Prozess: Die Rote Zora und ihre Schande

Erstveröffentlicht: 
11.04.2007

Sie waren jung und abenteuerlustig und wollten eine andere Gesellschaft herbeibomben: die Mitglieder der Terrororganisation "Rote Zora". In Berlin muss sich nun eine ehemalige Aktivistin nach fast 20 Jahren im Untergrund für zwei Anschlagsversuche verantworten.

 

Von Uta Falck

 

Im Eingang des Berliner Kammergerichts geht es zu wie bei einem Klassentreffen: Zwei Dutzend Menschen, die sich hier die Hände schütteln, haben sich jahrelang nicht mehr gesehen. Sie erkennen sich wieder, trotz grauer Haare und tieferer Falten und kramen lang nicht mehr benutzte Vornamen aus dem Gedächtnis. Im Gerichtssaal winken sie dann der Angeklagten Adrienne Gerhäuser zu.

 

Die schmale Frau mit dem blassen Gesicht, das vom kurzen, ergrauten Haar und großen, silbernen Kreolen dominiert wird, grüßt zurück. Die 58-Jährige wirkt entspannt und plaudert in den wenigen Minuten, ehe Jürgen Warnatsch, der Vorsitzende Richter des 1. Strafsenats, die Sitzung eröffnet, mit ihrer Verteidigerin Edith Lunnebach.

 

Die Angeklagte hat nicht viel zu befürchten, denn obwohl sie sich wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Rote Zora" und der Beteiligung an zwei versuchten Sprengstoffanschlägen vor Berlins oberstem Gericht verantworten muss, wird die Strafe milde sein. Zwei Jahre Freiheitsentzug zur Bewährung gegen ein glaubhaftes Geständnis, so haben es Gericht, Bundesanwaltschaft und Verteidigung bereits im November 2006 verabredet.

 

Unter dieser Bedingung gaben Adrienne Agathe Gerhäuser und ihr gleichaltriger Lebensgefährte Thomas Kram ihr Leben in der Illegalität auf. Sie stellten sich am 4. Dezember 2006 in Begleitung ihrer Anwälte bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.

 

Noch am selben Tag wurde der seit Juni 1998 gegen sie ausgestellte Haftbefehl außer Kraft gesetzt. Gleich zu Beginn des Prozesses sagt Richter Warnatsch: "Der Senat sieht keinen Grund, von dieser Zusage abzuweichen."

 

Die Pädagogin Adrienne Gerhäuser engagierte sich in den achtziger Jahren in der Frauenbewegung. "Dort habe ich Frauen kennen gelernt, die der 'Roten Zora' nahe standen", trägt Verteidigerin Lunnebeck für ihre Mandantin vor. Ja, Gerhäuser habe sich von Oktober 1986 bis April 1987 als Mitglied der "Roten Zora" betätigt und sei an zwei versuchten Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen. Zum einem am 17. Oktober 1986 auf das Gentechnische Institut in Berlin-Dahlem und zum anderen am 21. Juni 1987 auf ein Verwaltungsgebäude des Bekleidungskonzerns Adler in der Nähe von Aschaffenburg. Für beide Sprengsätze habe sie jeweils einen Wecker der Marke Emes Sonochron als Zündzeitverzögerer gekauft.

 

So kurz kann ein glaubhaftes Geständnis sein: Es umfasst exakt den von der Bundesanwaltschaft nachgewiesenen Kauf von zwei Weckern und negiert die Möglichkeit, dass Gerhäuser, die sich von 1982 bis 1984 auf Kosten des Arbeitsamtes Essen zur Funkelektronikerin umschulen ließ, auch für den Bau der Sprengsätze verantwortlich sein könnte.

 

Sommerregen verhinderte Explosion


Die Vorliebe der "Roten Zora" und der eng mit ihnen verbundenen "Revolutionären Zellen" für Wecker der Marke Emes Sonochron entdeckte das Bundeskriminalamt (BKA) bei der Untersuchung von Sprengsätzen zu Beginn der achtziger Jahre. Deshalb präparierte man seit 1985 diese Wecker auf der Rückseite ihres Uhrzeigers mit fortlaufenden vierstelligen Nummern. Außerdem installierte das BKA in den jeweiligen Geschäften Überwachungskameras. Als Adrienne Gerhäuser zwei Tage vor dem Anschlag auf das Gentechnische Institut einen solchen Wecker mit der Nummer 5199 bei der Firma Bolland in Dortmund kaufte, wurde sie fotografiert.

12 Uhr war auf jenem Wecker eingestellt: Am Samstagmittag, 18. April 1986, sollte der am Vortag auf einem Fenstersims des Berliner Gentechnischen Instituts abgelegte Sprengsatz detonieren. Um 10 Uhr fiel einem Wachmann die braune Textiltasche mit dem Aufdruck "Bolze – Ideen zum Schenken" auf. Der Sprengsatz konnte rechtzeitig entschärft werden. Für seinen Bau hatten die Terroristinnen Sprengstoff verwendet, der 1983 in Frankreich gestohlen worden war.


Am Sonntag, 19. April 1986, traf bei der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel" das Bekennerschreiben der "Roten Zora" ein. Rechts prangt eine Frau, die auf einem Gebäude steht und dieses mit einem Presslufthammer zerstört. Dazu das Symbol der "Roten Zora": Ein fünfzackiger Stern, darin das Zeichen für "weiblich". Auf der linken Seite des Blattes stand unter anderem der Satz: "Wir denken, dass die Gentechnik in ihrer Gesamtheit bekämpft werden muss."

Der zweite versuchte Anschlag, an dem sich die Angeklagte beteiligte, galt dem Bekleidungskonzern Adler, dessen Verwaltungsgebäude sich in Haibach in der Nähe von Aschaffenburg befindet. Mit diesem Anschlag vom Sonntag, 21. Juni 1987, habe die "Rote Zora" den Kampf um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen von südkoreanischen Textilarbeiterinnen der Adler-Tochter "Flair Fashion" unterstützen wollen, hieß es im Bekennerschreiben. Das erreichte die Öffentlichkeit zwei Tage später über das "Zentrum für bildungsbezogene Studien". Auch bei diesem Anschlag explodierte der Sprengsatz nicht - ein Sommerregenguss beschädigte den Zünder.

 

Weitere Einzelheiten will das Gericht am morgigen Verhandlungstag erläutern. Bei ihren Aktionen legte die "Rote Zora" sehr viel Wert darauf, dass keine Menschen in Gefahr gerieten. Das ist auch tatsächlich nicht passiert. "Meist betrug der angerichtete Sachschaden 80.000 Mark", sagt Verteidigerin Lunnebeck am Ende des 90-minütigen Prozessauftaktes.

 

Da die "Rote Zora"-Terroristinnen im Gegensatz zur RAF ihre Gesinnung nicht hauptberuflich und lieber anonym verfolgten, wurden sie und die Mitglieder der "Revolutionären Zellen" zuweilen auch als "Feierabend-Terroristen" bezeichnet. Diese Strategie erleichterte ihnen das Untertauchen. Adrienne Gerhäuser und ihr Lebensgefährte wohnten seit 1987 nicht mehr in Deutschland. Ihren Unterhalt bestritten sie vorwiegend mit Gelegenheitsjobs, Gerhäuser arbeitete "in letzter Zeit überwiegend als Fotografin", sagt die Angeklagte dem Gericht. Davon will sie auch nach ihrer Verurteilung leben.

 

Warum kam das Paar nach 19 Jahren wieder zurück nach Deutschland? "Sie wollten nicht mehr mit falschen Pässen in der Illegalität leben, wollten die Sache abschließen", sagt Verteidigerin Edith Lunnebeck. Das Gerücht, das Paar habe auch einige Zeit in der DDR gelebt, weist sie vehement zurück: "Das halte ich für absurd. Kompletter Quatsch!"

 

Drei Verhandlungstage hat der erste Strafsenat für den Prozess gegen Adrienne Gerhäuser eingeplant. Am kommenden Montag soll das Urteil gesprochen werden. In Kürze wird auch Gerhäusers Lebensgefährte Thomas Kram angeklagt, kündigt Oberstaatsanwalt Andreas Hornig an. Der Ankläger ist durchaus zufrieden mit dem voraussichtlich milden Urteil für Adrienne Gerhäuser. Schließlich sei bei den versuchten Anschlägen „nichts passiert“. Und es seien doch inzwischen fast zwanzig Jahre vergangen, in denen „wir keinen Erfolg hatten, die Angeklagte ausfindig zu machen“. Die Bundesanwaltschaft hat sich in diesem Verfahren für den berühmten „Spatz in der Hand“ entschieden.

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Rote Zora: "Ich werde versuchen, Arbeit zu finden"

 

Von Uta Falck

 

Nachdem sie fast 20 Jahre lang im Untergrund gelebt hatte, ist die ehemalige Terroristin Adrienne Gerhäuser zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Noch im Gerichtssaal erklärte sie, wie ihr Leben weitergehen soll.


Eine summende Hummel störte die Zuschauer im Sitzungssaal 145a des Berliner Kammergerichts. Unablässig und laut zog das Insekt seine Kreise, während Ankläger Andreas Hornick und Verteidigerin Edith Lunnebach ihre Plädoyers im Verfahren gegen die ehemalige Terroristin Adrienne Gerhäuser hielten. In einer Sitzungspause witzelte darum die Verteidigerin in Richtung der Ankläger von der Bundesanwaltschaft: „Sie waren es, die den Brummer eingeschleust haben!"

 

Um 10.45 Uhr verkündete Jürgen Warnatsch, der Vorsitzende Richter des 1. Strafsenats, das Urteil. Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und dem versuchten Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in zwei Fällen wurde Gerhäuser zu zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt, wobei die Strafe zur dreijährigen Bewährung ausgesetzt wurde.

 

Die Angeklagte hatte sich an mindestens zwei Sprengstoffanschlägen beteiligt. Zum einem am 17. Oktober 1986 auf das Gentechnische Institut in Berlin-Dahlem und zum anderen am 21. Juni 1987 auf das Verwaltungsgebäude des Bekleidungskonzerns Adler in Haibach bei Aschaffenburg. Als Mitglied der Terrororganisation "Rote Zora" hatte sie an der Planung für beide Anschläge teilgenommen und die als Zündzeitverzögerer benötigten Wecker der Marke Emes Sonochron gekauft. Beide Sprengsätze waren nicht explodiert.

 

Es war das erste "Rote Zora"-Urteil, das in Berlin gesprochen wurde, und bundesweit das dritte Verfahren, nachdem 1989 Ingrid Strobl und 1998 Corinna Krawaters verurteilt worden waren.

 

"Frau Gerhäuser", sagte Richter Warnatsch am heutigen, dritten Verhandlungstag zur Angeklagten, "der Senat bedauert es sehr, dass wir uns aus Ihrem sehr schlanken Geständnis kein umfassendes Bild von Ihrer Persönlichkeit und den Gründen machen konnten, die Sie dazu bewogen haben, Ihre sichere Stellung als Lehrerin aufzugeben und sich dem politischen Kampf mit gesetzlich nicht erlaubten Mitteln zu verschreiben. Dazu hätten wir gern etwas mehr gehört."

 

Dennoch änderte Gerhäusers Schweigen nichts an dem Strafmaß, auf dessen Höhe sich Gericht, Bundesanwaltschaft und Verteidigung bereits im November 2006 geeinigt hatten. Die zugesicherte Bewährungsstrafe hatte Adrienne Gerhäuser und ihren Lebensgefährten Thomas Kram bewogen, nach 19 Jahren aus der Illegalität aufzutauchen und sich am 4. Dezember 2006 der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zu stellen.

 

Obwohl Jürgen Warnatsch mit der Ablehnung der Angeklagten rechnete, sich über ihr minimales Geständnis hinaus dem Gericht zu offenbaren, fragte der Vorsitzende am zweiten Verhandlungstag: "Dürfen wir die Gründe erfahren, warum Sie Ihre Stelle als Lehrerin aufgegeben und sich zur Funkelektronikerin ausbilden lassen haben?" "Nein, eigentlich nicht", antwortete Gerhäuser knapp.

 

Ebenso schwieg sie über die Zeit, die sie mit ihrem Lebensgefährten Thomas Kram in der Illegalität verbracht hatte. Sie habe mit Papieren gelebt, die nicht die richtigen waren, erklärte ihre Anwältin. "Wie kamen Sie auf die Idee, nach Deutschland zurückzukehren?", wollte Warnatsch wissen. "Ein spontaner Entschluss war das nicht", antwortete Gerhäuser. Sie hätten ein gutes Jahr lang darüber nachgedacht. "Was wollen Sie nach Ihrer Verurteilung tun?", fragte Warnatsch. "Ich werde versuchen, Arbeit zu finden – als Fotografin", sagte Gerhäuser, die seit zwei Monaten Hartz-IV-Empfängerin ist.

 

Die Fotoagentur "version" mit Sitz in Berlin-Neukölln bietet ihr zum 1. Mai 2007 eine freie Mitarbeit an. Der beisitzende Richter fragte Gerhäuser, welche Fotos in dieser Agentur gemacht werden und ob die Angeklagte ein spezielles Thema habe. "Ja, Frauen", sagt Gerhäuser und der Saal quittierte dieses Interesse mit Lachen.

 

Die dreitägige Verhandlung gegen Adrienne Gerhäuser geriet zum sprichwörtlich kurzen Prozess. Nur insgesamt drei Stunden lang füllte die 58-Jährige die Rolle der Angeklagten. Nicht einen Zeugen vernahm das Gericht, denn es galten sogenannte "verfahrensbeendende Absprachen", kurz auch "Deal" genannt: Gegen ein glaubhaftes Geständnis legte das Gericht gemeinsam mit Anklage und Verteidigung vor Beginn der Verhandlung eine milde, obere Strafgrenze fest.

 

Genauso einvernehmlich einigten sich die Robenträger am ersten Verhandlungstag darauf, eine Liste von Dokumenten selbst zu lesen. Zu diesen Papieren zählte auch ein Interview mit "Rote Zora"-Aktivistinnen in der Frauenzeitschrift "Emma", das unter dem Titel "Widerstand ist möglich" 1984 in der Juni-Ausgabe erschienen war.

 

In diesem Gespräch erklärten zwei "Rote Zora"-Frauen ausführlich die Entstehung ihrer Organisation aus den "Revolutionären Zellen" – die gemeinsamen Anfangsbuchstaben "RZ" standen für einen ähnlichen Aufbau und verwandte politische Ziele. Mit ihren Aktionen kümmerte sich die "Rote Zora" nicht nur um Frauenthemen wie Abtreibung, Frauenhandel und Arbeitsbedingungen von Frauen in Asien, sondern nahm auch Partei gegen Gentechnologie und für Hausbesetzungen sowie den Nulltarif in öffentlichen Verkehrsmitteln.

 

"Unterdrückung wird erst sichtbar durch Widerstand. Deswegen sabotieren, boykottieren wir, fügen Schäden zu, rächen uns für erfahrene Gewalt und Erniedrigung, indem wir die Verantwortlichen angreifen", gab Zora1 der "Emma" zu Protokoll. "Unser Traum ist es, dass es überall kleine Frauenbanden gibt. Frauenpower überall!" Bei ihren Aktionen wollten die "Rote Zora"-Terroristinnen keine Personen gefährden. So sollten auch bei den Anschlägen, an denen sich Gerhäuser beteiligte, die Sprengsätze am Wochenende explodieren. "Es gibt zig Aktionen, die wir wieder verworfen haben, weil wir die Gefährdung Unbeteiligter nicht hätten ausschließen können", sagte Zora2 im "Emma"-Interview vor 23 Jahren. "Manche Firmen wissen sehr genau, warum sie sich mit Vorliebe in belebten Häusern einnisten. Sie spekulieren auf unsere Moral…"

 

Diese Einstellung wertete auch Oberstaatsanwalt Andreas Hornick zugunsten der Angeklagten. Milde wollte er aber vor allem wegen der verstrichenen Zeit und dem abgelegten Geständnis walten lassen. Gerhäuser habe sich selbst gestellt, sei nicht vorbestraft und ihre Taten seien nicht vom Streben nach persönlichem Vorteil geprägt, sagte Ankläger Hornick.

 

Richter Warnatsch sprach in seinem Urteil sogar von "anerkennenswerten Anliegen", die die Angeklagte damals mit Straftaten durchsetzen wollte. Doch sei sie 1986 kein junger und unverständiger Mensch mit sozialromantischen Vorstellungen gewesen: "Sie waren 37 Jahre alt und haben sich bewusst einer Gruppe angeschlossen, die Straftaten begangen hatte und begehen wollte. Der Senat entnimmt Ihren Äußerungen, wenn auch nur mit Mühe, dass Sie Ihre Taten aus heutiger Sicht für falsch halten."

 

Erschöpft stieg Gerhäuser nach der Urteilsverkündung die wenigen Stufen hinauf in Richtung Saalausgang. Ihr Lebensgefährte Thomas Kram, der den Prozess als Zuschauer verfolgt hatte, nahm sie kurz in den Arm. Alte Freunde beglückwünschten die frisch Verurteilte.

 

Mit der Anklage gegen Kram wegen Mitgliedschaft in den "Revolutionären Zellen" wird sich die Bundesanwaltschaft als nächstes befassen. Das Urteil, eine Bewährungsstrafe, steht jedoch schon fest.

Die Präsidentin des Kammergerichts
- Pressestelle der Berliner Strafgerichte -

Pressestelle der Präs´inKG - Strafgerichte -, Turmstraße 91, 10559 Berlin

Pressemitteilung Nr. 29/ 2007
Datum: 16. April 2007

Der Staatsschutzsenat des Kammergerichts hat heute die Angeklagte Adrienne G. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Beteiligung an zwei - letztlich misslungenen - Sprengstoffanschlägen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund der Beweisaufnahme sah es der 1. Strafsenat als erwiesen an, dass die Angeklagte von Herbst 1986 bis Ende Juni 1987 Mitglied der „Roten Zora“ gewesen sei. Während dieser Zeit sei sie an der Vorbereitung von zwei (versuchten) Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen. Mitglieder der „Roten Zora“ hatten am 17. Oktober 1986 am Gentechnischen Institut in Berlin einen Sprengsatz abgelegt, in den als Zündzeitverzögerer ein Wecker eingebaut war. Dieser Wecker sei zuvor von der Angeklagten gekauft worden. Für diese Tat verhängte der Strafsenat eine Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Am 21. Juni 1987 hätten Mitglieder der „Roten Zora“ zudem einen Sprengsatz an einem Gebäude eines Bekleidungswerks bei Aschaffenburg angebracht. Auch hier hatte ein Wecker als Zündzeitverzögerer gedient; auch diesen hat nach Überzeugung des Strafsenats die Angeklagte erworben. In beiden Fällen ist es aufgrund technischer Defekte nicht zu Explosionen gekommen. Für die letztgenannte Tat wurde eine Einzelstrafe von einem Jahr und acht Monaten festgesetzt.

Bei der „Roten Zora“ handelte es sich nach den heutigen Urteilsausführungen um eine Frauengruppe, die die gewaltsame Veränderung des Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland durch die Begehung schwerer Brand- und Sprengstoffanschläge anstrebte. Die Gruppe trat erstmals April 1977 in Erscheinung und bekannte sich bis zum Februar 1988 zu insgesamt 45 Sprengstoff- und Brandanschlägen. Den letzten Anschlag verübte die Vereinigung im Juli 1995 auf eine Werft bei Bremen.

Der Vorsitzende des Strafsenats wies in der Urteilsbegründung darauf hin, dass es vor allem angesichts des erheblichen Zeitablaufs seit Begehung der Taten und der, wenn auch „schlanken“ geständigen Einlassungen der Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren schuldangemessen sei. Von erheblicher Bedeutung sei insoweit auch gewesen, dass sich die Angeklagte nach fast zwanzigjähriger Flucht im Dezember 2006 selbst gestellt habe; anderenfalls wäre eine Strafverfolgung sicher nicht mehr möglich gewesen. Auf der anderen Seite habe aber auch berücksichtigt werden müssen, dass die Angeklagte sich nicht als junger und noch unreifer Mensch, sondern im Alter von 37 Jahren, aufgrund eines „wohl übergelegten Schrittes“ einer terroristischen Vereinigung angeschlossen habe.

Pressemitteilung der Pressestelle der Berliner Strafgerichte Nr. 20/ 2007 v. 23. März 2007 und Nr. 24/ 2007 v. 29. März 2007
Presseberichterstattung vom 6. März 2007 bis 16. April 2007

Iris Berger
Pressesprecherin

Mehr Zeitungsartikel zum Prozess gegen Adrienne G.:

Linksextreme Frauengruppe: "Rote Zora"-Terroristin gesteht (dpa)
https://linksunten.indymedia.org/de/node/155049

"Rote Zora": Bewährungsstrafe für Aktivistin
https://linksunten.indymedia.org/de/node/155052

Terrorgruppe „Rote Zora“: Überraschendes Comeback
https://linksunten.indymedia.org/de/node/155055

Terrorismus: Rote Zora zeigt Reue
https://linksunten.indymedia.org/de/node/155056

Interessante Geschichte. Ich habe mal zusammengetragen, was man noch über Adrienne G. im Internet findet: Adrienne G. ist ihr bürgerlicher Name (ihr RZ-Kampfname war »Lea«). Sie wurde 1948 in Hannover geboren, ihr Vater war Architekt, ihre Mutter Hausfrau. Anfang der 1970er Jahre lernte sie Gerd Albartus in Berlin kennen. Da war sie Lehrerin und er schloss gerade sein Lehrerstudium ab. Sie zog ins Ruhrgebiet, engagierte sich 1979 während des Prozesses gegen Albartus in der Solidaritätsgruppe. Ob sie damals schon Kontakte zur Carlos-Gruppe hatte (wie Thomas K., der spätestens seit 1979 eingebunden war), ist nicht bewiesen. Nach Albartus Entlassung traf sie ihn laut Selbstauskunft nur noch selten. Nach eigenen Angaben schloss sie sich erst später der Roten Zora an und hat u.a. Wecker der Marke "Emes Sonochrom" besorgt. Sie soll laut Aussage des Kronzeugen Tarek Mousli an den übergeordneten, jährlich ein- bis zweimal stattgefundenen Delegiertentreffen teilgenommen haben, zu denen nur erfahrene und einflussreiche Gruppenmitglieder anreisten. Mousli nennt namentlich »Malte und Lea«. »Malte« war der Deckname von Thomas K.. Die Polizei hat G. spätestens 1987 als Mitglied der militanten feministischen Gruppe identifiziert. G. und ihr Lebensgefährte K. (*18.07.1948 in Berlin) tauchten zusammen unter. Angeblich habe eine "anonyme Anruferin" sie vor einer bevorstehenden Razzia gewarnt, so G.. Das BKA fahndete damals gegen die beiden sowie gegen Corinna Kawaters und Juliane Balke. Heute arbeitet Ariane G. als Fotografin und betreibt eine eigene Webseite.