Lobmeyr-Hof in Wien-Ottakring besetzt!

Lobmeyr-Hof in Wien

Seit kurzem - und seit 7. Juli öffentlich bekannt - ist der Lobmeyr-Hof (Roseggergasse 1-7) in Wien-Ottakring besetzt. Der in etwa 50 bis 100 Wohnungen zählende Hof, einst Vorzeigeobjekt des sozialen Wohnbaus, steht derzeit bis auf zwei Mieter/innen - die sich über die unerwartete Unterstützung erfreut zeigen - komplett leer. Grund dafür ist, dass die Stadt Wien ("Wiener Wohnen") den Hof komplett leer haben will, um ihn - und hier gehen die Angaben auseinander - "aufzuwerten" (aufstocken, Wohnungen zusammenlegen, Lifte einbauen und schließlich zur doppelten Quadratmeter-Miete an eine andere Klientel neu vermieten) oder gar abzureißen (Haus verfallen lassen, bis der teilweise Denkmalschutz aufgrund von "Abbruchreife" hinfällig ist), um einem Neubau-Projekt (kolportiert wird u.a. der Bau eines Einkaufszentrums) Platz zu machen.

+++ [Update] Heute Samstag (9. Juli) ab 15 Uhr: HOF-KULTUR-FEST! ab 18 Uhr Plenum ; Eingang: Roseggergasse 1, Wien-Ottakring +++

 

Und das in einer Zeit, in der in Wien trotz internationaler Finanz- und Immobilienkrise (wohl eher: gerade deswegen) die Eigentums- und Mietpreise immer steiler in die Höhe schießen. Der Grund liegt auf der Hand: Immobilien sind eine sichere, inflationsunabhängige, Geldanlage. Da helfen auch noch so viele den sozial gerechten Wiener Wohnungsbau bejubelnde Inserate von Wohnbaustadtrat Ludwig in allen Boulevard-Zeitungen nicht, um diesen Umstand, dass Mietwohnungen in Wien immer teurer und für immer breitere Schichten der Bevölkerung unleistbar werden. Zeitgleich stehen rund 80.000 Wohnungen leer - viele davon nur, da sie als Spekulationsobjekt nur gewinnbringend gehandelt werden können, wenn keine Mieter drinnen sind. Ganz egal, wie gut der Zustand der Wohnungen ist und je besser die Lage, desto leerer und teurer die Objekte ...

 

 

 

Frei- und Grünräume der Öffentlichkeit zugänglich machen

Das Problem: eine/r der beiden Mieter/innen möchte seinen Mietvertrag nicht auflösen, alle anderen Mieter wurden, so Nachbarn, teils mit unsanften Methoden hinausgedrängt. Diese Methoden und der Umstand, dass es in Wien zu wenige Freiräume gibt und überhaupt kein autonomes Wohn- und Kulturzentrum, veranlasste die BesetzerInnen zur Besetzung des Lobmeyr-Hofes. Dort sollen ab nun mit Unterstützung solidarischer und interessierter Menschen Volksküche, Infoladen, Mediathek, Projekträume, Frauenraum und Kindersalon entstehen, der Spielplatz im Innenhof sowie die dortigen großzügigen Grünflächen sollen der Öffentlichkeit (die Nachbarschaft ist dicht verbaut) wieder zugänglich gemacht werden.

 

 

 


Macht Rot-Grün mit Legalisierung von Zwischennutzungen ernst?

Seit die Polizei die Besetzung am 7. Juli bemerkt hat, stattete sie den BesetzerInnen drei Besuche ab. Ab dem zweiten, am Morgen des 8. Juli, war auch eine Vertreterin von Wiener Wohnen dabei, die mit den BesetzerInnen in Verhandlungen trat. Doch jegliche Kompromissbereitschaft wurde von Anfang an abgeschmettert, das Haus müsse umgehend verlassen werden, die Polizei ergänzte, dass jegliche "Irritation" Grund zur Räumung sei. Letztlich liegt es aber an Wiener Wohnen als Eigentümer, mit den BesetzerInnen eine Lösung zu finden. Laut rot-grünem Koalitionspapier sollen leerstehende Räumlichkeiten, so es die Besitzer wünschen, einer Zwischennutzung zugeführt werden. Das rot-grün regierte Wien könnte als Eigentümer des Lobmeyr-Hofs mit gutem Beispiel voran gehen und mit den BesetzerInnen eine Zwischennutzung bis zur Klarheit über die Weiternutzung des Hofes bzw. bis zum etwaigen (Um)Baubeginn vereinbaren. Wie dies in der Praxis möglich ist, zeigen internationale Beispiele wie etwa die seit 1990 rot-grün regierte Stadt Zürich. Dort werden Hausbesetzungen als Zwischennutzungen so lange toleriert, bis der Eigentümer einen rechtskräftigen Abriss- oder Bautitel in den Händen hält. Stadt und Polizei halten es dort für wenig sinnvoll, ohnehin leer stehende Häuser in kostspieligen Großeinsätzen zu räumen, um sie danach erst recht wieder leer stehen zu lassen. Empörten Hausbesitzern, denen eine Räumung ihrer leerstehenden Häusern gar nicht schnell genug gehen kann, hält die Zürcher Polizei das Merkblatt Hausbesetzungen entgegen, wo genau festgehalten wird, wann die Polizei räumt und wann nicht.

Die Besitzer behaupten zwar gerne, dass eine Räumung rasch nötig sei, da Bauarbeiten "unmittelbar" bevorstünden, doch der Wahrheitsgehalt liegt in der Regel nahe Null, wie man bei früheren Besetzungen in Wien gesehen hat - so steht etwa das 2009 spektakulär geräumte Haus in der Triester Straße ("MA 2412"-Haus) nach wie vor ungenutzt leer, nachdem die Räumung mit bevorstehenden Bauarbeiten für ein Büroprojekt argumentiert wurde. Ähnlich in der Burggasse 2: das Haus in Top-Lage, das etwa 10 Jahre lang leer stand, wurde mehrmals besetzt und in Großeinsätzen geräumt - mit Bauarbeiten wurde erst dieses Jahr, 2011, begonnen.

Von einer Tolerierung oder gar Unterstützung der Zwischennutzung seitens der Stadt kann derzeit jedoch nicht gesprochen werden. Der wohl nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag der Vertreterin von Wiener Wohnen, die BesetzerInnen könnten doch einfach die Donauinsel nutzen, dort gebe es genügend Freiraum, wurde von den BesetzerInnen als wenig konstruktiv erachtet.

Wiener Wohnen verbarrikadiert Türen und Fenster

Wiener Wohnen zerstört neu eingebaute Fenster und günstigen Wohnraum


Da die BesetzerInnen auf die "Vorschläge" der Vertreterin von Wiener Wohnen nicht eingehen konnten, veranlasste diese, Nägel mit Köpfen zu machen - oder besser gesagt: Schrauben. Ein Handwerker-Team wurde angefordert, das unter Beisein der Polizei alle (!) Fenster des Hofes im Erdgeschoß mit Bohrmaschine zuschrauben ließ. Dabei wurden einfach die Fensterrahmen durchbohrt, die vielfach neu eingesetzten Fenster mit ihrer Fassung zusammengeschraubt. Dieses Vorgehen spricht doch eher gegen die Behauptung, das Haus würde später renoviert und weiter vermietet werden - wenn bereits renovierte Fenster gedankenlos zerstört werden. Sämtliche Eingangstüren wurden mit Brettern zusammengeschraubt.




Nach Auszug der Mieter werden die Wohnungen von der Stadt gründlich unbewohnbar gemacht


Haus bleibt besetzt

Derzeit stehen vor den beiden noch benützbaren Eingängen (es gibt zwei Wohnungs-Mieter sowie ein Blumengeschäft im gesamten Hof-Komplex) zwei PolizistInnen, die niemanden hineinlassen sollen [Anmerkung: am selben Abend, ca. 20 Uhr, wurden diese abgezogen]. Die BesetzerInnen bitten dennoch um rege Unterstützung von Außen - Fakt ist: die Zahl der BesetzerInnen wird immer größer, die Volxküche nimmt ihren Betrieb auf und Schlafplätze sind ohnehin schon eine Weile eingerichtet und nahezu unbegrenzt erweiterbar. Lebensmittel und nützliche Dinge aller Art können und sollen vorbeigebracht werden, einfach nach BesetzerInnen an den Fenstern Ausschau halten, irgendwie hat noch jede/r reingefunden ;) Nachtrag: die VoKü platzt schon jetzt aus allen Nähten - Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge, Kabeln und Lampen usw. sind jetzt (u.a.) gefragt; außerdem: ein erstes Interview aus dem Hof (ichmachpolitik.at).

 

 

 

 

In der Nachbarschaft und auf Indymedia wird derzeit der Text "Warum wir im Lobmeyr-Hof sind" verbreitet. Zeitgleich wurde übrigens auch in Linz ein Haus besetzt. Auch dort verlangt die Jugend nach einem neuen autonomen Zentrum.

 



Auch in Linz wurde besetzt: hauszweiundvierzig.blogsport.eu

erste Berichterstattung:
- ichmachpolitik.at: Interview im Hof (Video)
- cba.fro.at: Hausbesetzung in Wien: Neues „Autonomes Zentrum Ottakring“ (Audio; Text auch auf nochrichten.net)
- Martin Juen: Bericht (u.a. Verhandlungen mit Wiener Wohnen) und Fotos

 

Dieser Artikel wurde am 8.Juli auf fm5ottensheim erstveröffentlicht und am 9.Juli ergänzt.

 

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O.k die meisten Räume sind Wohnräume oder Projekt-/Kultur-/Polit-/Frei-räume. Alles zusammen in einem Zentrum gibtt es selten in Wien. Ich finde aber nicht, dass es so wenige Räume gibt, im Vergleich zu vor ein paar Jahren sogar sehr viele.

 

Und was bitte ist mit dem EKH ? Das ist jedenfalls ein autonomes Wohn- und Kulturzentrum

räume könnts in wien echt noch einiges mehr geben...

klar gibts viele kleine projektchen aber vom bedarf her bräuchte es sicher fünf große selbstverwaltete kulturzentren;

was da in wien alles an potentialen verloren geht ist ärgstens!

ich geb dir recht und widersprech dir zur gleichen zeit: die "szene" hat es in den letzte jahren ziemlich gut geschafft, neue räume zu schaffen, durch viel persönlichen einsatz und persönliches geld, durch öfentlichen druck, es wurde geschafft, die eine oder andere räumung abzuwenden, es schut nicht so schlecht aus.

auf der anderen seite gehen vor allem alte freiräume vor allem durch kommerzialisierung mehr und mehr verloren.

jenseits der "szene" schaut die sache ganz anders aus. hier schaut die sache ganz anders aus. die mieten steigen(was durch diese besetzung auch thematisiert wird), während die satdt weiterhin den nicht mehr existenten sozialen wohnbau feiert. immer mehr soziale und kulturelle projekte müssen aufgeben, da die subventionen wegfallen, die betriebskosten steigen,...

nur ein paar beispiele: mit dem haus döbling steht das billigste und sozialste student_innenheim vor dem aus. mit der neuen heimgestez wird es den anderen studiheimen auch nicht viel besser gehen. das amerlinghaus muss ums überleben kämpfen. das theater fleischerei musste zusperren. selbst das wuk kriegt keine neue kohle für instandshaltuungsarbeiiten. die paar wenigen wohnplätze für menschen mit psychischen problemen, die der psd als einziger verein in ganz wien zur verfügung stellte, wurden weggekürzt.

und a m ende der sozialen leiter schauts sowieso beschissen aus: im winter 2008/2009 (hab leider keine aktuelleren zahlen) erfroren in einer der reichsten städte 13 menschen.asylwerber_innen, die aus der grundversorgung fallen, haben auch keinen anspruch auf eine wohnung, dieobdachlosen werden dann aus dem stadtbild vertrieben,....

also auch wenn es mit szeneräume nicht so schlecht ausschaut, es gibt mehr als genug gründe, zu besetzen....

was passiert am abend? gibts stress mit polizei, oder ein programm?

würde am abend hinfahren, wenn ich ein bisschen mehr darüber wüsste.

es sind häuser!!!

500 menschhen haben dort mal gewohnt, der hof ist so groß wie ein fussballfeld

das areal ist gigantisch!

machts was draus!

Ich habe nicht den Eindruck, das es in Wien ein Überangebot an gemeinschaftlich nutzbaren Räumen gibt. Bin nun auch junge Mutter und mir fehlen Plätze an denen man sich mit anderen Menschen (mit Kindern oder auch ohne) treffen kann, sicher es gibt das Kindermuseum und Theater  oder  Kaffee aber alles kostet und ist für mich als alleinerziehende Studentin nicht regelmässig leistbar.

 

Auch die rasant steigenden Mietpreise finde ich äußerst fatal.

Deshalb finde ich die Besetzung des Lobmayerhofes äußerst begrüßenswert+hoffe das daraus ein anerkanntes Projekt wird.

Ich wünsche mir mehr kinderfreundliche, konsumzwangsfreie, kulturell vielfältige Orte in Wien!!!!! 

Eine Räumung steht möglicherweise kurz bevor. Informiert eure FreundInnen und kommt ins AZ16!

https://at.indymedia.org/node/20935