Lauschangriffe der Antifa

Gegenseitiges Fotografieren gehört für autonome Linke und Rechtsextreme zum Alltag. Im Internet geht der Kleinkrieg mit "Daten-Outings" weiter
Erstveröffentlicht: 
20.01.2010

Linke Hacker nehmen Neonazis ins Visier - E-Mails des Lörracher Bombenbastlers abgefangen
Gehackte Mail-Postfächer, Daten-Outings: Antifa und Rechtsextreme liefern sich auch im Internet einen Kleinkrieg. So flog der rechtsextreme Bombenbastler von Lörrach durch einen illegalen Hacker-Angriff auf.

 

Wenn "Arierglatze" im Netz mit "NordischeMaid" flirtete, wenn Benutzer wie "Reichsadler" oder "HaSSangriff" auf die Suche nach ideologisch kompatiblen Partnerinnen gingen, war das bis vor kurzem Privatsache. Damit ist es nun vorbei: Linke Computer-Hacker sind in die Datenbank der als Nazi-Flirtportal geltenden Seite "MA-Flirt" eingedrungen - und haben alle Nutzerdaten veröffentlicht. Tausende E-Mailadressen, Passwörter, Fotos und Wohnorte der enttarnten Benutzer werden nun munter in linken Foren ausgetauscht.

Dort reibt man sich die Hände und gibt sich gegenseitig Tipps, wie man möglichst unauffällig die E-Mail-Postfächer der Rechten ausspähen kann. "Es gibt kaum was Wertvolleres als ein unbemerkter Zugriff auf die E-Mail-Adresse eines Nazis", schreibt ein Benutzer, verbunden mit dem Hinweis, möglichst unauffällig vorzugehen und alle Daten "an Antifa-Gruppen weiterzuleiten". Die Flirt-Seite ist seit Wochen stillgelegt.

Dass solche Hacker-Attacken durchaus ernste Konsequenzen haben können, zeigte im vergangenen Jahr der Fall eines 22-jährigen Neonazis aus Lörrach, der als mutmaßlicher Bombenbastler festgenommen wurde. In seiner Wohnung fand die Polizei Chemikalien zur Herstellung von Sprengstoff, elektronische Fernzünder, Anleitungen zum Bombenbau sowie ein illegal beschafftes Sturmgewehr. Die Ermittler gehen davon aus, dass der NPD-Funktionär Anschläge auf linke Treffs in Freiburg plante.

Auf seine Spur kamen sie durch eine anonyme Anzeige, die offenbar aus der linken Szene stammte - und zur Verblüffung der Ermittler mit detaillierten Beweisen und Unterlagen garniert war. "Es ist offensichtlich der E-Mail-Verkehr des Verdächtigen mitgelesen worden", sagt Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer. "Wir gehen davon aus, dass die Hinweisgeber das Mail-Postfach gehackt haben." Unter den abgefangenen Mails befinden sich offenbar Andeutungen zu Anschlägen gegen linke Treffs, Bestellbelege für Chemikalien - und Mails der NPD-Führung, was sogar Spekulationen ins Kraut schießen lässt, ob die Parteispitze von den Anschlagsplänen wusste. Derzeit werten Spezialisten der Polizei die Computer des 22-Jährigen aus, der sich gegen Auflagen auf freiem Fuß befindet. "Wir warten auf die Ergebnisse", sagt Inhofer- der keinen Zweifel daran lässt, dass der anonyme Informant gegen Recht und Gesetz verstoßen hat. "Man muss davon ausgehen, dass die Informationen nicht auf legalem Wege beschafft wurden." Man werde deshalb wohl gegen den Hinweisgeber ermitteln müssen, die Erfolgschancen seien aber gering.

Der Lörracher Fall ist ein spektakuläres Beispiel für den Kleinkrieg, den sich Autonome und Rechtsextreme im Internet liefern. "Bisher kannte man vor allem gegenseitige Outing-Aktionen im Netz", sagt Michael Zügel vom Verfassungsschutz Baden-Württemberg. So werden zum Beispiel in Südbaden aktive Neonazis auf den Seiten der dort sehr aktiven linken Szene detailliert an den Daten-Pranger gestellt: Mit Namen, Fotos, Adressen, Telefon- und Handynummern, Autokennzeichen, Arbeitsplatz und Familienmitgliedern. Äußerungen auf Nazi-Seiten sowie Auftritte bei einschlägigen Demos werden ebenso gelistet. "Da werden zum Teil echte Bewegungsprofile erstellt," sagt Zügel. Auch auf rechten Seiten wird der "Feind" gerne derart geoutet, etwa mit dem Aufruf, der Person einmal einen "Besuch abzustatten". "Netz-Aktivitäten dieser Art gehen aber vorwiegend vom linken Spektrum aus", sagt Zügel. So sieht es auch der Hacker-Verein Chaos Computer Club (CCC). Gerade Hacker-Attacken wie der auf das rechte Flirtportal kämen meist von links. "Umgekehrt scheint es weniger Fälle zu geben, vielleicht werden die aber nur weniger publik", sagt CCC-Sprecher Frank Rosengart.

Der Bombenbastler von Lörrach ist übrigens schon der zweite NPD-Mann, der vor der Internet-Übermacht der südbadischen Antifa kapitulierte. Im Sommer 2009 hatten die Linken den örtlichen NPD-Kreisvorsitzenden per Internet-Outing mit allen privaten Details bloßgestellt. Aus Angst vor tätlichen Übergriffen löste Bürgel daraufhin den Kreisverband kurzerhand auf.

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Anonym im Netz

Die Betreiber linksautonomer und rechtsextremer Internet-Seiten arbeiten in Deutschland weitgehend anonym: Ihre Server stehen zumeist in den USA. Somit entfällt die Impressumspflicht, die Urheber der Inhalte bleiben anonym. Nur bei Hinweisen auf schwere Straftaten können deutsche Behörden Zugriff auf die Nutzerdaten erlangen. Da in den USA aber zum Beispiel als Meinungsäußerung legal ist, was in Deutschland als Volksverhetzung gilt, können Ermittler in vielen Fällen kaum eingreife.