VfR Aalen und der NPD-Funktionär: "Was soll daran verwerflich sein?"

Fans des VfR Aalen: Ultras distanzieren sich von Rechtsradikalismus
Erstveröffentlicht: 
05.09.2015

Der Drittligist VfR Aalen wollte seine Zukunft planen - und lud zu einem Treffen den regionalen NPD-Vorsitzenden ein. Von dessen politischer Gesinnung habe die Klubführung nichts gewusst, hieß es. Deutlicher wurden die Aalener Ultras.

 

Von Christoph Ruf

 

Der VfR Aalen ist im Mai aus der Zweiten Liga abgestiegen, mittelfristig wird man selbst die Dritte Liga nur finanzieren können, wenn neue Sponsoren gewonnen werden.

Kein Wunder also, dass der Verein zu Saisonbeginn zu einem Strategietreffen einlud, bei dem Sponsoren-, Fan- und Vereinsvertreter neue Vermarktungsmöglichkeiten ausbaldowerten.

Überaus verwunderlich hingegen, dass unter den drei geladenen Fans auch der Vorsitzende der NPD Ostalb war: Dominik Stürmer, ehemaliger Vorsänger der Aalener Ultra-Gruppe Crew Eleven und mittlerweile eine der Nachwuchshoffnungen der Rechtsaußen im Südwesten.

Ein Versehen? Geschehen aus Unwissenheit über die Politkarriere des bulligen Ultras?

Schon das wäre wenig glaubhaft, denn Stürmer ist in Aalen genauso bekannt wie seine politische Gesinnung. Offenbar hielt man Stürmers Ideologie für eine reine Privatsache. Als die "Schwäbische Post" nachfragte, warum ausgerechnet ein prominenter Rechtsextremist eingeladen wurde, verteidigte sich Aufsichtsratschef Uwe Burkhardt jedenfalls offensiv: "Was soll daran verwerflich sein? Wir sind ein Fußballverein. Wir kümmern uns um Fußball. Fertig."

Aufsichtsratschef Burkhardt zieht sich vom Amt zurück

Was folgte, waren Briefe irritierter Leser und der übliche Sermon des Aufsichtsratschefs: Er distanziere sich von Extremismus, sowohl rechtem als auch linkem. Eine in Ost und West beliebte Wendung. Nur, was sagt die aus, wenn es - wie beim VfR Aalen - keine Linksextremisten gibt, von denen man sich distanzieren müsste? Und wenn man sich von den rechten Extremisten eben gerade nicht distanziert, sondern sie zu einem Gespräch eingeladen hat?

Der Verein stellte immerhin umgehend in einer Pressemitteilung fest, dass Burkhardt sich "mit sofortiger Wirkung" von seinem Amt zurückziehe, er habe selbstredend als Privatmann gesprochen und bedaure seine Äußerungen. Den VfR-Sicherheitsgremien sei "die politische Richtung von Herrn Stürmer bekannt, diese waren aber am Workshop nicht beteiligt und leider auch nicht über die Einladung von Herrn Stürmer durch Uwe Burkhardt informiert."

Präsidiumsmitglied Rudi Feil behauptete beim SWR, weder Aufsichtsrat noch Präsidium hätten gewusst, dass der besagte Mann NPD-Funktionär sei. Doch das überrascht, schließlich ist Stürmer, der sagt, er habe "sein erstes VfR-Spiel im Kinderwagen" gesehen, beim Klub und dessen überschaubarer Anhängerschaft seit Jahren Stammgast. Bruder Tobias ist sogar Fanbeauftragter.

"Als Ultra kann man kein Rassist sein"

Auch die politische Gesinnung von Dominik Stürmer ist in Aalen kein Geheimnis: Als ein "Rechercheteam Ostalb" Stürmer outete und ein Foto postete, das ihn mit einem Tattoo der Schwarzen Sonne, dem SS-Symbol aus der Wewelsburg, zeigte, wurde der Verein mit den Vorwürfen gegen den damaligen Aalener Vorsänger konfrontiert. Im Gegensatz zu heute blieb damals ein Statement aus.

Wesentlich souveräner reagierte schon 2013 die "Crew Eleven", die einwilligte, sich zusammen mit Stürmer mit dem Autor in Aalen zu treffen. Stürmer versuchte dabei ein wenig ungeschickt, sich vorsichtig von rechts zu distanzieren, um seinen Status bei der "C11" nicht zu verlieren, die es offenbar so hält wie viele Ultra-Gruppen: Rechte werden in der Kurve zwar notfalls geduldet, aber aufgefordert, sich nicht politisch zu äußern. Der zweite C11-Vertreter versicherte derweil, als Ultra könne man "kein Rassist sein. Wenn man alles für die Stadt und den Verein tut, schließt das auch Ausländer ein, die in der Stadt wohnen".

Dass Stürmer damals log, als er im Buch "Kurvenrebellen" seine Zugehörigkeit zur rechten Szene als "Jugendsünde" bezeichnete, ist offensichtlich. Damals behauptete er, er sei kein Mitglied der NPD, auf einer NPD-Wahlkampfveranstaltung sei er nur gesichtet worden, weil er auf die falsche Seite der Absperrung geraten sei. Dass er kurz zuvor gepostet hatte, wer den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung bezeichne, sei ein "Heuchler und Geschichtsfälscher", konnte er allerdings nicht so recht erklären. Dafür beteuerte er, dass ihm seine Ultra-Gruppe und der Verein wichtiger seien als Politik.

Dass genau das nicht stimmt, scheint die Crew Eleven verstanden zu haben. Auf Nachfrage erklärt sie: "Dominik Stürmer ist seit einiger Zeit kein Mitglied der C11 und auch seit rund zwei Jahren kein Vorsänger mehr. Dies kann anhand von Bildern auch nachvollzogen werden. Unsere Gruppe distanziert sich von Rechtsradikalismus und will damit nichts zu tun haben. Mehr gibt es nicht zu sagen."