In Social Networks verbreitet sich mit der Überschrift „Deutscher Künstler spricht aus, was viele denken“ ein Artikel aus einem verschwörungsideologischen Online-Magazin über Xavier Naidoo. Weit über die Reichsbürgerszene hinaus wird dieser selbst von Pegida- und HoGeSa-Ablegern begeistert bejubelt. Anhänger des Mannheimer Sängers hoffen nun dass dieser in einer breiten Öffentlichkeit benennt, was er seit Jahren in einer Szenensprache codiert andeutet.
Um zu verstehen worin es in der Kritik an Xavier Naidoo geht, muss man wissen, dass Verschwörungstheorien ein Kern von extrem rechter Ideologie ist. Kernelement der Ideologie von Adolf Hitler und der NSDAP war der Glaube an eine angebliche jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung. Diese führte schließlich dazu was die Nazis euphemistisch „Endlösung der Judenfragen“ nannten, was praktisch die Ermordung aller Menschen bedeutete, die die Nazis als Juden definierten. Dieser Massenmord, die Shoah, wurde erst 1945 mit der Befreiung Deutschlands durch die Streitkräfte der Alliierten gestoppt. Bis dahin ermordeten die Nazis und ihre Mittäter systematisch etwa 6 Millionen Juden.
Popstar Naidoo auf Abwegen © Kaspar Schmied
In den Politik- und Sozialwissenschaften werden unterschiedliche rechte Einstellungen differenziert. Diese können Beispielsweise Antisemitismus, Antiislamismus/Islamfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit/Rassismus, Chauvinismus (Nationalismus), Sozialdarwinismus/Wohlstandschauvinismus, Befürwortung einer (rechts)autoritären Regierungsform und Verharmlosung (bzw. Verherrlichung) des Nationalsozialismus sein. Es kann also auch jemand der sich gegen Rassismus engagiert antisemitische Einstellungen verbreiten oder jemand der sich gegen Antisemitismus engagiert rassistische Einstellungsmuster zeigen.
Xavier Naidoo beschreibt in mehreren Interviews wie er als Kind und Jugendlicher Betroffener von Rassismus wurde. Dies hinderte ihn aber 2009 nicht daran in seinen Song „Raus aus dem Reichstag“ an eine antisemitische Verschwörungstheorie der NSDAP anzuknüpfen:
„Baron Totschild gibt den Ton an und er scheißt auf euch Gockel. Der Schmock ist’n Fuchs und ihr seid nur Trottel.“
Drei eindeutige antisemitische Sprachcodes in zwei Sätzen unterzubringen ist fast schon genial. Mit „Baron Totschild“ spielen etwa auch Neonazis auf die jüdische Bankiers-Familie Rothschild an, denen schon die Nazis unterstellten, hinter dem Federal Reserve System (FED) und damit hinter dem Banken- und Zinssystem zu stehen, dem in verschwörungsideologischer Manier die Schuld am allen sozialen Missständen und Kriegen der Welt gegeben wird. Das Wort Schmock wird spätestens seit dem Lustspiel „Die Journalisten“ von Gustav Freytag abwertend für jüdische Journalisten oder jüdische Snobs verwendet. Auch der schlaue Fuchs ist seit dem nationalsozialistisch-antisemitischen Kinderbuch „Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid!“ von Elvira Bauer eindeutig antisemitisch konnotiert.
Screenshot von TruTube: „Xavier Naidoo - Raus aus dem Reichstag“
Einstiegsdroge in religiöse und politische Sekten
Obwohl dies bereits alles bekannt, wird es dennoch von einer breiten Öffentlichkeit unterschätzt. Die Jury des Negativpreises das „Goldene Brett vorm Kopf“ warnten ausdrücklich bei der Verleihung vor dem Mannheimer Soulsänger und dessen Engagement als Einstiegsdroge in ein ganzes Geflecht aus abstrusen Verschwörungstheorien, die sehr gefährlich werden können.
Xavier Naidoo und die Söhne Mannheims geben sich sehr christlich. Bereits im Juni 1999 sprach Naidoo im Interview mit dem Musikexpress unter anderem von einer Apokalypse und von Mannheim gegen Amerika, dass laut ihm untergeht wie Atlantis. Vielleicht wäre Xavier Naidoo wenn er nicht so ein erfolgreicher Musiker wäre, längst Mitglied einer christlichen Untergangs-Sekte.
In dem Interview bezeichnet er Musik als seine Waffe und erzählt, dass er nicht zum Arzt geht. In Deutschland sterben Kinder, weil Eltern diese nicht gegen Masern impfen lassen oder auf obskure Heilsversprechen wie auf die antisemitisch begründete „Neue Germanische Medizin“ hereinfallen. Alleine schon dies vermutlich ein Grund dem Mannheimer Popstar keine Bühne für seine kruden und gefährlichen Thesen zu geben.
(R)evoluZion
Aber Xavier Naidoo und die Söhne Mannheims gehen noch weiter. Mit dem Song „Babylon System“ rufen diese zum Systemsturz auf. Dabei stellen sie in antimoderner Manier das vermeintlich gute „Zion“ gegen das vermeintlich sündige „Bayblon System“. Ein Freund-Feind-Schema, dass auch bei Nazis ankommt und Anknüpfungspunkte an den christlichen Antisemitismus bietet. Über „Babylon“ als Bild für die westliche Zivilisation in HipHop und Reggae schrieb bereits 2005 der Historiker an Jan Buschbom vom Violence Prevention Network für die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung.
Nachdem Xavier Naidoo am 3. Oktober 2014 eine Reichsbürgerdemonstration vor dem Reichstag unterstützte, hielt er auch eine Rede auf einer zweiten Demonstration. Diese wurde vom damaligen „AK Berlin“ um Carsten H. und dem Reichsbürgeraktivisten Christoph Kastius sowie um den Chefredakteur des Querfrontmagazins Compact, Jürgen Elsässer, organisiert. Mit der Parole „EVOLution“ wurde zu dieser mobilisiert. Wenige Wochen später rief der christliche Reichsbürgeraktivist Denis B. mit „RevolutZion“ zum Bundestagssturm auf.
Ebenso deutlich wurde der Gitarrist der Söhne Mannheims, Andreas Bayless, am 22. März 2015 auf Faceboook, als er einen Artikel beim Teilen mit „(R)evoluZion!!!“ überschrieb. Das aktuelle Best of Album der Söhne Mannheims heißt „EvoluZion“. Nachdem Xavier Naidoo sich offensichtlich in einem Mischspektrum aus Erweckungschristen, Truthern, Rechts-Libertären, antisemitischen Grüppchen und Reichsbürgern bewegt, bekommt dieser religiös-politische Bezugspunkt der Söhne Mannheims noch eine deutlichere Brisanz.
„Ich will kein Blut. Ich setze meine Musik als legale Waffe ein. Meine rechte Hand schreibt meine Texte - und die sind gesalzen. Ich habe etliche Texte noch nicht veröffentlicht, weil ich weiß, daß sie zu kraß rübergekommen wären“, erzählte Naidoo in dem oben genannten Interview mit dem Musikexpress.
Einige seiner Anhänger warten voller Hoffnung darauf, dass er seine verklausulierten politischen und religiösen Botschaften aus seinen Songs und Aussagen endlich einer breiten Öffentlichkeit erklärt. Verbreitet wurden diese bereits millionenfach, verstehen tun diese aber bisher nur die Fankreise des Mannheimer Sängers, die sich in religiösen, verschwörungsideologischen und antisemitischen Foren austauschen.
Popstars und ihre Rollen
Man lernt nie aus. Ich habe bis heute "Du bist ja ein ganz schlauer Fuchs." immer völlig wertungsfrei zu jemandem gesagt. Wertungsfrei vor allem in Bezug auf Rasse und Ideologie. Und bis heute hat mich auch noch nie jemand darauf angesprochen, dass diese Aussage anti-semitisch wäre. Ich möchte die vermeindlich versteckten Botschaften in den Liedern des Herrn Naidoo nicht abwerten. Aber alleinig daraus eine Verschwörungstheorie zu kreieren, ist ein bisschen wagemutig.
Doch nun zur Rolle und Verkörperung einer Ideologie.
Betrachten wir die Lage mal von der finanziellen Seite. Als Musiker kann man entweder einfach nur Musik machen, oder man schafft sich eine Rolle. Bushido ist der böse Rüpel-Rapper, Madonna die sündige Nonne, Rammstein die brachialen Rechtsextremisten, und so weiter. Mit dieser Differenzierung schafft man sich einerseits treue Fans und andererseits heizt man die damit die Diskussionen an. Man könnte dies auch unter dem Begriff Marketing zusammen fassen.
Nur wenn man eine große Fangruppe hat und ständig in den Medien präsent ist, kann man als Musiker/Band davon leben. Herrn Naidoo und seinen Kollegen unterstelle ich mal, dass sie für Geld so ziemlich vieles tun würden.
Kurzum: Die Frage ist, ob Herr Naidoo nur eine Rolle verkörpert oder im Geiste wirklich so tickt. Es ist kein Geheimnis, dass erdachte, wilde Sexgeschichten für einen Rockmusiker ebenso zur täglichen Berichterstattung dazu gehören, wie die Verbindungen zum Milieu einen Rapper erst zu dem machen was er darstellen soll.
Rammstein sind weder rechts noch politisch
"Rammstein die brachialen Rechtsextremisten"
Das würde mich wundern. Rammstein ist eine so ziemlich unpolitische Band. Und wenn die sich mal politisch positioniert hat, dann eher links, wie etwa in dem Song "Links 2-3-4" http://www.dailymotion.com/video/x7h8v_rammstein-links-2-3-4_news.
Das Marketing ist eher die brachiale Aufmachung und die Musik an sich. Ohne irgend einen polit-noncence. Dazu erklärte einer der Mitglieder in einem Interview, dass die Aufmachung so gewählt wurde, dass sie zu der Musik passt. Er sagte so etwas ähnliches wie: "Wäre der Stil nicht brachial, sondern ordentlich, wäre es so, wie wenn sie so ein modernes und abstraktes Bild haben - und dann hängen sie einen Barock-Rahmen drum - das passt einfach nicht zusammen! Deshlab müssen die Band und die Videos so brachial aussehen, wie es die Lieder und die Musik sind."
Damit ist Rammstein schlimmstenfalls kommerziell. Aber sie fischen nicht in braunen Gewässern.
PS: Auf dem Cover des Albums "Herzeleid" sind die Bandmitglieder oben ohne abgebildet. Dafür wurden sie gleich doppelt beschuldigt: einige sagten, sie würden sich als die "Herrenrasse" präsentieren, andere beschuldigtren sie, sie wären alle schwul.
So viel zu Gerüchten!