BSG Chemie gegen 1. FC Lok ist die Mutter aller Fußballderbys in Leipzig. Knapp zwei Wochen vor der Begegnung am 13. November im Alfred-Kunze-Sportpark bringen sich die verfeindeten Fanlager bereits in Stellung
Der jüngste Vorfall passierte am Reformationstag in den Mittagsstunden. Während die BSG Chemie in der Oberliga gegen den FC Inter in Markranstädt spielte, nutzten Anhänger aus Probstheida die Zeit für eine Machtdemonstration in Leutzsch. Später tauchten Bilder vom Hausbesuch in den sozialen Netzwerken auf. Auch ein Video zeigt mehrere Dutzend Lok-Hooligans.
Demnach stiegen die schwarz gekleideten Personen über den Zaun des Alfred-Kunze-Sportparks und postierten sich auf dem Norddamm, dem angestammten Platz des Chemie-Anhangs. Zu sehen ist auch ein Banner. Auf blau-gelbem Untergrund ist die Zeile „good night green white“ zu lesen. „Wir läuten hiermit die heiße Phase ein“, postet die Fanszene Lokomotive Leipzig bei Facebook.
Die Verantwortlichen der BSG Chemie beraten am Dienstag bei einer Vorstandssitzung über den Vorfall und die entsprechenden Reaktionen. Am Mittwoch folgt dann eine weitere Sicherheitskonferenz mit dem Stadtrivalen aus Probstheida.
Laut BSG-Vorstandssprecher Dirk Skoruppa stehen zwei Punkte ganz oben auf dem Themenplan: die Sicherung des Stadions und der Ticketverkauf. „Wir haben zuverlässige Informationen, dass es Attacken gegen das Ticketing geben soll“, so Skoruppa. Mit anderen Worten: Die Karten sollen kopiert und gefälschte Billets auf den Markt gebracht werden.
Von den 4999 Tickets gehen 750 an die Gäste. Der 1. FC Lok schätzt die Nachfrage im eigenen Lager allerdings auf 8000 bis 10.000 ein und hat mit einem Angebot reagiert. Das Live im MDR gesendete Spiel wird als Public Viewing im Bruno-Plache-Stadion übertragen.
Die Polizei stellt sich auf einen Großeinsatz ein. „Es werde mehrere Hundertschaften beteiligt sein“, sagte Polizeisprecher Alexander Betram. Bis zum Ende dieser Woche sollen die Einsatzplanungen abgeschlossen sein. Auch die Beamten registrieren das Säbelrasseln vor der Partie. Banner der BSG Chemie an der Bundesstraße 2, stadtweite Graffiti beider Seiten an Hauswänden und ein Aufmarsch von Fans mit Lok- und HFC-Symbolen an der Kleidung am vergangenen Freitagabend rund um den Wilhelm-Leuschner-Platz haben die Einsatzkräfte genau beobachtet.
Und noch ein Problem verfolgen die Ordnungshüter. Am Tag vor dem Derby ist der BFC Dynamo bei RB Leipzig II zu Gast. In Berliner Fanforen verabreden sich die Anhänger des DDR-Serienmeisters dazu, in Leipzig zu übernachten und am nächsten Tag in Leutzsch aufzukreuzen. Zwar besteht keine offizielle Fanfreundschaft zwischen Lok und BFC, aber es existieren beste Kontakte beider Hooligan-Gruppierungen. Und noch eine Sache haben die Berliner nicht vergessen. Vor 26 Jahren wurde in Leutzsch mit dem 18 Jahre alten Mike Polley einer ihrer Fans bei Krawallen durch die Polizei erschossen. Im vergangenen Jahr posierten BFC-Fans mit einem Gedenkkranz vor dem Alfred-Kunze-Sportpark.
Chemie-Anhänger haben den Hausbesuch des Lok-Anhangs im Leutzscher Stadion auf ihre Weise kommentiert. Ein inzwischen aufgetauchtes Handyvideo erscheint inzwischen auf einschlägigen Pornoseiten. Der Kommentar wegen der zeitigen Aktion dazu: „Schwarze Männer kommen viel zu früh.“
Matthias Roth
"Fanszene Lokomotive"
Die "Fanszene Lok Leipzig" ist, auch wenn es sich anders anhört, die Nachfolgerin der rechten Hooligangruppe "Scenario Lok".