Zum rassistischen Bürgermob in Leipzig, Proteste dagegen, der Leipziger CDU und ihren Veranstaltungen zum “Extremismus“ und einen Polizeipräsidenten, der seit Monaten seine Bürgermeisterkandidatur vorbereitet.
Seit in der Stadt Leipzig ein neues Konzept zur Unterbringung von Asylsuchenden vorliegt, wiegen die Wellen hoch. Auf Veranstaltungen der Stadt zur Vorstellung des Konzepts wurde mehrmals in erschreckender Art und Weise Stimmung dagegen gemacht (Video: Sachsenspiegel vom 12.06.2012 | Hier ab vier | LVZ Online |). Nicht etwa, weil das Konzept in Fragen der Gleichstellung von Asylsuchenden nicht weit genug geht, sondern weil sich absurde Ressentiments und Unkenntnis mit offenem Rassismus mischen. Asylsuchende werden dabei, als sei das nicht schon schlimm genug, nicht nur als „diffuse Bedrohung“ wahrgenommen, sondern als konkret bösartige, drogensüchtige und „zersetzende“ Gefahr. Davon zeugen mehrfach geäußerte Behauptungen (Berichte zu den Versammlungen: hier | hier | hier | hier | hier ).
So war auf den Veranstaltungen in mehreren Stadtbezirken immer wieder zu hören, dass „die immer mehr werden“ würden, Kinder sich „Spritzen auf Spielplätzen eintreten“ könnten, man sich „am Abend nicht mehr alleine nach Hause trauen“ könnte und dergleichen mehr. Für die realen Lebensbedingungen der Asylsuchenden und Flüchtlinge hat sich hingegen kaum jemand interessiert. Dafür war von „Abwertung des Wohneigentums“, von „Asylanten“ und „notwendigen Sicherheitskonzepten“ die Rede. Auf nicht wenigen Veranstaltungen zur Vorstellung des Konzepts schwankte die Stimmung zwischen Fußballstadion und Stammtisch. Es wurde gegröhlt, gelacht und im Stakkato offen rassistischen Aussagen applaudiert.
Spätestens nach diesen Erfahrungen der letzten Wochen bricht die Selbstdarstellung der Stadt Leipzig als "tolerant und weltoffen" wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das es im braunen Sachsen schon immer ein Marketingtrick als eine reale Beschreibung der Leipziger Zustände war, sollte eigentlich klar sein. Doch der rassistische Bürgermob hat erste Erfolge vorzuweisen, so wurde die Abstimmung über das Konzept für die Unterbringung der AsylbewerberInnen um einen Monat verschoben. Ursprünglich sollte es morgen im Stadtrat zur Abstimmung kommen, doch der SPD-Oberbürgermeister Jung verschob die Entscheidung auf Juli, damit die Verwaltung noch genug Versuche unternehmen kann den rassistischen BürgerInnen mit Argumenten auf ihre völlig haltlosen Ressentiments zu antworten.
Eine Initiative will jedoch die morgige Stadtratssitzung nicht ohne Protest gegen den Rassismus über die Bühne gehen lassen und ruft daher um 16Uhr zur Kundgebung "Gegen rassistische Mobilisierung, für menschenwürdiges Leben und Wohnen" vor dem Rathaus auf.
Eine wichtige Erkenntnis aus den vergangenen Wochen ist auch, dass der Stadt Leipzig in einigen Bereichen die Hände gebunden sind. Viele Menschen in Leipzig, sogar in Teilen die CDU, sprechen sich für eine dezentrale Unterbringung von AsylbewerberInnen in Wohnungen aus, jedoch steht im sächsischen Landesgesetz, dass AsylbewerberInnen am Anfang in Sammelunterkünfte untergebracht werden müssen. Die Stadt Leipzig würde angeblich gerne alle Asylsuchende in Wohnungen unterbringen, ist aber an die Landesgesetze gebunden.
Hier zeigt sich auch wie verlogen die Leipziger CDU ist, wenn sie versucht die Proteste der BürgerInnen für sich zu vereinnahmen. Auf der anderen Seite zeigt sich, wie unfähig die protestierenden BürgerInnen sind die Gesamtlage zu begreifen, über die Stadtgrenze schafft es ihr beschränkter Blick nicht.
Jedoch gibt es am kommenden Donnerstag eine Demonstration in Dresden, die sich zu folgenden Punkten positioniert: Unterbringung von Asylsuchenden in Wohnungen statt Heimen, für die Abschaffung der Residenzpflicht und weiterer diskriminierender Gesetze (Asylbewerberleistungsgesetz) sowie für einen generellen Abschiebestopp.
Zurück zu Leipzig, am morgigen Abend wird auch im Rahmen der Kampagne "Rassismus tötet!" der Film "Wer Gewalt sät… Von Brandstiftern und Biedermännern" im Leipziger Süden gezeigt. Erst vergangene Woche fand im Rahmen der Kampagne eine Kundgebung in Leipzig statt (Bericht: Indymedia), die auf rassistische Morde aufmerksam machte.
"Mit christlich-humanistischen Werten gegen politischen Extremismus! Geht denn das?"
So lautet die Fragestellung einer völlig bescheuerten Veranstaltung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU-Leipzig am kommenden Donnerstag. Eine Antwort auf diese Frage bietet schon der oben genannte Film "Wer Gewalt sät… Von Brandstiftern und Biedermännern" oder aber die Äußerung von CDU-Politiker auf ihrem Bürgerforum im Leipziger Anker vergangene Woche, wo sie von "Asylanten" redeten.
Ganz klar, "Nein", gegen den "Extremismus der Mitte" helfen auch keine sogenannten "christlichen Werte". Ebenfalls verhindert die CDU, dass in Sachsen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gesetzlich anerkannt werden. „Eine grundsätzliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe ist nicht beabsichtigt”, sagte die Landesregierung im April diesen Jahres (weitere Informationen dazu hier, hier). Weitere Berichte zum Thema Homophobie in der CDU: "Dieter Blechschmidt (CDU): “Schwule und Lesben können nichts für ihre Krankheit”"; "Gottes Bastion im sächsischen Erzgebirge" und hier
Viel spannender ist aber die Besetzung des Podiums dieser Veranstaltung. Die oben genannte Frage sollen nämlich folgende Personen beantworten:
Pfarrer i. R. Christian Führer, ein Mensch, der bis heute nur alle gesellschaftlichen Ereignisse durch die Brille "1989" erklären und beschreiben kann, also bis heute im Jahr 1989 gefangen ist. Weiter auf dem Podium vertreten ist Reinhard Boos, "Präsident des Landesverfassungsschutzamtes Sachsen". Präsident eines Verfassungsschutzes der in Sachen "NSU" gänzlich versagt hat (hier | hier | hier), ein gutes Buch zur ganzen Thematik "Made in Thüringen? Nazi-Terror und Verfassungsschutz-Skandal". Und natürlich nicht zu vergessen, ein Verfassungsschutz der Nazis vor der nächsten Razzia warnt ("Mit drei Wochen Vorwarnzeit: Razzien bei “Terror Crew Muldental”).
Reinhard Boos war früher auch Referatsleiter für Ausländer- und Asylangelegenheiten im Sächsischen Innenministerium, er sorgte in seiner Amtszeit zum Beispiel dafür, dass AsylbewerberInnen kein Bargeld erhalten und erklärte das so: „Das Sachleistungsprinzip ist eine gewollte Einschränkung in der freien Gestaltung des Lebens. [Es] hat unter anderem, aber auch wesentlich den Zweck, dass kein besonderer Anreiz geschaffen werden soll, hier einzureisen und einen Asylantrag zu stellen, der keine Chance auf Erfolg hat“ (Zitat aus der Sendung „Was lange währt, wird auch nicht gut“ am 15.3.2006 auf coloRadio Dresden.). Berichte zum langen Streit darum, dass AsylbewerberInnen endlich Bargeld bekommen: umtauschinitiative leipzig; Was lange währt wird auch nicht gut.; Endlich Bargeld!; „Und wer kontrolliert Ihr Leben?“
Abgerundet wird die Veranstaltung von einem klasse Moderator: Karsten Albrecht, CDU-Stadtrat. Jener Stadtrat hat vor einigen Wochen gezeigt, welche "christlichen Werte" er vertritt, nämlich das denunzieren seiner NachbarInnen, besser gesagt der bösen "links alternativen Szene" (das Schreiben von Albrecht hier zu finden und hier ein offener Brief gegen die Denunziation von Albrecht und Herrn Gurke). Es verspricht also eine klasse Veranstaltung zu werden.
Polizeipräsident will "Stadtoberhaupt" werden
Ein weiteres Highlight der Woche ist die Kandidatur des Leipziger Polizeipräsidenten für die kommenden Oberbürgermeisterwahl im Jahr 2013.
Wer die letzten Monate der Amtsausübung von Wawrzynski verfolgt hat, den kann dessen Kandidatur nicht wirklich überraschen. Diese Zeit war ganz offensichtlich gepflastert von Selbstinszenierung und Vorbereitung auf den Wahlkampf. Dabei hat Wawrzynski in seinem Amt genau die Themen gesetzt, die er nun im Wahlkampf bedienen wird. Unabhängig davon, ob Wawrzynski für die CDU oder ohne die Partei antritt, handelt es sich um einen gut vorbereiteten Schachzug. Die Grenze zwischen ernsthafter Amtsausübung und privat-politischem Interesse scheint indes zu verschwimmen. Wawrzynski hatte sich in seiner Funktion als Polizeipräsident zuletzt immer wieder medienwirksam in den politischen Debatten der Stadt zu Wort gemeldet oder diese gar erst entfacht. Neben dem vermeintlichen Kampf gegen Beschaffungskriminalität hat Wawrzynski jüngst auch die Debatte um die Unterbringung von Asylsuchenden für sich entdeckt.
Er bespielt die klassischen Themen von Rechtspopulisten: Ausländer, Chaoten, Drogen. Zuletzt hat Wawrzynski ohne großen Erfolg aber mit viel Getöse immer wieder sogenannte Komplexkontrollen in Leipzig (hier) durchführen lassen. Obwohl bei näherer Betrachtung diese Einsätze kriminalistisch recht wertlos und vor allem teuer waren, wurden sie als großer Erfolg verkauft.
Diese sogenannten Komplexkontrollen waren reines Spektakel. Ohne wirkliche Substanz, aber öffentlich wirksam. Das scheint der eigentliche Zweck gewesen zu sein. Warum diese Einsätze vom sächsischen Innenminister trotz ausbleibender Erfolge immer wieder genehmigt worden sind, kann nur Markus Ulbig selbst erklären.
Besondere Würze erhält Wawrzynskis Kandidatur durch die spezifisch sächsische Konstellation. Die Vorgesetzten des Polizeipräsidenten, der sächsische Innenminister Markus Ulbig und der sächsische Polizeipräsident Bernd Merbitz, haben selbst ein CDU Parteibuch. Es ist nicht verwunderlich, dass Wawrzynski sich gerne von der Leipziger CDU nominieren lassen will, schließlich haben seine Vorgesetzten genau dieses Parteibuch. Da ist eine Kandidatur, auch ohne selbst Mitglied zu sein, ein Heimspiel.
(1) – Der Titel ist eine Anlehnung an einen Bild-Artikel aus Bremen (http://www.bild.de/regional/bremen/trikot/wegen-deutschland-trikot-rausgeflogen-24666626.bild.html), liebe Grüße an die Menschen aus Bremen, super Aktion, mehr davon!
Petition gegen Rassismus und für das Konzept der Stadt:
Initiativkreis: Menschen. Würdig. Kampagne für menschwürdiges Leben & Wohnen auch für Asylsuchende
weitere Links:
Sprache
Asyl-ant ist weitaus weniger rassistisch zuschreibend als asyl-suchend. im asyl-suchen klingt ein "hier aber doch wohl nicht" mit, es suggeriert die ablehnbarkeit, nicht-zuständigkeit. dahingegen ist die nachsilbe -ant lediglich die bezeichnung von jemand der/die darüber definiert wird im zusammenhang mit asyl in erscheinung zu treten. sicherlich ist das wort asyl-ant stark negativ gedeutet im bewußtsein der "allgemeinheit" (der volksgemeinschaft) vorhanden, jedoch ist es rein sprachlich durchaus richtig und weniger diskriminierend als asyl-suchend, welches die begutachtung des vermeintlichen suchens durch das "herrenvolk" der deutschen (das ist jetzt sarkastisch gemeint) in den fokus rückt. wenn wer hier angelangt hat er/sie bereits asyl "gefunden", das als suche zu betiteln beinhaltet die ablehnung (des faktums der - möglichen - ankunft). dass das wort asyl-ant ein rechter kampfbegriff geworden ist liegt an der sprachlichen bedeutung, und dem ein "suchen" entgegenzuhalten ist in etwa soetwas wie die bitte um verständnis oder nachsicht. gegenüber wem? warum?
dahinter verbirgt sich protestantische ethik, aber kein kritisches bewußtsein.
Sprache²
Gemeint ist Be-Deutung im Sinne von Auslegung, jedoch eben als willentlicher Akt, nicht von der ursprünglichen wortschöpfung her.
yeah
es bekommt eben nicht jede/r asyl. deshalb gibt es unterschiede im "status" des betroffenen menschen: geduldet (z.b.menschen deren antrag auf asyl als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, aber aus anderen gründen nicht abgeschoben werden können) oder anerkannt.
refugee=zuflucht suchende person
Sprache³
Mag sein das dass das Wort Asyl-suchend dahingehender trefflicher ist da es allerlei miteinbezieht welches vermeintlich nicht im Wort Asyl-ant vorkomme, also Status des Antrages auf. Dennoch ist das Wort Asyl-ant nichts das als diskrimierend verstanden werden müsse. Es macht also wenig Sinn das Wort "Asyant" in Anführungszeichen hervorzuheben um eine Diskriminierung nachzuweisen wie im Text geschehen. Es ist doch weitaus erschreclicher, dass das Wort ganz allgemein zur Diskriminierung gebraucht wird ohne dass es der Bedeutung nach so ist. Das dann einfach so zu nehmen und dem nur bloß ein asyl-suchen entgegenzuhalten ist schlicht falsch und wenn man es genau nimmt, von dem Wort selber her, ist die Wertigkeit eher eine herabmindernde als mit der Nachsilbe -ant. Refugee würde ich als Flüchtling übersetzen, wobei die Nachsile -ling wiederum eine Herabminderung darstellt (Bsp: Die Ureinwohner Amerikas hatten keinen Hauptmann sondern nur einen -ling.)
Fliehende, Geflohene, ist also trefflicher als Flüchtlinge. Da dies zu unspezifisch ist ist es schon Okay von Asyl-ant zu sprechen.