Die PKK in Nordsyrien. Im Dienste des Diktators

Erstveröffentlicht: 
02.04.2012

Im Kampf um sein Überleben stützt sich das syrische Regime offenkundig auch auf die PKK. Die kurdische Untergrundorganisation kontrolliert Teile des Nordens und hält Präsident Assad den Rücken frei. Kurdische Flüchtlinge fürchten, dass dies weiteres Blutvergießen nach sich ziehen wird.


Aus dem Beton-Rohbau soll eines Tages eine Moschee werden. Es ist kalt. Die Öffnungen, die für Türen und Fenster vorgesehen sind, wurden notdürftig mit blauen Plastikplanen zugemacht, aber an den Seiten zieht der Wind in den großen Innenraum.

 

Brennende Kerosin-Kocher verbreiten wenig Wärme, aber viel Gestank. Auf den Schaumstoffmatratzen und Polyesterdecken hocken junge Männer und schlingen ihr Mittagessen in sich hinein. Eine von drei Mahlzeiten, die ein privater Spender ihnen täglich bringen lässt.

 

Aus Angst vor Assads Regime geflohen

 

Etwa 250 Flüchtlinge sind hier in Irakisch-Kurdistan untergebracht, nahe der Ortschaft Domiz und rund 120 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Und sie berichten das von ihrer Flucht, was Menschen, die dem Terror in Syrien entkommen, dieser Tage berichten.


Rosh zum Beispiel. Der 30-Jährige erzählt davon, dass er in Qamishli in Nordsyrien demonstriert hat, gegen Präsident Baschar al Assad und die schlechten Lebensbedingungen in den syrischen Kurdengebieten. Er erzählt, dass er, der schon vor Jahren seinen Wehrdienst absolviert hatte, erneut eingezogen werden sollte und Angst hatte, auf Aufständische schießen zu müssen, und dass er sich daraufhin von Schleppern in den Irak hat bringen lassen.


PKK nutzt Schwäche des syrischen Opposition

 

Und Rosh berichtet davon, dass die Opposition in seiner Heimat uneins ist, dass die mehr als ein Dutzend syrisch-kurdischen Gruppen schwach sind. Das wiederum nutze, so Rosh, aber auch andere Flüchtlinge, eine Organisation aus, mit der in Syrien nur noch wenige gerechnet hatten: die PKK - die Kurdische Arbeiterpartei, die seit drei Jahrzehnten gegen die Türkei kämpft.


Abdullah Öcalan, der Chef der PKK, hatte lange unter syrischem Schutz gestanden, bevor das Regime ihn Ende der 90er-Jahre auswies und er nach einer Odyssee rund um den Globus vom türkischen Geheimdienst schließlich in Kenia gefangen wurde. Seit den 90er-Jahren unterhalten einigen Tausend PKK-Kämpfer in den unzugänglichen Bergen des Nord-Irak Stellungen und Lager, um von dort aus Ziele in der Türkei und in Iran anzugreifen.

 

PKK wird von Assad unterstützt

 

Nach dem Beginn der Revolte in Syrien vor mehr als einem Jahr sollen jedoch zwischen 1200 und 1500 PKK-Kämpfer in das von Assad regierte Land eingesickert sein - mit der ausdrücklichen Billigung des Regimes in Damaskus. Anfangs, so berichten Rosh und andere kurdische Flüchtlinge aus Syrien, seien sie kaum in Erscheinung getreten, dann aber hätten sie angefangen, ihre Fahne zu hissen.

 

Mittlerweile habe die Führung in Damaskus die Staatsgewalt teilweise oder ganz an die PKK abgetreten. Sie habe eigene Schulen und sogar Gerichte, halte sogar Prozesse ab und bestrafe syrische Kurden  - zum Beispiel wegen der Teilnahme an Regime-kritischen Demonstrationen.

 

Mord an oppositionellem Kurden

 

Ortswechsel - vom Flüchtlingslager unweit der Grenze zu Syrien, nach Erbil, in die Hauptstadt der autonomen Region Irakisch-Kurdistan: Hierher ist Faris Temmo geflohen, der Sohn von Mashaal Temmo, dem bekanntesten syrisch-kurdische Aktivisten, der im vergangenen Oktober, kurz nach seiner Entlassung aus einer mehr als dreijährigen Haft, erschossen wurde.

 

Er war für die kurdische "Zukunftsbewegung" in der größten Oppositionsvereinigung, im Syrischen Nationalrat. Und, sagt Faris Temmo über seinen Vater Mashaal, er wäre der einzige syrische Kurdenführer gewesen, der seine Landsleute gegen die PKK hätte aufbringen können. Deshalb sei er - wohl im Auftrag des Assad-Regimes - von PKK-Mitgliedern oder ihr nahe stehenden Mördern umgebracht worden.

 

PKK-Terror im Auftrag Assads?

 

Der Handel zwischen der PKK und der Führung in Damaskus hat Vorteile für beide: Das Regime überlässt der Kurdenorganisation, die in der EU und den USA als Terrorgruppe eingestuft ist, die Kontrolle über das Grenzgebiet zur Türkei und dem Irak. Und das heiße, so mehrere Quellen, dass die PKK Schutzgelder von Bauern erpresse, Schmuggel organisiere, aber eben auch Revolten niederschlage und Geheimdienstarbeit übernehme.

 

Dafür können Assad und seine Generäle ihre Kräfte in anderen Gebieten konzentrieren. Das alles weist Ibrahim Kocer zurück. Er ist ebenfalls in Erbil, der Hauptstadt von Irakisch-Kurdistan, ansässig; als Vertreter des syrischen Flügels der PKK, PYD genannt. Sie, nicht die PKK, sei in Syrien aktiv; und die PYD sei allenfalls im Selbstverteidigungsfalle zu Gewalt bereit. Ansonsten wolle sie friedlich für einen demokratischen Staat eintreten.

 

Hoffnung auf das Ende des syrischen Regimes

 

Alles Wortklauberei, sagen wiederum irakische Kurden aus der Führung der autonomen Region - allerdings nur unter der Bedingung, dass ihre Namen ungenannt bleiben. Es gebe keinen Unterschied zwischen PYD und PKK, es arbeiteten seit einiger Zeit mindestens tausend PKK-Kämpfer mit dem Regime in Damaskus zusammen, und: Sie seien genau davor gewarnt worden. Das Assad-Regime werde sich allenfalls noch ein halbes Jahr lang halten können, dann würden die PKK-Leute als Kollaborateure zur Rechenschaft gezogen - und zwar von den syrischen Kurden.

 

Die irakischen Kurden wissen, wovon sie reden: Sie haben Jahre lang im Kleinkrieg mit der PKK gelegen, deren Ideen sich fundamental von der der Kurden im Irak unterscheidet: Deren Gesellschaft ist eher feudalistisch; die PKK steht dagegen immer noch für sozialistisch-marxistisches Gedankengut. Die irakischen Kurden fürchten spätestens nach einem Sturz des Assad-Regimes einen kurdischen Bruderkrieg in Syrien und möglicherweise eine Militäroperation der Türkei gegen PKK-Stellungen in Syrien.

 

Viele Szenarien sind denkbar

 

Doch vielleicht kommt auch alles anders; vielleicht setzt die PKK darauf, dass sie sich nach dem Sturz Assads als Retterin aufspielen kann: Wenn es, wie viele Beobachter vorhersagen, zu einem Bürgerkrieg kommen sollte, könnte sich die PKK als Schutzmacht präsentieren - für die syrischen Kurden. Und das würde der Organisation, die in den vergangenen Jahren an Einfluss verloren hat, wieder einen Aufschwung bescheren.

 

Rosh, der junge syrische Kurde, der als Flüchtling in dem Moschee-Rohbau von Domiz untergekommen ist, träumt von einer Rückkehr in ein friedliches Syrien. Bis es so weit ist, wird er wahrscheinlich herumlungern; es gebe zwar Arbeit in der Nähe, aber als Flüchtling werde er so schlecht bezahlt, dass er lieber nichts tue.

 

Vielleicht erhält er aber demnächst eine neue Chance - als syrischer Ex-Soldat: Die Führung im kurdischen Teil des Irak hat jedenfalls angefangen, zweihundert bis dreihundert syrische Kurden militärisch zu trainieren. Inoffiziell wird das aus irakischen Regierungskreisen bestätigt, inoffiziell, weil die irakische Zentralregierung mit dem Assad-Regime zusammenarbeitet. Mit ihrem Ausbildungsprogramm für syrisch-kurdische Kämpfer positionieren sich die irakischen Kurden: gegen Bagdad, Damaskus und die PKK.

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Kurdische Demo in Berlin

Kurdische Demo in Berlin

 

Eine ausführlichere Kritik der PKK aus linker Sicht findet sich in dem Blog-Artikel „Mit Kurdistan zum Kommunismus?“ http://ackackack.blogsport.de/2012/03/15/anonym-bei-johnny-zweifel-4

 

Gestern Luxemburg Heute Apo - gewagte These

Gestern Luxemburg Heute Apo - gewagte These

Dazu passt folgende, ältere Meldung aus dem Spiegel-Magazin 17 / 1997

 

Wende ins Völkische

Von Klußmann,Die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vollzieht unter Führung ihres im syrischen Exil lebenden Generalsekretärs Abdullah Öcalan eine Abkehr vom früheren linksradikalen Kurs und orientiert sich völkisch-nationalistisch. PKK-Funktionäre in Deutschland schlagen intern rassistische Töne an. So bezeichnen sie gegenüber ihren Organisationsmitgliedern die Türken als "Scheißvolk mongolisch-arabischer Mischlinge" und definieren die Kurden als "Volk der indogermanischen Rasse". Hammer und Sichel im Parteiemblem ließ Öcalan entfernen und durch eine Fackel ersetzen. In Anweisungen an seine Kämpfer definiert Öcalan die PKK nicht als kommunistische Partei, sondern als "nationale Bewegung". In einem Gespräch mit Günter Wallraff äußerte der PKK-Führer sogar Verständnis für Rassisten in Deutschland: Leider habe die Rückständigkeit vieler illegal eingewanderter Kurden Deutschland "etwas verschmutzt", daher mache sich hier "berechtigterweise erneut Rassismus breit". Öcalan: "Ich finde, auch die Rechten sind im Recht. Ich denke an diesem Punkt nicht wie ein Sozialdemokrat." Wallraff zitiert dazu kurdische Freunde: "Lieber kein unabhängiges Kurdistan als eines unter Vorherrschaft der PKK."