Jede Nacht, ist eine Nacht der Anarchie

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Dies wurde kurz nach dem Event, Langen Nacht der Anarchie, geschrieben. Es wurde nie im Netz veroeffentlich, auch wenn dies etwas spaet ankommen mag, wird es jetzt veroeffentlich, weil es immer noch ein wichtiger Ausdruck von ein paar AnarchistInnen aus und um Wien ist.

 

Jede Nacht, ist eine Nacht der Anarchie

 

Wacht auf, Verdammte dieser Erde, 

die stets man noch zum Hungern zwingt!

Das Recht wie Glut im Kraterherde

nun mit Macht zum Durchbruch dringt.

Reinen Tisch macht mit dem Bedränger!

Heer der Sklaven, wache auf!

Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger

Alles zu werden, strömt zuhauf!

Völker, hört die Signale!

Auf zum letzten Gefecht!

Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!“ (Die Internationale)

 

Wien ist ... anarchistisch. Zumindest im Laufe des Tages und der Nacht vom 7 Mai 2011, denn „In dieser Nacht wird wohl einigen ein Grausen in den Sinn kommen, bereits bei Anbruch der Finsternis, wenn die Gassen Wiens im trüben Mondlicht, wenn dunkle Gestalten um die Ecken und hinter vorgehaltener Hand zugeflüstert wird. Das ist die lange Nacht der Anarchie. In dieser Nacht wird sich eine beunruhigende Stimmung über die Stadt legen. Sich in die Träume der Herrschenden schleichen und diese in Alpträume verwandeln.“(von der Pressegruppe der Langen Nacht der Anarchie) 

Und dies, ganz treu der alten Wiener sozialdemokratischen Manier, alles bleibt beim Alten. Denn wer es noch nicht weiß (und daher auch deppart sein muss), die Wiener AnarchistInnen sind der Alptraum der Bourgeoisie. Nicht in ihren Taten, sondern in ihrem Geflüster. Ein Geflüster, welches die Vernunft zu Alpträumen verändern lässt. Eine Unaufhaltsame Stille der Mehrheit, die lauter ist, als das Brechen von Scheiben aller AMS, heller als das Brennen von Militärfahrzeugen oder spontaner als eine unangemeldete Demo bei der die Straßen real zurückerobert werden. 


Nicht desto trotz, ist mal wieder unser Latein in Wien aus. Was sollen wir tun? Die Welt durch Geflüster zu ändern mag angenehm, lustig, geheimnisvoll und zu gleich erstrebenswert sein, ein Wunsch den viele haben, aber die gesellschaftlichen Veränderungen werden aber noch lange auf sich warten müssen. Denn wieder einmal, dieses mal in Form einer langen Nacht, feiern sich Wiener AnarchistInnen ab. Für eine Nacht lang, wird Wien von AnarchistInnen überflutet sein. Mal schauen wo sie sich ab dann blicken lassen... Und diese AnarchistInnen werden auch jene sein, die viele Räumlichkeiten überfüllen zumindest solange dieser Zirkus andauert. Räumlichkeiten, von denen man denken könnte, zumindest durch diese Nacht, dass dort die Subversion geschmiedet wird. Räumlichkeiten in denen jedoch an den anderen 364 Tagen des Jahres in Wirklichkeit nur postmoderner Delirium produziert wird. Warum soll dies, dann eine Nacht lang doch dann anders sein und vor allem anarchistisch?

Nach dieser Nacht, wo wird die Anarchie und ihre LiebhaberInnen bleiben? Oder wird wieder ein Jahr vergehen müssen, damit sich AnarchistInnen in Wien wieder finden? Oder wird doch noch erkannt dass in jeder Nacht die Anarchie stattfindet, genauso wie der Ansturm aller Winterpaläste? Das dass Leben von AnarchistInnen kein Catwalk ist, sondern die Spirale einer sich zuspitzenden Schneide im Kampf für die Freiheit wird schnell ausgeblendet.

 

„(...)in Wien, die Donauinsel der Seligkeit, gibt es linke, emanzipatorische autonome Projekte, Initiativen und Räume, die sich in einen herrschenden Mainstream nicht integrieren wollen und diesen in Frage stellen“(Siehe ebenda). Reicht dies schon? Ist dies die einzige radikale Einstellung? Wenn sich Linke ja so offensichtlich so verstehen, wir verbinden sie ihr Handeln mit dem Anarchismus? Scheint wohl für eine Nacht zu reichen. 

Reicht aber diese Einstellung, sich einem Mainstream nicht zugehörig fühlen zu wollen, für den Aufbau der anarchistischen Utopie? Oder ist dies einfach nur das übliche Linke Verhalten welches ein potenzielles Klientel sucht um auch noch im kommenden Morgen das politische Ghetto am Leben erhalten zu können?


Oder spielt die Ausrede einer weit her geholten Gemeinsamkeit, in diesem Fall die Zustimmung dass es sich hier um anarchistische, libertäre und zumindest auch antiautoritäre Räumlichkeiten handelt. Die Räumlichkeiten, sind ja perse nicht ein radikaler Ausdruck eines Kampfes gegen jede Form von Unterdrückung, sondern mehr der Schall der Subjekten die drinnen einen Kampf zwischen Freiheit und Entfremdung führen. Und dieser Kampf scheint in Wien mehr durch den Erhalt dieser Räumlichkeiten stattzufinden, als dass diese als einen Sprungbrett gegen die herrschende Welt dienen.

 

Aber wie diese Nacht, als Kopie der Langen Nacht der „wie auch immer was“, ist nur als Höhepunkt der Suche nach Öffentlichkeit zu verstehen. Der Orgasmus der Anhäufung von Menschen in Räumen die normalerweise sehr leer sind, es sei denn, dort werden Feste gefeiert. Dass was die Dialektik aufgrund fehlender Praxis nicht mehr zu verbinden weiß, wird durch das ständige ab feiern der Linken ersetzt.

Daher wird das Scheitern nicht anerkannt, denn der Höhepunkt dient nur der Füllung der eigenen Egos, dieses mal in Form der eigenen Räumlichkeiten. Die Ausrede um dieses Kundschaft anzusprechen ist der Anarchismus, zumindest dieses mal, mal schauen was es dass nächste mal ist...

 

Es ist ja nicht so dass in diesen verschiedenen anarchistischen Räumen, nur alte „Gemälde“, Bibliotheken, Archive, Bars, Kostnixläden oder ähnliches gezeigt wurden. Es gab auch einzigartige Vorlesungen, Kurse, Veranstaltungen und Konzerte.

Sei es wieder mal eine Ausstellung um den spanischen Bürgerkrieg, sei es wieder mal Vorlesungen, sei es um das Zeigen von Filmen, oder das Pflanzen von Pflanzen, Konzerte, Voküs, Flohmärkte, alles irgendwie nach wie vor Ereignisse die nicht den Anspruch haben den Wiener Alltag zu brechen. und die natürlichen Pflicht- besuche feministischer Veranstaltung im „anarchistischen“ homosexuellen Zentrum Rosa Lila Villa, anarchistische Modeshows die sämtliche Strömungen innerhalb des Anarchismus erklären alles mitsamt Orte wo die durstigen Kehlen mit den neusten postmodernen Ideologien befriedigt werden.

 

Das Angebot des Anarchismus in Wien übersteigt sich immer wieder. Konsum leicht verzehrbarer Ideologien und politischer Entfremdung und die Ausrede sich wieder voll laufen zu lassen. Alles geschieht in Wien, strebt aber nie die Realität in Wien minimal zu verändern. Die Puste reicht weder um die Flamme der Revolte am Leben zu erhalten, noch um einen Sprung ins Unbekannte zu wagen.

Die Lange Nacht der Anarchie sei das Heimspiel sagen die Organisierenden. Und wo wird Auswärts gespielt? Wieder in der Normalität? Denn der nächste Tag, lenkt vorsichtshalber alle Verirrten Subjekte wieder in die Arme der demokratischen Vernunft. Und so dreht sich der Spieß wieder um. Dem Herrschenden wird nicht der Krieg erklärt, denn der Kapitalismus soll genossen werden können und solange wird auch die Liebe an diesem andauern.

Wir haben die Schnauze voll von dieser sich gegenseitiger Wixerei Wiener Linke die mal wieder sich als AnarchistInnen profilieren zu versuchen. Das alles kann niemand mehr ernst nehmen. Die Wiener AnarchistInnen sind so wie es ausschaut die verbittersten Feinde des Anarchismus in Wien. So radikal und konsequent den Anarchismus in den Dreck zu ziehen ist ein Meisterwerk...

Wenn der Grund für die Lange Nacht der Anarchie in Wien, es ist den Anarchismus öffentlich zu machen und verbreiten, ist die Frage von was von einer Anarchie hier die Rede ist. Von der, die soziale Konflikte erstrebt oder von der die verstümmelte Identität der sogenannten AnarchistInnen aufzeigt.

 

Beschämend ist es dieses Spektakel nicht als bürgerlich und entfremden aufzuzeigen. Denn dort wo sich am 7 Mai viele AnarchistInnen getroffen haben, wurde nicht überlegt was AnarchistInnen in Wien kollektiv machen können. Keine einzige Gruppe die sich das als anarchistisch versteht, befindet sich bzw. erstrebt den Klassenkampf und den Krieg gegen diese Gesellschaft die auf Mord, Ausbeutung und Unterdrückung aufbaut. Es mag sein dass es in Wien viele AnarchistInnen gibt, nirgendswo ist aber der anarchistische Projekt zu sehen. Wenn dann, nur innerhalb anarchistischer Affinitäten die auf die Linke verzichten und sie als ihre Feinde erkannt haben.

Es kann nicht immer so getan werden, als ob für alles eine Antwort parat wäre oder die genauen Schritte die jetzt zu tun sind. Genau diese Präpotenz, immer zu wissen was jetzt kommt, ist aber eine Linke Spezialität. Anstatt das hier in Wien zu reflektieren was Anarchismus als Utopie im eigenen Leben bedeutet und diese für die verschiedenen AnarchistInnen ausmacht, wird eine Komedyshow und ein breites Unterhaltungsangebot als Anarchismus dargeboten. Es fehlt nach wie vor ein kollektives Verständnis für den Anarchismus als sprengenden Faktor innerhalb der herrschenden und unterdrückenden Gesellschaft. Anstatt dessen, wird eine Verstümmlung anarchistischer Utopien vorangetrieben.

Jede Nacht, jeder Tag, jeder Moment als ein Krieg für die Freiheit ist nur das Resultat der Spannung anarchistischer Individuen. Sollten sich Wiener AnarchistInnen mal anfangen zu überlegen was für eine Rolle sie wirklich spielen wollen und werden.

 

Für die Anarchie, weil sie eine Herausforderung ist, weil sie die Spannung unserer Leben anreizt, weil der reale Kampf gegen den Staat, Kapitalismus und Patriarchat befreiend ist.

Weil Spaß haben, bedeutet auf alles zu scheißen zu können und alles in Frage zu stellen, anstatt diesen Spaß ewig als eine hedonistische Verkrüpplung zu reduzieren.

Weil Revolte Leben bedeutet und nicht andersrum. Weil in unseren Konflikt gegen jede Form von Unterdrückung wir uns wiedertreffen.

Weil wir uns innerhalb unserer Affinitäten wiedererkennen und nicht im linken Ghetto wie Leichen versinken werden.

Weil diese und hunderte Gründe mehr die wir noch zum entdecken haben uns vorantreiben.

Weil wir verliebt sind und vor langer Zeit erkannt haben welche unsere Gefährten und Gefährtinnen sind und welche nicht.

Weil wir uns wie Katzen und Eulen in der Nacht bewegen und dies auch alleine tun wenn es sein muss.

Weil wir keine Opfer sind.

Weil wir Anarchisten und Anarchistinnen sind und uns dafür nicht schämen werden. 

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schöner text!

 

"Nach der Langen Nacht der Museen, der Kirchen und der Forschung bekommt Wien nun eine „Lange Nacht der Anarchie" (http://derstandard.at/1303291145372/Erstmals-in-Wien-Lange-Nacht-der-Ana...)