[DD] Sponti: Enough ist Enough – Solidarität über die Szene hinaus

Sponti 1

Am Donnerstag, den 14.01.2016, fand eine lautstarke Spontandemonstration in Dresden statt. Gründe dafür gibt es mehr als genug: die restriktive Abschottungspolitik an den Grenzen Europas, die aktuellen Verschärfungen der Asylgesetzgebung und die Debatte um eine noch weiterführende Verschärfung dieser und der in Sachsen alltägliche offene rechte Straßenterror.  Um ca. 20:00 Uhr versammelten sich ca. 100 Antifaschist*innen am Albertplatz, um spontan und kraftvoll ihre Wut, über die “sächsische Normalität” Ausdruck zu verleihen. Nach einer kurzen Kundgebung, auf der ein Redebeitrag verlesen wurde, startete die Sponti und führte durch die Äußere Neustadt Dresdens, welche am 21.12.2015 Ziel eines ca. 100 Personen starken (Neo-)Nazimobs wurde. Dabei wurden mehrere vermeintliche politische Gegner*innen gejagt und angegriffen. Zuvor hatte sich der Mob, ähnlich wie am Montag in Leipzig-Connewitz, weitab vom Geschehen der Pegida- bzw. Legidademonstrationen getroffen, um zunächst relativ ungestört agieren zu können.

 

Hier ist der Redebeitrag, der bei der Startkundgebung verlesen und als Flyer an Passant*innen verteilt wurde. Dieser enthält eine unvollständige Chronik rechter Gewalt der letzten Monate in und um Dresden.

 

Unsere Solidarität gilt den Betroffenen von #le1101, den Leuten aus der #Rigaer sowie allen Betroffenen menschenverachtender Gewalt.

 

Enough is enough - Chronolgie rechter und rassistischer Gewalt 


Die  Hemmschwelle sinkt, die letzten Tabus fallen - hate speech in sozialen Medien und auf der Straße. Jeden Tag mehrere rassistische Demonstrationen im Bundesgebiet. Täglich häufen sich Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte. Menschen sind von rechter Gewalt betroffen, weil sie als „nicht deutsch“ wahrgenommen  werden. Der öffentliche Diskurs ist geprägt von Ressentiments, Verallgemeinerungen und Vorverurteilungen. Auf die sexistischen Übergriffe in der Silvesternacht folgt keine sachliche Diskussion über sexualisierte Gewalt, sondern lediglich über die vermeintliche Herkunft und/oder "Kultur" der Täter bezogene Polemik. Auf die großen Migrationsbewegungen wird mit immer restriktiveren Asylgesetzen und Law and Order-Politik geantwortet, statt die Fluchtursachen zu thematisieren. Reporter*innen werden an ihrer Arbeit gehindert, Politiker*innen auf offener Straße angestochen. Brandsätze fliegen auf Geflüchtetenunterkünfte und Nazi-Hools machen, getragen von der aufgeheizten Stimmung, regelrecht Jagd auf  (vermeintliche) politische Gegner*innen und fallen geplant über ganze Stadtviertel her. Laut BKA gab es in 2015 887 Angriffe auf  Geflüchtete und/oder deren Unterkünfte. Die vermeintliche Mitte  der Gesellschaft verroht!   

Folgend  eine kurze, unvollständige, Chronik menschenverachtender Gewalt der  letzten Monaten in Dresden und Umgebung:   

09.10.15 In Dresden-Prohlis werden die Teilnehmer*innen des Willkommensfestes von (Neo-)Nazis angegriffen. Im Nachgang machte der örtliche Revierleiter das Willkommensbündniss für die rechte Gewalt verantwortlich, schließlich hatte dieses die Angreifer*innen mit bloßer Anwesenheitprovoziert.
19.10.15 (Neo-)Nazis verüben einen koordinierten Angriff auf ein linkes Wohnprojekt in Dresden-Übigau, sie stürmen von zwei Seiten auf das  Gebäude zu, werfen mit Steinen und versuchen mit Buttersäure gefüllte Flaschen durch die beschädigen Fenster zu werfen, an den Flaschen waren Böller befestigt. - die Täter*innen, der "Bürgerwehr Freitel 360" zugehörig, wurden inzwischen gefasst.
01.11.15 Sprengstoffanschlag auf eine Unterkunft in Freital, ein Asylsuchender wurde verletzt.
21.11.15 In Rosswein griffen mehrere (Neo-)Nazis mehrere Personen aus dem Umfeld des hießigen Willkommensbündniss an, sie riefen "Scheiß  Zecken", ein junger Mann wurde mit einem Messer verletzt und musste im Uniklinikum Dresden operiert werden.
23.11.15 Teilnehmer*innen der Pegida-Demonstration attackierten und schlugen einen Kameramann eines russischen Fernsehteams.
24.11.15 Zwei (Neo-)Nazis bepöbeln in einem Dresdner Linienbus Fahrgäste und skandierten rechte Parolen. Der Busfahrer wollte einschreiten und die beiden des Busses verweisen - einer der beiden entleerte sein Bier auf dem Fahrersitz und zog anschließend die leere Flasche über den Kopf des Busfahrers
30.11.15 Nach der PEGIDA Demonstration sammelten sich ca 30 Neonazis und Rassist*innen auf der Brühlschen Terasse, sie warfen Steine auf die darunter entlangführende Gegendemonstration - die Frontscheibe des Lautsprecherwagens wurde beschädigt und nur durch Zufall wurde niemand verletzt.
14.12.15 In Pirna wurde in der Nacht ein Molotov Cocktail gegen die Fassade einer Asylsuchendenunterkunft geschleudert, die brennende Flüssigkeit überzog Fassade und Fenster. Das Feuer wurde durch das Wachpersonal gelöscht.
21.12.15 Während einer Pegidaveranstaltung, findet ein geplanter Überfall von ca. 100 (Neo-)Nazi-Hools auf die Dresdner Neustadt statt. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt.
23.12.15 Auf dem Heimweg wurde ein 19-Jähriger Somalier von zwei Unbekannten rassistisch beleidigt und mit einem Messer verletzt.
24.12.15 Brandanschlag auf das linke Wohnprojekt RM16. Bisher Unbekannte versuchten durch ein Kellerfenster in den Kohlenkeller des Gebäudes einzusteigen, dies scheiterte vorerst. Durch ein Fenster im Erdgeschoss gelang es einzusteigen und im Keller die gelagerte Kohle zu entzünden. Nur durch die Starke Rauchentwicklung bemerkten Anwohner*innen den Brand zufällig und konnten ihn löschen. Die Polizei dementiert eine politisch motivierte Tat.
26.12.15 In Dresden-Stetzsch wurde die Eingangstür einer Unterkunft mit Böllern beschädigt, einige Scheiben gingen zu Bruch.
04.01.16 Mutmaßlichen Pegida-Teilnehmer*innen verletzeten einen slowakischer Staatsbürger.
11.01.16 In Leipzig fallen während einer Legidademo ca. 250 Nazi-Hools in Connewitz ein und zerstören mehrere, als politisch links bekannte Einrichtungen, sowie Kneipen und Geschäfte. Im Laufe des Tages kam heraus, dass der NPD-Ermittlungsinterna der Polizei über Antifaschist*innen weitergegeben wurden.
11.01.16 In Dresden-Alltstadt wurden zwei Studenten aus Israel von einer Gruppe von sechs Rassist*innen offenbar für Menschen arabischer Abstammung gehalten, sie beschimpften die beiden Aufgrund ihrer vermeintlichen Herkunft und skandierten rechte Parolen. Daraufhin wurde einer von beiden geschlagen, sie flüchteten vor den Angreifer*innen in ein nahe gelegenes Geschäft, diese beschädigten eine Schaufensterscheibe des orientalischen Geschäfts.


Diese kurze und unvollständige Chronologie soll zeigen: Es brennt an allen Ecken! Die Mehrzahl der Gewalttaten verkommen auf,grund deren Fülle, mitlerweile zur bloßen Randnotiz. Dennoch wird die Gefahr menschenverachtender Einstellungen und der daraus resultierenden Gewalt bagatellisiert und relativiert, unter anderem damit, dass ihr permanent die Gefahr von Links gegenübergestellt wird. Wir wollen heute zeigen, dass wir uns mit der deutschen Normalität nicht abfinden wollen. Wir wollen heute unsere Solidarität mit all jenen zum Ausdruck bringen, die von dieser Normalität betroffen sind und/oder sich ihr entgegenstellen. Enough is enough.

Undogmatische Radikale Antifa Dresden
uradresden.noblogs.org

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Wichtig, dass es dieses Lebenszeichen aus Dresden gab. Die Reaktionen von Menschen neben der Demo zeigten, wie sehr sich rechtes Gedankengut auch in der Neustadt wiederfindet und offen auf der Straße artikuliert wird ("Ihr Deutschlandhasser", etc.). Wenn wir allerdings "Solidarität über die Szene hinaus" einfordern, sollten wir manche liebgewordenen Traditionen überdenken. Laute, große, starke Böller vor die Füße von Passant_innen zu werfen, fördert Solidarität nicht. Ansonsten: gerne mehr und schneller zu aktuellen Anlässen (RM16, etc.)!