[MA] Was ist los in der Türkei ... und was hat das eigentlich mit Mannheim zu tun?

Der Postillon: Beleidigte Leberwurst Erdogan

Nach der Festnahme des „Welt“-Journalisten Deniz Yücel richtet sich die gesamte deutsche Öffentlichkeit gegen die AKP und Erdoğan, dabei ist spätestens seit der Zerschlagung des Gezi-Aufstands 2013 für die ganze Welt sichtbar, dass die AKP die Türkei in eine islamisch-reaktionäre Diktatur führen will. Diesen Weg geht die AKP schon seit langem durch eine Islamisierung des Alltags in der Türkei, beispielsweise durch Alkoholverbot in der Öffentlichkeit oder eine stetige Repression gegenüber Andersdenkenden.

 

Eine neue Stufe der Eskalation Seitens der AKP war sicher der Krieg in der Südost-Türkei 2015, wo kurdische Städte und Dörfer zum Teil völlig zerstört wurden und es auch zu Massakern an der Zivilbevölkerung kam (z.B. in Cizre im September 2015). Das massive Vorgehen der AKP lässt sich mit dem, was kurz hinter der türkischen Grenze im kurdischen Teil Syriens (Rojava) passiert, erklären. Dort baut die kurdische Befreiungsbewegung mit großer Unterstützung der Bevölkerung seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs selbstverwaltete Strukturen auf.

Die Menschen in Rojava entwickeln eine Gesellschaft, die im krassen Gegensatz zur Türkei steht und eine im Nahen Osten einzigartige, fortschrittliche Perspektive bietet. Sie setzen auf direkte Demokratie und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die kurdische Befreiungsbewegung und ihre Verteidigungskräfte YPG/YPJ sind dabei die einzige Kraft, die sowohl ideologisch als auch lange Zeit militärisch dem IS glaubhaft etwas entgegensetzen kann. Dass der deutsche Innenminister Thomas de Maizière jetzt ausgerechnet die Fahnen der YPG und YPJ verboten hat, ist ein weiteres Indiz, wo der deutsche Staat seine Verbündeten sieht: In der Türkei unter Erdoğan, die seit dem Flüchtlingsdeal Flüchtlinge von Europa fernhält und im Gegenzug unter anderem die Verschärfung der Repression gegen die Kurdinnen und Kurden fordert.

Was de Maizières Verbündete von Pressefreiheit und Demokratie halten wird allerspätestens nach dem gescheiterten Putschversuch klar. Seitdem kommt es in der Türkei quasi jeden Tag zu Festnahmen; vor allem gegen die linke und kurdische Opposition nimmt die Repression zu. Die AKP-kritische Presse wird zerschlagen. Die Festnahme von Deniz Yücel ist nur die Spitze des Eisbergs. Schon davor wurden zahlreiche linke und kurdische Zeitungen und Fernsehsender verboten. Über 100 JournalistInnen sitzen in der Türkei in Knästen. Mit dem Referendum am 16. April 2017 will die AKP die letzten Hürden auf dem Weg in eine islamisch-reaktionäre Diktatur aus dem Weg räumen. 

 

Hayır! heißt Nein!

 

Konkret steht das Referendum für eine massive Schwächung der Rechte des Parlaments, welches der Präsident dann jederzeit auflösen kann, und die auch sonst umfassende Stärkung der Stellung des Präsidenten. De facto wird die Gewaltenteilung aufgehoben und hohe Richter und Staatsanwälte, aber auch Universitätsrektoren, direkt durch den Präsidenten ernannt. Doch der Ausgang des Referendums ist unklar. Selbst rechte und islamisch-konservative Menschen in der Türkei stehen dem Referendum kritisch gegenüber. Es ist also kein Wunder, dass die AKP mit massiver Repression gegen die HAYIR („Nein“)- Kampagne vorgeht. Ein HAYIR, also ein Nein im Referendum, könnte die letzte Chance sein, die AKP-Diktatur zu verhindern.

 

Was hat das alles mit Mannheim zu tun?

 

Die Bundesrepublik Deutschland ist für die Türkei seit ihrer Gründung wirtschaftlich und militärisch ein verlässlicher Partner. Egal ob Militärputsch oder Krieg gegen die kurdische Minderheit, bisher war die Bundesrepublik bereit, jede Menschenrechtsverletzung und jedes Massaker zu akzeptieren, solange deutsche Profitinteressen gewahrt blieben. Um der Türkei den Rücken frei zu halten geht der deutsche Staat massiv gegen türkische und kurdische Linke in Deutschland vor.

Während für türkische Rechte und Islamisten meist keine Gefahr durch den deutschen Staat droht. So verwundert es nicht, dass die türkische Rechte auch in Mannheim und der Rhein-Neckar-Region präsent ist: die AKP-nahe DITIB betreibt mehrere Moscheen, darunter die größte Moschee der Region im Mannheimer Jungbusch. Auch der türkische Arm der Muslimbruderschaft „Milî Görüş“ betreibt mehrere Moscheen, Vereinsräume und auch Supermärkte in der Region. Die Milî Görüş Jugendorganisation IGMG ist sogar im Mannheimer Stadtjugendring vertreten. Die faschistische MHP („Graue Wölfe“) ist in Mannheim und Umgebung präsent und hat u.a. Räumlichkeiten in Mannheim-Schwetzingerstadt. Erst Anfang März 2017 kam es auch in Mannheim zu Razzien gegen die türkisch-nationalistischen Rocker „Osmanen“.

Es ist also nicht verwunderlich, dass es nach einer AKP-Demo im September 2015 zu Angriffen auf kurdische Geschäfte in den H-Quadraten kam. Anstatt sich mit den Opfern des islamisch-reaktionären Mobs zu solidarisieren forderte OB Kurz „alle Parteien“ dazu auf den Konflikt aus Mannheim raus zuhalten. Was er sich darunter vorstellt konnte man kurze Zeit später sehen: Eine Gedenkdemonstration für die Opfer eines Bombenanschlags auf eine Friedensdemo in Ankara, zu der u.a. der DGB Mannheim aufrief, wurde aus der Innenstadt an den Bahnhofsvorplatz verbannt. Genauso wurde mit zahlreichen weiteren AKP-kritischen Demonstrationen verfahren.

 

Unsere Perspektive: Solidarität statt Raushalten

 

Wir wollen nicht „den Konflikt aus Mannheim raus halten“ sondern uns mit den linken kurdischen und türkischen Kräften in Mannheim solidarisieren und ihren Kampf gegen Islamismus und die AKP-Diktatur aktiv unterstützen. Denn ihr Kampf gegen religiösen Wahn und Unterdrückung ist auch unser Kampf. Wir denken, dass die Solidarität mit der linken Opposition in der Türkei und der demokratischen Selbstverwaltung in Rojava die passende Antwort auf islamistischen Terror auch in Westeuropa ist. Wir wollen die Kämpfe der türkischen, kurdischen und deutschen Linken hier in Mannheim verbinden – nicht nur gegen die AKP-Diktatur und ihre UnterstützerInnen im deutschen Staat und Kapital, auch gegen alle türkischen und deutschen FaschistInnen, Rassist*innen und Reaktionäre. Genau so wollen wir die Alltagskämpfe in unseren Vierteln gemeinsam führen, etwa gegen steigende Mieten und die Verdrängung der ärmeren Bevölkerung. Für eine solidarische und klassenlose Gesellschaft!  

 

Kommt zur Demo “Staatsterrorimus stoppen! Weg mit dem Verbot der PKK!
am Sa., 8. April um 13 Uhr,Hauptbahnhof Mannheim*

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Die Demonstration am wurde von der Polizei am 4. April verboten.

 

Am 8. April findet in Heidelberg um 15 Uhr eine Kundgebung unter dem Motto "Schluss mit der Kriminalisierung kurdischer und türkischer Oppositioneller! Bekämpfen wir den autoritären Staat hier und in der Türkei!" statt.