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und die von Deutsch­land be­gan­ge­nen un­ver­gleich­li­chen Ver­bre­chen als „Un­fall der Ge­schich­te“, “dunk­le Jahre“, aus­ge­löst von ei­ni­gen we­ni­gen (Ver-)Füh­rern zu er­klä­ren, fun­gie­ren als Ent­schul­dungs­er­zäh­lun­gen, mit denen weite Teile der deut­schen Be­völ­ke­rung von ihrer Ver­ant­wor­tung und (ju­ris­ti­scher) Schuld frei­ge­spro­chen wer­den sol­len.

Die­je­ni­gen Ge­schichts­be­trach­tun­gen, die von Deut­schen er­lit­te­ne Kriegs­ge­scheh­nis­se, wie z.B. Bom­bar­de­ments, be­son­ders her­vor­he­ben oder pau­scha­li­sie­rend in­di­vi­du­el­les Leid auf allen Sei­ten be­to­nen, lau­fen auf eine Ver­wi­schung his­to­ri­scher und po­li­ti­scher Ver­hält­nis­se hin­aus und fun­gie­ren so auch als Ent­las­tungs­stra­te­gi­en.
Der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus konn­te sich auf eine äu­ßerst brei­te Mas­sen­ba­sis stüt­zen, ein Groß­teil der Be­völ­ke­rung hat sich aktiv be­tei­ligt, hat pro­fi­tiert, oder min­des­tens be­reit­wil­lig weg­ge­se­hen. Zen­tra­le Ele­men­te, wie allen voran der An­ti­se­mi­tis­mus in sei­ner spe­zi­fi­schen, eli­mi­na­to­ri­schen Aus­prä­gung, ein preu­ßisch-​pol­tern­der Mi­li­ta­ris­mus und eine ka­da­ver­ge­horm­sa­me Ob­rig­keits­hö­rig­keit, oder das Na­tio­nal­ver­ständ­nis, das sich seit sei­ner Eta­blie­rung im Zuge der ge­schei­ter­ten bür­ger­li­chen Re­vo­lu­ti­on 1848 völ­kisch be­stimm­te, also die Zu­ge­hö­rig­kei­ten und Aus­schlüs­se bio­lo­gisch de­fi­nier­te, waren keine ex­klu­si­ven Pre­zio­sen na­zis­ti­scher Ideo­lo­gie, son­dern seit lan­gem in wei­ten Tei­len der po­li­ti­schen Land­schaft vor­zu­fin­den

 

ge­schich­te wird ge­macht
…es geht voran


Die pro­kla­mier­te Stun­de null be­zeich­ne­te kon­se­quen­ter­wei­se kei­nen voll­stän­di­gen Bruch. Wäh­rend unter An­de­rem die Kon­fron­ta­ti­on mit den Lei­chen­ber­gen des an­ti­se­mi­ti­schen Ver­nich­tungs­wahns die Deut­schen zur Mo­di­fi­zie­rung zum se­kun­dä­ren An­ti­se­mi­tis­mus zwang, konn­ten sich so man­che Tä­ter_in­nen im Rah­men der wirt­schaft­li­chen Wie­der­auf­rüs­tung und der an­ti­kom­mu­nis­ti­schen Mo­bil­ma­chung an der Ent­na­zi­fi­zie­rung vor­bei­la­vie­ren. Neben Kon­ti­nui­tä­ten wie der Über­nah­me von Füh­rungs­per­so­nal und Ak­ten­be­stän­den der „Zi­geu­ner­be­kämp­fung“ in bun­des­re­pu­bli­ka­ni­sche Be­hör­den, oder etwa des Pa­ra­gra­fen 275 StGB zur Ver­fol­gung Ho­mo­se­xu­el­ler, wur­den hohe Ämter und Pos­ten, in Ver­wal­tung, Po­li­tik, Mi­li­tär und Wis­sen­schaft, wie auch Füh­rungs­eta­gen deut­scher Un­ter­neh­men mit alten Eli­ten be­setzt.
Den­noch konn­te nicht alles wie ge­wohnt wei­ter­ge­hen; die Ver­drän­gungs­leis­tun­gen der Nach­kriegs­ge­sell­schaft stan­den einer allzu of­fe­nen Be­zug­nah­me oft genug im Weg. Offen zur Schau ge­stell­ter Na­tio­na­lis­mus war ta­bui­siert. Des­we­gen und auch in Re­ak­ti­on auf Kri­tik von Op­fer­grup­pen und an­ti­fa­schis­ti­schen Be­we­gun­gen waren letzt­lich ei­ni­ge An­pas­sun­gen not­wen­dig, um deut­schen Na­tio­na­lis­mus wie­der sa­lon­fä­hig zu ma­chen.
Eine stra­te­gi­sche Leis­tung war der Ver­such der Eta­blie­rung des sog. Ver­fas­sungs­pa­trio­tis­mus, bei dem sich die af­fir­ma­ti­ve Be­zug­nah­me auf die Na­ti­on über die als po­si­tiv auf­ge­fass­ten (Frei­heits-​)Rech­te des Grund­ge­set­zes de­fi­nie­ren soll­te, im Ge­gen­satz zur rei­nen Her­lei­tung aus der Ab­stam­mungs­ge­mein­schaft. Eine wei­te­re Leis­tung war die Neu­be­wer­tung der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ge­schich­te, die – spä­tes­tens seit den Pa­ra­dig­men­wech­seln der Ber­li­ner Re­pu­blik – heute i.d.R. nicht mehr ver­drängt oder ge­leug­net, son­dern mit­ein­be­zo­gen wird. Wo in den 80ern noch manch ein Mar­tin Wal­ser for­der­te end­lich mit der Ver­gan­gen­heit in Ruhe ge­las­sen zu wer­den, wird heute die Aus­ein­an­der­set­zung damit ge­ra­de be­grüßt und ge­för­dert – mit dem Ef­fekt, dass diese Auf­ar­bei­tungs­leis­tung den Deut­schen einen Neu­ge­winn als ge­läu­ter­te und nun­mehr be­son­ders be­fä­hig­te Na­ti­on zu­kom­men lässt. Hier­aus lei­te­te etwa Josch­ka Fi­scher das mo­ra­li­sche Man­dat ab, ein zwei­tes Ausch­witz zu ver­hin­dern, wie er es zur Be­grün­dung der deut­schen Teil­nah­me am Krieg gegen Ser­bi­en zu Pro­to­koll gab.
Der drit­te deut­sche An­griffs­krieg gegen Ser­bi­en im 20.​Jahrhun­dert hatte dabei zu­min­dest mit­tel­bar die Un­ter­stüt­zung jener al­ba­ni­schern Na­tio­na­lis­t_in­nen zur Folge die neben Ser­b_in­nen auch tau­sen­de Ro­m­ni_ja um­brach­ten. Ge­ra­de diese Be­vor­tei­lung an­ti­zi­ga­nis­ti­scher Mör­der_in­nen­ban­den steht dabei in un­ge­bro­che­ner deut­scher Tra­di­ti­on. Auch nur das ge­rings­te Be­wusst­sein dar­über, was Ausch­witz war, näm­lich der Ort an dem auch tau­sen­de Ro­m­ni_ja von den Deut­schen in Gas­kam­mern er­mor­det wur­den, ver­bie­tet es einen sol­chen Ver­gleich an­zu­stel­len. Die­ses Nicht-​Be­wusst­sein über den Por­a­j­mos ver­deut­licht den in­stru­men­tel­len Um­gang mit und die se­lek­ti­ve „Auf­ar­bei­tung“ der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­nich­tung und den immer noch of­fe­nen An­ti­zi­ga­nis­mus in der deut­schen Öf­fent­lich­keit. Wäh­rend of­fe­ner An­ti­se­mi­tis­mus in wei­ten Tei­len der Ge­sell­schaft ta­bui­siert ist, dau­ert die an­ti­zi­ga­nis­ti­sche Tra­di­ti­on fast un­ge­bro­chen fort. Diese Ta­bui­sie­rung des of­fe­nen An­ti­se­mi­tis­mus ist keine Auf­klä­rung son­dern stellt oft eine Ver­schie­bung auf se­kun­dä­ren und Schuld­ab­wehr­an­ti­se­mi­tis­mus dar. Die an­ti­zi­ga­nis­ti­schen Res­sen­ti­ments hin­ge­gen kön­nen sich meist noch un­ver­blüm­ter und of­fe­ner zei­gen. Ein kri­ti­sches Be­wusst­sein dem An­ti­zi­ga­nis­mus ge­gen­über ist in wei­ten Tei­len der deut­schen Ge­sell­schaft nicht vor­han­den. Das drückt sich nicht nur in den of­fe­nen An­fein­dun­gen und der ma­te­ri­el­len Ge­walt ge­gen­über als „Zi­geu­nern“ stig­ma­ti­sier­ten Men­schen aus, son­dern auch im Ver­drän­gen, Ver­leug­nen und Ver­ges­sen­ma­chen der Ge­schich­te und Ge­gen­wart des An­ti­zi­ga­nis­mus. Wäh­rend ree­du­ca­ti­on, an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­beit und die bloße Exis­tenz Is­raels zur ober­fläch­li­chen Be­zug­nah­me auf den An­ti­se­mi­tis­mus „zwin­gen“, ge­lang es der deut­schen Mehr­heits­ge­sell­schaft die Ver­nich­tung von Sin­ti_z­za und Ro­m­ni_ja fast voll­stän­dig aus dem Be­wußt­sein fern­zu­hal­ten.

 

Mut­bür­ger in uni­form


Wenn Bun­des­prä­si­dent Gauck heute Re­spekt und mo­ra­li­sche Un­ter­stüt­zung für die im Aus­land ein­ge­setz­ten deut­schen „Mut­bür­ger“ in Uni­form ein­for­dert, die Bun­des­wehr zu­neh­mend im öf­fent­li­chen Raum um An­er­ken­nung und Ka­no­nen­fut­ter wirbt, so zeigt das vor allem eines: Der glo­bal play­er Deutsch­land kann und muss seine An­sprü­che und In­ter­es­sen end­lich kon­se­quent mit allen Mit­teln der Po­li­tik durch­set­zen, auch wenn es dabei knallt und raucht.
Die Zei­ten von „Knie­fall“ und der Lehre des „Nie wie­der Krieg“, die Deutsch­land einst aus sei­ner Ge­schich­te ge­zo­gen haben will, sind vor­bei. Seit 1998 führt Deutsch­land ganz of­fi­zi­ell wie­der Krieg. Das neue Selbst­be­wusst­sein und die mo­ra­li­sche Über­le­gen­heit mit dem der Auf­ar­bei­tungs­welt­meis­ter Deutsch­land seine Frei­heit am Hin­du­kusch und seine Han­dels­we­ge vor So­ma­lia ver­tei­digt, schließt durch­aus die Mög­lich­keit mit ein, sich den Bünd­nis­part­ner_in­nen bei be­stimm­ten Wün­schen zu ver­weh­ren. In bei­den Fäl­len weiß Deutsch­land seine Deut­schen hin­ter sich.
Kaum ver­wun­der­lich, dass der Krieg in Ju­go­sla­wi­en nur einen Bruch­teil der öf­fent­li­chen Em­pö­rung her­vor­rief, die sich auf deut­schen Stra­ßen, in deut­schen Leit­ar­ti­keln und deut­scher Pop­kul­tur gegen den Irak-​Krieg ar­ti­ku­lier­te, als sich Schrö­der-​Deutsch­land selbst­be­wusst dem Mit­kämp­fen ver­wei­ger­te und sich gegen einen US-​Ame­ri­ka­ni­schen „Welts­he­riff“ in Stel­lung brach­te, dem es bei aller Bom­be­rei doch stets nur um Öl und kei­nes­wegs um die pro­kla­mier­ten west­li­chen Werte ginge. Bei Deutsch­land indes stel­len sich sol­che Fra­gen nicht und allzu toll­pat­schi­ges Ge­plau­de­re über die krie­ge­ri­sche Wah­rung deut­scher In­ter­es­sen (Köh­ler) kön­nen dem­ent­spre­chend auch schon mal ein be­schä­dig­tes Amt des Bun­des­prä­si­den­ten (Köh­ler) nach sich zie­hen.
Ge­ra­de bei all jenen, einst post­ko­lo­ni­al gegen den Re­al­so­zia­lis­mus in Stel­lung ge­brach­ten, Re­gi­men, Dik­ta­to­ren und Ban­den, deren un­über­seh­ba­re kil­ling fields bis­lang nichts auf deren Sta­tus als ver­läss­li­che Part­ner der de­mo­kra­ti­schen Men­schen­rechts­krie­ger_in­nen kom­men lie­ßen, be­darf es so doch zu­wei­len noch ei­ni­ger rhe­to­ri­scher Ver­ren­kun­gen mi­li­tä­ri­sche In­ter­ven­tio­nen zu le­gi­ti­mie­ren. Wäh­rend etwa mit den mör­de­ri­schen Re­gimes in Sau­di-​Ara­bi­en oder dem Jemen eine frucht­ba­re Zu­sam­men­ar­beit mög­lich ist, kann es an­de­ren Dik­ta­tu­ren im Zwei­fels­fall schnell an den Kra­gen gehen.
Bei einem allzu pe­ni­blen Po­chen auf Men­schen­recht und De­mo­kra­tie hätte sich Deutsch­land schließ­lich „in 40, 50 an­de­ren Staa­ten ein­zu­mi­schen“ wie be­reits Feld­herr Karl Theo­dor zu Gut­ten­berg in sei­nen bes­se­ren Tagen noch ein­zu­wen­den hatte.
Die Frage ob und wann eine „hu­ma­ni­tä­re In­ter­ven­ti­on“ von Nöten ist, kann dabei auch unter den Bünd­nis­part­ner_in­nen durch­aus um­strit­ten sein. So waren es im Falle Li­by­en allen voran Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich, die ein Ein­grei­fen drin­gend ge­bo­ten sahen, wäh­rend sich etwa Deutsch­land nicht an den Luft­an­grif­fen be­tei­li­gen woll­te und sich nicht un­be­dingt be­geis­tert von einem Ein­griff zeig­te. Schließ­lich ver­dien­te Deutsch­land bis­lang ganz gut an mil­lio­nen­schwe­ren Deals mit dem li­by­schen Mi­li­tär und wuss­te in einem sei­ner re­le­van­tes­ten und zu­ver­läs­sigs­ten Öl­lie­fe­ran­ten auch einen will­fäh­ri­gen Un­ter­stüt­zer in der Flücht­lings­ab­wehr2. 300 Ki­lo­me­ter See­weg lie­gen zwi­schen Tri­po­lis und Lam­pe­du­sa. Gad­da­fis Flücht­lings­la­ger bil­de­ten vor dem Krieg hier eine hoch­will­kom­me­ne Bar­rie­re auf au­ßer­eu­ro­päi­schem Boden.
Da sich Deutsch­land und seine eu­ro­päi­schen Ver­bün­de­ten in der Flücht­lings­ab­wehr nicht al­lein auf die Hilfe skur­ri­ler au­ßer­kon­ti­nen­ta­ler Dik­ta­to­ren ver­las­sen kön­nen, hat sich ein um­fas­sen­des Sys­tem zur mi­li­tä­ri­schen Ab­schir­mung der eu­ro­päi­schen Gren­zen eta­bliert. Vor allem auf dem Mit­tel­meer sorgt die Grenz­schutz-​Agen­tur Fron­tex dafür, dass Flücht­lin­ge eher den Tod als ein Schlupf­loch in die eu­ro­päi­sche Union fin­den.
Ein nicht zu ver­ach­ten­der Mehr­wert aus der Il­le­ga­li­sie­rung flüch­ten­der Men­schen er­gibt sich dabei aus der Aus­beu­tung die­ser als völ­lig recht­lo­se Ar­beits­kräf­te zum klei­nen Preis, ohne die ein rei­bungs­lo­ser öko­no­mi­scher Ab­lauf vie­ler­orts schwer mög­lich wäre.

 

In­te­gra­ti­on als Gate-​Kee­per na­tio­na­ler Ver­ge­mein­schaf­tung


Spä­tes­tens im Zuge der seit den 60er Jah­ren ein­set­zen­den Ar­beits­mi­gra­ti­ons­be­we­gung in die BRD ließ sich die An­we­sen­heit und das Blei­ben von Mi­gran­t_in­nen als Fakt in­ner­halb der deut­schen Ge­sell­schaft nicht mehr ohne Wei­te­res leug­nen. Als Folge die­ses Pro­zes­ses kam es zu deut­li­chen Ver­schie­bun­gen der Art und Weise wie damit um­zu­ge­hen sei. War das Leit­bild bis ca. in die 80er Jahre das der „Gast­ar­bei­ter“, deren Iso­la­ti­on be­grüßt und von denen er­war­tet wurde, dass sie ir­gend­wann auch wie­der ver­schwin­den wür­den, ist das heu­ti­ge do­mi­nan­te Motiv, das der In­te­gra­ti­on. Die­ser Be­griff gilt all­ge­mein hin als be­grü­ßens­wert und ist po­si­tiv kon­no­tiert. Da­hin­ter ver­birgt sich al­ler­dings eine mo­der­ni­sier­te Po­li­tik sys­te­ma­ti­scher Aus­gren­zung, Aus­le­se und (letzt­lich) ras­sis­ti­scher Platz­zu­wei­sung.
Ende der 90er Jahre wurde die Chan­ce be­wusst ver­tan, we­nigs­tens die Ho­mo­ge­ni­täts­vor­stel­lung in­ner­halb des deut­schen Staats­bür­ger­rechts auf­zu­ge­ben. Statt­des­sen war die Ein­füh­rung der sog. „Dop­pel­ten Staats­bür­ger­schaft“ mit all ihren Ein­schrän­kun­gen eine letzt­lich not­wen­di­ge Mi­ni­mal-​Ad­ap­ti­on der Vor­stel­lun­gen eines auf Ab­stam­mung ba­sie­ren­den Na­tio­nen­ver­ständ­nis‘, um diese über­haupt im Kern wei­ter be­hal­ten zu kön­nen.
Spä­tes­tens seit dem 11. Sep­tem­ber wird die An­we­sen­heit von Mi­gran­t_in­nen im Zuge der Be­deu­tung des Kon­zepts der In­te­gra­ti­on auf neu­ar­ti­ge Art und Weise pro­ble­ma­ti­siert. Kern­ver­ständ­nis von In­te­gra­ti­on ist ein es­sen­tia­lis­ti­sches Ver­ständ­nis von Kul­tur, das so­wohl Mi­gran­t_in­nen als auch deut­sche Mehr­heits­ge­sell­schaft als je­weils ho­mo­ge­ne Ein­hei­ten be­greift und hier­ar­chi­siert. Das Innen und das Außen ste­hen von vorn­her­ein fest, es ist klar wer die In­te­gra­ti­on zu er­brin­gen und wo hin­ein sich in­te­griert wer­den soll. Die For­de­rung nach In­te­gra­ti­on ba­siert auf ras­sis­ti­schen Vor­stel­lun­gen und ist in ihrer Be­griff­lich­keit schief, bspw. Wird sie nie von Dän_in­nen oder Brit_in­nen, die in Deutsch­land leben, ein­ge­for­dert – wenn diese über­haupt als Mi­gran­t_in­nen wahr­ge­nom­men oder pro­ble­ma­ti­siert wer­den. Im In­te­gra­ti­ons­dis­kurs wer­den Mi­gran­t_in­nen dazu ver­pflich­tet, zu­ge­schrie­be­ne und ver­meint­li­che „De­fi­zi­te“ selbst aus­räu­men, um erst nach er­folg­ter An­er­ken­nung ihrer Leis­tung, ba­sie­rend auf von der Mehr­heits­ge­sell­schaft fest­ge­setz­ten Maß­stä­ben, Zu­gang er­hal­ten. In­te­gra­ti­on er­hält so auch den Rang einer Art von Glau­bens­be­kennt­nis, dass von Mi­gran­t_in­nen immer wie­der öf­fent­lich ein­ge­for­dert wer­den kann und wird.

Oben­drein dreht das In­te­gra­ti­ons­ge­fa­sel die in­hä­ren­ten Macht­ver­hält­nis­se ge­sell­schaft­li­cher Teil­ha­be ein­fach um, indem diese nicht mehr im Zu­sam­men­hang mit ras­sis­ti­scher Aus­gren­zung sei­tens der Do­mi­nanz­ge­sell­schaft, son­dern als Pro­blem in­di­vi­du­ell zu er­brin­gen­de Leis­tung sei­tens der Mi­gran­t_in­nen auf­ge­fasst wer­den. Somit fun­giert die For­de­rung nach In­te­gra­ti­on auch als Ent­schul­dungs­me­cha­nis­mus der deut­schen Mehr­heits­ge­sell­schaft, schließ­lich stel­len die­ser Logik nach „un­in­te­grier­te“ Mi­gran­t_in­nen das Pro­blem dar und nicht ras­sis­ti­sche Zu­stän­de.
Neben der zu er­brin­gen­den kul­tu­rel­len An­pas­sungs­leis­tung – die bei aller ge­äu­ßer­ter Be­für­wor­tung zu­ge­schrie­be­ner, oft ste­reo­ty­per Ei­gen­ar­ten der Mi­gran­t_in­nen am Ende nicht weit von der As­si­mi­la­ti­on an die „Leit­kul­tur“ ent­fernt ist – ge­nießt die öko­no­mi­sche Seite der In­te­gra­ti­on be­son­de­res Ge­wicht. Oft genug wurde auch ge­ra­de ihre wirt­schaft­li­che Not­wen­dig­keit für den Stand­ort als Ar­gu­ment ins Feld ge­führt. Stich­wort Fach­kräf­te­man­gel. Dar­über hin­aus gilt die „In­te­gra­ti­on in den Ar­beits­markt“ als ele­men­ta­rer Grad­mes­ser des (Miss-)Er­folgs, re­spek­ti­ve als ab­so­lu­te Not­wen­dig­keit für das Ge­lin­gen des An­lie­gens, frei nach dem Motto: Wenn schon Mi­gra­ti­on dann auch bitte öko­no­misch ver­wert­ba­re!

 

Die Deut­schen und die Krise


Die Flucht in das sinn­stif­ten­de na­tio­na­le Kol­lek­tiv bie­tet Schutz und Trost vor den un­ver­stan­de­nen Zu­mu­tun­gen des Mark­tes, Kon­kur­renz­prin­zip und Ver­wurs­tungs­lo­gik denen sich das ver­ein­zel­te In­di­vi­du­um aus­ge­lie­fert sieht. An die­ser Zu­ge­hö­rig­keit kann sich „der Deut­sche“ selbst hoch­zie­hen und sich gleich­zei­tig ein ge­wis­ses Ge­fühl der Ge­bor­gen­heit in einer un­über­sicht­li­chen Welt ab­ho­len.
Dabei ver­deckt die Na­ti­on Wi­der­sprü­che und Herr­schafts­ver­hält­nis­se indem sie ein ge­mein­sa­mes Gan­zes allen Un­ter­schied­lich­kei­ten über­ord­net. Der Be­sitz der Staats­an­ge­hö­rig­keit macht uns zu Deut­schen, egal ob wir Pro­duk­ti­ons­mit­tel oder nur un­se­re Ar­beits­kraft be­sit­zen, ob wir mit Cham­pa­gner die Feier der Na­ti­on be­gie­ßen kön­nen oder mit Lö­wen­bräu vor­lieb neh­men müs­sen. Da­hin­ge­gen schließt das „Wir“ (Deut­sche) au­to­ma­tisch „die an­de­ren“ (Nicht-​Deut­sche) aus und ver­stellt damit den Blick auf mög­li­che Ge­mein­sam­kei­ten, ge­teil­te In­ter­es­sen, Er­fah­run­gen und Be­dürf­nis­se.
Die Ver­bun­den­heit mit der „ei­ge­nen“ Na­ti­on spielt sich al­ler­dings nicht al­lein auf der ide­el­len Ebene ab: Die Kon­kur­renz­fä­hig­keit des Staa­tes im glo­ba­len Hauen und Ste­chen des Welt­mark­tes wirkt un­mit­tel­bar auf das Leben der Staats­bür­ger_in­nen. So hän­gen etwa die Chan­cen auf dem Ar­beits­markt, die Teil­ha­be am Bil­dungs­sys­tem oder der Zu­gang zu staat­li­chen Trans­fer­leis­tun­gen eng damit zu­sam­men, wie er­folg­reich sich der ei­ge­ne na­tio­na­le Stand­ort im glo­ba­len Wett­be­werb be­währt.
Ge­ra­de unter dem Ein­druck der Be­dro­hun­gen durch die Krise heißt es für die Deut­schen sich so­wohl für die Fit­ness des na­tio­na­len Ka­pi­tals ab­zu­stram­peln als auch vor­neh­men Ver­zicht zu üben.
Das part­ner­schaft­li­che Zu­rück­ste­cken der Ge­werk­schaf­ten etwa – und die dar­über er­mög­lich­te Sen­kung der Lohn­stück­kos­ten – konn­te so dem Stand­ort er­heb­li­che Wett­be­werbs­vor­tei­le ge­gen­über den eu­ro­päi­schen „Ge­gen­spie­lern“ auf dem Ex­port­markt si­chern.
Zwar ist es na­tür­lich in ers­ter Linie der Zwang, Geld zu ver­die­nen um das ei­ge­ne Leben, das der Fa­mi­lie etc. zu be­strei­ten und nicht der bloße Wunsch sich um die Na­ti­on ver­dient zu ma­chen, der werk­täg­lich die We­cker stellt. Über die Vor­stel­lung aber, dass es uns gut geht wenn es Deutsch­lands Wirt­schaft gut geht (Mer­kel), stel­len Schin­de­rei und Ver­zicht für die als „na­tür­lich“ emp­fun­de­ne Schick­sals­ge­mein­schaft mit dem Staat eine ro­si­ge Zu­kunft für das In­di­vi­du­um in Aus­sicht.
In die­sem Zu­sam­men­hang er­laubt die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem na­tio­na­len Kol­lek­tiv, den ver­ächt­li­chen Blick über den deut­schen Tel­ler­rand auf ein plei­te­grie­chi­sches Außen, das im Zwei­fels­fall aus kul­tu­rell be­grün­de­ten De­fi­zi­ten nicht mit­hal­ten kann oder will; sich lie­ber den son­nen­ge­bräun­ten Wanst mit me­di­ter­ra­nen Vor­spei­sen­tel­lern voll­stopft, an­statt die Ärmel hoch­zu­krem­peln und sich am ei­ge­nen Schopf aus dem Schla­mas­sel zu zie­hen3. Schlim­mer noch: statt an der Ad­ap­ti­on der er­folg­reich vor­ge­leb­ten as­ke­ti­schen Leis­tungs­be­reit­schaft zu ge­ne­sen, zeigt sich man sich auch noch re­ni­tent. Zwar lässt sich mit der me­di­al ver­mit­tel­ten Ge­gen­über­stel­lung der ein­sich­ti­gen Freun­d_in­nen des so­zia­len Frie­dens hier und der ge­ne­ral­strei­ken­den Heiß­spor­ne da, treff­lich die Über­le­gen­heit des ei­ge­nen, des deut­schen Mo­dells ze­le­brie­ren, doch bleibt dem Aus­ste­chen des Kon­tra­hen­ten ein bit­te­rer Bei­ge­schmack an­haf­ten:
Da die offen zu­ta­ge tre­ten­de Un­ter­le­gen­heit der süd­eu­ro­päi­schen Plei­te­gei­er im in­ner­eu­ro­päi­schen Wett­streit är­ger­li­cher­wei­se die Ge­mein­schafts­wäh­rung, und damit auch Deutsch­land zu bles­sie­ren droht, schnürt der Ex­port-​Eu­ro­pa­meis­ter Ret­tungs­pa­ke­te. Diese sind na­tür­lich kei­ner selbst­lo­sen Men­schen­freund­lich­keit ge­schul­det, son­dern an klare Be­din­gun­gen ge­knüpft. Als Ge­gen­leis­tung soll der Staat end­lich für eine ver­schärf­te Aus­beu­tung der Staats­bür­ger_in­nen Sorge tra­gen, die schon viel zu lange „über ihre Ver­hält­nis­se ge­lebt haben“.
So kann die deut­sche Macht­po­si­ti­on wei­ter aus­ge­baut wer­den. Der Platz auf dem Sie­ger­trepp­chen bleibt re­ser­viert, wäh­rend die staats­bür­ger­li­che Par­tei­nah­me für Deutsch­land den Stolz auf die ei­ge­ne er­brach­te Leis­tung ein­schließt, wes­halb jede Kri­tik von Außen von den In­di­vi­du­en auch als An­griff auf sie selbst emp­fun­den wird.
Genau die­sen Af­front gegen die Na­ti­on und ihre Na­tio­na­lis­t_in haben wir uns auf die Fah­nen ge­schrie­ben.

 

und des­we­gen ma­chen wir jetzt hier die­sen tisch mal ka­putt


An­läss­lich der Mar­ke­ting­ver­an­stal­tung für ein un­ver­krampf­tes Auf­ge­hen im na­tio­na­len Kol­lek­tiv zum 22. „Tag der deut­schen Ein­heit“ wird sich der Nor­den der In­nen­stadt in eine gi­gan­ti­sche Fei­er­mei­le ver­wan­deln. Wäh­rend in den Bier­zel­ten – knap­pe vier Ki­lo­me­ter süd­west­lich – das jähr­li­che Mas­sen­be­säuf­nis bei Tracht und Hendln ze­le­briert wird, sol­len sich gleich­zei­tig eine halbe Mil­li­on Men­schen zwi­schen Sie­ges­tor und Ode­ons­platz an Deutsch­land be­rau­schen. Zwi­schen die­sen Ag­glo­me­ra­tio­nen des Stumpf­sinns wol­len wir am drit­ten Ok­to­ber für eine kri­ti­sche In­ter­ven­ti­on sor­gen.
Dabei geht es uns nicht nur um eine Ab­fuhr an jeg­li­che Art des Na­tio­na­lis­mus, wie auch immer diese sich ver­kauft: Eine ra­di­ka­le Kri­tik am Na­tio­na­lis­mus muss sich not­wen­dig an eine fun­da­men­ta­le Kri­tik am Kon­zept der Na­ti­on selbst wagen. Wenn wir uns gegen die Na­ti­on im All­ge­mei­nen und Deutsch­land im Spe­zi­el­len wen­den, wol­len wir uns dabei weder von den zwangs­läu­fi­gen wi­der­li­chen Ge­mein­sam­kei­ten ka­pi­ta­lis­ti­scher Na­tio­nal­staa­ten für die Spe­zi­fi­ka einer deut­schen Na­ti­on blind ma­chen las­sen, noch um­ge­kehrt. Im Kampf gegen Aus­beu­tung, Aus­gren­zung und Un­ter­drü­ckung set­zen wir nicht auf from­me Wün­sche par­ti­ku­la­rer Be­frei­ung son­dern auf die Um­wäl­zung aller Ver­hält­nis­se für die diese kon­sti­tu­tiv sind. Uns geht es nicht al­lein darum, die Ver­hält­nis­se ir­gend­wie er­träg­li­cher zu ge­stal­ten. Uns geht es um nicht we­ni­ger als die be­frei­te Ge­sell­schaft: The only good na­ti­on is ima­gi­na­ti­on!

__________

1 Shoah (he­brä­isch: ha‘Schoah „die Ka­ta­stro­phe“) und Por­a­j­mos (ro­ma­nes „das Ver­schlin­gen“) be­zeich­nen die Mas­sen­mor­de an als Juden und als „Zi­geu­ner“ Ver­folg­ten in der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus.

2 Ähn­lich ver­hält es sich bei­spiels­wei­se bei den au­ßen­po­li­ti­schen Be­zie­hun­gen von Deutsch­land mit dem Iran und Sy­ri­en. Deut­sche Un­ter­neh­men, die mit Her­mes­bürg­schaf­ten (Ab­si­che­rung von Aus­fäl­len aus po­li­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Grün­den durch den Bund) aus­ge­stat­tet in Kri­sen­ge­bie­te ex­por­tie­ren kön­nen, un­ter­stüt­zen damit au­to­ri­tä­re Re­gime und Dik­ta­tu­ren. So un­ter­stütz­te bei­spiels­wei­se die Münch­ner Firma tro­vi­cor die ira­ni­schen re­gime­treu­en bas­sid­ji-​Mi­li­zen mit Über­wa­chungs­u­ten­si­li­en aller Art zur bru­ta­len Auf­stands­be­kämp­fung.

3 In der ei­ge­nen un­ter­drück­ten Sehn­sucht nach einem an­de­rem, einem ge­nuss­vol­lem Leben und der frei­en Ver­füg­bar­keit der Zeit, die auf­grund der ab­so­lu­ten De­le­gi­ti­mie­rung des blo­ßen Ge­dan­kens an eine re­vo­lu­tio­nä­re Um­wäl­zung der Ver­hält­nis­se, nur noch über ro­man­ti­sche Pro­jek­tio­nen auf ein ima­gi­nier­tes An­de­res („ der Zi­geu­ner“, „der faule Süd­län­der“) zu haben ist, ist die For­de­rung an des­sen Un­ter­wer­fung an­ge­legt.

 

 


 

Aktuelles, News & Termine findet mensch auf:


http://3oktober12.blogsport.de/

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

The only good nation is imagination?
Dabei ist doch jede Nation eine "imagined community" (Anderson), der Gegensatz den ihr hier aufmacht mithin frei erfunden.

Aber so mag ich meine 'antinationale' Linke - nicht mal die Klassiker auf dem Schirm bzw. nicht zu Ende gedacht, aber Text produziert als gins um die Semesterendnote.

Das Gegendere von Sinti und Roma ist auch frei erfunden, oder?

p.s.: https://en.wikipedia.org/wiki/Imagined_communities

nationen sind keine bloße erfindung, kein konstrukt, das man nur denkonstruieren müsste. sie sind ganz objektiv da. das glaubst du nicht? dann versuch mal ohne pass über die us-amerikanische (oder europäische oder sonsteine) grenze zu kommen. da werden dir dann breitschultrige grenzbeamte mit gewalt beibringen, dass es die nation gibt und manche dazugehören, und andere eben nicht.

... aber das macht ide Gegenüberstellung böse Nation - Gute Imagination nicht richtig. Weil du eine Teilmenge der Menge gegenüberstellst, deren Teil sie ist.

Nationen sind bloß ein Konstrukt. Das was du meinst sind Institutionen und Strukturen, welche sich auf das Konstrukt Nation berufen. Es ist nämlich nicht die Nation die Gewalt ausübt, sondern jene Menschen welche an die Nation glauben. Gott ist ja auch nicht real, bloß weil ein paar Fanatiker in seinem Namen reale Morde begehen oder reale Institutionen bestehen, welche sich auf Gott berufen.