Berlin: Prozesse um Brände, Zeitschriften und Antimilitarismus

Dirk Eitner (LKA 534) bei der Durchsung der Liebigstrasse 14 und 34 a, 16. November 2009.

Gestern am 8. März 2011 fanden in den Berliner Gerichten wieder mehrere Prozesse gegen Menschen statt, deren Verfahren relevant für radikale Politik sind. Neben einem Prozess wegen KFZ-Brandstiftungen in Berlin-Kreuzberg, gab es eine vorläufige Entscheidung zu der Anklage gegen den Buchhändler des Buchadens OH 21, dem vorgeworfen wurde Zeitschriften mit Anleitungen zum Brandsatzbau ausgelegt zu haben. Auch gab es einen Prozess wegen einer antimilitaristischen Aktion.

 

Von dem Prozess wegen einer antimilitaristischen Aktion kann ich nichts berichten.Bei dem Prozess ging es um eine Aktion am 30. Juni 2009 im Reichstag, bei der Verteidigungsminister Jung sprach und die Ausstellung "Bundeswehr im Einsatz" eröffnet wurde. Während Jungs Rede wurde ein Transparent mit der Aufsschrift "Wir geloben zu rauben und zu morden!" entrollt und auf das Publikum rosa Badelatschen und antimilitaristische Flyer geworfen. Nun sollte der 2. Prozesstag stattfinden. 

Brennende Autos, Kameraüberwachung und Alkoholkonsum

Der zweite Prozess hatte die Brandstiftungen an drei PKWs in Berlin-Kreuzberg zum Inhalt. Angeklagt war Thomas, der seit dem 10. September 2010 in Untersuchungshaft gefangen gehalten wurde. Bei der ersten Tat am 14. Juni 2010 hätte, so die Anklage, Thomas einen PKW angezündet. Der Brand habe einen Totalschaden verursacht und einen danebenstehenden zweiten PKW schwer beschädigt. Die zweite Autobrandstiftung sei dann am 10. September 2010 geschehen, also am Tag der Wohnungsdurchsuchung und Festnahme von Thomas.

Wie die Polizei bei der ersten Tat auf Thomas kam, blieb im Dunkeln. Thomas gab beide Taten zu. Ihm schien wichtig zu sein, dass Videoaufnahmen von der zweiten Tat nicht im Gerichtssaal abgespielt und somit an die Öffentlichkeit gelangen würden. Und ja, es gab Videoaufnahmen von der Tat.

Vor dem Saal 504 im Kriminalgericht Moabit warteten zwei als "Zivis" bekannte Beamte des Berliner Landeskriminalamts. Sie unterhielten sich mit einem ebenso bekannten BZ-Fotografen. Im Gerichtssaal etwa zweit Dutzend Prozessbeobachter und Prozessbeobachterinnen. Die hauptverantwortliche Anklägerin, Staatsanwältin Pamela Kaminski - Staatsanwältin der Spezialstaatsanwaltschaft für Brandsachen in Berlin (Im Aktenzeichen an dem BRA zu erkennen!) - war nicht da. Sie hatte in einem weiteren Prozess zu tun. Ankläger war nun eine Vertretung.

Nach der Verlesung der Anklageschrift wurde schnell offenbar, dass Kaminski, ein Richter, der Rechtsanwalt von Thomas (und somit auch Thomas) sich schon vor Tagen auf einen "Deal" geeinigt hatten. In einer Amtsstube wurde ausgemacht, dass bei einem Geständis der beiden Brandstiftungen ein drittes Delikt eingestellt und die Höchststrafe nicht mehr als 1 Jahr und 5 Monate auf Bewährung lauten würde. Ebenso wurde vereinbart, dass bestimmte Videobeweise nicht in dem Prozess abgespielt werden sollten.

Bei der ersten Tat, bei dem zwei Autos in Flammen aufgingen, war ein Sachschaden von etwa 15.000 Euro enstanden. Die zweite Tat, die Thomas ebenso gestand, fand direkt vor Thomas´ Kreuzberger Haustür statt. Hier zündete Thomas einen VW Golf an, der einen Wert von etwa 3.000 Euro hatte und bei dem etwa ein Sachschaden von 600 Euro enstand. Der Brand konnte von einem Thomas observierenden Polizisten gelöscht werden. Dieser beobachtete Thomas bei seiner Tat. Doch das war nicht die einzige Überwachungsmassnahme: Die Polizei überwachte an diesem Tag Thomas´ Haustür und hat so die Tat auf Videoband. Warum das so war, wurde nicht veröffentlicht - da Thomas die Taten gestand.

Observierender Polizist war damals Codiernummer 99100467 (LKA 62 - Operative Dienste), der den am Rad brennenden VW Golf löschte. Der codierte Ermittler meldete das dem KOK Bartel. Später übernahm dann die Leitung der Ermittlung der aus Verfahren gegen Alexandra R. und Tobias P. bekannte KOK Michalek (LKA 533 - Spezialdienststelle für Sprengstoff- und Branddelikte bei der Staatschutzabteilung der Berliner Kriminalpolizei) die Leitung der Ermittlungen. Beim LKA 623 wurde der codierte Beamte schliesslich von KOK Eggert als "Zeuge" vernommen.

Die zweite Tat fand gegen 4 Uhr 30 statt. Das LKA wollte nun alles richtig machen. Nach der Tat ging Thomas direkt in seine Wohnung. Die Polizei drang gewaltsam in seine Wohnung ein und verpasste ihm an jedem Gliedmass eine Brandschutt-Tüte. Nachdem das Auto am selben Tag zum LKA KT (Kriminaltechnik) kam, wurde ein nicht geeigneter Sachverständiger hinzugezogen, bemerkte PHK Frank Kubicke (LKA 533) und ordnete einen ordentlichen Sachverständigen zur Begutachtung an. Schliesslich kam Thomas noch zur Blutabnahme, da er nach Alkohol roch. Sein Blut ergab 1,7 Promille und Anzeichen auf Cannabiskonsum. Thomas machte die Untersuchung mit und wurde dabei von der Polizei als "redseelig" eingeschätzt. Getrunken hatte Thomas 8 bis 10 Bier in dieser Nacht, bestätigte er in seinem Geständnis.


Thomas entschuldigte sich mit einem kurzen "Tut mir leid!". Eine Sachbeschädigung wegen einer verbrannten Lötanlage bei der ersten Tat wurde vorläufig eingestellt. Ein anderes Urteil, wegen Betrug, floss mit in das Urteil ein. Darum beantragte der Staatsanwalt auch 1 Jahr und 11 Monate auf 3 Jahre Bewährung, während Thomas´ Rechtsanwalt eine Strafe unter 2 Jahre auf Bewährung forderte. Letztendlich wurde Thomas wegen mehrfacher Brandstiftung zu 1 Jahr und 10 Monate auf 3 Jahre Bewährung verurteilt.

Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Thomas Überwachung bzw. der Überwachung seiner Wohnung per Video, wurde von der Richterin abgelehnt. Auch, dass codierte Polizisten keine guten Zeugen seien und die Verteidigung nicht einmal die Glaubwürdigkeit der codierten Beamten überprüfen könne, stiess auf keine offenen Ohren. Trotzdem konnte Thomas noch gestern das Gefängnis verlassen.

Prozess gegen Buchhändler

Der dritte Prozess des Tages endete mit einer Überraschung. Angeklagt war der für den Kreuzberger Buchladen OH 21 verantwortliche Buchhändler. Der Anklageschrift nach, soll er Anleitungen zum Bau von Brandsätzen wissentlich ausgelegt haben. Diese hätten sich in bestimmten im OH 21 aufgefundenen Exemplaren der Untergrundzeitschrift Interim und in der Zeitschrift Prisma befunden.

Am gestrigen zweiten Prozesstag waren zwei Zeugen geladen. Einmal ein Angestellter (?) des selben Buchladen. Dieser wollte in Anwesenheit seiner Rechtsanwältin seine Berufsbezeichnung nicht sagen, da er - vermutlich als Buchhändler - sich eventuell selbst belasten könne. Seine Rechtsanwältin bestätigte, sie wisse nur aus den Medien, dass es sich um ein Verfahren gegen einen Buchhändler handle und der Grund des Prozesses seien Inhalte von Zeiitschriften. Sie bat darum um Akteneinsicht, damit sich der Zeuge - wenn er denn Buchhändler sei - nicht der Gefahr aussetzen müsste, sich selbst zu belasten.

Nach einer Pause gab es auch hier einen Deal. Das Verfahren wurde eingestellt. Anscheinend konnten die Repressionsorgane dem angeklagten Buchhändler das "wissentlich" nicht nachweisen. Trotzdem seien die Inhalte der beschlagnahmten Zeitschriften illegal. Sie wurden eingezogen. Staatsanwältin in diesem Prozess war übrigens Pamela Kaminski, ebenjehne, die sich so in den Verfahren gegen ALexandra, Tobias und Thomas so hervortat.

Der zweite "Zeuge" war KOK Dirk Eitner vom LKA 534. Das LKA 534 ist eine Staatsschutzabteilung, die für "linksmotivierte Straftaten" zuständig ist. Eitner fiel auf als er am 16. November 2009 an der Durchsuchung der Liebigstrasse 14 und 34 beteiligt war. Er protokollierte zum Teil aus dem Kopf die Grundrisse der Liebigstrasse 14 und bereitete so den Weg zur Räumung des Squats. Ebenso war Eitner an den G8/mg-Durchsuchungen in Berlin im Mai 2007 beteiligt. Allerdings musste er in diesem Prozess nicht mehr aussagen. Eitner war damals an der Durchsuchung des OH 21 beteiligt.

An diesem 2. Prozesstag hatten sich neben der kommerziellen Presse ca. 30 Personen zur Prozessbeobachtung eingefunden. Doch die Aktivität nahm spürbar im Vergleich zum 1. Prozesstag ab. Ebenso ist auffällig, dass unterschiedliche Spektren sich kaum gegenseitig unterstützen. 


Informationen zu dem Prozess gegen Thomas - http://freiheitfuerthomas.blogsport.de
Informationen zu den Prozessen gegen Buchhändler - http://www.unzensiert-lesen.de

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...zündet er einen VW Golf an?

Die Informationspolitik bei der Thomas-Kampagne störte mich schon.

werden als nächstes geschätzte 95% alle buchhändler in d. vor gericht gezogen, weil sie durch sarrazins buch der beihilfe zur volksverhetzung angeklagt werden?

VW Golf und andere Kleinwägen des Proletariats anzünden...

Oh man, und solch einen Schwachmatten soll man unterstützen und solidarisch sein??

Alles was Recht ist, aber hier hat die Solidarität ihre Grenzen. Der Kerl scheint einfach nur dämlich zu sein.

Nen VW Golf im Zeitwert von 3000 Euro abfackeln... uhhh wie "revolutionär und antikapitalistisch"!

Golf anzuenden! 

Woher nehmt ihr euch das recht zu sagen was legitim zum abfackeln und was nicht?

Wenn n Daimler wo der Vater 6 Jahre dafuer malocht hat und sich nun fuer 40.000 einen leistet,

oder n Golf fuer 3000. Evtl gehoerte dieser Golf ja auch nem Fascho, Makler, Vermieter usw..