Ein baskisches Paar ist vor Tagen im griechischen Igoumenitsa, im äußersten Nordwesten des Landes festgenommen worden. Im Hafen wurden sie kurz vor dem Übersetzen nach Italien dabei erwischt, wie sie acht Migrantinnen illegal ins Baskenland bringen wollten.
Der Plan war einfach: Begoña Huarte aus Pamplona und Mikel Zuloaga aus Bilbo hatten ein Wohnmobil derart präpariert, dass im doppelten Boden bequem acht Personen Platz hatten, um sich zu verstecken. Mit der Fähre sollte es nach Brindisi an den italienischen Stiefelabsatz gehen und weiter bis ins Baskenland. Es fehlten zehn Minuten, als die Zollbehörden die außergewöhnlichen Fahrgäste entdeckte und alle zehn Personen verhaftete. Bei den Flüchtlingen handelt es sich um eine transsexuelle Frau, die aus Pakistan stammt, sowie Jugendliche aus Syrien, Irak, Afghanistan und Iran.
Die Festnahme fand in der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 2016 statt. Die Flüchtlinge wurden einen Tag später wieder freigelassen, sie konnten Asylanträge stellen. Die beiden baskischen Fluchthelfer hingegen blieben einige Tage eingesperrt, wurden einem Richter vorgeführt, bevor sie gegen die Zahlung einer Kaution von insgesamt 4.000 Euro ebenfalls freigelassen wurden.
Begoña und Mikel sind zwei im Baskenland bekannte Menschenrechts-Aktivistinnen, sie hatten die Aktion gut vorbereitet und zählten auf die Unterstützung mehrerer Menschenrechts-Organisationen, die die Kosten trugen, sowie Anwältinnen, die offenbar in den Plan eingeweiht waren. Sofort nach ihrer Festnahme waren zwei vorbereitete Videos publiziert worden, in denen die Aktion erklärt wurde. Darin heißt es: „wir erklären öffentlich, dass wir geflüchtete Personen illegal befördert haben“. Über die sozialen Netze machten diese Videos schnell die Runde, in der baskischen Presse war das Thema gut platziert, selbst die nationalen Medien (so wird die spanische Presse im Baskenland genannt) reagierten mit Meldungen. Nach ihrer Freilassung begründeten die beiden ihr Vorgehen mit der für die Flüchtlinge absolut untragbaren Situation im Mittelmeerraum, wo in den vergangenen Jahren Tausende bei ihren Fluchtversuchen ums Leben kamen.
Akte von zivilem Ungehorsam seinen notwendig und legitim angesichts der Untätigkeit der Regierungen, die sich – wie die spanische – nicht einmal an Absprachen über Flüchtlingsaufnahme halten, die innerhalb der EU getroffen wurden. Im spanischen Staat sind seit Beginn der sog. Flüchtlingskrise nur einige hundert Flüchtlinge angekommen, von den mehreren Tausend, die als „Kontingent“ eigentlich aufgenommen werden sollten. Nicht einmal die Zahlen sind klar, amtlicherseits wird mit Verwirrung gespielt. Neben der direkten solidarischen Hilfe richtete sich die Aktion von Igoumenitsa auch gegen diese unverantwortliche und rassistische Politik.
Im Baskenland sind bisher kaum mehr als zwei Dutzend Personen angekommen, dabei haben gerade hier viele Institutionen ihre Bereitschaft zur Aufnahme erklärt. Angefangen bei der baskischen Regierung, die schon vor mehr als einem Jahr öffentlich deutlich machte, dass die notwendige Infrastruktur zur Aufnahme bereit stünde. Doch Einwanderung liegt in den Händen von Madrid, die Basken haben da nichts zu melden. Baskische Großstädte hatten ebenfalls ihre Aufnahmebereitschaft erklärt, daneben viele kleineren Orte.
Angefangen in Bilbao hat sich in den vergangenen 18 Monaten eine Solidaritäts-Bewegung formiert, die seither praktisch eine Dauerkampagne macht für Flüchtlings-Aufnahme. In dieser Metropole verfügt die Bewegung sogar über ein Büro, das von einer großen NGO kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. In Donostia, Gasteiz und Pamplona haben sich mittlerweile ähnliche Strukturen gebildet. Im vergangenen Sommer wurde eine Informations-Brigade nach Griechenland geschickt, die an Protestaktionen teilnahm und in besetzten Haus-Projekten Besuche machten. Daneben gibt es sog. Partnerschaften zwischen Soligruppen im Baskenland (Schulen, NGOs, Betriebskantinen) und nichtstaatlichen Aufnahme-Einrichtungen in Griechenland, dabei werden Lebensmittel, Küchengeräte und lebensnotwendige Gegenstände organisiert und transferiert.
Den Festgenommenen drohen verschiedene Tatbestände, die sich in Anbetracht der realen Vorgänge abenteuerlich anhören: Beihilfe zu illegaler Einwanderung, Menschenhandel, Fahrlässigkeit gegenüber der Unversehrtheit von Flüchtlingen.
Bei ihrer Rückkehr ins Baskenland wurden Begoña Huarte und Mikel Zuloaga am Flughafen von Bilbo von einer Menge von Freundinnen willkommen geheißen. In einem ersten Interview machten die beiden deutlich, dass ziviler Ungehorsam weiterhin ein Weg sein müsse, die Situation der Flüchtlingen zu verändern, sie seinen zu weiteren Maßnahmen in dieser Richtung bereit. Das baskische Fernsehen informierte ausführlich.
„Ongi Etorri“ stand auf vielen Transparenten in der Ankunftshalle des Flughafens: „herzlich willkommen“ in baskischer Sprache. „Ongi etorri errefuxiatuak“ ist auch das Motto und Symbol der baskischen Bewegung: „herzlich willkommen Flüchtlinge“. Diese drei Worte stehen auf den vielen gelben Fahnen, die seit eineinhalb Jahren fast die ganze Stadt zieren. Unübersehbar auch für Touristinnen, die neugierig fragen, was das denn zu bedeuten habe. Eine häufig erlebte Antwort insbesondere deutscher Touristinnen auf die Erklärung der solidarischen Fahnen ist der Satz „da könnt ihr von uns welche abhaben“. Was deutlich macht, dass baskische Verhältnisse auch in dieser Hinsicht schwer vermittelbar sind.
Ein Manko hat die Ongi-Etorri-Bewgung dennoch: sie hat es bisher nicht geschafft, die Organisationen der in Bilbo lebenden Migrantinnen in die Kampagne mit einzubeziehen. Vielleicht wurde es bisher auch noch nicht versucht.
Geschichtsvergessenheit sondergleichen...
Fluchthelfer nannte man Leute, die Menschen aus Unrechtsregimen wie dem Nationalsozialismus gerettet haben. Man kann diesen Begriff nicht einfach übertragen auf etwas ganz anderes...