Von „Neumünster wehrt sich“ zu „Gemeinsam für Deutschland“ - Die geplante Nazidemo am 22.10. in Neumünster reiht sich in die unter dem Motto „Volkswillen umsetzen“ organisierten Events in Norddeutschland ein, zu denen der am 16. April von Antifaschist*innen blockierte Naziaufmarsch in Bad Oldesloe ebenso zählt wie die am 10. September in Stade durchgeführte Neonazidemonstration. Als Anmelder wird – wie schon in Bad Oldesloe – der Neumünsteraner NPD-Ratsherr Mark Michael Proch auftreten, der bis vor ein paar Monaten noch die Gruppe „Neumünster wehrt sich“ unterstützte.
Diese selbst ernannte Bürgerbewegung brachte zunächst im November 2015 mehr als 100 Nazis in der Neumünsteraner Innenstadt auf die Straße, wurde allerdings von Gegendemonstrierenden aus dem autonomen und dem bürgerlichen Spektrum blockiert. In der Folge gab es seitens „Neumünster wehrt sich“ quasi monatlich Versuche, durch Kundgebungen ihre rassistische Propaganda unter die Leute zu bringen, einerseits wurde die Gruppe allerdings immer weiter aus dem Stadtzentrum abgedrängt, andererseits nahm die Teilnehmer*innenzahl der Kundgebungsversuche kontinuierlich ab, so dass Antifaschist*innen die Kundgebungsorte stets mit Transparenten abschirmen und die Reden übertönen konnten. Der eigentliche Grund, aus dem sich Mark Michael Proch desillusioniert abwandte, dürften wohl aber interne Querellen sein: „da wächst (nicht) zusammen, was (nicht) zusammen gehört“ titelte der antifaschistische Recherche-Blog La Quimera, und bezog sich u.a. darauf, dass NPD-Ratsherr Proch mit dem NPD-Gegner Manfred Riemke, der zuvor versucht hatte, eine Alternative zu Prochs Partei in der Stadt an der Schwale zu etablieren, und dem NPD-Verräter Sebastian Struve, der vor Jahren hinter heftigen verbalen Angriffen auf schleswig-holsteinische NPD-Funktionäre steckte, paktierte – zumindest so lange, bis diese Intrigen von Antifaschist*innen aufgedeckt wurden und Proch seinen zugesagten Redebeitrag bei „Neumünster wehrt sich“ zurückzog und über Nacht jegliche Kooperation einstellte.
Da die NPD in Neumünster nicht genug Kapazitäten hat, um größere Aktionen zu organisieren, vernetzte sich Proch mit erfahrenen Kamerad*innen aus dem norddeutschen Raum – „Gemeinsam für Deutschland“ war geboren. Aber wer steckt eigentlich hinter dieser Gruppe?
Die Protagonist*innen
von „Gemeinsam für Deutschland“
Anlässlich der Nazidemo in Bad Oldesloe ist bereits ein Hintergrundartikel zu Protagonist*innen wie Jörn Gronemann oder Tim Jessen erschienen. In der Kommentarspalte des Artikels wird zudem ein Überblick über die Autor*innen des "Preußischen Anzeigers" geboten, dessen Artikel – in Ermangelung an eigenen Inhalten - mehr als 90% der Postings der Facebook-Seite von „Gemeinsam für Deutschland“ ausmachen. Wichtige Personen sind zudem Mark Michael Proch, Andreas Haack und Sven Reichert.
Mark Michael Proch
- geboren 1965
- letzte bekannte Adresse: Am Brunnenkamp 4, 24537 Neumünster
- NPD-Ratsherr in Neumünster, Stellvertretender NPD-Landesvorsitzender
- Proch, der über die Proteste gegen einen damals in Neumünster wohnhaften Pädosexuellen erst 2012 zur NPD gekommen ist, hat eine steile Karriere in der extrem rechten Partei hingelegt. Er fungiert als Bindeglied zwischen der Parteispitze und der Basis, u.a. weil er über gute Kontakte zur Kneipenszene verfügt. Zudem hat er sich den Respekt der Kameradschaftsszene erarbeitet: Zu seinem Wortschatz zählt wie selbstverständlich NS-Vokabular wie "Lügenpresse", "Arbeit macht frei" oder "Untermensch", in seinen Postings verherrlicht er offen den Nationalsozialismus und lässt jegliche Distanz zu Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung vermissen (siehe hier). Im Gegenteil, der Ratsherr war 2013 dabei, als Nazis von NPD und aus der Kameradschaftsszene Journalist*innen mit Steinen und Radkappen attackierten. Ungefähr zur gleichen Zeit, als der Dortmunder Neonazi Dennis Giemsch, der für die Partei "Die Rechte" im Stadtrat sitzt, die Bekanntgabe der Adressen von LokalpolitikerInnen sowie die Zählung der in Dortmund lebenden Juden "aufgegliedert nach Stadtbezirken" forderte, wollte Proch von der Verwaltung der Stadt Neumünster wissen, welche Einzelpersonen im "Runden Tisch für Toleranz und Demokratie" sitzen und wie viele Unterkünfte für Flüchtlinge in Neumünster es neben der Erstaufnahmeeinrichtung gibt und vor allem wo sich diese genau befinden (siehe hier). Zuletzt erschien Prochs Name in Sozialen Netzwerken im Zusammenhang mit dem seit 2000 in Deutschland verbotenen Netzwerk "Blood & Honour", dessen bewaffneter Ableger "Combat 18" in der Vergangenheit auch in Neumünster Ziel von Razzien war.
Andreas Haack
- geboren 1979
- letzte bekannte Adresse: Großer Damm 7, 21702 Ahlerstedt
- Stellvertretender Organisationsleiter der NPD Niedersachsen
- Der Name des gelernten Bäckers aus Wischhafen, der bei der Bundestagswahl 2013 im Wahlkreis Wischhafen II – Hamelvörden genau 1 Stimme (in Worten: eine) für sich gewinnen konnte, stand bereits 2005 unter einem Flugblatt, das die Todesstrafe für Pädosexuelle forderte. 2006 rief er einige Kameraden per Telefon dazu auf, „Zecken klatschen“ zu gehen. Vor allem weil dabei ein unbeteiligter Familienvater attackiert wurde, landete Haack 2006 vor Gericht. Er fungierte am 12.09.2015 als Koordinator bei einer Ho.Ge.Sa-Ersatzveranstaltung in Kirchweyhe und forderte im März 2016 bei einer Kundgebung in Stade, die Bundeswehr solle Deutschlands Grenzen gegen die „Flüchtlinge“ verteidigen. Auch im Internet bezieht der NPD-Kader eindeutig Stellung: Mal fordert er dazu auf, Infoveranstaltungen wie die von Andre Aden in Stade gewaltsam zu „stören“, mal heißt es auf seiner Pinnwand in Bezug auf Antifaschist*innen: „ich habe die Lösung knüppel und ruhe und da hin schlagen wo man es nicht sieht“ bzw. „kastration ,,,,, keine gnade für anti deutsche“
Sven Reichert
- geboren 1970
- letzte bekannte Adresse: Poststraße 9, 21698 Bargstedt
- Kontakt in die Hooligan-Szene
- Sven Reichert, der in Bargstedt mit Heike Dammann auf dem Anwesen der Nazifamilie Dammann lebte, kandidierte bereits im Jahr 2001 für die extrem rechte Wählergemeinschaft "Bündnis Rechte". 2006 war er dann auf der NPD-Wahlliste für den Kreistag zu finden, orientierte sich in der Folge aber eher an rechten Hooligan-Gruppen, z.B. an der Nordgruppe von Ho.Ge.Sa, die Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen umfasste. In einem Artikel des aktuellen Zeck-Hefts ist eine Auflistung der bundesweiten Naziaufmärsche zu finden, die Reichert 2015 und 2016 besucht hat, erwähnt wird hier auch, dass er am 16.06.2016 mit anderen Nazis von „Gemeinsam – Stark Deutschland“ ein Video auf dem Bremer Unigelände drehte, in dem sie mit Anti-Antifa Bannern, Pyrotechnik, Quarzsandhandschuhen und Baseballschlägern posierten. Dass Reichert, dessen Facebook-Profil- und Hintergrundbild bis vor kurzem noch Gewaltszenen aus Stanley Kubricks „Clockwork Orange“ zeigte, es dabei nicht bei Drohungen belässt, sondern er auch zuschlägt, zeigt das Beispiel des 12.09.2015, als er an einem Angriff auf Antifaschist*innen im Bremer Hauptbahnhof beteiligt war und anschließend festgenommen wurde.
Fazit
Diese Beispiele zeigen, dass es zwar eine Kontinuität zwischen „Neumünster wehrt sich“ und „Gemeinsam für Deutschland“ gibt, die Nazidemo am 22.10. nichtsdestotrotz aber anders einzuschätzen ist als die bisherigen Kundgebungsversuche von Proch und Co. Hinter der bürgerlichen Fassade und vermeintlich harmlosen Parolen verstecken sich rassistische und gewalttätige Nazis, die sowohl Parteikreise als auch Kamerad*innen aus der Kameradschafts-, Hooligan- und Kneipenszene auf die Straße bringen könnten. Lasst euch nicht einschüchtern, bildet aber Bezugsgruppen, passt aber aufeinander auf!
Nazis haben...
ein privates Umfeld!
Sonja Proch (Anmelderin von Kinderschänder-Demos) - geb. 1976 - Boostedter Straße 215 - Neumünster
Ines Haack (auch auf NPD-Wahlliste) - geb. 1982 - Großer Damm 7 - Ahlerstedt