[G20] Repression auf psychischer Ebene

[G20] Repression auf psychischer Ebene
Alles zum G20-Gipfel 2017 auf Indymedia linksunten

Gewalt ist ein Konzept des Staates, um uns am politischen Handeln zu hindern. Dabei ist es das Ziel des Machtapparates, durch Gewalt und Repression einzelne Personen, wie auch die ganze Strukturen dahinter, langfristig zu entmutigen und einzuschüchtern. Repression ist keine vorhersehbare Größe. Sie ist aber auch nichts völlig Zufälliges, Wahlloses und Unberechenbares, sondern sie folgt einer bestimmten Logik, die zu verstehen unter Umständen sehr hilfreich sein kann.

 

Bereits vor dem G20-Gipfel wurden Gefährdeansprachen und Anquatschversuche von Seiten der Cops zur Einschüchterung durchgeführt. Wie schon beim OSZE erwarten wir auch während des G20 militärisches Auftreten der Cops im schwarzen gepanzerten Kampfoutfit, Hubschrauber, die unentwegt über der Stadt kreisen, willkürliche Kontrollen und Verhaftungen sowie Kriminalisierung von Gipfelgegner*innen.


Neben bedrohlicher Atmosphäre und juristischer Kriminalisierung ist der Einsatz von potenziell traumatisierender Gewalt Bestandteil staatlicher Repression. Das gezielte Angreifen einzelner Personen soll allgemein vom politischen Widerstand abschrecken, indem ein Gefühl von Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht gegenüber staatlicher Herrschaft entsteht.

Für die Entwicklung von Handlungsstrategien sind Kenntnisse darüber hilfreich, was eine extreme psychische Belastung sein kann, wie sich die Folgen für die Betroffenen und ihr Umfeld anfühlen können und wie damit umgegangen werden kann.


Als linke Aktivist*innen sollten wir uns bewusst machen, dass wir immer wieder das Risiko eingehen, durch staatliche Gewalt nicht nur körperlich sondern auch psychisch verletzt werden zu können. Vorbereitend können ein Austausch und eine Vernetzung Schutz und Sicherheit vor inneren und äußeren Verletzungen bieten. Es geht hierbei darum, Wege zu finden, die eigene Handlungsfähigkeit und die der Gruppe trotz existenter Gewalt und Repression zu ermöglichen.


Extreme psychische Belastungen können im Allgemeinen von bedrohlichen Situationen ausgelöst werden, in denen wir uns handlungsunfähig oder ohnmächtig fühlen.

Betroffen sein kann jede*r, unabhängig von Erfahrungen. Auch wenn wir nicht direkt von der Gewalt betroffen sind, sondern diese bei anderen mitbekommen, kann es zu starken Belastungen kommen. Sie schlagen eine*n von uns zusammen und wir bekommen Angst und fühlen uns blockiert. Angst ist dabei eine verständliche Reaktion auf die Gewalt und Brutalität, mit der wir konfrontiert sind. Übererregbarkeit, Vermeidungs- und Verdrängungsverhalten und ein Wiedererleben des Erlebten sind häufige Reaktionen nach extremer psychischer Belastung. Langfristig leiden viele Betroffene von Bullengewalt unter den emotionalen Folgen. Für die Verarbeitung von Ohnmachtserfahrungen durch Cops ist es wesentlich, das soziale Umfeld als solidarisch, schützend und unterstützend zu erleben. Oftmals kann schon das Austauschen über die Gefühle nach heftigen Erlebnissen sehr hilfreich sein.


In Vorbereitung auf den G20-Gipfel, währenddessen und danach könnt ihr euch gerne an Out of Action wenden. Während der Proteste gegen den G20-Gipfel, versuchen wir auf Camps und in linken Freiräumen für euch ansprechbar zu sein.


Zudem könnt ihr uns dann über eine öffentliche Telefonnummer und per Mail kontaktieren. Darüber hinaus sind wir ein fester Bestandteil der Antirepressionsstrukturen in Hamburg, Berlin, Köln, Dresden, Leipzig, Frankfurt am Main und in Bochum und Umgebung und für euch ansprechbar. Falls ihr in einer Stadt wohnt, in der es bisher noch keine Out of Action-Gruppe gibt, schreibt uns gerne trotzdem und wir finden einen Weg euch zu supporten. Neben konkreter Unterstützung sind Ziele der Gruppe, psychische Belastungen als Teil von Repression und einen möglichen Umgang damit in der Linken zu enttabuisieren und die „private Psychokacke“ als politisches Thema zu etablieren. Die Gruppe bietet hierzu Workshops und Infoveranstaltungen an und kann von Zusammenhängen wie auch von Einzelpersonen angefragt werden. Folgen von Repression sind keine „Privatsache“. Sie gehen uns alle an und gemeinsam können wir ihnen etwas entgegensetzen.


G20 zum Desaster machen!

Wir sehen uns in Hamburg.


Mehr Infos & wo wir in Hamburg zu finden sind findet ihr hier.

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Wenn mensch in ein Krankenhaus gebracht wird bzw. auch wenn ein Rettungswagen kommt, wird  oftmals ein Beruhigungsmittel angeboten, wenn mensch Anzeichen von Schock zeigt.

Es gibt Studien dazu, dass diese die Wahrscheinlichkeit, eine Belastungsstörung durch das Erlebte zu entwickeln, erhöhen können (weil sie einen weiteren Stressor bedeuten, da der Körper in seiner natürlichen Reaktion gehemmt wird und weil sie je nach Art auch das Empfinden und Wahrnehmen verfälschen bzw. stören.)

Deswegen: Beruhigungsmittel wenn möglich verweigern. In dem Moment fühlts sich nicht so an, aber in der Regel kriegt der Körper sich von selber wieder eingefangen. 

 

Zum Thema Panikattacken, weil wir da schon ungünstige Situationen mit erlebt haben (Achtung, möglicherweise TRIGGER): Panikattacken äußern sich je nach Reaktionstyp (Flucht/Angriff/ Schockstarre) anders; dementsprechend vielfältig kann auch der Umgang damit sein. Im besten Fall (wenn wir das auch keinem wünschen würden...) weiss das Gegenüber, zu welchem Typ es gehört bzw. hat bereits Erfahrungen mit Panikattacken und weiss daher, was ihm_ihr hilft und daher sollte mensch im Vorfeld in der Bezugsgruppe über das Thema sprechen. Das heisst nicht, dass wir alle Panikattacken bekommen werden- aber wir sind keine Steine und letztendlich kann das auch den erfahrensten, abgebrühtesten Autonomis passieren. Eine Panikattacke ist letztendlich nichts anderes als eine extreme Angstreaktion; zumeist tritt sie in potentiell bedrohlichen Situationen auf (Bewegungseinschränkungen z.B. durch Enge oder durch Festgehaltenwerden, Bedrohungsszenarien, Unfälle...). Dabei kann es auch passieren, dass das Gehirn eine objektiv ungefährliche Situation (beispielsweise Trainingssituation Bodenkampf mit Würgegriff) mit einer vergangenen bedrohlichen (beispielsweise ein Angriff, bei dem mensch zu Boden gegangen ist) verknüpft und entsprechend reagiert.

Das fühlt sich dann an, als ob alles rationale Denken und Abwägen zwischen Handlungsmöglichkeiten abgeschaltet ist; der Körper ist ganz auf Reaktionsfähigkeit ausgerichtet, im Kopf herrscht nur noch Angst, und alles um einen herum wird als Bedrohung wahrgenommen. Daher ist es in den meisten Fällen keine sonderlich gute Idee, eine Person in einer Panikattacke anzufassen, da diese simple Berührung, selbst wenn sie beruhigend gemeint ist, als Angriff aufgefasst wird und entsprechende Reaktionen hervorrufen kann.

Die Person kann nicht mehr selber entscheiden, was sie tut- Denken braucht Zeit, und wenn ich erst drüber nachdenke, ob die große Mietzekatze mir möglicherweise was tun kann, werd ich gefressen, bevor ich bei "Ja" angekommen bin- daher haben Menschen (und eigentlich alle Tiere) dieses Notprogramm für lebensbedrohliche Situationen auf Lager.

Mensch kann allerdings verbal zu der Person durchdringen, beispielsweise, indem mensch beruhigend (nicht besorgt, denn das verstärkt das Gefühl, etwas sei gerade akut gefährlich) mit ihr spricht und ihr verbale "Haltepunkte" gibt- wo sie ist, wer sie ist, was gerade passiert und was halt eben nicht.
Außerdem ist es gut, wenn man die Person, gerade bei unübersichtlichen Rahmenbedingungen, aus der Situation rausnimmt, sprich, sie an einen ruhigeren Ort bringt, wo sie sich wieder beruhigen kann und wo mensch dann neu überlegen kann, was an dem Tag noch drin ist.
Dazu kann man eine Person auch ansprechen, ob es okay ist, sie am Arm zu berühren (wobei wir davon abraten würden, sie am Arm zu "packen", wie beispielsweise Bullen oder Angreifer_Innen das tun, da auch das nach hinten losgehen kann.)

 

Wenn die Person selber als Panikreaktion "Flucht" hat, kann mensch eigentlich nichts anderes machen, als hinterherzugehen und abzusichern, dass nichts passiert. Normalerweise dauert so eine "Flucht" keine Ewigkeit und die Person kommt relativ schnell wieder zu sich.

Allgemein gilt: Einmal Panikattacke=Immer Panikattacke geht nicht auf, genauso wenig wie "Bisher keine Panikattacke=Niemals Panikattacke".
Normalerweise merkt mensch auch, was grade geht und was nicht- gerade wenn mensch die Person ein wenig kennt. Bei manchen hilfts auch, belanglosen Kram zu reden. Außerdem sind Panikattacken wie gesagt, sehr selten (was nicht heißt, dass nur "ängstliche" Leute betroffen sein können, die "nicht stark genug" sind, sondern nur, dass es eine der Extremreaktionen unseres Körpers ist und "normale" Angstreaktionen weitaus häufiger.)
Angst haben ist vollkommen normal, gerade in besonders schwierigen Demosituationen, mensch muss nur einen Umgang damit finden- und "nur", weil mein Buddy gerade nervös ist, muss ich mir in aller Regel keine Sorgen machen, dass er_sie gleich eine Panikattacke bekommt.
Und was kann "präventiv" getan werden? Geht zusammen mit Menschen los, denen ihr vertraut, sprecht Situationen durch (das gibt Sicherheit), schürt keine Angst aus Spaß (z.B. ohne jeden Anlass davon zu sprechen, dass die Polizei gleich durchdrehen wird oder die ja jetzt auch schießen dürfen oderoderoder...) und passt insbesondere in dynamischen Situationen auf, dass ihr niemanden übern Haufen rennt. Macht euch mit der Umgebung vertraut, sodass mensch nicht in eine gefühlte Handlungsunfähigkeit kommt, wenn mensch seine Buddies mal verliert (z.B. Treffpunkte ausmachen)und seid vorher realistisch mit euren Triggern und eurer Stabilität.

Sehr gut zum Beruhigen ist eine auch beliebig hoch dosierbare Form von Baldrianprodukten. Baldrian (Valeriana officinalis) bekommt man in allen Apotheken und auch Supermarktketten wie DM, REAL etc., auch in Kombination mit Hopfen.

 

Wer ständig mit Panik etc. zu kämpfen hat sollte es mal KavaKava (Piper methysticum) versuchen. Die Pflanze ist polynesiches Nationalgetränk und wirkt sehr entspannend. In Tropfenform eingenommen wirkt es auch sehr schnell, optimal für Angstzustände. Direkt aus Hawaii zB. importiert ziemlich günstig.

Für Interessierte:

Hier ist eine Meta-Analyse, die Benzodiazepine und PTSD untersucht haben:

https://insights.ovid.com/pubmed?pmid=26164054

Aus dem Abstract: "The results of this systematic review suggest that BZDs should be considered relatively contraindicated for patients with PTSD or recent trauma. Evidence-based treatments for PTSD should be favored over BZDs."

 

Zu Baldrian und ähnlichen naturheilkundlichen Produkten: Gerade Baldrian wirkt auch über ähnliche Rezeptoren wie Benzodiazepinen, meist natürlich schwächer. Es ist unbekannt, ob bei Baldrian ähnlich das Risiko einer PTSB nach Trauma wie Benzodiazepine erhöht, aber liegt durchaus im Bereich des Möglichen aufgrund der ähnlichen Wirkungsweise. Nur weil es ein natürlicher Stoff ist, ist er nicht automatisch ungefährlicher! Dieser Punkt ist mir wichtig!

Baldrian ist von der Bindung an Rezeptoren eher vergleichbar mit Diazepam (Quelle: Jonathan Ott;Pharmacotheon).

Die Kombination mit Hopfen war erwähnt als (gemeinhin) gut verträgliche Einschlafhilfe nach Anstrengungen.

 

KavaKava kommt dem Wirkungsspektrum von Benzos eher Nahe: eine psychisch wirksame Muskelrelaxantie.

Kava wirkt direkt Angstlösend ohne körperlich zu beinträchtigen bzw. löst Verkrampfungen, man bleibt agil.

 

In vielen Fällen greifen Leute bei Stress aus Reflex zu Bier, das kann Andere eher gefährden als Baldrian/Kava.

Nichts ersetzt eine solidarische Begleitung durch geschulte Leute.

Auch ich war schon Opfer traumatisierender Bullengewalt. Finds wichtig und hilfreich sich bewusst zu machen dass dahinter eine ganz bewusste Strategie der Bullen steckt: Abschreckung und Einschüchterung! Und in bestimmten Situationen genau daran zu denken gibt mir immer sehr viel Kraft, nach dem Motto "Jetzt erst recht, ich lass mich von denen nicht kleinkriegen!"

 

Egal was man von Mao hält, in folgendem Punkt hatte er sicherlichrecht: "Wenn wir vom Feind bekämpft werden, dann ist das gut; denn es ist ein Beweis, daß wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Wenn uns der Feind energisch entgegentritt, uns in den schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten läßt, dann ist das noch besser; denn es zeugt davon, daß wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern daß unsere Arbeit auch glänzende Erfolge erzielt."