[B] Südneukölln: Zeit zu Handeln!

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Der Süden Neuköllns zählt bereits seit mehr als zwanzig Jahren zu einem Brennpunkt neonazistischer Gewalt. Seit 2003 existieren Kameradschaftsstrukturen und zwei Jahre später folgte die Gründung eines eigenständigen NPD-Kreisverbandes in Neukölln. Diese beiden Strukturen sind berlintypisch eng mit einander verzahnt und personell kaum zu trennen. Heute ist der Süden Neuköllns Wohnort von stadtbekannten Protagonist_innen der Berliner Neonaziszene. Die Folge sind regelmäßige Übergriffe auf Migrant_innen, politische Gegner_innen und das was dafür gehalten wird. Dieser Drang zur Gewalt eskalierte zuletzt im vergangenen Jahr als Neonazis zwei Brandanschläge auf ein Haus eines linken Jugendverbandes verübten. Von der Extremismusideologie beseelte gesellschaftliche Akteuer_innen und die Verbreitung von teils ausgeprägten rassistischen Stereotypen, die sich nicht zuletzt in den Stimmanteilen der NPD und andere rechter Parteien in den südlichen Ortsteilen Neuköllns ausdrücken, sorgen für einen schleppenden Verlauf der Entwicklung von Widerstand vor Ort.

 

Berliner Antifa-Gruppen und lokale Engagierte wollen das nicht hinnehmen und werden mit verschiedenen Aktionen den geschilderten Zuständen antifaschistische Präsenz entgegensetzen. Sie rufen für den 13. April 2012 um 17:30 Uhr zu einer Demonstration vom U-Bahnhof Lipschitzallee nach Rudow auf.

 

Was ist passiert?
Spätestens seit Ende der 1980er Jahre entwickelte sich insbesondere in Rudow eine zunächst vorwiegend subkulturell geprägte Neonaziszene. Schon damals kam es regelmäßig zu Übergriffen gegen Migrant_innen und Linke. An einem Wochenende im September 2001 überfallen zunächst 15 bewaffnete Neonazis eine Geburtstagsfeier im Gemeindezentrum einer evangelischen Kirchengemeinde in Rudow. Später jagen c.a. 50 Neonazis mit Messern und Baseballschlägern unter „Sieg Heil"-Rufen Migrant_innen an der Rudower Spinne. Anfang der 2000er Jahre erfolgte schließlich die Organisierung zuerst in festeren Kameradschaftsstrukturen und aktuell als für „Autonome Nationalisten" üblicher lockerer Aktionszusammenhang fest eingebunden in das unter dem Label „Nationaler Widerstand Berlin" firmierenden Netzwerks Berliner Kameradschaftsnazis. Nach den Verboten der Kameradschaften „Tor" und „Berliner Alternative Südost" kamen 2005 mit dem Kreisverband 9 eine NPD- sowie eine allerdings nach außen nicht wahrnehmbare JN-Struktur in Neukölln hinzu.

Das Zusammenspiel von hoher Gewaltbereitschaft, aktionistische Ausrichtung und aggressiven Rassismus Neuköllner Neonazis in potenziell tödlichen Anschlägen trat im Frühjahr 2008 zu Tage. In den Nächten des 23. März und des 20.April 2008 werfen zwei jugendliche Neonazis Molotov-Cocktails auf Wohnhäuser von migrantischen Familien in Rudow, bei denen nur durch Glück niemand verletzt wurde. Robert Hardege, einer der damaligen Täter ist bis heute in der Neonaziszene als Anti-Antifa Fotograf tätig. Einer der Hintermänner, Julian Beyer, tauchte 2011 bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung auf der Neuköllner NPD-Liste auf. Dass neonazistische Gewalt nicht im luftleeren Raum abläuft belegte eine nach den Brandanschlägen 2009 durchgeführte Anwohner_innenbefragung. In den Antworten offenbarten sich Abstiegsängste kombiniert mit dumpfen Rassismus und der Tendenz der Schuldzuweisung an die Betroffenen von Neonazigewalt.

In den letzten Jahren gerieten verstärkt Personen und Institutionen ins Visier Neuköllner und Berliner Neonazis, die sie dem politischen Gegner zuordnen. Seit August 2009 kam es in mehreren Bezirken zu einer Welle von eingeworfenen Fensterscheiben und gesprühten Drohungen an linken Projekten, Parteibüros und Wohnhäusern. Betroffene sind Projekte und Personen, die auf so genannten „Feindeslisten" auf den Seiten des indizierten Portals „NW-Berlin" und der dort verlinkten Chronik-Seite mit Fotos und Namen aufgeführt werden. Als Verantwortlicher gilt, trotz anders lautender Beteuerungen, der im Februar neu gewählte Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke. Doch dabei blieb es nicht. In der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 2011 brannte es gleich an fünf Stellen. In Neukölln war das Anton-Schmaus Haus des Jugendverbandes „die Falken" betroffene, in dem kurz zuvor noch eine Kindergruppe übernachtet hatte. Am Jahrestag der antisemitischen Novemberpogrome am 9. November 2011 wurde kurz vor der geplanten Wiedereröffnung ein erneuter Brandanschlag auf das Jugendzentrum verübt und das Gebäude schwer beschädigt.

Eine der Gründe warum sich vor Ort bisher kein effektiver Widerstand gegen die Neonazis entwickeln konnte, war neben fehlenden alternativen Strukturen auch ein verbreitetes „extremismustheoretisches" Ressentiment gegenüber antifaschistischen Strukturen in der so genannten Zivilgesellschaft. Ein Negativbeispiel ist eine im Februar 2010 verabschiedete Entschließung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung, in der in fataler Weise neonazistischen Drohungen und Anschläge mit Aktionen gegen das Quartiersmanagement in einen Topf geworfen wurde und sich gleichermaßen gegen „Einschüchterungsversuche gegen Personen sowohl [!] von rechts- als auch von linksextremer Seite" ausgesprochen. Eine solche Perspektive verkennt nicht nur die gesellschaftlichen Verhältnisse, sie ist blind gegenüber alltäglichem Rassismus. Dass das notwendige Potenzial aus Alkohol und aggressiver Männlichkeit besonders in Südneukölln vorhanden ist, zeigte sich zuletzt im Oktober 2011 als ein migrantischer Imbissbetreiber im U-Bahnhof Rudow angegriffen wurde und wenig später Anhänger des TSV Rudows bei einem Spiel gegen Tennis Borussia deren Fans mit homophoben, sozialchauvinistischen und NS-relativierenden Parolen provozierten und mit Gegenständen bewarfen.

Zeit zu Handeln!
Trotz vergangener erfolgreicher antifaschistischer Interventionen ist das Problem von Neonaziszene und rechtsoffener Alltagskultur also weiterhin akut. Berliner Antifa-Gruppen und lokale antifaschistische Initiativen wollen dem etwas entgegenzusetzen. Sie rufen für den 13.April zu einer antifaschistischen Demonstration durch Südneukölln auf. Außerdem ist ein antifaschistisches Straßenkonzert geplant, dass Jugendlichen vor Ort mit einem vielfältigen Line-Up ein Angebot von alternativer Jugendkultur machen soll. Die Aktionen rund um die Demo sollen Neonazistrukturen und ihre Akteuer_innen benennen und ihnen die beanspruchten Räume streitig machen. Durch Veranstaltungen und Aktionen sollen die Menschen in den betroffenen Ortsteilen angesprochen, sensibilisiert und ermutigt werden selbst aktiv zu werden. Auch die für die aktuelle Lage verantwortlichen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sollen dabei kritisch in den Blick genommen werden. Zur Mobilisierung haben Berliner Antifa-Gruppen eine Sonderseite mit allen aktuelle Informationen und Hintergründen sowie Bannern zum verlinken eingerichtet. Der ausführliche Aufruf wird in wenigen Tagen veröffentlicht. Entsprechende Mobimaterialien sind im Druck und werden noch in dieser Woche in den einschlägigen Locations erhältlich sein.

Auch die Kampagne „Neukölln gegen Nazis" mobilisiert mit eigenen Plakaten und Flyern zur Demo und möchte vor allem Mittels Veranstaltungen Informationen über die Neuköllner Neonazis bereitstellen und konkrete Handlungsmöglichkeiten diskutieren.

Antifa-Demo
13. April 2012 | 17:30 Uhr | U-Bahnhof Lipschitzallee (U7)


Keine "Homezone” für Nazis und Rassist_innen! Zeit für praktischen Antifaschismus!

Alle aktuellen Informationen gibt es auf der Mobilisierungssonderseite, bei „Neukölln gegen Nazis und auf Antifa Berlin.

Terminhinweis:
Infoveranstaltung:
„Kein Kiez für Nazis" am 29. April 2012 ab 19:30 Uhr in der B-Lage (Mareschstraße 1):
In den letzten 2 Jahren kam es in Neukölln und anderen Bezirken Berlins immer wieder zu massiven Angriffen von Neonazis auf alternative und linke Einrichtungen. Auch Einschüchterungsversuche gegen politische Gegner_innen und ein militanter Habitus gehören zum festen Bestandteil ihrer Aktivitäten. Vorläufiger Höhepunkt waren zwei Brandanschläge im vergangenen Jahr auf das Jugendzentrum Anton-Schmaus Haus in Britz.

Gerade der Süden Neuköllns gilt als einer der Schwerpunkte organisierter Neonazis in Berlin. Die Verknüpfung zwischen rechten Fußballfans, Freien Kameradschaften, ‘Autonomen Nationalisten’ und der rechtsradikalen Partei NPD sind dabei häufig fließend.

Das Bündnis ‘Neukölln gegen Nazis’ möchte über die Aktivitäten und Strukturen der Nazis aufklären und zeigen, dass es in dem als multikulturell geltenden Bezirk rechtes Gedankengut gibt. Außerdem soll im Rahmen der Veranstaltung über die antifaschistische Kampagne „Zeit zu Handeln" informiert werden. So wird es weitere Veranstaltungen, sowie eine Demonstration am 13.04.2012 / 17.30 Uhr ab U-Bhf. Lipschitzallee geben.

Nach der Veranstaltung gibt es kalte Getränke in gewohnt entspannter B-Lage Atmosphäre. Dazu Auflegerei mit feinstem Elektropop von den Katzenjammerkids.

Organisiert von „Neukölln gegen Nazis".

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eine woche später, am 28. april 2012 findet in neukölln eine antifaschistische streetparade statt anlässlich des "tag der befreiung neuköllns" los geht es um 17:30 uhr an der hermannstraße ecke rollbergstraße (nähe u-bhf. boddinstraße). den aufruf und weitere termine von veranstaltungen die im vorfeld statt finden gibt es unter http://befreiungneukoelln.blogsport.de

Auch in Nordneukölln gibt es (neben den unzähligen türkischen Nazis) eine vermehrte Anzahlm deutscher Neonazis. Es kommt nicht selten vor, dass man dort von v.a. türkischen aber auch deutschen Rechten angepöbelt und sogar angegriffen wird!