In den letzten Tagen gab es mehrere Naziaktionen und rassistische Angriffe in Marzahn-Hellersdorf und in anderen Randbezirken. Ausgehend von einer Meldung über ein vermisstes Mädchen aus Berlin-Mahlsdorf, wurde in den sozialen Medien verbreitet, dass es eine Entführung und Vergewaltigung durch Geflüchtete gegeben habe. Die Nachricht verbreitete sich am Donnerstag, den 14. Januar, rasend schnell im Netz. Innerhalb weniger Stunden teilten mehrere tausend Menschen den Post der Naziseiten und Gewaltaufrufe machten die Runde.
Am Freitag gab es bereits einen Angriff auf eine Geflüchtetenunterkunft in Falkenberg. Hier liegt der verdacht nahe, das es sich um eine Racheaktion handelt, da das Mädchen hierher entführt worden sein soll. Des weiteren gab es am Freitag einen rassistischen Angriff auf mehrere geflüchtete Kinder in Marzahn an der Unterkunft am Brodowiner Ring.
Samstag
Den Fall des 13 jährigen Mädchens nutzte am Samstag die Berliner NPD
für ihren Wahlkampf und veranstaltete eine Kundgebung in Berlin-Marzahn
vor dem Eastgate unter dem Motto: "Männer schützt eure Frauen". Daran
nahmen ca. 35 Nazis, darunter Sebastian Schmidtke, Andreas Käfer, Kai
Schuster, Lukas Lippitz, Franziska Grunhold und Marcel Rockel teil. Der
Neonazi Stefan Böhlke machte Fotos von der Versammlung.
Ebenfalls
nahmen ca. 40 Personen aus der russischen Community an der NPD
Kundgebung teil, von denen mehrere einem russischen Nachrichtensender
Interviews gaben. Eine Frau, die sich als Verwandte des Mädchens
vorstellte, hielt bei der Nazi-Kundgebung einen Redebeitrag. Auch sie
beschrieb das Verbrechen an dem Mädchen und stellte die "fremde"
Herkunft der Täter heraus, kritisierte die Polizei, die den Fall laut
ihrer Darstellung vertuschen wolle.
Nach ca. einer Stunde verließ
ein Großteil der russischen Community die Kundgebung, die nach einer
weiteren Stunde beendet wurde.
Die Polizei dementiert den ganzen Vorfall von der Entführung und Vergewaltigung.
Sonntag
Im Zusammenhang mit den vermeintlichen Angriffen auf Nazis in
Oschersleben und den aktuellen Berichten über angebliche Straftaten
durch Geflüchtete, kam es am Sonntag in Marzahn-Hellersdorf zur Gründung
einer "Bürgerwehr". Die Neonazis zogen am gleiche Tag mit ca. 30
Personen und in Begleitung der Cops, durch den Hellersdorfer Kiez.
Danach wurde auf einer Naziseite auf Facebook noch einmal öffentlich zur
Gründung einer "Bürgerwehr" aufgerufen, an der sich Freiwillige
beteiligen könnten. Es bleibt abzuwarten, was sich aus dieser
"Bürgerwehr" entwickelt. Angesichts ähnlicher Vorgänge in anderen
deutschen Städten, als rassistische Reaktion auf den Diskurs vom Kölner
Hauptbahnhof, ist mit weiteren Gewalttaten zu rechnen.
Am Sonntag
Abend kam es weiter zu einem rassistischen Angriff in der S-Bahn
Richtung Ahrensfelde. Auch nahe dem S-Bahnhof Nöldnerplatz wurde ein
geflüchteter Mann von mehreren Neonazis angegriffen.
Montag
Am Montagabend, den 18. Januar 2016, kamen gegen 20 Uhr 100-200
Personen einem Aufruf zu einer rassistischen Demonstration an der
Jan-Petersen-Straße in Berlin-Marzahn nach. Die Teilnehmer*innen waren
in erster Linie aufgebrachte Marzahner*innen, die dem rassistischen
Aufruf "gegen Vergewaltigungen durch Flüchtlinge" gefolgt waren. Dazu
kamen Berliner Neonazis wie NPD Landesvorsitzender Sebastian Schmidtke,
René Uttke, stellvertretender Vorsitzender der Nazipartei Die Rechte
Patrick Krüger und zahlreiche weitere. Die Cops waren anfangs viel zu
schwach aufgestellt und mussten Verstärkung rufen. Die Kundgebung selbst
konnte zunächst keine*n Anmelder*in vorweisen und auch
Lautsprecherwagen etc. fehlten. Neonazis versuchten mit Parolen Stimmung
zu machen und versuchten Pressevertreter*innen anzugehen. Die
Demonstration wurde nach Informationen der Berliner Zeitung beendet mit
der Begründung, dass es "das Verbrechen nicht gegeben hat".
Alltagsrassismus und Sexismus
Dieser Vorfall wurde von Beginn an von der NPD aufgegriffen und
instrumentalisiert, traf auf fruchtbaren Boden und wurde von tausenden
Rassist*innen im Netz und letztendlich auf der Straße aufgenommen. Unter
dem Deckmantel von Frauen- und Kinderschutz werden auch in
Marzahn-Hellersdorf nun Geflüchtete für ein gesamtgesellschaftliches
Problem allein verantwortlich gemacht: Sexismus und sexualisierte
Gewalt.
Es ist unsäglich, wie gerade mit dem Thema der
sexualisierten Gewalt Stimmung gegen Asylsuchende gemacht wird. Sei es
durch nach den Geschehnisse in Köln oder die aktuelle Debatte in
Berlin-Marzahn.
Wir schließen uns der Stellungnahme des AStAs der ASH zum Thema sexualisierte Gewalt und Rassismus an.
Weitere Infos unter: