[BLOCKNPD] Buchvorstellung und Plakataktion in Mannheim

Neckarstadt Antifazone

Am Freitag, den 16.Oktober, fand im selbstverwalteten Jugendzentrum "Friedrich Dürr" in Mannheim eine Buchvorstellung mit Horst Schöppner, dem Autor des Buches "Antifa heißt Angriff - Militanter Antifaschismus in den 80er Jahren" statt. Die Veranstaltung fand im Rahmen der antifaschistischen Mobilisierung gegen den NPD-Bundesparteitag, der am 21. und 22. November im benachbarten Weinheim stattfinden soll, statt. 

Knapp 40 BesucherInnen lauschten den historisch eingebetteten Geschichten über die Entstehung der Antifa in der BRD, Massen- und Kleingruppenmilitanz und staatliche Repression. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung war u.a. die Mannheimer "Wilde Horde". Die linksradikale Rockergruppierung war in der 80er Jahren teil der bundesweiten Antifa-Vernetzung, musste sich aber wegen Repression und szeneinterner Kritik zurückziehen. In der Diskussion ging es u.a. um die rassistischen Pogrome der 90er sowie die aktuellen Pegida-Mobilisierungen.

 

Im Anschluss an die Veranstaltung entschlossen sich mehrere AntifaschistInnen Mobilisierungsmaterial gegen den NPD-Bundesparteitag in der Mannheimer Neckarstadt zu plakatieren.

 

Im Vorfeld der ersten Veranstaltung haben wir mit Horst Schöppner ein kurzes Interview geführt. Dieses wollen wir euch nicht vorenthalten:

 

GET UP: Momentan führen wir mit anderen linken und Antifa Gruppen eine überregionale Mobilisierung gegen den Bundesparteitag der NPD durch.Ziel ist es den Parteitag durch Blockaden zu verhindern. Neben dem linksradikalen Gruppen findet auch eine starke zivilgesellschaftliche Mobilisierung statt. Wie seid ihr damals gegen Parteitage von faschistischen Parteien vorgegangen und was können wir heute daraus lernen?

Horst:
Schwer zu sagen, ob man die Situation von vor 30 Jahre auf heute übertragen kann. Damals sind bspw. zu einer der ersten Aktion des Süddeutschen Antifatreffens ca. 2.000 Leute zum FAP-Parteitag nach Stuttgart gefahren. Weil damals auch was gegen Wackersdorf lief, war die Mobilisierung nach Stuttgart schwierig. Vor Ort gab es dann Leute die Farbbeutel vorbereitet hatten und auf die Nazis warfen. Ich glaube auch Einzelne wurden im Umfeld erwischt und verbeult. Aber es gab auch Festnahmen auf unserer Seite, weil die Polizei weiträumig kontrollierte. Es war aber schon insofern ein Erfolg, als dass überhaupt mal gegen sowas mobilisiert wurde, das hatte nämlich bisher kaum stattgefunden und den Nazis nun mächtig Druck gemacht. Mit ruhigen und netten Zusammentreffen oder Parteitagen war es ab jetzt vorbei. In Stuttgart hatte einer von uns am Eingang dem FAP-Ordner dann noch die Einladungsliste entrissen, sodaß wir alle TeilnehmerInnen kannten. Diese Art militanter Recherche war auch immer wichtig
.
GET UP: Teil der Antifa-Strukturen die du Beschreibst war auch eine Mannheimer Gruppe. Wie funktionierten eure Strukturen, welche Rollen spielten damals die Mannheimer und was waren ihre Besonderheiten?


Horst:
In fast jeder Stadt gab es eine militante Antifagruppe und die gehörte zur bundesweiten Struktur. Das war anders als heute, wo es viel Antifagruppen gibt. In Mannheim war das die Wilde Horde, eine linke Rockergruppe. Sie bestand aus Männern und Frauen und alle waren gleichberechtigt. Die waren wie Rocker eben sind, nur ohne Stripparties und Drogenhandel. Die Feste von denen waren immer lustig und es gab da z.B. Luftgewehrschiessen auf Polizeimodellautos oder Bierfässerweitwurf. Die waren eine sehr schlagkräftige und zuverlässige Truppe, die Nazis gehasst hat. Und wenn die dabei waren, musste man keine Angst haben... Es gibt da lustige Geschichten, wie einer von denen mit einem Axtstiel 5 Nazis in die Flucht schlug, als er einfach brüllend und Keulen schwingend auf die zurannte. Die Bullen haben die natürlich auch auf dem Kiecker und die hatten ziemlich viel Repressionsstress. Insgesamt war das eine tolle Gruppe, die aber wegen ihrer Art auch viel Kritik einstecken musste. In Hamburg gab es übrigens auch linke Rocker, die Likedeeler und die Red Revenge.

 

GET UP: Wo seid ihr damals mit eurem Ansatz konzeptionell an Grenzen gestoßen und was lässt sich aus euren Erfahrungen für linksradikale heute lernen?

 

Horst:

Wir waren als Militante Antifa tendenziell elitär. Wir haben zwar in den Städten unsere Basis gehabt, mit der wir dafür sorgen konnten, dass Nazis auf die Fresse bekamen, wenn sie auftauchten, aber wir haben den Kontakt zur Szene und anderen fortschrittlichen Kräften immer mehr verloren, weil wir so erfolgreich waren. Unsere Anschläge haben dazu geführt, dass wir der Meinung waren, dass wir niemanden brauchen und das wir die Größten sind, die alles allein auf die Reihe kriegen. "Der eigenen Kraft vertrauen", war die Parole. Natürlich ist das völlig dämlich. Du kannst alleine keine Revolution machen und auch den Faschismus nicht dauerhaft besiegen. Dazu brauchst Du die Bevölkerung und alle Menschen, die sich eine andere Gesellschaft vorstellen können. Nazis wegboxen ist zwar notwendig, aber nur eine Seite der Medaille, Du musst auch verhindern, dass Leute für faschistische Ideen anfällig werden, ihnen Alternativen aufzeigen etc. Dazu kam, dass auch unserer
Militanz nicht viele gefolgt sind. Unsere Militanz wurde nicht breit aufgegriffen. Das waren im Prinzip immer nur die selben Zirkel.

 

GET UP: Am Ende des Buches hebst du hervor wie wichtig es ist, nicht beim Kampf gegen Nazis stehen zu bleiben. Wo siehst du Ansatzpunkte für eine weitergehende Praxis und wie würde sich eine solche auch auf antifaschistische Bündnispolitik auswirken?

 

Horst:

Das habe ich ja schon in der letzten Frage angedeutet. Du musst Kompromisse machen, in der Zusammenarbeit mit anderen Gruppen. Das heißt aber nicht, dass Du Deine Ideale negieren musst. Kein Gewerkschafter wird verurteilen wenn man verhindert, dass eine Nazizeitung ausgeliefert werden kann, weil alle Fahrzeuge des Verlages defekt gemacht wurden.Aber Du kannst nicht von ihm verlangen, dass er mit Dir die Bulle  angreift, damit man an die Nazis rankommt. Diese massenhaften Blockaden gegen Naziaufmärsche sind schonmal ein guter Schritt, wo Menschen zusammen aktiv werden und zivilen Ungehorsam praktisch werden lassen.Sowas ist eine Aktionsform, die alle machen können. Wer sowas dann nicht mitmacht, der meint es wohl auch nicht ernst... Blockieren heißt ja im Umkehrschluss auch nicht, dass nicht kleine Gruppen unauffällig parallel durch die Stadt laufen, um nach versprengten Nazis Ausschau zu halten... Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es nie nur um Nazis gehen darf. Die sind der Bodensatz der Gesellschaft, aber was ist mit dem PEGIDA-Mob? Das sind nicht einfach nur Nazis, das ist der rassistische Kleinbürger, dass ist die Masse auf die Faschisten immer rechnen können und konnten. Da genügt ein paar in die Fresse nicht. So einem Phänomen muss man politisch begegnen. Und da ist die radikale Linke gefragt echte Alternativen zu entwickeln. Die Menschen müssen das menschenverachtende
Wesen des Kapitalismus begreifen. Schäubles Sparpolitik gegen Griechenland hat Menschen getötet! So sieht die deutsche Politik im Alltag aus, die erzwungenen Sparmassnahmen erhöhten die Kindersterblichkeit um 43%, die Anzahl der Totgeburten um 21%, die Depressionsrate stieg um das zweieinhalbfache und die Selbstmorde um 45%. Das ist deutsches Tagesgeschäft. Und hier beherrschen böse Töne gegen die "faulen Griechen" die Diskussion. Wirkliche Antifaschisten müssen auch verstehen warum die USA und die NATO weltweit Länder in Schutt und Asche bomben, das ist kein Zufall und heißt Imperialismus. Die Blutspur die die imperialistischen Kriege durch die Welt ziehen, sind Teil der völlig normalen Verwertungslogik des Kapitals. Es geht um die Schaffung neuer Märkte, um die Sicherung von Rohstoffquellen etc. Das ist nichts Neues, aber es wird zu oft vergessen. Der deutsche Oberst Klein, der über 100 Unschuldige in Afghanistan ermorden ließ, wurde
befördert. Deutsche Gerichte erkennen in so einer Massentötung kein Verbrechen! In der Türkei zeigt sich derzeit deutlich, wie Faschismus aussehen kann: am 10.10. erfolgte der zweite Bombenanschlag auf eine Demonstration fortschrittliche Menschen. Wer in Opposition zu Erdogan steht wird ermordet, egal ob Männer, Frauen oder Kinder. Das ist das Signal. "Erhebt bloß nicht eure Stimme, sonst bringen wir euch alle um!" Diese Wahllosigkeit gegen Menschen, das ist Faschismus. Das muss man als Antifaschist begreifen, Nazis verhauen ist nur die halbe Wahrheit. Oder Odessa in der Ukraine, wo ein faschistischer Mob über 100 Menschen ermordete. Doch zurück nach Deutschland. Die Hetze gegen Flüchtlinge und das Schüren der Angst vor ihnen hat praktische Folgen: Der Mob traut sich Heime anzuzünden und gegen die vorzugehen, die schwach sind. Nazis und Rassisten treten immer nur nach unten, und das können sie hier, flankiert von Leuten wie Seehofer und der AfD. Dagegen kann man nur ankommen, wenn man mit Vielen zusammen gegen diese Pack steht, auch wennman nicht mit allen in jeder Frage einer Meinung ist.

 

Das Buch:http://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/antifa-heisst-angriff-detail

BLOCK NPD - Antifa Bündnis : blocknpd2015.blogsport.de

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Habe den Vortrag von Schöppner leider nicht sehen können.

 

Aber das Buch ist wirklich sehr gut. Ist jedem Antifa schwer zu empfehlen!