[WE] Zwischen antifaschistischer Theorie und Praxis in Thüringen

K56 Nazitag Humboldt-Gymnasium

Ein ereignisreiches Wochenende für die Thüringer Antifaschist_innen geht zu Ende. Nicht nur in Weimar versammelten sich Antifaschist_innen um anlässlich des 25. Antifa/Antira Ratschlag zu diskutieren, sondern auch, um die Genoss_innen aus Gotha zu unterstützen. Dort demonstrierten kontinuirlich 20-50 Nazis gegen eine Geflüchtetenunterkunft. Antifas aus Weimar fuhren außerdem am 09. November, also dem Jahrestag der Reichspogromnacht nach Apolda, um gegen den dort stattfindenden Aufmarsch der NPD-Weimar zu demonstrieren. Doch eins nach dem anderen.

 

25 Jahre Antirassistischer Ratschlag in Thüringen

 

Am 06. und 07. November 2015 fand der Antifa/Antira Ratschlag in Weimar statt. Wir haben uns als Gruppe aus diversen Gründen nicht direkt an der Vorbereitung beteiligt. Dementsprechend konnten oder wollten wir selbst keine inhaltlichen Akzente setzen.

 

Interessanterweise kam es im Zuge der Vorbereitung des Ratschlags zu einer Naziaktion der Gruppe Kollektiv 56 aus Erfurt, welche offenbar neuerdings auch Weimar als Aktionsfeld für sich auserkoren hat. So wurden in der Nacht vom 29 zum 30 im Stadtteil Weimar-West mehrere Dutzend Naziaufkleber verklebt und auch das Humboldt-Gymnasium Weimar, welches die Räumlichkeiten für den Ratschlag stellte, wurde mit Stickern beklebt, mit Naziparolen bemalt und 2 Bäume zerstört. Die Stickerpalette erschien, wie das Standardrepoirtoire eines Autonomen Nationalisten, so wurden Motive aus der Antifaszene aufgegriffen und umgedeutet. Diese Naziaktion ist Grund genug, um ein paar Sätze zu dieser relativ neuen Nazigruppierung, mit doch recht bekannten Gesichtern zu verlieren.

 

Nazi-Toy

 

Das Kollektiv 56 Sabotnik ist im April 2014 gegründet worden und besteht hauptsächlich aus Autonomen Nationalisten. Als Gruppierung erkennbar nahm die Gruppe am 22. August 2015 an einer Nazidemonstration in Waren (Müritz) teil und stellte das Fronttransparent. Es ist das gleiche Transparent, wie auf der Demonstration von die Rechte am 31.10.2015 in Halberstadt.

 

Selbiges wurde auch für den zweiten Block am 31. Oktober 2015 in Halberstadt genutzt. Es ist davon auszugehen, dass mehrere Personen ihre neue politische Heimat in dieser Gruppierung gefunden haben, dazu zählen unter anderem Philipp Miene, der ehemals in der AG Weimarer Land aktiv war und die Erfurter Nazis Tobias Zitzmann, Sascha Wühr, Julian Treuse, der Kontakte zu Christopher Seelig unterhält und Dirk Liebau, welcher gute Kontakte zum Weimarer Neonazi Thomas Holzinger unterhält.

 

Naziaufmarsch 7.02.2014 Weimar

 

Ob dieser oder andere Weimarer Nazis auch Mitglied dieser Gruppierung sind, können wir nicht beurteilen. Hinweise dazu erbitten wir intern und verschlüsselt.

Ob das K56 jedoch öfters nach Weimar kommen wird wissen wir nicht, falls sie es doch tun sollten, sollte ihnen klar sein, dass wir alles dafür tun werden, damit ihnen das Lachen vergeht

 

Kühe, Schweine, Glockenstadt!

 

Die Kreisstadt des Weimarer Landes, welche auch unter dem Namen Apolda bekannt ist, zählt bereits zu einem der sterbenden Orte Thüringens. Dieser triste Fleck Erde bietet einfach nichts, außer graue Fassaden und einem kulturellem Leben, indem Jugendliche nicht an den dort einheimischen Dorfnazis und/oder der Bauernkirmes vorbeikommen. Die einzige Möglichkeit die bleibt ist das wegziehen aus diesem Kaff. Na ja wie dem auch sei, Jan Morgenroth der Stadtratsabgeordnete der NPD in Weimar hat sich Apolda ausgesucht, um endlich mal wieder zu demonstrieren. Hierbei ist seine Idee am 9. November, also dem Tag der Reichspogromnacht auf großen Zuspruch gestoßen. Es spricht für das gesellschaftliche Klima in Deutschland, dass am 77. Jahrestags dieses Pogroms wieder Hetze gegen Menschen, welche als nicht zugehörig zur deutschen Volksgemeinschaft definiert wurden, großen Zuspruch erhalten. Es liegt an uns zukünftige Pogrome zu verhindern.

 

Es beteiligten sich ungefähr 600-800 „Besorgte Bürger“ waren an der Demonstration. Das Teilnehmer_innen Spektrum reichte von Autonomen Nationalist_innen bis hin zu dem „verängstigten Rentnerpärchen“. Auch Weimarer Neonazis, wie Michel Fischer, Thomas Holzinger, Danny Rehberg und Leon Kliffe waren in Apolda und am Weimarer Bahnhof anzutreffen. Der Gegenprotest gestaltete sich noch bürgerlicher als der BgR in Weimar und ist als reines Standortmarketing, ohne inhaltliche Ausseinandersetzung mit dem Naziproblem in Apolda zu werten. So kam es auch vor, dass man nach einmaligen Bitten der Polizei die potenzielle Naziroute frei gab. Jedoch muss positiv erwähnt werden, dass sich viele Gegendemonstrant_innen aus anderen Städten beteiligten, um gegen die Nazis demonstrieren.

 

Zum gesellschaftlichen Klima in der Provinz.

 

Der Landrat des wunderschönen Weimarer Landes ist Hans Helmut Münchberg, welcher im Amtsblatt des Monates November bereits vor einigen Tagen zum „Handeln“ aufrief. Er fordert die Bürger_innen des Landkreises nämlich dazu auf, Geflüchtete zu unterstützen, damit diese sich im Landkreis besser zurecht finden. Das klingt ja erstmal nicht schlecht, allerdings hat er diesen Appell, im gleichen Text geschrieben, wie folgende Zitate „Kein Zuzug von Familienverbänden“, „Ausweisung Krimineller Ausländer und Strafverbüßung in deren Heimatländern“, „strenge Begrenzung der Zuwanderung“ und „der Rechtsfrieden wird nur gewahrt, wenn Deutsche nicht das Gefühl haben, Gast im eigenen Land zu sein.“ Hans Helmut Münchberg schafft es hier in vorbildlicher Weise die gleichen Rhetorischen Blumen, wie sie bei einem Jan Morgenroth oder ähnlichen Konsorten zu finden sind, zu bedienen. So schreibt zum Beispiel Ronny Zasowkin in einem Text, der auch auf der Seite der NPD Weimar zu finden ist, dass „Asylbewerber, kriminelle Ausländer […] ausnahmslos in ihre Heimat zurückzuschicken und mit einer lebenslangen Einreisesperre zu belegen [sind].“ Das ist nur eins der harmloseren Beispiele eines NPD-Parteikaders. Münchbergs Paradoxon wird perfekt in dem er gleichzeitig zur Unterstützung von Flüchtlingen aufruft und im selben Moment die gleichen Forderungen stellt, wie sie auch in der rassistischen Facebookgruppe „Ja zur Humanität, Nein zum Bevölerungsaustausch“ geposted werden. Die meisten Zitate seines Textes stehen für sich und benötigen keine Kommentierung, sie solten unserem lesenden Publikum bereits bekannt sein. Lediglich auf einen Satz möchten wir nochmal genauer eingehen:“der Rechtsfrieden wird nur gewahrt, wenn Deutsche nicht das Gefühl haben, Gast im eigenen Land zu sein.“ Er benennt also die Ursache für die steigende fremdenfeindliche Gewalt in Deutschland, die „Ausländer_innen“, wegen denen sogenannte „Besorgte Bürger_innen“ oder Neonazis selbst zum Brandsatz greifen, um ihre Voksgemeinschaft zu verteidigen. Diese stellen jedoch nur ein Teil des Problems für ihn dar, da sie hier in ihrer „angestammten“ Heimat leben, dementsprechend erkennt er, dass zwar die deutschen Eingeborenen den sogenannten „Rechtsfrieden“ brechen, das Problem dafür bleiben aber die „Ausländer_innen“. Mit anderen Worten ausgedrückt, die „Ausländer_innen“ müssen verschwinden oder die Deutschen werden selbst dafür sorgen, dass ihre Heimat wieder „Ausländerfrei“ wird.

 

Für diesen Aufruf ist Herr Münchberg in rassischtischen Facebookgruppen, wie der oben genannten beklatscht wurden, die Gruppenmitglieder scheinen die Quintessenz des Textes auch sehr gut verstanden zu haben.

 

Dementsprechend stehen Morgenroth und Münchberg nicht gegeneinander, sondern bedingen einander. Morgenroth ist nicht der Rattenfänder, der den/die besorgte_n Bürger_in um den Finger wickelt, nein er nutzt die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche vom Kapitalismus und dem Konstrukt Staat, mit dem oder der dazugehörigen Volks-(gemeinschaft) aus, um die ohnehin schon vorhanden rassistischen Einstellungen in der Gesellschaft zu aktionistischeren Taten anzuleiten. Wie diese aussehen haben wir im letzten Jahr gelernt. Heidenau oder Freital sind nur zwei herausragende Beispiele unter vielen.

 

Münchberg sieht ganz wie in den 1990er Jahren das Problem bei den Migrant_innen und um diese vor den Gewalttaten des Mobs zu schützen soll nicht der Mob in seine Schranken gewiesen werden, sondern die Geflüchteten und die Migrant_innen einfach gehen.

 

Unsere Solidarität gilt allen Menschen in Apolda, die sich noch nicht mit der Gesamtscheiße vor Ort abgefunden haben.

 

AKW im November 2015

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In Apolda können sich Nazis seit den 80ern ungestört austoben.

(Mindestens) einen Laden haben sie hier auch ...

 

 

Faschoshop: Strike Back Shop Apolda
Betreiber: Fabian Kellermann
Adresse: Ackerwand 17, 99510 Apolda

 

TELEFON: 0162/4032089
EMAIL: kontakt@Strikebackshop.de


Steuernummer:162/238/14089

 

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... und die Faschos aus "Dorfnazis" zu betiteln ist meiner Meinung nach verharmlosend.

Hier laufen Totschläger und Messerstecher rum, die schon in den 90ern die Straßen dominiert haben.

Größtenteils sind die Nazis hier auf`m "Hardcore"-trip, was Outfit und Musik angeht.

(Chemische) Drogen sind ihnen auch nicht fremd. Im Allgemein gibt es in so einer kleinen Stadt

viele Überschneidungen zwischen Kleinstadtgaunern, Möchtegernrockern und Nazis.

Auch Fußball spielt eine Rolle, was allerdings dem Zusammenhalt nicht zuträglich ist.

Ein Teil der Nazis sieht sich dem FCC nahe stehend, ein anderer prügelt sich "für Erfurt".

 

Die facebookgruppe "Apolda steh auf !" zählt zur Zeit fast 1000 Mitglieder_innen,

"Patriotische Europäer sagen Nein - Apolda" ca. 900 und das bei gerade mal 20.000 Einwohner_innen.

 

Antifaschistische Strukturen waren früher schon schlecht aufgestellt und sind heute (soweit ich weiß) nicht

mehr vorhanden.

Von den Punks die es vor Jahren hier gab ist auch nix übrig geblieben.

Einige sind weg gezogen, andere haben sich ins "bürgerliche Leben" zurück gezogen.

Von einem "Punker" habe ich mir vor nicht all zu langer Zeit erzählen lassen:

Links und rechts gibt es hier nicht mehr. Wir sind hier alle ein Mob !

Tina Ströer, früher "Punkerin" ist heute eine der Moderator_innen bei "Apolda steh auf !"

 

Apolda war, ist und bleibt Scheiße !

Gut, das es stirbt !