Gegen Geschlechtsnormierung durch Jugendamt

Lasst Alex in der Familie

Ungefähr 100 Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlichster Herkunft waren am 18.04. dem Aufruf des Aktionsbündnis ALEX zu einer Kundgebung vor dem Berliner Jugendamt/Bezirksamt Zehlendorf gefolgt. Auch einige Kinder und Jugendliche unterstützen den Wunsch des inzwischen 12 Jahre gewordenen Kindes, nicht zwangspsychiatrisiert, sondern vom Jugendamt endlich als Mädchen anerkannt zu werden. Sie forderten eine unabhängige Begutachtung.

 

Ursprünglich hatte sich Alex‘ Mutter in der Hoffnung auf Unterstützung im Rahmen einer Trennung der Eltern an das Jugendamt gewandt – stattdessen erlebten sie und ihre Tochter Drohung und Zurechtweisung. Das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf hat der Mutter des Mädchens das Recht der Gesundheitsfürsorge auf eine Ergänzungspflegerin übertragen, die Alex‘ Geschlechtsdentität nicht anerkennt: Sie erwägte eine Zwangspsychiatrisierung von Alex und beantragte, Alex von ihrer Mutter zu trennen und sie in eine Pflegefamilie zu geben. Von der Mutter und Alex selbst gewählte Therapeut_innen und Ärzt_innen wurden abgelehnt. Vor wenigen Wochen wurde vom Gericht ein Widerspruch gegen die Aberkennung der gesundheitlichen Fürsorge zurück gewiesen. Ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht wurde darauf hin vom Anwalt der Mutter beantragt.

 

Die Bevormundung durch Behörden und Medizin wird vom Aktionsbündnis zurückgewiesen:

Das "Aktionsbündnis ALEX" besteht aus Einzelpersonen und Vertreter_innen verschiedener Gruppen. Unterstützer_innen sind unter anderem: Triq; ABqueer; GLADT; LesMigras; autotrans; TCSD; ATME e. V.; Berliner Kampagne-STP-2012; IfeB e.V. =Interessengemeinschaft freiberuflicher Einzelfallhelfer_innen Berlin); AK Marginalisierte Gestern und Heute; Ruby Tuesday e.V - Hip Hop & Rock Camps für Mädchen, Trans*, Inter; Initiative für einen geschlechtergerechten Haushalt in Berlin.

 

 

Die Hauptforderungen des Bündnisses:

Wir fordern das Jugendamt auf, dafür zu sorgen, dass Alex‘ bei ihrer Mutter bleiben kann!

Wir fordern kompetente und selbstgewählte Versorgung, sowie Unterstützung der Mutter!

Die zugewiesene Pflegerin muss abgesetzt werden!

Rückgabe des Gesundheitsfürsorgerechts an die Mutter!

Schluss mit Pathologisierung und Psychiatrisierung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die nicht dem Geschlecht entsprechen, welches in ihrer Geburtsurkunde fälschlicherweise festgelegt wurde!

Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung !

Für eine selbstbestimmte medizinische Versorgung !

- für Kinder, Jugendliche und Erwachsene - !

Stopp die Pathologisierung von trans*Menschen !

Das eigene Geschlecht zu leben ist ein Recht – keine Krankheit !

 

 

 

In verschiedenen Redebeiträgen wurde hervorgehoben, dass das Jugendamt bzw die Pflegerin gegen Standards des Berliner Senats verstoßen, die Diskriminierungsfreiheit und Diversity (=Vielfalt) im Umgang mit Trans*, Queer, Lesben und Schwulen beanspruchen. Eine Menschenrechtsaktivistin erklärte, dass das Vorgehen der Behörde auch internationalen Kinderrechtskonventionen, die Deutschland mitunterzeichnet hat und anderen Menschenrechten widerspricht.

 

Zwei Menschen erklärten, warum die Solidaritätsgruppe einer Internationalen Kampagne gegen die Pathologisierung von Trans*Menschen Alex unterstützt:

Internationale Krankheitskataloge (ICD und DSM), sind die Richtlinie von juristischer, sowie medizinischer und psychiatrischer Praxis, die mit Diagnosen wie "Geschlechtsidentitätsstörungen" eine solche Zwangsbehandlung und Pathologisierung von trans* Menschen unterstützen. Eine internationale Kampagne fordert seit Jahren die Streichung der Kategorie "Geschlechtsidentitätsstörungen" aus den internationalen Krankheitskatalogen sowie die Gewährleistung einer selbstbestimmten medizinischen Versorgung.



Aus der Rede der Berliner Kampagne STP-2012-

 

"Eine behauptete Geschlechtsidentitätsstörung existiert nicht.

Was existiert ist die Transphobie: ...Im Rahmen der "Begutachtung" kommt es nicht selten zu übergriffigem und herabwürdigendem Verhalten der selbst ernannten "Experten", in Jugendämtern und in der Psychiatrie. Auch der Beauftragte des Europarats für Menschenrechte erklärt, daß das Recht auf Selbstbestimmung und freie Entfaltung von Persönlichkeit in Deutschland verletzt wird: Im sozialen Raum, in der Arbeitswelt, bei staatlichen Behörden, im Gesundheitswesen und im Dienstleistungssektor hat eine pathologisierende Zuschreibung erhebliche Diskriminierungen und soziale Ausgrenzung zur Folge. Sie ist eine der Grundlagen der weltweit verbreiteten Transphobie, die mit einer steigenden Anzahl von Gewaltakten und Haßmorden gegen Trans*-Menschen einhergeht. Menschen mit geschlechtsuneindeutigem Auftreten werden überdurchschnittlich Opfer von trans*- und homophober Gewalt. ...

 

 

 

Das Trans Murder Monitoring Projekt der TGEU zählt im März 2012 insgesamt 816 berichtete Morde an Transmenschen in 55 Ländern vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011. In Europa wurden 53 Morde an Transmenschen aus 11 Ländern berichtet. Der Beauftragte des Europarats für Menschenrechte stellt fest, daß eine homosexualitätsfeindliche und transphobische Belästigung am Arbeitsplatz und das Tyrannisieren von LSBT Personen in Schulen in praktisch allen Mitgliedstaaten der EU tägliche Praxis ist. Studien belegen, daß eine unverhältnismäßig große Anzahl von jungen LSBT Personen keinen anderen Weg sieht, als Selbstmord zu begehen wegen der verweigerten Akzptanz ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtidentität durch Gleichaltrige und Familien. Selbstmord = Mord!

 

Wenn die Medizin und der Staat uns als psychisch gestört definieren, stellen sie unter Beweis, daß unsere Identitäten, unsere Leben ihr System stört. Daher sagen wir, daß die Krankheit nicht in uns ist, sondern in der Annahme eines Zweigeschlechtersystems zu suchen ist: Die Unterstellung der Psychiatrie, es gäbe nur zwei biologische, zwei sicher durch Genitalien, Chromosomen, Gonaden oder was auch immer voneinander trennbare Geschlechter, ist ein wissenschaftlich nicht belegter Mythos zur Legitimierung von sozialer Ungleichheit.

 

Wir fordern ein Ende der Diskriminierung von trans*Menschen durch Berliner Behörden!"

....

Da ein ein hoher Prozentsatz von Trans*-Menschen erwerbslos sind, machen sie auch Erfahrungen mit Diskriminierungen und rigidem Druck im JobCenter und Sozialamt.



 

Auch die besondere deutsche Tradition solcher AMTSANMASSUNG wurde herausgestellt: "Psychiater und deren Organisationen waren ebenso wie Jugendamtsmitarbeitende an den Verbrechen des deutschen Faschismus, an massenhaften Ermordungen von Menschen mit "Behinderungen" und "psychisch Kranken" sowie Zwangssterilisierungen aktiv mitbeteiligt. Psychiatrische Normierungen ohne Rücksicht auf Selbstbestimmung der ihnen Ausgesetzten verschärfen heute soziale Selektion und fördern soziale Ausgrenzung. Dies markiert einen gesellschaftlichen Rechtsruck, dem wir uns entgegen stellen!"

 

 

Andere Redner_innen apellierten an die Menschlichkeit und Gesprächsbereitschaft der Jugendamtsmitarbeiter_innen und hofften, offene Ohren zu finden.

 

Ein erblindeter Mann sprach davon, dass nach seiner Erfahrung Würde und Respekt bei deutschen Behörden ein Fremdwort sind. Zwar wird Integration von "Andersartigen" gefordert, aber aktiv Ausgrenzung von als "Behinderten" oder "Andersartig" Stigmatisierten vorangetrieben durch behördliche Praxis. Im Privatgespräch erklärte er, dass er selbst mit seinem Blindenhund häufig aus Ämtern und Arztpraxen verwiesen wurde!



 

Während der Kundgebung lies die Jugendstadträtin einige Vertreter_innen des Bündnis mit Polizeibegleitung zum Gespräch bitten. Sie sprach davon "ein Setting zu finden, mit Mutter und Kind zu sprechen", aber eine konkrete Lösung oder eine konkrete Zusage wurde nicht erreicht. Da der Behördengang sich VERMUTLICH NOCH EINIGE ZEIT hin ziehen wird, gilt es den Funken Hoffnung für Alex am Glimmen zu halten! Alleine die Rückübertragung der Gesundheitsfürsorge auf die Mutter könnte mehr wie 2 Jahre in Anspruch nehmen. Dafür wird Geld und weitere Solidarität benötigt. Das Aktionsbündnis versprach nötigenfalls wieder zu kommen und wird das Jugendamt weiter im Blick behalten!

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Zu hören, wie es diesem Kind ergeht, und wie es behandelt wird, macht mich wütend und traurig. Ich weiß wie es ist gegen die Behörden, gegen steinerne Kolosse, anzugehen. Mutter, Alex und alle ihre Unterstützer_innen viel Kraft und Mut für den weg!

 

Down with gender, be queer

Ich wünsche allen die sich dafür einsetzen,das es Alex bald wieder besser geht und zwar so wie sie es will und auch der Mutter die sie dabei unterstützt das beste und alles gute.

 

Es geht nicht das sich da Hampel vom Jugendamt und der Psychatrie einmischen oder andere Ärzte usw, wo kommen wir den dahin.

 

Nieder mit Sexuellen Diskrieminierungen.

Ich schließe mich meinen Vorgängern/Vorgängerinnen hier an....auch mich macht dieser Fall richtig wütend und traurig und ist leider mal wieder ein sehr gutes und enttäuschendes Lehrstück auf die angeblich so tolle Demokratie, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung in diesem Lande. Wird ja immer und überall so toll von offizieller Seite, Behörden und vielen Politikern betont...vorm Wahlvolk...aber wenn es dann wirklich mal drauf ankommt Farbe zu bekennen und sich für die Menschen real mal einzusetzen, dann wird sich hinter veralteten und überkommenden Gesetzen versteckt und jede menschliche und emotionale Regung und Verständnis über Bord geworfen......echt sehr traurig und enttäuschen in meinen Augen.

 

Deshalb mehr Verständnis und Respekt für jeden Menschen und Mut das auch einzufordern!!!