Am Morgen des 9. Februar wurde in Samara der junge Antifaschist und Anarchist Nikita Kalin von einer Gruppe Nazis überfallen und ermordet. Der emanzipatorische Aktivist, der sich in den vergangenen Wochen auch an den örtlichen Protesten gegen den Fälschungen zu den Duma-Wahlen beteiligt hatte, wurde zusammengeschlagen und hatte 61 (!) Messerstichen. Vor wenigen Tagen wurde ein stadtbekannter Nazi festgenommen, an dessen Kleidung Blut des Opfers gefunden wurde. Die Familie des Ermordeten befürchtet, daß die Ermittlungen manipuliert und verschleppt werden könnten. Diese Befürchtungen scheinen angesichts der verharmlosenden offiziellen Aussagen der Ermittlungsbehörden und der verzögerten Berichterstattung mehr als gerechtfertigt zu sein.
Nikita Kalin war auf dem Weg zur Arbeit, als er überfallen und ermordet wurde. Der Hausmeister der Samarer Zweigstelle des Physikalischen Instituts „P. N. Lebedev“ der Russischen Akademie der Wissenschaften (FIAN) fand den toten Körper des Aktivisten am Donnerstag, den 9. Februar, um 6:30 Uhr vor dem Eingang des Instituts. Erst gegen 8 Uhr traf die Polizei ein. Drei Stunden später wurde die Mutter des Toten zur Identifikation geholt. Sie erklärte gegenüber Journalist_innen, daß der Körper ihres Sohnes zahlreiche Rippenbrüche und Kopfverletzungen sowie 61 Messerstiche aufwies. Die persönlichen Gegenstände des Opfers waren unberührt.
Die erste Publikation zum Mord an Nikita Kalin erschienen erst über eine Woche nach der Tat am 20. Februar in der überregionalen Tageszeitung Izvestija. Berichtet wurde über die mangelhafte Ermittlungsarbeit der Behörden und die Befürchtungen der Familie, daß die Untersuchung der Todesumstände bewußt verschleppt wurden. Die Polizei nahm offenbar relativ schnell nach dem Mord einen Tatverdächtigen mit Blut des Opfers an seiner Kleidung fest. Außerdem geht Izvestija davon aus, daß der Übergriff von einer Gruppe ausgeführt worden sein muß. Inoffiziell bestätigten Beamt_innen der Familie, daß den Nazihintergrund der Tat. So soll der Festgenommene zu einer örtlichen Gruppe organisierter Nazis gehören. Der inhaftierte Nazi bestreitet aber bislang seine Tatbeteiligung und schweigt zu seinen Mordkompliz_innen.
Offiziell gehen die Behörden aber dennoch nicht von einem politischen Mord aus, sondern ermitteln (da Raub als Tatmotiv offensichtlich ausfällt) wegen persönlicher Motive. Wie zur Bestätigung der Verharmlosung des Todes von Kalin und der Ignoranz der Behörden erschien ebenfalls am 20. Februar eine Presseerklärung der Ermittlungsbehörden. Die Nachrichtenagentur Interfax zitiert, daß die Pressesprecherin der ermittelnden Behörde in Samara Elena Shkaeva verkündete, daß Kalin an 6 Messerstichen starb und zur Zeit eine Person inhaftiert ist. Des Weiteren behauptete sie, daß bislang keine Ansatzpunkte für „nationalistische Motive“, das heißt einen Nazi-Hintergrund, gefunden wurden. Aus diesem Grund ermitteln die Behörden die Tat als „Mord mit persönlichem Hintergrund“.
Die Sicherheitsbehörden, die, wenn es um antifaschistische, anarchistische und / oder repressionskritische Aktivist_innen geht, diese auch gern mal höchstpersönlich zusammenschlagen oder Beweise fälschen, verschleppen die Ermittlungen sichtbar und bemühen sich wenig die Tat aufzuklären. Damit ermöglichen sie den anderen tatbeteiligten Nazis unterzutauchen, wie ein Freund des Ermordeten gegenüber Izvestija erklärte. Hinzu kommt, daß die Mutter des Ermordeten erst am gestrigen Abend über den Stand der Ermittlungen informiert. Hintergrund dieser Einladung der Behörden, scheint allerdings die Berichterstattung zu sein.
Der 20-Jährige Nikita Kalin war ein Antifaschist. Er hatte sich seit wenigen Wochen aktiv in emanzipatorischen Zusammenhängen engagiert. So beteiligte er sich, nach Angaben eines Aktivist_innen der örtlichen libertär-kommunistischen Organisation „Avtonomnoe Dejstvie“ (Autonome Aktion) gegenüber Izvestija, sichtbar an den Protesten „Za chestnye Vybory“ (Für ehrliche Wahlen). Außerdem war er auch bei der antifaschistischen Aktion in Erinnerung an die Ermordung von Stanislav Markelov und Anastasija Baburova am 19. Januar mit dabei.
Mehr zu Nationalismus in Russland gibt es auf dem Blog der Gruppe 19. Januar Berlin
6(1)!
Im Artikel vom 20.02. und in der Allgemeinen Presse hieß es, beim Ermordeten wurden Sechs Stichwunden gefunden, seid ihr sicher dass da nicht irgendwo eine Eins reingerutsch ist / woher kommt die Zahl 61?
Ansonsten echt Riesenscheiße, unsere Trauer und Solidarität für die Genoss_innen in Russland.
Alerta Antifaschista!