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Seit einigen Jahren ist eine zunehmende Zusammenarbeit Deutscher und holländischer Nazis zu verzeichnen. Immer wieder tauchen Vertreter rechtsradikaler Gruppierungen und Parteien aus Holland in der BRD auf. Und deutsche Nazis reisen in die Nederlande zu Konzerten, Veranstaltungen und Demonstrationen.
Verbindungen in die Nederlande sind nichts Neues. Immer wieder kam es in den letzten Jahrzehnten zur Zusammenarbeit. In den 80ziger Jahren war es die ANS-NA, die FAP und die KAH, die für Kontakte nach den Nederlande standen.
In den 90zigern die so genannten „Freien Kräfte“, nachdem die FAP (Freiheitliche Arbeiterpartei) und die NL (Nationale Liste) 1995 verboten worden waren. Aber auch die holländische CP'86 und die NPD pflegten ihre Zusammenarbeit.
Im letzten Jahrzehnt gab es eine Menge persönlicher Kontakte zwischen holländischen und deutschen Nazis. Vor allem die Beziehungen zwischen dem lang gedienten Nazi-Kader Eite Homann und Michael Krick, sowie anderen Nazis aus NRW sind sehr gut. Es gibt gute Beziehungen zwischen den holländischen und deutschen „Autonomen Nationalisten“, sowie der
Nederlandse Volks-Unie (NVU) zu NRW-Nazis. Darüber hinaus pflegen die holländischen „Blood and Honour“-Gruppen und „Combat 18“ Sprecher Ed Polman ihre guten Beziehungen zu Gleichgesinnten in NRW.
Wer sind die heutigen Protagonisten, welche Motive haben sie, welche praktische und ideologische Zusammenarbeit gibt es.
Ein Interview mit der holländischen Recherchegruppe KAFKA.
Von Azzoncao, ein Polit-Cafè.
Azzoncao: Bitte stellt Euch vor und beschreibt Eure Arbeit.
Kafka: Wir sind eine antifaschistische Archiv Gruppe. Wir betreiben investigativen Journalismus und Recherchen gegen alle Formen der extremen Rechte in Holland. Und wir veröffentlichen unsere Ergebnisse in Artikeln.
Azzoncao: Welche historischen Wurzeln hat die Zusammenarbeit der bundesdeutschen Nazis mit holländischen Nazis?
Kafka: Das Original liegt klar auf der Hand und braucht wohl nicht weiter erläutert zu werden.
Die heutigen nationalsozialistischen Gruppen wollen ein neues „Drittes Reich“ inklusive der Nederlande. Deswegen ist für sie eine Zusammenarbeit mit deutschen Nazis selbstverständlich.
Darüber hinaus gibt es opportunistische Gründe. Die holländische Naziszene ist seit Jahrzehnten recht klein und schlecht organisiert. Die Beteiligung an deutschen Nazidemos, - Aktionen und -Konzerten ist wie ein warmes Bad für sie. Mehr Kameraden, besser organisiert und das Gefühl von „realen Widerstand“. Seit den 90ziger Jahren ist die Teilnahme an deutschen Naziveranstaltungen für holländische Nazis ansprechend.
Auf der anderen Seite konnten die holländischen Nazis in den letzten Jahren keine namhafte Demonstration ohne massive Präsenz deutscher Nazis machen. Es gab holländische Nazidemos wo die Beteiligung deutscher Nazis bei 70% lag. Die letzte Demonstration der NVU war in Venlo und der Bürgermeister meinte danach, das die Gemeinde Venlo viel Geld für eine deutsche Nazidemo ausgegeben hätte.
Azzoncao: Wer sind die derzeitigen Protagonisten. Welche Parteien, Gruppen, Strömungen gibt es?
Kafka: Die Nederlandse Volks-Unie (NVU) ist eine kleine nationalsozialistische Partei. Sie ist schlecht organisiert und hat einen sehr unpopulären Führer namens Constant Kusters. Die NVU besucht deutsche Nazi-Demos regelmäßig und deutsche Nazis sind ebenso auf jeder Demo der NVU präsent. Kusters versucht immer eine enge Anbindung an deutsche Nazis. So hatte der deutsche Nazi Christian Malcoci einmal eine leitende Funktion in der NVU. Jetzt nicht mehr. Aber er ist der offizielle Kontaktmann zur deutschen NPD und den „Autonomen Nationalisten“.
Zur Zeit glauben wir, dass sich die Beziehungen Kusters verschlechtert haben. Vermutlich weil er nicht mehr in die BRD reist. Deutsche Behörden haben gegen ihn ein Ermittlungsverfahren angestrebt, weil er in Deutschland eine antisemitische Rede gehalten hat.
Die NSA/ANS ist eine kleine Gruppe holländischer „Autonomer Nationalisten“. Führer sind Eite Homann, Michael Krick und Alwin Walther. Weil sie Angst vor den deutschen Behörden haben, fahren Homann und Krick nicht nach Deutschland. Walther hat gute Kontakte zu Gruppen der „Autonomen Nationalisten“ in NRW, Ostfriesland und Berlin. Er besucht regelmäßig mit anderen NSA-Mitgliedern Deutschland.
In Holland gibt es unterschiedliche „Blood and Honour“ - Gruppen. Da sie sich alle gegenseitig bekämpfen, sind sie relativ unorganisiert. Einige haben sehr enge persönliche Beziehungen zu Nazis in NRW, z.B. der Dortmunder Nazis-Band „Oidoxie“. Ed Polman, seit langer Zeit der Führer von „Combat 18“, ist ein guter Freund von Michael Krick und hat enge Verbindungen nach Deutschland. „Combat 18“ wurde in Holland von Ed Polman gegründet und er ist der Führer von „C 18“ in Holland. Seitdem aber Arris de Bruin wegen Waffenbesitzes festgenommen wurde, ist es ruhiger um diese gewalttätige Organisation geworden.
Dann wäre da noch die RVF (Racial Volunteer Force). Sie ist eine englische Nazi-Gruppe um das ehemalige Mitglied der Terrororganisation „Combat 18“ Mark Atkinson. Es gibt einen holländischen Ableger und es ist bekannt, dass Eite Homann, Michael Krick, Alwin Walther und Ivo Henze Mitglieder sind. Sie hat die gleiche nationalrevolutionäre Ideologie wie die NSA. Man muss aber sehr vertrauenswürdig sein, um als Mitglied der RVF aufgenommen zu werden.
Die NJN (Nationale Jeugd Nederland) ist ein neue Gruppe. Sie verfügen gerade über 20 Mitglieder. Aber sie scheinen über gute Verbindungen zu sehr vielen Gruppen zu verfügen. Und sie geben an, für alle „Nationalisten“ offen zu sein. Sie geben sich einen intellektuellen Anstrich, organisieren für ihre Mitglieder Schulungsveranstaltungen und stehen der flämischen N-SA nahe, die aber was anderes ist als die holländische NSA. Auch NJN – Mitglieder besuchen regelmäßig deutsche Nazidemonstrationen.
Azzoncao: Was lässt sich zur Ideologie dieser verschiedenen Nazi-Gruppierungen sagen?
Kafka: Das kann man kurz fassen. Die NSA/ANS ist die am meisten ideologisch ausgerichtete Gruppe. Sie orientiert sich an einem von den „Autonomen Nationalisten“ propagierten revolutionären Nationalsozialismus und sehen sich in der Linie des Strasserflügels innerhalb der historischen SA.
Auch die NVU kann man als nationalsozialistisch beschreiben. Aber ihr Führer Constant Kusters ist keine „große Leuchte“ was die Ideologie angeht. Er verbreitet eine merkwürdige Mixtur aus einigen Ideen des Nationalsozialismus, des Konservatismus und seiner eigenen Interessen. Dieses kruden Ideen und sein bizarres Benehmen machen ihn so unpopulär in der Rechten Hollands. Aber das wird in der Deutschen Naziszene wohl auch so gesehen.
Die „Blood and Honour“ Gruppen und „Combat 18“ haben keine richtige ideologische Orientierung. Sie kann man als „White Power“ Gewalt-Gruppen bezeichnen.
Azzoncao: Welche Perspektive liegt Eurer Meinung in dieser Zusammenarbeit?
Kafka: Die skizzierten holländischen Nazigruppen sind zur Zeit damit beschäftigt sich gegenseitig anzufeinden und verlieren darüber eine Menge Anhänger. Und die Zusammenarbeit läuft unserer Meinung nach sehr einseitig. D.h. Deutsche Nazis unterstützen die Holländischen.
Wir sehen unsere Aufgabe darin, diese Entwicklungen aufmerksam zu beobachten und zu publizieren.
Aus einer holländischen Perspektive ist Geert Wilders Politik ein viel größeres Problem.
Azzoncao: Vielen Dank für das Interview.
KAFKA im Net: http://kafka.antenna.nl